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Auslegung Aufhebungsvertrag bei zugesagter Ausgleichszahlung für Sperrzeit – Arbeitslosengeld

ArbG Düsseldorf – Az.: 14 Ca 3722/18 – Urteil vom 26.10.2018

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

3. Der Streitwert beträgt 11.255,40 EUR.

4. Die Berufung wird – soweit sie nicht ohnehin zulässig ist – nicht gesondert zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um eine aufhebungsvertraglich vereinbarte Ausgleichszahlung für eine von der Agentur für Arbeit verhängte Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe.

Der Kläger war bei der Beklagten als Kundenbetreuer beschäftigt. Am 20. September 2017 schlossen die Parteien im Rahmen eines Freiwilligenprogramms einen Aufhebungsvertrag (Anlage K 1, Blatt 4 ff. der Akte), der u.a. eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30. April 2018 unter Einhaltung der maßgeblichen Kündigungsfrist vorsah sowie eine Abfindungszahlung in Höhe von knapp 260.000,00 EUR. § 11 des Vertrages lautet auszugsweise:

„Der Vertragspartner wurde über mögliche Sperrzeiten oder ein mögliches Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld im Zusammenhang mit dieser Vereinbarung hingewiesen. Auskünfte über die Folgen dieser Vereinbarung in Bezug auf das Arbeitslosengeld erteilt die Agentur für Arbeit. ( … )“

Unter § 12 des Aufhebungsvertrages heißt es:

„Ausgleich für Sperrzeiten beim Bezug von Arbeitslosengeld

Sollte von der Bundesagentur für Arbeit eine so genannte Sperrzeit für den Bezug von Arbeitslosengeld als Folge dieser Vereinbarung verhängt werden und ist der Vertragspartner arbeitslos, so ersetzt in diesem Fall die Gesellschaft gegen Vorlage des Bescheides der Bundesagentur für Arbeit das während dieser Sperrzeit nicht gezahlte Arbeitslosengeld als Bruttobetrag in Form einer Einmalzahlung.“

Mit Bescheid vom 8. Mai 2018 (Anlage K 2, Blatt 11 der Akte) verhängte die Agentur für Arbeit gegenüber dem Kläger eine Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe nach § 159 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB III für die Zeit vom 1. Mai 2018 bis zum 23. Juli 2018, also für zwölf Wochen. Zudem erklärte sie eine Minderung der Anspruchsdauer um ein Viertel – insgesamt 180 Tage – nach § 148 Abs. 1 Nr. 4 SGB III. Der Bewilligungsbescheid vom selben Tag (Anlage K 3, Blatt 14 der Akte) sieht eine tägliche Zahlung von Arbeitslosengeld in Höhe von 62,53 EUR für die Zeit vom 24. Juli 2018 bis zum 22. Januar 2020 vor.

Nachdem der Kläger von der Beklagten unter Vorlage der Bescheide der Agentur und unter Bezugnahme auf § 12 des Aufhebungsvertrages eine Ausgleichszahlung in Höhe von 11.255,40 EUR (180 Tage x 62,53 EUR) netto geltend gemacht hatte, teilte die Beklagte ihm mit Schreiben vom 15. Mai 2018 (Anlage K 4, Blatt 16 f. der Akte) mit, dass sie beabsichtige, ihm 5.252,52 EUR brutto auszuzahlen. Dieser Betrag setzte sich zusammen aus 84 (84 Tage = 1. Mai 2018 bis 23. Juli 2018) mal 62,53 EUR.

Die Beklagte rechnete den Betrag sodann im September 2018 ab und zahlte den sich hieraus ergebenden Nettobetrag in Höhe von 2.758,50 EUR an den Kläger aus (vgl. Abrechnung, Anlage B 1, Blatt 61 der Akte).

Mit seiner am 25. Juni 2018 beim Arbeitsgericht eingegangenen und am 3. Juli 2018 der Beklagten zugestellten Klage macht der Kläger die Zahlung eines Gesamtbetrages in Höhe von 11.255,40 EUR netto geltend.

