Landesarbeitsgericht Nürnberg – Az.: 6 Ta 22/18 – Beschluss vom 14.03.2018
Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 15.11.2017, Az.: 4 Ca 4318/17, wie folgt teilweise abgeändert:
1. Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen, hier dem Arbeitsgericht Nürnberg, ist nicht zulässig.
2. Der Rechtsstreit wird insgesamt an das Landgericht Nürnberg-Fürth verwiesen.
3. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
4. Der Beschwerdewert wird auf EUR 8.333,– festgesetzt.
5. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.
Die Parteien streiten vorab über die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Gerichten für Arbeitssachen.
Das Gesundheitsamt der Beklagten hat für den Kläger und die Stadt M… ein Gesundheitszeugnis mit Datum vom 02.12.2016 erstellt. Der Kläger war bei der Stadt M… im Lehrdienst eingestellt, ein Arbeitsverhältnis oder Anbahnungsverhältnis mit der Beklagten bestand zu keinem Zeitpunkt.
Der Kläger begehrt von der Beklagten insbesondere Auskunft über die Weitergabe des Gesundheitszeugnisses, insbesondere die Entfernung des Gesundheitszeugnisses aus der Personalakte, Unterlassung diesbezüglicher künftiger Auskunftserteilung, den Widerruf verschiedener Angaben in dem Gesundheitszeugnis und Schadensersatz wegen unrichtiger Auskünfte, insbesondere nach dem Gesundheitszeugnis. Der Kläger stützt dabei seine Ansprüche insbesondere auf § 34 BDSG.
Die Beklagte rügt die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Arbeitsgerichten. Das Ausbildungsmonopol für die Lehrerausbildung liege beim Freistaat Bayern. Zumindest für den begehrten Anspruch auf Entfernung des Gesundheitszeugnisses aus der Personalakte ergebe sich dies auch aus Art. 34 Satz 3 GG.
Der Kläger widerspricht der Rüge, der Kläger ist der Auffassung, dass die streitgegenständliche Klage im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis stehe und daher die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte gegeben sei. Die Beklagte sei auf Veranlassung der Stadt M… tätig geworden. Dieses auftragsähnliche Verhältnis habe der Klärung der gesundheitlichen Situation des Klägers im Hinblick auf das mit der Stadt M… begründete Beschäftigungsverhältnis gedient.
Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 15.11.2017 den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit zum Teil an das Verwaltungsgericht Ansbach und zum Teil an das Landgericht Nürnberg-Fürth verwiesen.
Zur Begründung hat es unter anderem ausgeführt, eine Zuständigkeit der Arbeitsgerichte für die vorliegende Klage ergebe sich nicht, da zwischen dem Kläger und der Beklagten kein Arbeitsverhältnis bestehe. Ein Zusammenhang der vorliegenden Klage mit dem Arbeitsverhältnis des Klägers mit der Stadt M… reiche hierfür nicht aus. Es sei vielmehr teilweise der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet (§ 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO) bzw. für einen möglichen Schadensersatz im Zusammenhang mit Amtspflichtverletzungen der Rechtsweg zur ordentlichen Gerichtsbarkeit gegeben.
Gegen den dem Kläger am 04.12.2017 zugestellten Beschluss legte dieser mit Schreiben vom 04.12.2017, eingegangen am gleichen Tag, sofortige Beschwerde ein und begründete diese mit Schreiben vom 15.12.2017. Er ist der Auffassung, der beschrittene Rechtsweg sei zulässig, insbesondere sei keine Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte gegeben. Die Beklagte erachtet den angegriffenen Beschluss als zutreffend.
Das Arbeitsgericht hat der sofortigen Beschwerde des Klägers mit Beschluss vom 08.02.2018 nicht abgeholfen und die Sache dem Landesarbeitsgericht Nürnberg zur Entscheidung vorgelegt, insbesondere unter Hinweis darauf, dass es sich vorliegend nicht um einen Rechtsstreit zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber handele und auch keine Zuständigkeit kraft Zusammenhang bestehe, § 2 Abs. 3 ArbGG.
Mit Schriftsatz vom 25.02.2018 nahm der Kläger unter Vertiefung seines Vorbringens hierzu Stellung.
Wegen des weiteren Sachverhalts und des Streitstandes im Übrigen wird auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die sofortige Beschwerde des Klägers ist statthaft (§§ 17 a Abs. 4 Satz 3 GVG, 48 Abs. 1, 78 ArbGG i.V.m. § 567 Abs. 1 ZPO). Sie ist auch zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt (§ 569 ZPO).
Die sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
Vorliegend ist der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen nicht eröffnet. Vielmehr ist die ordentliche Gerichtsbarkeit – hier das Landgericht Nürnberg-Fürth – für die vorliegende Klage insgesamt zuständig. Die Beschwerdekammer folgt insoweit nicht der Auffassung des Arbeitsgerichts, dass teilweise die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte gegeben sei.
Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ergibt sich vorliegend nicht aus § 2 Abs. 1 Nr. 4 a ArbGG. Danach sind die Gerichte für Arbeitssachen zuständig für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern über Ansprüche, die mit dem Arbeitsverhältnis in rechtlichem oder unmittelbar wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. Nach dieser Vorschrift können auch Rechtsstreitigkeiten, die mit einer Rechtsstreitigkeit nach Absatz 1 oder Absatz 2 im näher bezeichneten Zusammenhang stehen, vor die Arbeitsgerichte gebracht werden. Während nach Nr. 4 a ein Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis gegeben sein muss, genügt nach § 2 Absatz 3 schon ein Zusammenhang mit einer Rechtsstreitigkeit aus dem Arbeitsverhältnis im Sinne von Absatz 1 oder Absatz 2. Absatz 1 Nr. 4 a geht als speziellere Vorschrift dem Absatz 3 vor und begründet für die hier genannten Streitigkeiten die ausschließliche Zuständigkeit der Arbeitsgerichte. Demgegenüber öffnet Absatz 3 nur eine fakultative Zuständigkeit.
Ein solcher rechtlicher Zusammenhang im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 4 a ArbGG ist hier jedoch nicht gegeben, da § 34 BDSG losgelöst von einem Arbeitsverhältnis geltend gemacht werden kann. Er setzt nicht das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses voraus. Voraussetzung des Anspruchs nach § 34 BDSG ist nur, dass Daten erhoben bzw. gespeichert wurden, wie vom Kläger vorliegend geltend gemacht.
Um einen rechtlichen Zusammenhang im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 4 a ArbGG bejahen zu können, müsste der Auskunftsanspruch mit einem Arbeitsverhältnis verknüpft sein, was hier jedoch nicht der Fall ist, da der Kläger Auskünfte nicht von seinem Arbeitgeber verlangt. Die Informationen und Geschehnisse, wegen denen der Kläger Auskunft usw. verlangt, werden unabhängig von seinem Arbeitsverhältnis mit der Stadt M… geltend gemacht. Das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der Stadt M… mag allenfalls der Anlass gewesen sein, die Daten zu erheben bzw. zu speichern. Für die Rechtswegbestimmung nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 a ArbGG reicht dies aber noch nicht aus, um einen rechtlichen Zusammenhang bejahen zu können. Denn der Kläger verfolgt hier keinen Anspruch gegen seinen Arbeitgeber oder aus seinem Arbeitsverhältnis mit der Stadt M…. Gegebenenfalls macht er einen solchen Anspruch auch gegen die Stadt M… zusätzlich geltend. Der Kläger verfolgt vielmehr einen umfassenden Auskunftsanspruch usw., nicht einen solchen begrenzt auf Auskunftsansprüche u.ä. aus dem Arbeitsverhältnis, mag auch das Arbeitsverhältnis der Anlass des Auskunftsverlangens des Klägers sein bzw. des Tätigwerdens des Gesundheitsamtes der Beklagten. Dies allein macht die vorliegende Rechtsstreitigkeit aber noch nicht zu einer arbeitsrechtlichen Streitigkeit. Dass der Auskunftsanspruch aus § 34 BDSG völlig losgelöst von einem Arbeitsverhältnis besteht, zeigt auch die Definition der „verantwortlichen“ Stelle in § 3 Abs. 7 BDSG. Danach ist verantwortliche Stelle jede Person oder Stelle, die personenbezogene Daten für sich selbst erhebt, verarbeitet oder nutzt oder diese durch andere im Auftrag vornehmen lässt. Die Erhebung von Daten durch die Beklagte steht aber in keinem Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten oder einem solchen Anbahnungsverhältnis.
Eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit liegt nicht vor, da die maßgeblichen Normen für die geltend gemachten Ansprüche, insbesondere dem BDSG, nicht allein dem öffentlichen Recht zuzuordnen sind.
Nach alldem war daher auf die sofortige Beschwerde des Klägers der Beschluss des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 15.11.2017 teilweise abzuändern und von dem zulässigen Rechtsweg zum Landgericht Nürnberg-Fürth auszugehen.
III.
Die Kostenentscheidung hat entsprechend § 91 Abs. 1 ZPO zu Ungunsten des Klägers auszufallen, weil er im Beschwerdeverfahren unterlegen ist (keine Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen).
Da nach der gesetzlichen Regelung bei dem Zuständigkeitsstreit der Rechtsstreit nicht insgesamt einer Erledigung zugeführt werden kann, ist der Beschwerdewert unterhalb des Hauptsachewertes anzusetzen. Entsprechend gängiger Bewertungsregelung ist eine Festsetzung auf ein Drittel des Hauptsachewertes angebracht.
Ausgehend von den Anträgen (Auskunft, Personalakte, Unterlassung, Widerruf, Schadensersatz) jeweils mit dem Hilfswert von EUR 5.000,– ergibt sich hier ein Beschwerdewert von EUR 8.333,–.
Diese Entscheidung konnte ohne mündliche Verhandlung durch den Vorsitzenden allein ergehen (§§ 567 Abs. 1 Nr. 1, 568 Satz 1 ZPO, 17 a Abs. 3, Abs. 4 Satz 1, 2, 3 GVG, 64 Abs. 7, 53 Abs. 1 Satz 1 ArbGG).
Die Rechtsbeschwerde war gemäß §§ 78 Satz 2, 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen. Die Frage, ob und wann für einen Auskunftsanspruch aus § 34 BDSG der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten eröffnet ist, ist bisher – soweit ersichtlich – höchstrichterlich, jedenfalls in der vorliegenden Konstellation, noch nicht entschieden (vgl. BAG vom 03.02.2014, 10 AZB 77/13 nach Juris).