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Auskunftsanspruch des Arbeitnehmers nach § 108 Abs 1 GewO

Arbeitszeit und Lohnabrechnungen

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz – Az.: 3 Sa 354/18 – Urteil vom 18.02.2019

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz – Auswärtige Kammern Bad Kreuznach – vom 10.10.2018, Az.: 7 Ca 407/18, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten über einen Auskunftsanspruch des Klägers gegen die Beklagte wegen der im vormals zwischen den Parteien bestehenden Ausbildungsverhältnis angefallenen Arbeitszeiten.

Der Kläger hat im Betrieb des Beklagten, was zwischen den Parteien unstreitig ist, Überstunden geleistet. In den monatlichen Abrechnungen, hinsichtlich deren Inhalts auf Bl. 6 ff d.A. Bezug genommen wird, wurden regelmäßig Überstunden ausgewiesen, abgerechnet und anschließend in Vollzug dessen auch vergütet.

Der Kläger hat vorgetragen, die in den Entgeltabrechnungen erfassten Überstunden bildeten nicht die vollständige Arbeitszeit ab. So seien Fahrzeiten vom Arbeitsort zurück zum Betrieb des Beklagten nicht als Arbeitszeit erfasst worden. Außerdem sei er verpflichtet gewesen, auf einem eigens von der beklagten Partei vorgelegten Vordruck unabhängig von der tatsächlich erbrachten Pausenzeit jeweils 1 Stunde einzutragen. Tatsächlich seien aber nur Pausen von 30 – 40 Minuten gemacht worden. Da der Beklagte ihn veranlasst habe, Stundenaufzeichnungen zu erstellen, habe er darauf vertrauen dürfen, dass seine Arbeitszeitnachweise auch die Grundlage der monatlichen Abrechnung seien. Dementsprechend habe er dem Beklagten mit Schreiben vom 03.05.2018 aufgefordert, die entsprechenden Arbeitszeitnachweise herauszugeben.

In der Anfangszeit des Ausbildungsverhältnisses habe er die korrigierten Arbeitszeitnachweise vom Beklagten in Kopie zurückerhalten. Die klägerseits eingereichten Wochenarbeitszettel belegten umfangreiche wöchentliche Überstunden und einen Verstoß gegen das Jugendarbeitsschutzgesetz. Nachdem sein Vater sich wiederholt mündlich und am 24.10.2017 per E-Mail an den Beklagten gewandt und auf die Überstundenproblematik hingewiesen habe, habe der Beklagte geantwortet, dass ihm die Einhaltung der Vorschriften des Jugendarbeitsschutzgesetzes wirtschaftlich nicht möglich sei. Der Beklagte habe insoweit willkürlich über die geleistete Arbeitszeit des Klägers verfügt. Nachdem der Vater sich beschwert habe, seien keine Wochenarbeitszeitzettel mehr zurückgelangt.

Folglich habe er einen Anspruch auf Auskunft, weil er in entschuldbarer Weise über das Bestehen und den Umfang seines Rechts im Ungewissen sei und der Verpflichtete, also der Beklagte, die zur Beseitigung der Ungewissheit erforderlichen tatsächlichen Angaben unschwer machen könne. auch die Rückfahrtzeiten seien Arbeitszeiten im Sinne des Jugendarbeitsschutzgesetzes. Im Anschluss an die Heimfahrt sei zudem regelmäßig noch das Fahrzeug entladen worden.

