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Auslegung eines gerichtlichen Vergleichs wegen Urlaubsabgeltung

Landesarbeitsgericht Hamm – Az.: 5 Sa 408/22 – Urteil vom 27.10.2022

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hagen vom 16.03.2022 – 3 Ca 1592/21 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen

Zusammenfassung

Die Parteien eines Arbeitsrechtsstreits über eine Zahlungsforderung haben einen Vergleich geschlossen. Der Kläger wandte sich gegen die Kündigung der Beklagten vor dem Landgericht Hagen in Deutschland. Vor der Kündigung verfügte der Kläger über 27 Tage nicht genommenen Urlaub. Die Beklagte legte im Dezember 2020 eine Lohnabrechnung vor, aus der sich der Nettolohn und das Urlaubsgeld des Klägers in Höhe von 1.855,76 € ergaben. Später schlossen die Parteien einen Vergleich, wonach die Beklagte neben anderen Gegenleistungen eine Bruttoabfindung in Höhe von 7.500 € zahlen sollte. Der Kläger machte geltend, dass die Beklagte zu Unrecht 2.122,32 € an Urlaubsgeld für Dezember 2020 einbehalten habe, das Teil der ursprünglichen Gehaltsabrechnung war, und es anschließend vom verbleibenden Nettolohn des Klägers abgezogen habe. Das Gericht entschied jedoch, dass das Urlaubsgeld bereits abgegolten war und der Kläger es nicht erneut beanspruchen konnte. Das Gericht stellte außerdem fest, dass der Abfindungsbetrag und der gezahlte Lohn korrekt waren. Die Beklagte hatte das Recht, 2.122,32 € vom Bruttolohn des Klägers abzuziehen, da der Kläger zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses keine offenen Urlaubstage hatte. Daher wies das Gericht die Klage des Klägers auf 2.122,32 € Urlaubsgeld ab. Dieser Fall zeigt, wie wichtig klare und unmissverständliche Abfindungsbedingungen sind, die dazu beitragen können, künftige Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden. […]

Tatbestand

Die Parteien streiten über einen Zahlungsanspruch der Klägerin aus einem durch Vergleich beendeten Arbeitsverhältnis.

Mit Schreiben vom 15.12.2020, der Klägerin zugegangen am 16.12.2020, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Klägerin fristlos, hilfsweise fristgerecht. Gegen die Rechtswirksamkeit dieser Kündigung wandte sich die Klägerin in dem Kündigungsschutzverfahren 3 Ca 2962/20 vor dem Arbeitsgericht Hagen.

Zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung mit Schreiben vom 15.12.2020 bestand noch ein nicht erfüllter Urlaubsanspruch im Umfang von 27 Arbeitstagen für das Jahr 2020. Die Beklagte erteilte der Klägerin für Dezember 2020 eine Lohn- und Gehaltsabrechnung, in der ein Gehalt für Dezember 2020 (bis 15.12.2020) in Höhe von 956,67 Euro brutto und eine Urlaubsabgeltung für die genannten 27 Arbeitstage in Höhe von 2.122,32 Euro brutto abgerechnet wurde. Dies ergab einen Nettovergütungsanspruch in Höhe von 1.855,76 Euro, von dem die Beklagte eine offene Restforderung in Höhe von 200,00 Euro netto aus einem Arbeitgeberdarlehen in Abzug brachte und den sie in Höhe von 1.655,76 Euro netto am 29.12.2020 an die Klägerin auszahlte. Für den weiteren Inhalt der ursprünglich für Dezember 2020 erteilten Lohn- und Gehaltsabrechnung wird auf die zur Gerichtsakte gereichten Kopien Bezug genommen (Bl. 8, 28 d. A.).

Am 30.06.2021 schlossen die Parteien in dem Kündigungsschutzverfahren 3 Ca 2962/20 vor dem Arbeitsgericht Hagen einen gerichtlichen Vergleich mit folgendem Inhalt:

1. Die Parteien sind sich darüber einig, dass das Arbeitsverhältnis zwischen ihnen durch die Kündigung der Beklagten mit Schreiben vom 15.12.2020 nicht fristlos beendet worden ist.

