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Aufhebungsvertrag mit Arbeitnehmer als Haustürgeschäft?

ArbG Solingen – Az.: 3 Ca 1177/16 lev – Urteil vom 03.11.2016

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

3. Der Streitwert beträgt 11.200,00 EUR

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit eines Aufhebungsvertrages.

Die 49-jährige Klägerin war bei dem Beklagten, einem Verein, seit dem 15.01.2015 gegen eine monatliche Vergütung in Höhe von 2.800,00 EUR brutto tätig. Das Arbeitsverhältnis war bis zum 14.01.2017 befristet.

Am 10.03.2016 erschien der als „Geschäftsführer“ beschäftigte Mitarbeiter des Beklagten, Herr P., während der Arbeitszeit bei der Klägerin und bat diese um ein Gespräch. In diesem hielt er der Klägerin vor, einen Arbeitszeitbetrug begangen zu haben. Nach Vorlesen eines bereits vorbereiteten Aufhebungsvertrages (Bl. 62 ff.) unterzeichneten die Klägerin und Herr P. den Vertrag. In dem Aufhebungsvertrag wurde vereinbart, dass das Arbeitsverhältnis zum 31.07.2016 sein Ende finden sollte. Bis zu diesem Beendigungszeitpunkt sollte das Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß abrechnet und abgewickelt werden. Des Weiteren sollte die Klägerin den Jahresurlaub in natura nehmen. Die Arbeitnehmerin sollte zudem ein qualifiziertes Zeugnis erhalten. Ansprüche aus sämtlichen Altersversorgungen sollten bestehen bleiben. Im Vertrag sind noch Hinweise auf die Pflicht zur Arbeitslosmeldung bei der Bundesagentur für Arbeit sowie auf negative Folgen, wie beispielsweise eine Sperrzeit, enthalten. Zudem heißt es darin, dass die Arbeitnehmerin ausdrücklich auf ein Widerrufsrecht verzichtet. Der Vertrag ist von Herrn P. unterzeichnet. Unter seinem Namenszug steht „Geschäftsführung“.

Herrn P. wurde bereits am 15.01.2016 (Bl. 36 d. Akte) eine rechtsgeschäftliche Vollmacht erteilt, insbesondere zum Abschluss, Änderung und Beendigung von Anstellungsverträgen mit Mitarbeitern. In § 3 der Geschäftsordnung für den Vorstand des Beklagten (Bl. 41 ff. d. Akte) heißt es, dass die vom Vorstand eingestellte Geschäftsführung für die operative Abwicklung aller Maßnahmen und Einrichtungen des Vereins zuständig ist. Dies umfasse insbesondere die Verantwortung für das Personalwesen und das damit verbundene Führungs- und Weisungsrecht gegenüber den Mitarbeitern sowie das Finanz- und Rechnungswesen. Weiteres regele eine verbindliche Stellenbeschreibung. In der Stellenbeschreibung (Bl. 43 d. Akte) heißt es, dass zu den Aufgaben der Geschäftsführung insbesondere die Verantwortung für das gesamte Personalwesen und die Personalführung, sowie Beschaffung, Auswahl, Einstellung, Entwicklung, Beurteilung, Entlassung, sowie das Führen von Arbeitsrechtsstreiten gehören.

Aufhebungsvertrag mit Arbeitnehmer als Haustürgeschäft?
(Symbolfoto: Image Source Collection/Shutterstock.com)

Mit Schreiben vom 10.03.2016 (Bl. 56 d. Akte) widerrief die Klägerin die Vereinbarung. Im Juli 2016 hat die Klägerin nicht gearbeitet; in der Zeit vom 08. bis 31.07.2016 war sie arbeitsunfähig erkrankt. Mit Schreiben vom 24.08.2016 (Bl. 5 d. Akte) hat die Klägerin den Aufhebungsvertrag angefochten. Mit Schreiben vom 09.09.2016 (Bl. 58 d. Akte) hat sie die vollständige Lohnzahlung für den Monat Juli 2016 angemahnt. Des Weiteren hat sie eine Zahlungsfrist von 7 Tagen gesetzt, andernfalls werde überlegt, den Rechtsstreit um einen Zahlungsanspruch zu erweitern. Mit Schreiben vom 27.09.2016 (Bl. 54 ff. d. Akte) hat der Beklagte erklären lassen, dass der Vertrag vom 10.03.2016 erfüllt sei. Der Nettobetrag für Juli sei am 20.07.2016 überwiesen und am 27.07.2016 gutgeschrieben worden. Das Zeugnis sei versandt worden. Der Urlaubsanspruch sei in natura genommen worden. Mit Schreiben vom 26.09.2016 erklärte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin wiederum eine Abrechnung liege nicht vor. Auch sei das Nettoentgelt nicht gutgeschrieben worden. Das Zeugnis sei nicht eingegangen. Urlaubstage seien nicht gewährt worden. Gleiches gelte für die anteilmäßige Zahlung des Weihnachtgeldes. Vor diesem Hintergrund erkläre die Klägerin den Rücktritt vom Aufhebungsvertrag.