Auskunftsanspruch des Arbeitnehmers nach § 108 Abs 1 GewO
(Symbolfoto: Von nik93737/Shutterstock.com)

Der Kläger hat beantragt, der Beklagte wird verurteilt, ihm über die vom 01.08.2017 bis 27.04.2018 im Stundennachweis für Auszubildende bezüglich der einzelnen Tage vorgenommenen Eintragungen zum Beginn und Ende der Arbeitszeit Auskunft und ihm eine Abrechnung über die sich daraus ergebenden Stunden zu erteilen und die Bruttovergütung an ihn zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat vorgetragen, der Kläger habe seine täglichen Arbeitszeiten in den entsprechenden Aufstellungen selbst erfasst. Auf dieser Basis seien die monatlichen Entgeltabrechnungen gefertigt worden. Ebenso habe der Kläger monatliche Entgeltabrechnungen erhalten, in denen getätigte Mehrarbeit, was unstreitig ist, erfasst und ausgezahlt worden sei. Weitergehende Ansprüche stünden dem Kläger nicht zu. Der Kläger wisse, wann er an welchen Tagen wo gearbeitet habe. Er selbst habe nach seinem Bekunden entsprechende Aufstellungen gefertigt. Im Übrigen habe der Kläger pro Tag jeweils deutlich mehr als 30 oder 40 Minuten Pause gemacht. Der Kläger trage falsch vor, wenn er behaupte, dass er bestimmte Arbeitszeiten oder Fahrtzeiten nicht habe erfassen dürfen. Auch habe der Kläger zu keinem Zeitpunkt während der Dauer des Ausbildungsverhältnisses geltend gemacht, dass die Abrechnungen nicht stimmen würden. Ebenso wenig habe er bis zum Ende des Ausbildungsverhältnisses Kopien der von ihm selbst gefertigten Stundenzettel erbeten. Stundenzettel seien auch nicht rechtswidrig verändert worden. Der Beklagte habe letztlich einen Umfang von Mehrarbeit vergütet, der deutlich über der tatsächlichen Arbeitsleistung gelegen habe.

Das Arbeitsgericht Mainz – Auswärtige Kammern Bad Kreuznach – hat daraufhin durch Urteil vom 10.10.2018 – 7 Ca 407/18 – die Klage abgewiesen. Hinsichtlich des Inhalts von Tatbestand und Entscheidungsgründen wird auf Bl. 57 bis 62 d.A. Bezug genommen.

Gegen das ihm am 29.10.2018 zugestellte Urteil hat der Kläger durch am 29.10.2018 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt. Er hat die Berufung durch am 19.12.2018 beim Landesarbeitsgericht eingegangen Schriftsatz begründet.

Der Kläger wiederholt sein erstinstanzliches Vorbringen und hebt insbesondere hervor:

Die Anforderungen an das Verhalten eines minderjährigen Auszubildenden seien im erstinstanzlichen Urteil zu hoch angesetzt. Sofern der Arbeitgeber im Besitz von Zeitaufzeichnungen sei, sei er zur Auskunftserteilung verpflichtet. Der Arbeitgeber könne anhand der Aufzeichnungen die Auskunft unschwer erteilen; die Auskunft diene der Bezifferung des Anspruchs.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens des Klägers im Berufungsverfahren wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 21.11.2018 (Bl. 82 – 84 d.A.) Bezug genommen.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 10.10.2018, – Az.: 7 Ca 407/18 – abzuändern und nach den Schlussanträgen erster Instanz zu erkennen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens und hebt insbesondere hervor:

Die Berufung sei weder zulässig noch begründet. Der Kläger habe die Aufstellungen über seine Arbeitszeiten für die jeweiligen Monate, was zwischen den Parteien unstreitig ist, selbst gefertigt. Auch habe der Beklagte, unstreitig, dem Kläger monatliche Entgeltabrechnungen mit dem regelmäßigen Ausweis und der Abrechnung von Überstunden erteilt. Bis Oktober 2018 habe der Kläger zudem zusätzlich zur Abrechnung auch noch eine Kopie der von ihm selbst gefertigten jeweiligen Aufstellungen mit Korrekturanmerkungen des Beklagten erhalten. Deshalb habe der Kläger durchgängig die konkrete Abrechnungsweise des Beklagten gekannt. Bis zum Ende des Ausbildungsverhältnisses seien keinerlei Einwendungen gegen die Abrechnung erhoben worden. Dies, obwohl jedenfalls seit September/Anfang Oktober 2017 die Ableistung von Überstunden von Seiten des Vaters des Klägers sehr intensiv thematisiert worden sei.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beklagten im Berufungsverfahren wird auf die Berufungserwiderungsschrift vom 18.01.2019 (Bl. 89, 90 d.A.) Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie die zu den Akten gereichten Schriftstücke verwiesen.