2. Die Parteien sind sich darüber einig, dass das Arbeitsverhältnis zwischen ihnen durch eine ordentliche fristgerechte Kündigung der Beklagten vom 15.12.2020 mit Ablauf des 30.04.2021 aufgelöst worden wird aus betrieblichen Gründen.

3. Als Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes und des damit verbundenen sozialen Besitzstandes zahlt die Beklagte an die Klägerin eine Abfindung gemäß §§ 9, 10 KSchG in Höhe von 7.500,00 Euro brutto.

4. Die Parteien sind sich darüber einig, dass die Klägerin seit Kündigungszugang bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unter Fortzahlung der Vergütung, jedoch unter Anrechnung des ihr zustehenden Urlaubsanspruchs, von der Erbringung der Arbeitsleistung freigestellt worden ist, so dass der gesamte Urlaubsanspruch der Klägerin durch Gewährung in natura erfüllt worden ist.

5. Die Beklagte verpflichtet sich, der Klägerin eine ordnungsgemäße Schlussabrechnung des Arbeitsverhältnisses auszustellen und den sich daraus ergebenden Nettobetrag an die Klägerin, vorbehaltlich etwaiger Rechte Dritter, auszuzahlen. Hierbei besteht Einigkeit zwischen den Parteien, dass der Klägerin ein Vergütungsanspruch der Beklagten gegenüber nur bis einschließlich 31.03.2021 zusteht.

6. Die Beklagte verpflichtet sich, der Klägerin ein wohlwollendes, qualifiziertes Arbeitszeugnis, durchgehend gutes Arbeitszeugnis zu erteilen.

7. Damit ist der vorliegende Rechtsstreit erledigt.

Nach Abschluss des gerichtlichen Vergleichs erteilte die Beklagte der Klägerin eine korrigierte Lohn- und Gehaltsabrechnung für den Monat Dezember 2020 (Bl. 9, 56 d. A.) sowie weitere Lohn- und Gehaltsabrechnungen für die Monate Januar 2021 bis April 2021 (Bl. 52 – 55 d. A.). Die korrigierte Lohn- und Gehaltsabrechnung für Dezember 2020 sah keine Urlaubsabgeltung mehr vor. Die neu erteilten Abrechnungen sahen folgende, der Klägerin zustehenden Nettobeträge vor:

Dezember 2020: 1.429,75 EUR; Januar 2021: 1.449,22 EUR; Februar 2021: 1.449,22 EUR; März 2021: 1.449,22 EUR; April 2021 (Abfindung): 7.500,00 EUR. Dies ergab den Gesamtnettobetrag von 13.277,41 Euro.

Die Beklagte nahm in der Folgezeit nach Ermittlung des Gesamtnettobetrages noch folgende Zahlungen an die Klägerin vor: Am 03.08.2021 (gemäß Beklagtenvortrag) bzw. 04.08.2021 (gemäß Klägervortrag) zahlte die Beklagte 10.466,66 Euro netto an die Klägerin, am 03.08.2021 zahlte sie zudem 645,92 Euro netto an die Agentur für Arbeit (wegen erfolgtem Anspruchsübergang), am 10.08.2021 zahlte sie weitere 309,07 Euro netto an die Klägerin.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Beklagte habe zu Unrecht in der korrigierten Abrechnung für Dezember 2020 die vormalige Urlaubsabgeltung nicht mehr vorgenommen, somit auch den entsprechenden Nettobetrag letztlich nicht ausgezahlt. Aus dem gerichtlich protokollierten Vergleich ergebe sich aber eindeutig, dass alle nach Kündigungszugang bestehenden Urlaubsansprüche gegen Freistellung hätten verrechnet werden sollen, folglich nicht der bei Kündigungszugang bestehende, bereits abgegoltene Urlaubsanspruch. Die Beklagte habe daher zu Unrecht bei der Auszahlung der verbleibenden Lohnansprüche den zuvor im Dezember ausgezahlten Nettourlaub mit in Abzug gebracht. Die Beklagte sei daher nunmehr zur Zahlung des in der ursprünglichen Abrechnung für Dezember 2020 angegebenen Bruttobetrages in Höhe von 2.122,32 Euro zu verurteilen. Urlaubsabgeltungsansprüche für die Zeit nach dem 15.12.2020 würden von der Klägerin entsprechend der Vereinbarung aus dem Kündigungsschutzverfahren nicht beansprucht.