Die Klägerin hat zunächst vorgetragen, Herr P. habe im Gespräch am 10.03.2016 erklärt, sie müsse den vorbereiteten Vertrag unterzeichnen. Er habe ihr eine Weisung erteilt. Daraufhin habe sie den Vertrag unterzeichnet. Dann erst sei ihr erläutert worden, dass Gegenstand des Vertrages Beendigung des Arbeitsverhältnisses sei. Hätte sie gewusst, dass es sich um einen Aufhebungsvertrag gehandelt habe, wäre sie der Weisung nicht gefolgt. Der Beklagte hätte sie nicht unter Druck setzen dürfen. Im Termin am 08.09.2016 hat die Klägerin dann erklärt, die Vertragsklauseln des Aufhebungsvertrages habe Herr P. vorgelesen, allerdings relativ flott. Mit Schriftsatz vom 26.10.2016 bestätigte sie ihren Vortrag, sie habe die Vereinbarung unterzeichnen müssen. Die Klägerin macht des Weiteren geltend, die Schriftform sei nicht eingehalten. Es fehle eine eigenhändige Unterschrift. Ein Vertretungsverhältnis werde nicht deutlich. Der Hinweis auf die Geschäftsführung lasse nicht auf ein Vertretungsverhältnis schließen.

Sie habe die Vereinbarung nach § 312 ff. BGB widerrufen. Zudem sei die Vereinbarung nach § 307 ff. BGB unwirksam. Eine kompensierende Gegenleistung gebe es nicht. Schließlich sei sie wirksam vom Vertrag zurückgetreten. Der Beklagte sei der Vereinbarung nicht nachgekommen und habe das Arbeitsverhältnis nicht ordnungsgemäß abgerechnet; es seien nicht alle 18 offenen Urlaubsansprüche abgegolten worden.

Die Klägerin beantragt zuletzt:

1. Den Beklagten zu verurteilen, sie über den 31.07.2016 zu den Konditionen des am 06.01.2015 geschlossenen Arbeitsvertrages als Mitarbeiterin in der Betreuung und Pflege mit fachspezifischer Berufsausbildung tatsächlich zu beschäftigten.

2. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien fortbesteht.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Er macht geltend, die Klägerin sei im Februar 2016 an mehreren Tagen bei dem Dienst von 13:00 bis 22:00 Uhr eingeteilt gewesen. Diese Zeiten seien von der Klägerin auch auf der Stundenaufrechnung als Anwesenheitszeiten eingetragen worden. Tatsächlich sei sie allerdings am 09., 19., 22., 23. und 25.02.2016 jeweils 30 Minuten bzw. einmal 2,5 Stunden früher gegangen, was alles unstrittig ist. Insgesamt habe die Klägerin einen Arbeitszeitbetrug von 4,5 Stunden begangen.

Im Gespräch am 10.03.2016 habe die Klägerin den Arbeitszeitbetrug grundsätzlich zugegeben. Herr P. habe ihr einen Aufhebungsvertrag bis zum 31.03.2016 angeboten und diesen vorgelesen, was inzwischen unstreitig ist.

Der Beklagte macht des Weiteren geltend, Herr P. sei bevollmächtigt gewesen. Er habe am 15.01.2016 eine Vollmacht erhalten, was inzwischen ebenfalls unstreitig ist. Zudem sei er durch die Satzung und die Geschäftsordnung bevollmächtigt. Schließlich habe der Vorstand den Aufhebungsvertrag vom 14.10.2016 genehmigt (Bl. 44 d. Akte), was unstrittig ist.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Parteienschriftsätze sowie den gesamten weiteren Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

A.

Der Klageantrag zu 2 .ist unbegründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien besteht nicht fort; es ist durch den Aufhebungsvertrag vom 10.03.2016 zum 31.07.2016 beendet worden. Der Vertrag ist wirksam.

I. Der Aufhebungsvertrag vom 10.03.2016 ist nicht gemäß §§ 142 Abs. 1, 123 BGB wegen Anfechtung unwirksam. Ein Anfechtungsgrund liegt nicht vor.