Schließlich wird Bezug genommen auf das Sitzungsprotokoll vom 18.02.2019.

Entscheidungsgründe

I.

Das Rechtsmittel der Berufung ist nach §§ 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft. Die Berufung ist auch gem. §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 518, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

II.

Das Rechtsmittel der Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Denn das Arbeitsgericht ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass die vom Kläger erhobene Stufenklage vollumfänglich unbegründet ist.

Dem Kläger steht gegenüber des Beklagten die von ihm geltend gemachte Auskunft über Beginn und Ende der Arbeitszeit für die Zeit vom 01.08.2017 bis 27.04.2018 nicht zu.

Die Stufenklage gemäß § 254 ZPO ist vollumfänglich unbegründet.

Die Besonderheit der Stufenklage liegt in erster Linie darin, dass ein unbestimmter Antrag entgegen § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zugelassen wird. Die Stufenklage soll dem Kläger keineswegs die Prozessführung allgemein erleichtern. Vielmehr muss sein Unvermögen zur bestimmten Angabe der von ihm auf der letzten Stufe seiner Klage beanspruchten Leistung gerade auf den Umständen beruhen, über die er auf der ersten Stufe Auskunft begehrt. Im Rahmen der Stufenklage ist die Auskunft lediglich ein Hilfsmittel, um die (noch) fehlende Bestimmtheit des Leistungsanspruchs herbei zu führen (BGH 29.03.2011 – VI ZR 117/10 (KG), NJW 2011, 1815), jedoch nicht, um sich eine sonstige mit der Bestimmbarkeit als solcher nicht in Zusammenhang stehende Information zu verschaffen (BGH 17.10.2012 – XII ZR 101/10, NJW 2012, 3722). Nicht erforderlich ist, dass durch die in der ersten Stufe geltend gemachte Auskunft alle Informationen zu erlangen sind, die für die Bezifferung des in einer weiteren Stufe verwirkten Leistungsanspruchs notwendig sind. Die Stufenklage ermöglicht es, den gesamten Streitstoff mit einer Klage geltend zu machen. So gesehen ist die Stufenklage ein Sonderfall der objektiven Klagehäufung gemäß § 260 ZPO, nämlich drei Klagen auf Auskunftserteilung, Versicherung der Richtigkeit an Eides Statt und Zahlung oder Herausgabe. Die Besonderheit liegt darin, dass bei Obsiegen des Klägers über die Klageanträge nicht gleichzeitig, sondern stufenweise entschieden wird.

Vorliegend bedarf es aufgrund der Besonderheiten des hier zu entscheidenden konkreten Einzelfalles bereits nicht der geltend gemachten Auskunft, um einen bezifferten Zahlungsanspruch geltend machen zu können; es bedarf der Auskunft nicht als Hilfsmittel, um die (noch) fehlende Bestimmtheit des Leistungsanspruchs herbei zu führen. Zudem steht dem Kläger aufgrund dieser Besonderheiten vorliegend auch kein materiell-rechtlicher Auskunftsanspruch des von ihm geltend gemachten Inhalts zu.