Die Klägerin hat zuletzt beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin unter ordnungsgemäßer Abrechnung für den Monat Dezember 2020 den sich aus dem Bruttobetrag i. H. v. 2.122,32 Euro ergebenden Nettobetrag nebst 5 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, das Arbeitsverhältnis der Klägerin auf der Grundlage des gerichtlichen Vergleichs vom 30.06.2021 für den Zeitraum Dezember 2020 bis einschließlich April 2021 korrekt abgerechnet und die sich ergebenden Nettobeträge in der Summe zutreffend an die Klägerin ausgezahlt zu haben, wobei in Höhe von 200,00 Euro zutreffend die Verrechnung mit einer noch offenen Rückforderung aus einem Arbeitgeberdarlehen erfolgt und 645,92 Euro netto aufgrund erfolgten Anspruchsübergangs an die Agentur für Arbeit gezahlt worden seien. Die am 29.12.2020 bereits an die Klägerin erfolgte Nettozahlung sei dabei in vollem Umfang mit zu berücksichtigen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage bezüglich der Zahlung als unbegründet und bezüglich der Abrechnung als unzulässig abgewiesen. Hierzu hat es ausgeführt:

Der Klägerin stehe kein Anspruch auf 2.122,32 Euro brutto nebst Zinsen als Urlaubsabgeltung zu. Der Urlaubsabgeltungsanspruch nach § 7 Abs. 4 BUrlG setze voraus, dass bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch ein Erholungsurlaubsanspruch besteht und dieser wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr in Natur erfüllt werden könne. Die finanzielle Abgeltung des Urlaubsanspruchs im bestehenden Arbeitsverhältnis sei nicht zulässig. Der am 15.12.2020 bestandene Abgeltungsanspruch sei durch die Urlaubsabgeltung in Höhe von 2.122,32 Euro brutto aufgrund ursprünglicher Abrechnung der Beklagten im Dezember 2020 und Zahlung des Nettobetrages am 29.12.2020 auch gezahlt worden und sei damit durch Erfüllung im Sinne von § 362 Abs. 1 BGB erloschen. Die Klägerin könne die Urlaubsabgeltung nicht ein zweites Mal fordern. Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 30.04.2021 habe kein Anspruch auf Urlaubsabgeltung für 27 Arbeitstage Urlaub aus dem Jahr 2020 in Höhe von 2.122,32 Euro bestanden, da zu diesem Zeitpunkt kein entsprechender Urlaubsanspruch bestanden habe. Die Parteien hätten unter Ziffer 4. des am 30.06.2021 in dem Rechtsstreit 3 Ca 2962/20 protokollierten Vergleichs vereinbart, dass die Klägerin seit Kündigungszugang bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unter Fortzahlung der Vergütung, jedoch unter Anrechnung des ihr zustehenden Urlaubsanspruchs, von der Erbringung der Arbeitsleistung freigestellt worden ist, sodass der gesamte Urlaubsanspruch der Klägerin durch Gewährung in natura erfüllt worden sei.

Nach dem Wortlaut und dem sich aus Ziffer 4 des gerichtlichen Vergleichs bei Auslegung der Erklärungen ergebenden Willen der Parteien, habe der gesamte der Klägerin zustehende Urlaubsanspruch in Natur erfüllt sein sollen, nicht nur der nach dem 15.12.2020 entstandene Urlaub, wie die Klägerin meint, sondern uneingeschränkt jeder Urlaubsanspruch, der noch offen gewesen sei. Die nach Auffassung der Klägerin gegebene Einschränkung lasse sich weder dem Wortlaut noch dem dem Vergleichsabschluss zugrundeliegenden wirklichen Willen der Parteien entnehmen. Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 30.04.2021 wäre ohne die Formulierung unter Ziffer 4. des gerichtlichen Vergleichs vom 30.06.2021 der Urlaubsanspruch der Klägerin im Umfang von 27 Arbeitstagen für 2020 noch unerfüllt offen gewesen. Eine tatsächliche Gewährung der 27 Arbeitstage Urlaub aus 2020 seitens der Beklagten gegenüber der Klägerin sei vor Vergleichsabschluss am 30.06.2021 nicht erfolgt. Erst aufgrund der Einigung in dem gerichtlich protokollierten Vergleich seien die Parteien von einer Urlaubsgewährung in der Zeit zwischen Kündigungszugang und Ablauf der Kündigungsfrist ausgegangen. Aufgrund dieser tatsächlichen Einigung habe der Klägerin bei Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses kein Urlaubsanspruch und damit kein Urlaubsabgeltungsanspruch mehr zugestanden.