1. Ein Anfechtungsgrund ist nicht ersichtlich. Die Klägerin hat weder eine arglistige Täuschung noch die widerrechtliche Drohung mit einem Übel geltend gemacht.

a) Den ursprünglichen Vortrag, sie habe den Vertrag unterschreiben müssen, ohne ihn zu kennen, hat die Klägerin so nicht aufrechterhalten können. Sie hat im Gütetermin zugestanden, dass Herr P. den Vertrag zunächst laut vorgelesen hat. Wie es zudem offensichtlich unzutreffenden Vortrag in der Klageschrift gekommen ist, hat die Klägerin im Übrigen nicht weiter geklärt.

Im Übrigen ist auch keine widerrechtliche Drohung mit einem Übel zu erkennen. Nach der ständigen Rechtsprechung des BAG ist die Drohung mit einer außerordentlichen Kündigung dann widerrechtlich, wenn ein verständiger Arbeitgeber eine solche Kündigung nicht ernsthaft in Erwägung ziehen durfte ((BAG, 28.11.2007 – 6 AZR 1108/06). Bei einem Arbeitszeitbetrug darf ein verständiger Arbeitgeber aber eine außerordentliche Kündigung in Erwägung ziehen.

b) Rechtlich nicht relevant ist auch der Vortrag der Klägerin, sie habe die Weisung erhalten, den Vertrag unterschreiben zu müssen. Selbst wenn dieser Vortrag als zutreffend unterstellt werden sollte, so hat dieser doch keine rechtlichen Folgen. Ein Weisungsrecht des Arbeitgebers besteht insoweit nicht. Gemäß § 106 Satz 1 GewO kann der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung näher bestimmen. Dies bezieht sich daher nicht auf den Abschluss des Arbeitsvertrages bzw. des Aufhebungsvertrages. Sollte sich die Klägerin insoweit in einem Rechtsirrtum befunden haben, so führt dieser nicht zu einem Anfechtungsrecht.

II. Der Aufhebungsvertrag ist auch nicht wegen Verstoßes §§ 125, 126, 623 BGB nichtig.

1. Gemäß § 623 BGB bedarf ein Aufhebungsvertrag zu seiner Wirksamkeit der Schriftform. Nach § 126 Abs. 1 BGB muss die Urkunde bei einer gesetzlich vorgeschriebenen Schriftform von dem Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift unterzeichnet werden. Nach § 125 Satz 1 BGB ist ein Rechtsgeschäft, das gegen die gesetzliche Schriftformerfordernis verstößt, nichtig.

Unterzeichnet für eine Vertragspartei ein Vertreter die Erklärung, so muss das Vertretungsverhältnis in der Urkunde zum Ausdruck kommen, was insbesondere durch einen entsprechenden Zusatz bei der Unterschrift erfolgen kann (vgl. BAG, 28.11.2007 – 6 AZR 1108/06). Für die Frage, ob jemand eine Erklärung im fremden Namen abgibt, kommt es auf deren objektiven Erklärungswert an. Maßgeblich ist gemäß § 157 BGB, wie sich die Erklärung nach Treue und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte für den Empfänger darstellt. Hierbei sind außer dem Wortlaut der Erklärung alle Umstände zu berücksichtigen, die unter Beachtung der Verkehrssitte Schlüsse auf den Sinn der Erklärung zulassen. Von Bedeutung sind insbesondere die dem Rechtsverhältnis zugrunde liegenden Lebensverhältnisse, die Interessenlage, der Geschäftsbereich den der Erklärungsgegenstand angehört und verkehrstypische Verhaltensweisen. Die gesetzliche Schriftform ist gewahrt, wenn der so ermittelte rechtsgeschäftliche Vertretungswille in der Urkunde, wenn auch nur unvollkommen, Ausdruck gefunden hat (BAG, 28.11.2007 – 6 AZR 1108/06).

Das Vertretungsverhältnis kann daher nicht nur durch einen entsprechenden Zusatz bei der Unterschrift, sondern auch durch sonstige Umstände und dem Vertragsinhalt nach zum Ausdruck kommen (vgl. etwa LAG Hessen, 04.03.2013 – 17 Sa 633/12). Der Zusatz „i.V.“ ist nicht erforderlich, wenn offensichtlich ist, dass der Unterzeichnende nicht im eigenen Namen handelt (BGH, 19.09.2007 – XII ZR 121/05). Ausreichend kann etwa sein, wenn der Unterzeichnende, der im Vertrag nicht als Vertragspartei aufgeführt wird, im Namen derjenigen Partei unterzeichnet, die im Vertrag als Partei bezeichnet wird (BGH 19.09.2007 – XII ZR 121/05).