Dem Kläger ist aus eigener Anschauung nach dem Prinzip der Sachnähe Beginn und Ende der Arbeitszeit im fraglichen Zeitraum bestens bekannt. Er weiß, wann er Zuhause aufgebrochen und wann er nach Hause zurückgekehrt ist. Ebenso weiß er aus eigener Anschauung, welche Pausen er tatsächlich in Anspruch genommen hat. Des Weiteren hat der Beklagte – unstreitig – für den gesamten fraglichen Zeitraum Lohnabrechnungen erstellt, die den Anforderungen des § 108 Abs. 1 GWO in Textform genügen. Der Beklagte hat abgerechnet, wie er das Arbeitsentgelt tatsächlich berechnet hat und welche Abzüge er aus welchen Gründen tatsächlich vorgenommen und welche Beträge er abgeführt hat (vgl. BAG 16.12.2015 EzA § 106 SGB III Nr. 1; 07.09.2009 EzA § 188 ZPO 2002 Nr. 1).

Diese Regelung dient der Transparenz; der Arbeitnehmer soll erkennen können, warum er gerade den ausgezahlten Betrag erhält. Die Transparenz erfordert aber bereits insoweit nicht, dass dem Arbeitnehmer eine Abrechnung darüber erteilt wird, wie sein Arbeitsentgelt richtigerweise zu berechnen wäre. Es kommt vielmehr darauf an, wie es der Arbeitgeber tatsächlich berechnet hat und insbesondere welche Abzüge er aus welchen Gründen tatsächlich vorgenommen und welche Beträge er abgeführt hat. Die Abrechnung bezweckt die Information über die erfolgte Zahlung (BAG, 16.12.2015 a.a.O.; vgl. Dörner/Luczak/Wildschütz/ Baeck/Hoß, Handbuch des Arbeitsrechts, 15. Aufl. 2019, Kap. 3 Rn. 724 ff). In diesem Rahmen hat die Beklagte auch stets Überstunden berücksichtigt, abgerechnet und die sich daraus ergebenden Nettobeträge an den Kläger ausgezahlt. Des Weiteren hat der Kläger unstreitig auf Verlangen des Beklagten entsprechende Nachweise ausgefüllt, an den Beklagten übermittelt und jedenfalls bis Oktober 2017 von diesem zurück erhalten, nachdem sie zu Abrechnungszwecken Verwendung gefunden hatten. Vor diesem Hintergrund war der Kläger im Einzelnen informiert, wie der Beklagte der Auffassung war, mit seinen tatsächlichen Angaben abrechnungsmäßig vertragsgemäß verfahren zu müssen. Weiterer Auskünfte des Beklagten, um eine Zahlungsklage beziffern zu können, bedurfte es nicht. Insoweit ist insbesondere auch zu berücksichtigen, dass der Kläger in seinem Klageantrag betreffend die Auskunft selbst auch den Zeitraum geltend macht, für den er – bis Oktober 2017 – unstreitig die von ihm selbst gefertigten Zeitnachweise von dem Beklagten zurück erhalten hat. Dass es weiterer Auskünfte nicht bedurfte, ergibt sich im Übrigen auch bereits aus der Klagebegründung in der Klageschrift vom 18.06.2018 (S. 2, 3 = Bl. 2, 3 d.A.). Denn dort wird geltend gemacht, dass die Fahrtzeiten vom Arbeitsort zurück zum Betrieb des Beklagten nicht berücksichtigt worden seien, dass die von ihm ausgefüllten Pausenzeiten nicht der Wirklichkeit entsprochen hätten, und dass er insbesondere die Fahrtzeiten vom Arbeitsort zurück zum Betrieb nicht als Arbeitszeit habe erfassen dürfen. Warum der Kläger dann der Vorlage von Aufzeichnungen, die er selbst gefertigt hat, bedarf, um einen Zahlungsanspruch beziffert geltend zu machen, obwohl die Angaben in diesen Unterlagen nach seinem eigenen Vorbringen falsch sind, also auch nicht Tatsachengrundlage eines bezifferten Klageantrags sein können, erschließt sich nicht. Eine irgendwie geartete rechtserhebliche Ungewissheit über rechtlich erhebliche Tatsachen ist nicht ersichtlich.

Aus den gleichen Gründen besteht auch nach allgemeinen Grundsätzen kein weitergehender Auskunftsanspruch des Klägers gegenüber dem Beklagten.