Die Beklagte habe auch zu Recht einen Gegenanspruch in Höhe von 2.122,32 Euro brutto mit den der Klägerin zustehenden Ansprüchen auf Vergütung bzw. Abfindung für den Zeitraum Dezember 2020 bis April 2021 verrechnet. Diese Aufrechnung gem. §§ 387 ff BGB sei zulässigerweise konkludent erfolgt, indem die Beklagte erklärt habe, die Nettolohnansprüche der Klägerin aus den neu erteilten Lohnabrechnungen durch Zahlung von 1.655,76 Euro netto am 29.12.2020, 10.466,66 Euro am 03.08.2022 und 309,07 Euro netto am 10.08.2021 sowie Verrechnung in Höhe von 200,00 Euro netto (Rückforderung Arbeitgeberdarlehen) und Zahlung von 645,92 Euro netto an die Agentur für Arbeit (Anspruchsübergang) erfüllt zu haben. Die Aufrechnung mit einer Bruttorückzahlungsforderung gegenüber einer Bruttovergütungsforderung sei vorliegend zulässig, da die Forderungen im Ergebnis wirtschaftlich gleichwertig gewesen seien. Verrechnungen jenseits der Pfändungsfreigrenzen seien von der Beklagten nach deren unbestrittenem Vortrag nicht vorgenommen worden.

Der Beklagten habe auch ein Gegenanspruch in Höhe von 2.212,32 Euro brutto zugestanden, da ihr in dieser Höhe ein Anspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. BGB auf Rückzahlung der ohne Rechtsgrund Ende Dezember 2020 erfolgten Zahlung der Urlaubsabgeltung der Klägerin gegenüber zugestanden habe. Gemäß Einigung der Parteien in dem Prozessvergleich vom 30.06.2021 in dem Rechtsstreit 3 Ca 2962/20 sei das Arbeitsverhältnis der Klägerin durch die Kündigung der Beklagten vom 15.12.2020 nicht fristlos, sondern erst ordentlich aus betrieblichen Gründen mit Ablauf des 30.04.2021 beendet worden. Folglich hätte der Beklagten bei Erteilung der neuen Lohnabrechnungen nach Abschluss des gerichtlichen Vergleichs in dem Rechtsstreit 3 Ca 2962/20 ein Rückzahlungsanspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. BGB in Höhe von 2.212,32 Euro brutto der Klägerin gegenüber zugestanden, mit dem sie wirksam mit der Rechtsfolge des § 389 BGB die Aufrechnung gegenüber den noch offenen Ansprüchen der Klägerin auf Vergütung bzw. Abfindung erklären können habe, so dass diese Forderungen in dieser Höhe erloschen sind.

Gegen das ihr am 28.03.2022 zugestellte Urteilt wendet sich die Klägerin mit der am 11.04.2022 bei Gericht eingegangenen Berufung, die sie mit am 17.05.2022 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz begründet hat.

