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AU-Bescheinigung nach 6wöchiger Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall

Ein Arbeitnehmer ist auch nach Ablauf der sechswöchi­gen Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall dazu verpflichtet, seinem Arbeitgeber weitere ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorzulegen. Legt ein Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber keine weiteren Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vor, so kann dieser das bestehende Arbeitsverhältnis unter Umständen fristlos kündigen (LAG Sachsen-Anhalt, urteil vom 24.04.1996, Az.: 3 Sa 449/95).

 

Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt

Az.: 3 Sa 449/95

Urteil vom 24.04.1996 

Vorinstanz: ArbG Halle, Az: 11 Ca 4868/94

 

In dem Rechtsstreit hat die 3. Kammer des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt auf die mündliche Verhandlung vom 24. April 1996 für Recht erkannt:

 

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Halle vom 23.03.1995 – 11 Ca 4888/94 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

 

TATBESTAND:

Der Kläger wehrt sich gegen die ihm am 15.11…. zugegangene fristlose Kündigung vom 12.11,1994, die der Beklagte dar­auf stützt, dass ihm der Kläger nach Ablauf der sechswöchi­gen Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall am 31.10.1994 keine weitere ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorgelegt hat.

 

Durch Urteil vom 23.03.1995, auf das hiermit zur näheren Sachdarstellung Bezug genommen wird, hat das Arbeitsge­richt festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Par­teien durch die fristlose Kündigung nicht beendet worden ist, sondern bis zum Ablauf der Kündigungsfrist am 15.12.1994 fortbestanden hat. Zur Begründung hat das Arbeits­gericht maßgeblich darauf abgestellt, die Kündigung sei unwirksam, weil es an einer vorhergehenden Abmahnung fehle.

 

Gegen dieses ihm am 05.05.1995 zugestellte Urteil richtet sich die am 17.05.1995 eingelegte und zugleich begründete Berufung des Beklagten. Der Beklagte behauptet unter Beweisantritt, er habe am 05.11.1994 vom Kläger erneut die Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung verlangt und dem Kläger angedroht, das Arbeitsverhältnis fristlos zu kündigen, wenn eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht unverzüglich nachgereicht werde.

 

Der Beklagte beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Halle vom 23.03.1995 – 11 Ca 4868/94 – abzuändern und die Klage unter Aufhebung des Versäum­nisurteils vom 23.02.1995 abzuweisen.

 

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

 

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil nach nähe­rer Maßgabe der Berufungserwiderung vom 25.06.1995.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird Bezug genommen auf den vorgetragenen Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschrift.

 

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat den Rechtsstreit jedenfalls im Ergebnis zu­treffend entschieden. Die fristlose Kündigung vom 12.11 1994 ist in Ermangelung eines wichtigen Grundes gemäß § 626 Abs. 1 BGB auch dann unwirksam, wenn die behaup­tete Abmahnung vom 05.11.1994 als richtig unterstellt wird.

Allerdings hat der Kläger seine arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt, weil er dem Beklagten nach dem 31.10.1994 keine neue ärztliche Bescheinigung über die Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit vorgelegt hat. Der Kläger war hierzu trotz Ablaufs der sechswöchigen Ent­geltfortzahlung im Krankheitsfall (§ 3 I 1 EFZG) ver­pflichtet. Denn die Pflicht zur Vorlage einer ärztli­chen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung besteht gemäß §51 Satz 2 bis 4 EFZG unabhängig davon, ob der Ar­beitnehmer (noch) einen Entgeltfortzahlungsanspruch geltend machen kann (vgl. Schmitt, Entgeltfortzah­lungsgesetz, 2. Auflage, § 5 Rz. 26; Kaiser-Dunkl- Hold-Kleinsorge, Entgeltfortzahlungsgesetz, 3. Auf­lage, § 5 Rz. 23). Das ergibt sich sowohl aus dem Wort­laut des § 5 EFZG, der keine Ausnahme vorsieht, als auch aus Sinn und Zweck der Regelung. Die Arbeitsun­fähigkeitsbescheinigung hat nicht nur den Zweck, die Tatsache der Arbeitsunfähigkeit durch ärztliches At­test nachzuweisen. Sie soll vielmehr den Arbeitgeber aufgrund der ärztlichen Angaben über die voraussiehtliche (Fort-)Dauer der Arbeitsunfähigkeit auch in die Lage versetzen, möglichst frühzeitig die wegen des fort­gesetzten Ausfalls des Arbeitnehmers notwendig werdenden betrieblichen Dispositionen treffen zu können. Die Ver­letzung dieser dem Arbeiter gemäß § 5 EFZG obliegenden Pflicht, seine Arbeitsunfähigkeit durch ärztliche Be­scheinigung nachzuweisen, kann aber nur unter besonde­ren Umständen ein wichtiger Grund für eine außerordent­liche Kündigung sein. Denn in ihrer Bedeutung für die Wahrung berechtigter Interessen des Arbeitgebers tritt sie regelmäßig hinter die in § 5 I Satz 1 EFZG geregelte Pflicht zurück, dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzutei­len. Zwar wird die persönliche Meldung des Arbeitnehmers in der Regel weniger zuverlässig sein als die ärztliche Angabe. Die Mitteilung ermöglicht dem Arbeitgeber aber doch, zunächst erst einmal zu disponieren. Angesichts des danach regelmäßig geringeren Gewichts der Nachweis­pflichtverletzung bedarf es deshalb der Feststellung erschwerender Umstände des Einzelfalles, die ausnahms­weise die Würdigung rechtfertigen, dem Arbeitgeber sei die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zuzumuten (vgl. BAG AP-Nr. 93 zu § 626 BGB).

Solche besonderen Umstände liegen hier nicht vor. Der Kläger hat sich nicht überhaupt geweigert, seine Arbeits­unfähigkeit nachzuweisen. Er ist vielmehr während der ersten sechs Wochen seiner Pflicht zur Vorlage von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen nachgekommen. Für die

Zeit danach hat er sich offensichtlich (gemeinsam mit der ihn behandelnden Ärztin) über das Bestehen einer diesbe­züglichen Verpflichtung geirrt und gemeint, die Beschei­nigung müsse nur noch bei der Krankenkasse eingereicht werden. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, daß der Kläger den Beklagten über sein weiteres Fehlen und dessen nicht absehbare Dauer nicht im Ungewissen ge­lassen hat. Er hat den Beklagten vielmehr unstreitig fast täglich informiert. Dem Dispositionsinteresse des Beklag­ten war damit bereits weitgehend Rechnung getragen. Dar­auf, daß der Kläger den Beklagten nicht von sich aus an­gerufen hat, kommt es nicht an. Hinzu kommt, daß der Be­klagte durch den Anruf bei der behandelnden Ärztin über die Ungewißheit der Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit des Klägers informiert war.

Unter diesen Umständen ist die Verletzung der Nachweis­pflicht des § 5 I 4 EFZG durch den Kläger jedenfalls nicht so schwerwiegend, daß sie trotz der unterstellten Abmahnung die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist am 15.12.1994 unzumutbar macht.

 

Die Berufung des Beklagten gegen das zutreffende Urteil des Arbeitsgerichts kann deshalb keinen Erfolg haben und war mithin zurückzuweisen.

 

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.

 

Gegen dieses Urteil ist ein Rechtsmittel daher nicht gegeben.

 

Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 72 a ArbSG wird hingewiesen.

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