Auch im Rahmen der §§ 241 Abs. 2, 242 BGB besteht keine allgemeine, nicht aus besonderen Rechtsgründen abgeleitete Pflicht zur Auskunftserteilung. Auch die ZPO kennt keine über die anerkannten Fälle der Pflicht zum substantiierten Bestreiten hinausgehende Aufklärungspflicht der nicht darlegungs- und beweisbelasteten Partei. Weder die Aufgabe der Wahrheitsfindung noch das Rechtsstaatsprinzip hindert den Gesetzgeber daran, den Zivilprozess der Verhandlungsmaxime zu unterstellen und es in erster Linie den Parteien zu überlassen, die notwendigen Tatsachenbehauptungen aufzustellen und die Beweismittel zu benennen. Darauf beruht die Regelung der Behauptungs- und Beweislast im Zivilprozess. Im Grundsatz gilt, dass keine Partei gehalten ist, dem Gegner das Material für dessen Prozesssieg zu verschaffen (BAG 01.12.2004 – 5 AZR 664/03, NZA 2005, 289; BGH 11.06.1990 II ZR 159/89, NJW 1990,3151).

Gewohnheitsrechtlich ist aber anerkannt, dass Auskunftsansprüche nach Treu und Glauben bestehen können, wenn die Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien es mit sich bringen, dass der Berechtigte in entschuldbarer Weise über Bestehen und Umfang seines Rechts im Ungewissen ist und der Verpflichtete die zur Beseitigung der Ungewissheit erforderliche Auskunft unschwer geben kann ( BAG 24.10.2018 – 10 AZR 69/18, NZA 2019, 161; 04.11.2015 – 7 AZR 972/13, NZA 2016, 1339; BGH 19.05.2016 – III ZR 274/15, NJW-RR 2016, 842). Denn der Ausgleich gestörter Vertragsparität gehört zu den Hauptaufgaben des Zivilrechts (BVerfG 19.10.1993 – 1 BvR 56/89, NJW 1994, 36 = EzA GG Art. 2 Nr.8). Ein Ungleichgewicht kann etwa aus einer wirtschaftlichen Übermacht oder aus einem erheblichen Informationsgefälle resultieren. Eine solche Situation kann es erfordern, Auskunftsansprüche zu statuieren, die eine Vertragspartei zur Wahrnehmung ihrer materiellen Rechts aus dem Vertrag benötigt. Im Regelfall setzt das einen dem Grunde nach feststehenden Leistungsanspruch voraus (BAG 04.11.2015 – 7 AZR 972/13, NZA 2016, 1339; 01.12.2004 – 5 AZR 664/03, NZA 2005, 289). Innerhalb vertraglicher Beziehungen, insbesondere bei Dauerschuldverhältnissen, kann der Auskunftsanspruch darüber hinaus die Funktion haben, dem Berechtigten Informationen auch schon über das Bestehen des Anspruchs dem Grunde nach zu verschaffen (BAG 01.12.2004 – 5 AZR 664/03, NZA 2005,289).

Im Arbeitsverhältnis wird der Inhalt dieser Nebenpflicht durch eine besondere persönliche Bindung der Vertragspartner geprägt. Aus dem Arbeitsverhältnis ergeben sich spezifische Pflichten zur Rücksichtnahme. Besteht ein billigenswertes Interesse an einer Auskunft, z.B. weil sie zur Geltendmachung eines Leistungsanspruchs erforderlich ist, kann sie verlangt werden, soweit die Verpflichtung keine übermäßige Belastung des Vertragspartners darstellt und die gesetzliche Verteilung der Darlegungs- und Beweislast im Prozess berücksichtigt bleibt: die Darlegungs- und Beweissituation darf nicht durch die Gewährung materiell rechtlicher Auskunftsansprüche unzulässig verändert werden (BAG 04.11.2015 – 7 AZR972/13, NZA 2016, 1339; 14.11.2012 – 10 AZR 783/11, NZA 2013, 1150; 01.12.2004 – 5 AZR 664/03, NZA 2005, 289).