Hier vertritt sie die Auffassung, mit der Abrechnung zum 15.12.2020 seien sämtliche bis dahin entstandenen Ansprüche abgerechnet worden und damit erfüllt. Ziffer 4 des später abgeschlossenen Vergleiches sehe eine nachträgliche Verrechnung nicht vor, vielmehr sei nach dem Wortlaut eine Regelung dahingehend getroffen worden, dass eine Verrechnung nicht mehr vorgenommen werden dürfe. Dieses habe seinen Grund darin, dass über bereits erledigte Ansprüche nicht mehr verhandelt werde und diese Thematik nicht verhandelt und angesprochen worden sei. Da die Regelung eindeutig sei, finde eine Auslegung nicht statt. Bei einer Thematisierung wäre das Ergebnis gewesen, dass diese nicht mehr gegengerechnet werden dürften. Bis zum Kündigungszugang bestandene Ansprüche seien nicht streitig gewesen, verhandelt worden sei lediglich über die ab dem Kündigungszeitpunkt entstandenen Ansprüche. Ein solches Ergebnis sei auch nicht ausgewogen, da zuzüglich der neu erwachsenden Ansprüche fast zwei Monate der Kündigungsfrist durch Urlaub erfüllt worden wären und damit die Interessen des Arbeitgebers über Gebühr in den Vordergrund gestellt hätten. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus Sinn und Zweck des Vergleiches, da die Beklagte bei einem Obsiegen mit der fristlosen Kündigung ebenfalls nicht die Abrechnung Dezember 2020 habe abändern dürfen, weshalb dies im Fall eines Vergleiches anders sein solle, sei nicht ersichtlich. Durch die vorgenommene Urlaubsabgeltung sei der Urlaubsgewährungsanspruch untergegangen, eine Disponibilität sei nicht mehr gegeben. Eine Neuabrechnung habe sich ausschließlich aus der lediglich bis zum 15. Dezember vorgenommene ursprünglichen Abrechnung und der Fortgeltung der Bezüge bis zur Kündigungsmöglichkeit ergeben. Ebenso wenig wie die Klägerin nochmalige vollständige Auszahlung des Dezember-Lohnes beanspruchen könne, könne die Beklagte die durch Auszahlung erloschenen Urlaubsansprüche im Nachhinein verrechnen. Dieses entspreche auch nicht der Üblichkeit bei Vergleichen.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Hagen vom 16.03.2022 Az.: 3 Ca 1592/21 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin für den Monat Dezember 2020 den sich aus dem Bruttobetrag i.H.v. 2.122,32 EUR ergebenden Nettobetrag nebst 5% Punkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres Vorbringens.

Wegen des weiteren zweitinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf die in zweiter Instanz gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I. Die Berufung ist an sich statthaft (§ 64 Abs. 1 ArbGG), nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes zulässig (§ 64 Abs. 2 Buchst. b ArbGG) sowie in gesetzlicher Form und Frist eingelegt (§ 519 ZPO i.V.m. § 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, § 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG) und innerhalb der Frist (§ 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG) und auch ordnungsgemäß (§ 520 Abs. 3 ZPO iVm. § 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG) begründet worden.

II. Die Berufung ist unbegründet. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Die Kammer folgt den Ausführungen des Arbeitsgerichts und sieht insoweit von der Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 69 Abs. 2 ArbGG).

Die Berufungsbegründung gibt zu folgenden Ergänzungen Anlass:

1) Die Klägerin vertritt insoweit zu Recht die Auffassung, dass der zwischen den Parteien geschlossene Vergleich an sich bezüglich der Ziffer 4) keiner Auslegung bedarf, da dieser sprachlich eindeutig geregelt ist.

Dort haben die Parteien festgelegt, dass die Klägerin ab Kündigungszugang bis zum Ablauf der Kündigungsfrist freigestellt geblieben ist unter Anrechnung des ihr zustehenden Urlaubsanspruchs, „so dass der gesamte Urlaubsanspruch der Klägerin durch Gewährung in natura gewährt worden ist.“

Die Regelung ergibt damit schon nach dem eindeutigen Wortlaut keine Anknüpfung für die von der Klägerin bevorzugte Auslegung, wonach hier nur die ab dem Kündigungszeitpunkt erwachsenden Ansprüche hätten geregelt werden sollen. Hiergegen spricht bereits, dass die Aussage dann falsch gewesen wäre, da ja nach der Auslegung der Klägerin ein Teil des Urlaubsanspruch durch Abgeltung erledigt worden wäre. Hätte man den restlichen noch erwachsenden Anspruch gemeint, hätte es – insbesondere vor dem Hintergrund, dass an der Formulierung drei Volljuristen beteiligt waren – nahegelegen zu formulieren, „so dass damit der Urlaubsanspruch insgesamt erfüllt worden ist“. So aber ergibt die Formulierung, dass die Parteien eine Einigung dahingehend gefunden haben, das der Urlaubsanspruch eben insgesamt durch Freistellung erfüllt wurde und nicht zum Teil durch eine Abgeltung und zum restlichen Teil durch Freistellung in natura. Der Hinweis der Klägerin, dann hätten ja auch Ansprüche aus 2019 noch mit abgewickelt werden können, ist zutreffend. Woraus sich der Resturlaubsanspruch des Jahres 2020 zusammensetzt ist ja eben offen geblieben. Hierbei könnte es sich tatsächlich auch noch um Resturlaubansprüche aus 2019 handeln, die in das Jahr 2020 übertragen wurden. Dieses konnte dahinstehen, da jedenfalls die Urlaubsansprüche für 2020 in Höhe von 27 Tagen unstreitig waren.