Er ist der Ansicht, § 12 des Aufhebungsvertrages regele nach seinem Sinn und Zweck einen Ausgleich aller in Folge einer verhängten Sperrzeit erlittenen Nachteile beim Bezug von Arbeitslosengeld. Ausweislich der Bescheide seien dies in seinem Fall nicht lediglich zwölf Wochen (= 84 Tage), in denen der Anspruch auf Arbeitslosengeld unmittelbar im Anschluss an die Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Sommer 2018 ruhte, sondern auch weitere 96 Tage, um die seine ursprünglich zweijährige Anspruchsdauer für das Jahr 2020 gekürzt wird. Einen entsprechenden „Vollausgleich“ bestätige auch die Überschrift von § 12 des Aufhebungsvertrages, indem sie von „Ausgleich“, nicht aber von „Teilausgleich“ spreche. Es sei offenkundig, dass die Parteien bei Vertragsschluss nicht an die etwaige Minderung der Anspruchsdauer als Folge einer Sperrzeit nach Maßgabe von § 148 SGB III gedacht hätten. Auch wenn der Wortlaut des Vertrages nur von der Sperrzeit nach § 159 SGB III selbst spreche, müsse die entsprechende Vertragslücke im Sinne des klägerischen Verständnisses geschlossen werden. Denn aus der Gesamtschau ergebe sich, dass der Beklagten an einem Ausgleich sämtlicher durch den Aufhebungsvertrag erlittener Nachteile gelegen sei. So zahle sie an Mitarbeiter, die Rentenabschläge erlitten, 300,00 EUR je Monat des Rentenabschlags, und verzichte trotz des vorzeitigen Ausscheidens des Mitarbeiters auf eine ratierliche Kürzung der betrieblichen Altersversorgung. Hätten die Parteien die Möglichkeit der Minderung der Anspruchsdauer nach § 148 SGB III als Folge der Sperrzeit nach § 159 SGB III bedacht, hätten sie daher auch hierfür eine volle Kompensation vorgesehen.

Aus denselben Gründen müsse die Zahlung in Form eines Bruttobetrages erfolgen, der als Nettobetrag dem während bzw. in Folge der Sperrzeit nicht gezahlten Arbeitslosengeld entspreche, vorrangig also 11.255,40 EUR netto, hilfsweise aber mindestens 5.252,52 EUR netto. Der Vertrag spreche lediglich aus abrechnungstechnischen Gründen von einem Brutto-, statt einem Nettobetrag. Nur bei dieser Lesart hätten die Arbeitnehmer zum Abschluss des Aufhebungsvertrages motiviert werden können.

Die so berechnete Ausgleichszahlung in Höhe des eingeklagten Betrages sei auch bereits fällig, weil der Kläger die entsprechenden Nachteile bereits durch die Bescheide vom 8. Mai 2018 erlitten habe.

Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 11.255,40 EUR netto zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 1. Juni 2018 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze sowie auf den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

I.

Der Kläger hat aus § 12 des Aufhebungsvertrages keinen Anspruch auf Zahlung von 11.255,40 EUR netto. Den ihm hieraus allein zustehenden Anspruch auf Zahlung von 5.252,52 EUR brutto hat die Beklagte bereits erfüllt. Er ist nach § 362 Abs. 1 BGB erloschen.

1. Nach § 12 des Aufhebungsvertrages hatte der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung eines Bruttobetrages, der in seiner Höhe dem während der zwölfwöchigen Sperrzeit nicht erhaltenen Arbeitslosengeld entspricht. § 12 ist hingegen nicht mit dem klägerischen Verständnis dahingehend auszulegen, dass die Beklagte alle aus der Sperrzeit folgenden Nachteile auszugleichen hätte und dem Kläger daher ein Anspruch auf Zahlung von 11.255,40 EUR netto oder 5.252,52 EUR netto zustünde.