2. Unter Anwendung dieser Grundsätze kommt im Aufhebungsvertrag vom 10.03.2016 hinreichend zum Ausdruck, dass der Mitarbeiter P. als Vertreter für den Beklagten gehandelt hat. Im Rubrum der Vereinbarung wird ausdrücklich der Beklagte als Partei des Aufhebungsvertrages aufgeführt. Des Weiteren ist dort klargestellt, dass der Verein durch den Vorstand vertreten wird. Namentlich sind die Vorsitzende und der stellvertretende Vorsitzende aufgeführt. Wenn der Mitarbeiter P. dann seine Unterschrift mit der Kennzeichnung Geschäftsführung leistet, wird hinreichend deutlich, dass er für den Beklagten als Vertreter handeln will. Er selbst ist eben nicht Partei des Vertrages. Und als Geschäftsführer des Beklagten will er eben auch für den Beklagten handeln.

III. Die Klägerin hat den Aufhebungsvertrag auch nicht wirksam gemäß § 312 ff. BGB widerrufen. Es handelt sich nicht um ein Haustürgeschäft.

1. Das BAG hat bereits zur alten Fassung des § 312 BGB entschieden, dass der Aufhebungsvertrag kein Haustürgeschäft im Sinne dieser Vorschrift ist (BAG 27.11.2003 – 2 AZR 135/03). Zum 13.06.2014 sind die §§ 312 ff. BGB allerdings neu gefasst worden. Aber auch insoweit wird jedenfalls für innerhalb der Geschäftsräume des Arbeitgebers geschlossene Aufhebungsverträge kein Widerrufsrecht angenommen (vgl. etwa Fischinger/Werthmüller, NZA 2016, 193 ff.; Bauer/Arnold/Zeh, NZA 2016, 449 ff.; Kamanabrou, NZA 2016 919 ff.).

2. Dieser Auffassung schließt sich die Kammer an. Der Arbeitsplatz ist nicht als Geschäftsraum in diesem Sinne anzusehen. Die Situation beim Abschluss von arbeitsvertraglichen Aufhebungsverträgen am Arbeitsplatz ist nicht vergleichbar mit Verträgen außerhalb von Geschäftsräumen.

IV. Der Aufhebungsvertrag ist auch nicht gemäß § 307 ff. BGB unwirksam. Eine unangemessene Benachteiligung besteht nicht.

1. Dabei kann zugunsten der Klägerin unterstellt werden, dass es sich um eine allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne der §§ 305 ff. handelt. Kontrollfähig sind allerdings nicht die Hauptleistungspflichten. Dementsprechend ist die Beendigungsvereinbarung in einem Aufhebungsvertrag als solche nicht der Angemessenheitskontrolle unterworfen (vgl. etwa BAG, 24.02.2016 – 5 AZR 258/14).

2. Sofern die Klägerin geltend macht, der Beendigung stehe keine angemessene Gegenleistung gegenüber, scheint sie auf die Rechtsprechung Bezug zu nehmen, die Verzichtserklärungen, etwa der Verzicht auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage, zum Gegenstand haben. Dies ist aber nicht vergleichbar. Gesonderte Verzichtserklärungen im Rahmen von Aufhebungsverträgen betreffen nicht die Hauptleistungspflicht. Im Übrigen ist auch die Auffassung der Klägerin, es bestehe keine hinreichende Gegenleistungsverpflichtung der Beklagten, unzutreffend. Alternativ zum Abschluss des Aufhebungsvertrages hätte der Beklagte auch an eine fristlose Kündigung denken dürfen. Dem Vortrag des Beklagten zum Arbeitszeitbetrug ist die Klägerin nicht entgegengetreten. Vor diesem Hintergrund ist eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses erst zum 31.07.2016 und die entsprechende Abwicklung des Beendigungszeitpunkts sehr wohl eine angemessene Gegenleistung.

V. Die Klägerin ist auch nicht wirksam vom Aufhebungsvertrag gemäß § 323 Abs. 1 BGB wegen nichtvertragsgemäßer Erbringung der Leistung zurückgetreten.