Im Gegensatz zur Auffassung der Klägerin hätte es bei der Miterledigung derartiger Urlaubsansprüche auch keine anderweitigen Berechnung der Beklagten für weiter zurückliegende Zeiten bedurft und wäre auch die Berechtigung der Beklagten nicht eröffnet worden.

a) Die Klägerin verkennt auch die Besonderheiten der Urlaubsabwicklung im gekündigten Arbeitsverhältnis.

Wird eine Kündigung ausgesprochen, so beendet diese unabhängig von ihrer rechtlichen Wirksamkeit das Arbeitsverhältnis zunächst. Damit ist ein bestehender Urlaubsanspruch nicht mehr erfüllbar und gem. § 7 Abs. 4 BUrlG abzugelten. Der Anspruch erwächst mit dem letzten Tag der Kündigungsfrist, im Fall einer fristlosen Kündigung wie vorliegend mit dem Zugang der Kündigung und ist ab diesem Tag fällig. Der Arbeitgeber ist daher unabhängig davon, ob eine Kündigungsschutzklage erhoben wird, gehalten, diesen Anspruch mit der letzten Abrechnung abzurechnen und sich ergebende Ansprüche auszuzahlen (BAG, Urt. v. 17.10.2017, 9 AZR 80/17,juris, Rz. 28, 29; siehe auch zu einem vergleichbaren Fall wie dem vorliegenden LAG Köln, Urt. v. 07.12.2017, 7 Sa 177/17, juris).

b) Die Parteien haben in der Folge sodann einen Vergleich geschlossen, der einen Tatsachenvergleich über zwei Fragen enthielt: Zum einen haben sie sich darauf geeinigt, dass die Beendigung der Kündigung nicht fristlos erfolgt, die Kündigung aber auch nicht unwirksam ist, sondern im Wege des gegenseitigen Nachgebens den Kompromiss gefunden, eine Beendigung erst mit dem Ablauf der geltenden ordentlichen Kündigungsfrist herbeizuführen und auch eine Einigung über den Kündigungsgrund (betriebliche Gründe angesichts einer zuvor ausgesprochenen fristlosen Kündigung) und die Frage der Urlaubsabwicklung einvernehmlich geregelt.

Ein solcher Tatsachenvergleich ist zulässig, er stellt keinen Verzicht auf unverzichtbare Ansprüche wie den Kündigungsschutz, auf den nicht im Voraus verzichtet werden kann oder den gesetzlichen Mindesturlaub, auf den gem. § 13 BUrlG nicht verzichtet werden kann, dar. Es ist zu unterscheiden zwischen dem Verzicht eines unverzichtbaren Anspruchs einerseits und den tatsächlichen Voraussetzungen für die Erfüllung eines unverzichtbaren Anspruchs. Insbesondere können die Parteien bei einem Streit über die tatsächlichen Grundlagen eines Anspruchs, wenn also eine Ungewissheit im Tatsächlichen besteht, gemäß § 779 BGB eine Regelung im Wege des gegenseitigen Nachgebens vereinbaren (BAG, Urt. v. 25.04.2017, 1 AZR 714/15, juris; LAG Hamm, Urt. v. 26.11.2008, 2 Sa 779/08, Rn. 40, juris unter Berufung auf BAG 05.11.1997, 4 AZR 682/95 NZA 1998, 579; OLG Frankfurt 22.02.2007 16 U 197/06 BB 2007, 1005).