a) Nach §§ 133, 157 BGB sind Verträge so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

aa) Die Auslegung muss vom Wortlaut der Erklärung ausgehen, wobei der allgemeine Sprachgebrauch maßgebend ist. Nach der Ermittlung des Wortsinns sind in einem zweiten Auslegungsschritt die außerhalb des Erklärungsaktes liegenden Begleitumstände in die Auslegung einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen. Bei empfangsbedürftigen Willenserklärungen sind dabei nur die Umstände zu berücksichtigen, die dem Erklärungsempfänger bekannt oder erkennbar waren. Letztlich ist auch die Entstehungsgeschichte eines Vertrages mit zu berücksichtigen (LAG Rheinland-Pfalz, 07.04.2004 – 10 Sa 16/04). Nach einer in der Rechtsprechung eingebürgerten Definition ist Verkehrssitte die „den Verkehr tatsächlich beherrschende Übung“. Sie ist daher nicht selbst Rechtsnorm, sondern ein die Auslegung bestimmendes tatsächliches Moment mit Regelcharakter (MüKoBGB/Busche, 8. Aufl. 2018, BGB § 157 Rn. 16-18).

Äußerungen der Parteien über den Inhalt des Rechtsgeschäfts sowie der mit dem Rechtsgeschäft verfolgte Zweck und die Interessenlage sind zu beachten (vgl. LAG Rheinland-Pfalz, 07.04.2004 – 10 Sa 16/04; MüKoBGB/Busche, 8. Aufl. 2018, BGB § 157 Rn. 7-15). Vertragsbestimmungen und andere rechtsgeschäftliche Regelungen sind so zu verstehen, dass sie sich nicht als einseitige Interessendurchsetzung darstellen, sondern eine angemessene Berücksichtigung der Interessen der jeweiligen Gegenseite ermöglichen. Insoweit ist eine umfassende Abwägung der Parteiinteressen erforderlich (MüKoBGB/Busche, 8. Aufl. 2018, BGB § 157 Rn. 7-15).

bb) Für die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen kommt es darauf an, wie die Klausel – ausgehend vom Vertragswortlaut – nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden wird, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zu Grunde zu legen sind (BAG, 24.02.2016 – 5 AZR 258/14, Rn. 26). Es kommt mithin darauf an, welchen Inhalt die Klausel hat, sofern man sie als allgemeine Lösung des in ihr behandelten, typischen, stets wiederkehrenden Interessengegensatzes würdigt. Werden in den AGB fachsprachliche Ausdrücke verwandt, so ist zu unterscheiden. Handelt es sich um juristische Fachausdrücke, die erkennbar der Gesetzessprache entnommen sind, so ist ihnen derjenige Sinn beizulegen, den sie in dem betreffenden Gesetz haben (MüKoBGB/Basedow, 7. Aufl. 2016, BGB § 305c Rn. 22-26).

b) Nach diesem Maßstab schuldete die Beklagte allein einen Bruttobetrag, der in seiner Höhe dem während der zwölfwöchigen Sperrzeit nach § 159 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, Abs. 3 SGB III nicht erhaltenen Arbeitslosengeld entspricht. Die klägerische Auslegung ist hingegen nicht zulässig.

aa) Zum einen erfasst § 12 des Aufhebungsvertrages nicht auch die Kompensation von Nachteilen, die durch die Minderung der Anspruchsdauer nach § 148 Abs. 1 Nr. 4 SGB III entstehen.

(1) Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut von § 12, der von einer Erstattung des „während dieser Sperrzeit nicht gezahlten Arbeitslosengeldes“ spricht, nicht aber davon, dass das „als Folge der Sperrzeit nicht gezahlte Arbeitslosengeld“ erstattet würde.

Der verwendete juristische Fachausdruck „Sperrzeit“ ist erkennbar der Gesetzessprache entnommen, so dass ihm – wie dargelegt – derjenige Sinn beizulegen ist, den er in dem betreffenden Gesetz hat. Die Sperrzeit „bei Arbeitsaufgabe“ definiert § 159 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB III. Nach § 159 Abs. 3 Satz 1 SGB III beträgt die Dauer der Sperrzeit grundsätzlich zwölf Wochen. Nach Satz 2 kann sie sich in Ausnahmefällen verkürzen.