Vorliegend waren dem Kläger die maßgeblichen tatsächlichen Angaben aus eigenem Erleben bekannt; er hat darüber hinaus selbst Aufzeichnungen geführt. Er hat diese Aufzeichnungen bis Oktober 2017 einschließlich auch von dem Beklagten zurück erhalten. Er war aufgrund der Lohnabrechnungen des Beklagten einschließlich Überstunden im Einzelnen darüber informiert, wie der Beklagte seine tatsächlichen Angaben im Hinblick auf die hier maßgeblichen Entgeltansprüche beurteilte. Vor diesem Hintergrund kann auch im Ansatz nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger in entschuldbarer Weise in irgendeiner Form über Bestehen und Umfang seines Rechts im Ungewissen war. Auch ist nicht erkennbar, welche weitere Auskunft der Beklagte zu geben verpflichtet sein könnte, nachdem er durch seine Lohnabrechnungen einschließlich der von ihm anerkannten Überstunden auch Auskunft erteilt hat in einer Weise, die es dem Kläger ohne weiteres möglich macht, darüber hinausgehende Ansprüche geltend zu machen. Insofern ist ein billigenswertes Interesse des Klägers an weiteren Auskünften nach Auffassung der Kammer nicht erkennbar. Da gilt umso mehr, als der Kläger selbst in der Klageschrift, wie dargelegt, einerseits deutlich macht, dass die ihm abverlangten Angaben in der von ihm getätigten Zeiterfassung bezogen auf die Fahrtzeiten vom Arbeitsort zurück zum Betrieb ebenso falsch waren wie die bezüglich der Pausenzeiten. Andererseits verlangt er aber gerade Auskunft über die von ihm selbst vorgenommenen, also nach seinem eigenen Vorbringen falschen Eintragungen zum dann unrichtig angegebenen Beginn und Ende der Arbeitszeit. Wenn der Kläger der Auffassung ist, dass ihm weitere Zeiten zu vergüten seien, dann kann er dies anhand der ihm bekannten Umstände ohne weiteres und insbesondere ohne Bezugnahme auf von ihm selbst erfasste falsche Angaben beziffern. Eine wie auch immer geartete Ungewissheit ist nicht erkennbar, so dass die dargestellten Anspruchsvoraussetzungen nicht gegeben sind, wovon das Arbeitsgericht letztlich zutreffend ausgegangen ist.

Das Berufungsvorbringen des Klägers rechtfertigt keine abweichende Beurteilung des hier maßgeblichen Lebenssachverhalts. Soweit der Kläger in beiden Rechtszügen auf LAG Schleswig-Holstein 20.01.2011 – 4 Sa 494/10 – Beck RS 2011, 69537 hingewiesen hat, ist der dort entschiedene Lebenssachverhalt mit dem vorliegend maßgeblichen nicht vergleichbar. Vorliegend hat die Beklagte, wie dargelegt, Überstunden abgerechnet und nicht in Abrede gestellt, sie hat des Weiteren die vom Kläger selbst erstellten – nach Darstellung des Klägers falschen – Nachweise bis Oktober 2017 an ihn zurückgegeben; aus all diesen im Einzelnen dargelegten Einzelumständen heraus bedarf es weiterer, insbesondere aber auch der vom Kläger ausdrücklich geltend gemachten Auskünfte der Beklagten anders als im vor dem LAG Schleswig-Holstein (a.a.O.) verhandelten Verfahren nicht. Warum sich insoweit im Hinblick auf das Lebensalter des Klägers eine abweichende Beurteilung ergeben könnte, erschließt sich nicht.

Nach alledem war die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Eine Zulassung der Revision war nach Maßgabe der gesetzlichen Kriterien des § 72 ArbGG keine Veranlassung gegeben.

 

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