1. Gemäß § 323 Abs. 1 BGB kann der Gläubiger vom Vertrag zurücktreten, wenn der Schuldner bei einem gegenseitigen Vertrag eine fällige Leistung nicht oder nicht vertragsgemäß erbringt, sofern der Gläubiger dem Schuldner erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung bestimmt hat. Auch ein Arbeitnehmer kann grundsätzlich von einer Aufhebungsvereinbarung gemäß 323 Abs. 1 BGB wegen Nichtleistung zurücktreten (vgl. BAG 2..11.2016 – 6 AZR 357/2.). So ist etwa der außergerichtliche Aufhebungsvertrag, mit dem das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung beendet wird, ein gegenseitiger Vertrag im Sinne des § 323 BGB. Allerdings ist § 323 BGB dispositiv (BAG 2..11.2011 – 6 AZR 357/2.).

2. Es kann nach Auffassung der Kammer dahinstehen, ob die Parteien in Nr. 8 des Aufhebungsvertrages ein Rücktrittsrecht ausgeschlossen haben. Dort heißt es, dass die Klägerin ausdrücklich auf ein Widerrufsrecht der Vereinbarung verzichtet. Andere Rechtsgrundlagen für ein etwaiges Widerrufsrecht sind nicht zu erkennen, so dass dies dafür sprechen würde, dass womöglich ein Rücktrittsrecht gemeint war.

3. a) Nach Auffassung der Kammer bestehen bereits erhebliche Bedenken, dass die Pflicht zur ordnungsgemäßen Abrechnung und Abwicklung des Arbeitsverhältnisses bis zum Beendigungszeitpunkt in einem synallagmatischen Gegenseitigkeitsverhältnis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Sinne des § 323 Abs. 1 BGB steht.

b) Zum einen ist die Leistungspflicht nicht konkret bestimmt. Die Parteien haben die etwaige Gegenleistungspflicht des Beklagten nicht konkretisiert. Zum anderen handelt es sich bei der ordnungsgemäßen Abwicklung und Abrechnung um Pflichten im Rahmen eines Dauerschuldverhältnisses. Im Rahmen von Dauerschuldverhältnissen sind aber die Lösungsmöglichkeiten, wie etwa der Rücktritt wegen Leistungsstörungen, durch das Kündigungsrecht ersetzt. Insoweit besteht ein Unterschied zu einem Aufhebungsvertrag, in dem der Arbeitnehmer sich zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen die Zahlung einer Abfindung bereit erklärt. Bei der Abfindungszahlung handelt es sich um eine einmalige Leistungspflicht.

Die Klägerin und ihr Vertreter scheinen dies zunächst genauso gesehen zu haben, da sie in ihrem Schreiben vom 09.09.2016 für den Fall der nicht vollständigen Lohnzahlung die Erweiterung des Rechtsstreits um den Zahlungsanspruch angedroht hatten.

4. Schließlich bestehen die Voraussetzungen eines Rücktrittsrechts auch deshalb nicht, weil die Klägerin keine Frist zur Leistung bestimmt hat.

Im Schreiben vom 09.09.2016 hat die Klägerin konkret lediglich vollständige Lohnzahlung für den Monat Juli angemahnt. Mit Schriftsatz vom 26.10.2016 hat die Klägerin ihren Rücktritt damit begründet, dass der Beklagte den Urlaubsanspruch nicht vollständig abgegolten habe. Der Gläubiger muss aber den Schuldner auffordern, die konkret geschuldete Leistung zu erbringen.

5. Vor diesem Hintergrund kann offen bleiben, ob die Klägerin die Rücktrittserklärung der Klägerin gegen Treue und Glauben verstößt.

Die Klägerin hat die Erfüllung des Aufhebungsvertrages verlangt, obwohl sie selbst zu erkennen gegeben hat, dass sie sich nicht mehr an diesen Aufhebungsvertrag gebunden gefühlt hat. Sie hat diesen vielmehr bereits im März sowie im August widerrufen bzw. angefochten. Nach Auffassung des BGH kann die Ausübung eines Rücktrittsrechts nach Treue und Glauben ausgeschlossen sein, wenn der Zurücktretende selbst nicht vertragstreu ist (vgl. etwa BGH, 13.11.1998 – VZR 386/97).

VI. Nach alldem ist das Arbeitsverhältnis durch den Aufhebungsvertrag wirksam zum 31.07.2016 beendet worden.

B.

Vor diesem Hintergrund besteht auch kein Weiterbeschäftigungsanspruch, so dass der Klageantrag zu 1. ebenfalls abzuweisen war.

C.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO, 46 Abs. 2 ArbGG.

D.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 61 Abs. 1 ArbGG und entspricht 4 Gehältern.

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