Die Minderung der Anspruchsdauer, die dem Kläger zudem widerfahren ist, regelt hingegen § 148 SGB III. Hiernach mindert sich die Anspruchsdauer um die Anzahl von Tagen einer Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe; in Fällen einer Sperrzeit von zwölf Wochen mindestens jedoch um ein Viertel der Anspruchsdauer. Die Minderung der Anspruchsdauer ist daher nach sozialversicherungsrechtlichem Verständnis eine Folge der Sperrzeit, zählt aber nicht zur Sperrzeit selbst.

(2) Dies kann auch ein durchschnittlicher Arbeitnehmer erkennen; insbesondere, wenn er sich vor Unterzeichnung des Aufhebungsvertrages bei der Agentur für Arbeit beraten lässt, wozu er in § 11 Abs. 3 des Aufhebungsvertrages von der Arbeitgeberin aufgefordert wird.

(3) Auch aus der Systematik des Aufhebungsvertrages ergibt sich das klägerische Verständnis nicht. Insbesondere spricht die Überschrift von § 12 nicht dafür, dass ein „Vollausgleich“ zu erfolgen habe. Wenn der Vertrag von „Ausgleich für Sperrzeiten“ spricht, dann ist damit gerade nicht ein „Ausgleich für alle Nachteile beim Bezug von Arbeitslosengeld“ gemeint. Auch ein „Teilausgleich“ kann begrifflich unter die Überschrift „Ausgleich“ fallen.

(4) Schließlich sprechen auch Sinn und Zweck von § 12 nicht für die klägerseits vorgenommene Auslegung. Hierfür bedürfte es angesichts des eindeutigen Wortlauts der Regelung eindeutiger Anhaltspunkte dafür, dass eine Kompensation aller etwaigen sozialversicherungsrechtlichen Nachteile erfolgen sollte. An diesen fehlt es. Nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn kann § 12 des Aufhebungsvertrages von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise nicht im klägerischen Sinne verstanden werden.

(a) Zwar geht der Kläger Recht in der Annahme, dass § 12 eine zusätzliche Motivation für den Arbeitnehmer darstellt, den Aufhebungsvertrag zu unterzeichnen, statt auf die betriebsbedingte Kündigung „zu warten“. Alleinige Motivation für die Unterzeichnung war die Kompensation der Sperrzeit beim Arbeitslosengeldbezug aber auch nach dem Vortrag des Klägers nicht. Hinzu kamen eine Abfindung – beim Kläger knapp 260.000 EUR brutto – (§ 2), die ausweislich der Präambel auch höher ausfiel als bei den später betriebsbedingt gekündigten Kollegen, sonstige Boni und Sonderzahlungen (§ 3 Abs. 1), eine Outplacementberatung (§ 3 Abs. 2) und Vorteile in der betrieblichen Altersversorgung (§ 8).

(b) Auch fehlt es an einer entsprechenden Verkehrssitte für die klägerische Lesart.

Im Gegenteil: Arbeitgeber sind weder im Einzelfall noch im Rahmen von Freiwilligenprogrammen dazu verpflichtet, etwaige Nachteile in Bezug auf das Arbeitslosengeld auszugleichen. Vielmehr sind diese in der Regel in die Abfindung eingepreist, die gerade höher ausfällt als bei den Mitarbeitern, die später im Rahmen der Restrukturierung betriebsbedingte Kündigungen erhalten.

Auch hat der hierfür darlegungs- und beweisbelastete Kläger keine Usancen dargelegt, wonach wenn der Arbeitgeber – über seine gesetzliche Verpflichtung hinaus – doch Kompensationen für Sperrzeiten gewährt, diese stets oder doch in der Regel als „Vollausgleich“ erfolgten.

(c) Nach dem klägerischen Verständnis wäre die Ausgleichszahlung in Form eines Einmalbetrages zudem erst im Januar 2020 fällig, weil erst dann feststehen wird, ob der Kläger die zweite in § 12 geregelte Anspruchsvoraussetzung neben einer Sperrzeit, nämlich die der Arbeitslosigkeit, erfüllt.

Eine erst fast zwei Jahre nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfolgende Einmalzahlung erscheint aber nicht als sachgerechte Lösung des in § 12 des Aufhebungsvertrages behandelten, typischen, stets wiederkehrenden Interessengegensatzes. Denn Sinn und Zweck der Regelung ist auf einen unmittelbaren Ausgleich gerichtet: Der Arbeitnehmer soll sofort – also in der Zeit, in der ihm das Arbeitslosengeld fehlt – einen Anspruch gegen die Beklagte haben. Die klägerische Auslegung würde dazu führen, dass der Arbeitnehmer in der „akuten Phase“, also während der Sperrzeit in den ersten zwölf Wochen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses, keine Zahlung erhielte, sondern ein Ausgleich erst zwei Jahre später erfolgte. Nicht nur die Inflations-, sondern auch die Zinsnachteile sprechen gegen diese Lesart.

Für die Fälligkeit der Einmalzahlung in zwei Teilraten – eine Zahlung wegen der Sperrzeit und eine weitere wegen der Minderung der Anspruchsdauer – bietet der Wortlaut der Regelung keine Anhaltspunkte.

(d) Auch der in § 11 Abs. 3 des Aufhebungsvertrages enthaltene Hinweis darauf, dass die Agentur für Arbeit Auskünfte über „die Folgen dieser Vereinbarung in Bezug auf das Arbeitslosengeld“ erteile, spricht gegen das Auslegungsverständnis des Klägers. Zwar weist der Kläger zutreffend darauf hin, dass die Beklagte ausweislich von § 11 Abs. 3 gerade nicht über eine mögliche Minderung der Anspruchsdauer als Folge der Sperrzeit hingewiesen hat, sondern nur über „mögliche Sperrzeiten“ und ein „mögliches Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld“. Jedoch hätte es – worauf die Beklagte zu Recht hinweist – eines Hinweises auf Folgen der Vereinbarung für das Arbeitslosengeld nicht bedurft, wenn die Beklagte ohnehin für sämtliche Nachteile in Bezug auf eine Sperrzeit einstehen würde.

(5) Anders als der Kläger annimmt, liegt auch keine Regelungslücke mit Blick auf die sich aus § 148 SGB III ergebenden Folgen der Sperrzeit vor, die dahingehend zu schließen wäre, dass die Beklagte auch die Minderung der Anspruchsdauer zu kompensieren hätte.

(a) Es fehlt bereits an einer unbewussten Regelungslücke.

(aa) Voraussetzung für eine ergänzende Vertragsauslegung ist zunächst, dass der Vertrag, mit dem die Beteiligten in privatautonomer Verantwortung ihre Interessen in Bezug auf einen Lebenssachverhalt geordnet haben, eine Regelungslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit aufweist; wenn sich also eine regelungsbedürftige Situation einstellt, die vom objektiven Regelungsinhalt des Rechtsgeschäftes nicht mehr umfasst wird (MüKoBGB/Busche, 8. Aufl. 2018, BGB § 157 Rn. 38-41).

(bb) Nach diesen Grundsätzen fehlt es bereits an einer unbewussten Regelungslücke.

Zwar weist der Kläger zutreffend daraufhin, dass der Aufhebungsvertrag an keiner Stelle ausdrücklich von einer Minderung der Anspruchsdauer nach § 148 SGB III spricht. Dennoch wird die nunmehr regelungsbedürftige Situation der Anspruchsminderung nach § 148 SGB II vom objektiven Regelungsinhalt des Aufhebungsvertrages umfasst. Denn in § 11 Abs. 3 verweist der Vertrag für „die Folgen dieser Vereinbarung in Bezug auf das Arbeitslosengeld“ auf die Auskünfte der Agentur für Arbeit. Gerade um eine solche Folge handelt es sich bei der Minderung der Anspruchsdauer aber. Insoweit wird auf die Ausführungen oben unter lit (4) (d) verwiesen.

(b) Selbst wenn die Kammer eine unbewusste Regelungslücke zu Gunsten des Klägers unterstellt, wäre ihr eine Lückenschließung im Sinne eines klägerischen Anspruchs verwehrt.

(aa) Bei der ergänzenden Auslegung ist nach ständiger Rechtsprechung unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu untersuchen, was redliche und verständige Parteien in Kenntnis der Regelungslücke nach dem Vertragszweck und bei sachgemäßer Abwägung ihrer beiderseitigen Interessen nach Treu und Glauben vereinbart hätten. Es kommt darauf an, dass der Richter die Wertungen der Beteiligten zu Ende denkt, nicht darauf, dass er eigene setzt. Insoweit haben der Sinn und Zweck des Vertrages und die Interessenlage der Parteien eine zentrale Bedeutung (MüKoBGB/Busche, 8. Aufl. 2018, BGB § 157 Rn. 47-49).

(bb) Nach diesem Maßstab ist eine Lückenfüllung im Sinne des Klägers unzulässig.

Angesichts des Umstandes, dass die Beklagte grundsätzlich – wie dargelegt – nicht dazu verpflichtet ist, auch nur einen Teil der in Bezug auf das Arbeitslosengeld durch den Kläger erlittenen Nachteile zu erstatten, kann die Kammer nicht erkennen, dass redliche und verständige Parteien in Kenntnis der Regelungslücke nach dem Vertragszweck und bei sachgemäßer Abwägung ihrer beiderseitigen Interessen nach Treu und Glauben einen Vollausgleich nach klägerischer Lesart vereinbart hätten. Hierfür bedürfte es vielmehr deutlicher Anhaltspunkte.

Zwar mag es sein, dass die Beklagte auch Nachteile mit Blick auf die betriebliche Altersversorgung und Rentenbezüge ersetzt hat. Aber auch die in diesen Bereichen erlittenen Nachteile hat sie nach dem klägerischen Vortrag nicht voll kompensiert. Eine Zahlung von 300,00 EUR als Ausgleich für einen erlittenen Rentenabschlag stellt offensichtlich lediglich eine Teilkompensation dar, wie § 77 Abs. 2 Nr. 2 SGB VI zeigt.

Zudem regelt § 16 des Aufhebungsvertrages, dass etwaige Lücken so auszufüllen sind, dass die Regelung dem wirtschaftlichen Zweck und Sinn der lückenhaften Bestimmung so nahe wie möglich kommt. Gerade die wirtschaftliche Mehrbelastung, die die klägerseits gewünschte Lückenfüllung für die Beklagte bedeutet, spricht gegen sie.

bb) Zum anderen ergibt sich aus § 12 des Aufhebungsvertrages auch nicht, dass die Beklagte den Betrag in Höhe von 5.252,52 EUR als Nettobetrag bzw. einen Bruttobetrag schuldet, der zu einer entsprechenden Nettoauszahlung an den Kläger in Höhe von 5.252,52 EUR führt.

(1) Auch hier verweist der Wortlaut eindeutig auf einen Bruttobetrag, der in der Höhe dem entgangenen Arbeitslosengeld entspricht. Deutlicher hätte es die Beklagte nicht formulieren können.

Es wäre hingegen – auch „abrechnungstechnisch“ – ein Leichtes gewesen, eine Nettozahlung zuzusagen; entweder schlicht durch die Verwendung des Begriffs „Nettobetrag“, ggf. mit dem Zusatz „wobei der Arbeitgeber die anfallenden Sozialversicherungs- und Steuerabgaben trägt“.

Für das Verständnis des Klägers, dass der an ihn ausgezahlte Nettobetrag der Höhe nach dem entgangenen Arbeitslosengeld zu entsprechen hätte, bedürfte es angesichts dessen besonderer Anhaltspunkte. Solche sind nicht ersichtlich.

(2) Auch aus der Systematik ergibt sich das klägerische Verständnis nicht.

Der Aufhebungsvertrag spricht stets nur von „Bruttozahlungen“ (§ 2 und § 15).

Wenn stattdessen hier eine Nettozahlung zugesagt werden sollte, hätte dies einer entsprechenden Klarstellung bedurft; auch weil eine Nettozusage für die Beklagte einen administrativ wie auch finanziell erheblichen Mehraufwand darstellen würde.

(3) Auch fehlt es an einer Verkehrssitte für die klägerische Lesart.

Im Gegenteil: Der Arbeitgeber schuldet dem Arbeitnehmer grundsätzlich Bruttobeträge; auch wenn der Vertrag dies nicht ausdrücklich vorsieht. Der Arbeitnehmer muss daher grundsätzlich steuerlich berechtigte Abzüge hinnehmen. Im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer gilt nur dann etwas anderes, wenn sich das aus den für das Arbeitsverhältnis geltenden Regelungen ergibt. Denn das Steuerrecht sagt nichts darüber aus, welche Partei des Arbeitsverhältnisses zivilrechtlich verpflichtet ist, die Steuer wirtschaftlich zu tragen. Ob ein Nettoentgelt zu zahlen ist, muss durch Auslegung der maßgeblichen Regelungen ermittelt werden. Nettolohnvereinbarungen sind nicht die Regel, sondern die Ausnahme. Sie müssen einen entsprechenden Willen klar erkennen lassen (BAG 21.07.2009 – 1 AZR 167/08 – Rn. 14, 15; LAG Rheinland-Pfalz, 30.06.2011 – 10 Sa 124/11).

(4) Für Sinn und Zweck der Regelung wird auf die obigen Ausführungen verwiesen. Diese gelten für die Auslegung als Bruttobetrag entsprechend (unter lit. b) aa) (4)).

c) Auch aus der Unklarheitenregel des § 305 c Abs. 2 BGB folgt kein anderes Ergebnis.

aa) Nach dieser Norm gehen Zweifel bei der Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu Lasten des Verwenders. Aus der einseitigen Formulierungsgewalt folgt die Verantwortung für die Klarheit der AGB. Hierfür muss nach Ausschöpfung der Auslegungsmethoden ein nicht behebbarer Zweifel verbleiben. Die Anwendung der Unklarheitenregel setzt mithin voraus, dass die Auslegung einer einzelnen AGB-Bestimmung mindestens zwei Ergebnisse als vertretbar erscheinen lässt und keines den klaren Vorzug verdient. Es müssen „erhebliche Zweifel“ an der richtigen Auslegung bestehen. Die nur entfernte Möglichkeit, zu einem anderen Ergebnis zu kommen, genügt für die Anwendung der Bestimmung nicht (BAG 21.06. 2011 – 9 AZR 203/10 m. w. Nachw.; MüKoBGB/Basedow, 7. Aufl. 2016, BGB § 305c Rn. 29-32).

bb) Nach diesem Maßstab kann § 305 c Abs. 2 BGB nicht zur Anwendung gelangen. Denn es fehlt – wie ausführlich dargelegt – bereits an einer Mehrdeutigkeit von § 12 des Aufhebungsvertrages. Erhebliche Zweifel an der Auslegung hat die Kammer nicht.

2. Den Anspruch des Klägers aus § 12 des Aufhebungsvertrages auf Zahlung von 5.252,52 EUR brutto hat die Beklagte erfüllt. Er ist nach § 362 Abs. 1 BGB erloschen.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

III.

Die Streitwertentscheidung erging gem. §§ 61 Abs. 1, 46 Abs. 2 ArbGG i. V. m. § 3 ZPO und gleichzeitig gem. § 63 Abs. 2 GKG. Hierbei wurde für den Klageantrag sein Nennwert zu Grunde gelegt.

IV.

Die Berufung war nicht gesondert zuzulassen, da kein Fall des § 64 Abs. 3 ArbGG vorliegt.

 

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