c) Tatsache ist, dass eine Urlaubsgewährung in natura bis zum Vergleichsschluss nicht erfolgt ist, da dieses angesichts der nach Ausspruch der fristlosen Kündigung unterbliebenen Weiterbeschäftigung auch nicht möglich war. Insoweit war zu klären, ob eine Urlaubsabgeltung am Ende des Arbeitsverhältnisses zu erfolgen hatte und der Zwischenzeitraum als Annahmeverzug gem. § 615 BGB betrachtet wird oder ob eine Erfüllung der Ansprüche auf Urlaubsgewährung in natura in Betracht kam. Die Parteien haben sich für letztere Regelung entschieden. Im Gegensatz zur Auffassung der Klägerin handelt es sich bei dieser Gestaltung um eine alltägliche Fassung von Vergleichstexten, um eben gerade das gegenseitige Nachgeben der Parteien im Hinblick auf den Ausgang des Kündigungsschutzverfahrens auszugleichen. Welche Partei dabei ihre Erfolgschancen im Kündigungsprozess wie gewichtet, ist dieser überlassen. Hier jedenfalls eröffnete die getroffene Vereinbarung für die Klägerin die Möglichkeit, noch Entgelt bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zu generieren und einen Ausscheidensgrund festzulegen, der für die weitere berufliche Entwicklung nicht mehr hinderlich war, da die Beklagte sich durch den Vergleich auf diesen Beendigungsgrund auch für Zeugnisinhalte und Auskünfte festgelegt hatte. Wenn die Klägerin in diesem Zusammenhang bereit war, einen hohen Anteil an Urlaubsansprüchen zur Erfüllung des Kündigungszeitraums einzubringen, war dieses nicht unbillig, zumal bei 27 Resttagen aus 2020 und wohl (die Kammer legt 30 Urlaubstage/Jahr zugrunde) 10 weiteren Tagen aus 2021 bis April 2021 bei einer ab dem 16.12.2020 erfolgten Nichtbeschäftigung ein Urlaubsanspruch bis zum 11.02.2021 erfüllt worden wäre, so dass bei einer Fortzahlung der Vergütung bis März 2021 eine Teilung der entstehenden Kosten anzunehmen ist, da die Beklagte ansonsten ja zu einer Abgeltung der Urlaubsansprüche verpflichtet gewesen wäre.

In diesem Zusammenhang haben die Parteien einen weiteren Tatsachenverglich darüber geschlossen, dass die gesamten Urlaubsansprüche als in natura gewährt zu betrachten waren, was als Gesamtlösung insofern sinnvoll und sogar zwingend war, da nunmehr der Beendigungstermin im Wege des Tatsachenvergleiches auf den 30.04.2021 bestimmt war, eine Urlaubsabgeltung nicht vor diesem Termin in Betracht kam gem. § 7 Abs. 4 BUrlG und durch die einvernehmliche Festlegung des Zeitraums ab dem 16.12.2020 als Urlaubsgewährungszeitraum die bestehenden Urlaubsansprüche bis zum Ablauf des Vergütungszeitraums am 31.03.2021 erfüllt waren, so dass für eine Urlaubsabgeltung kein Raum mehr war.

In diesem Fall stellt die in Ziffer 5 des Vergleiches vereinbarte ordnungsgemäße Schlussabrechnung nichts anderes dar, als die Durchführung der Abrechnung nach dem in Ziffer 4 mit den Einschränkungen in Ziff. 5 (kein Entgelt für den April 2021) Vereinbarten, somit die Abrechnung für die Monate Dezember 2020 bis April 2021 unter der Prämisse, dass die Vergütung bis März 2021 zu zahlen war, wobei der Zeitraum ab dem 16.12.2020 als Urlaubszeitraum zu betrachten war bezogen auf den insgesamt bestehenden Urlaubsanspruch. Dieses beinhaltete damit zumindest konkludent die Verrechnung der bereits als Urlaubsabgeltung gezahlten Leistung (zu einem vergleichbaren Fall ebenso LAG Köln, Urt. v. 07.12.2017, 7 Sa 177/17, juris).

2) Gegen die Berechnung der Beklagten sind keine Einwände erhoben worden, hier sind auch keine Fehler erkennbar. Der sich für die Klägerin ergebende Vergütungsanspruch von insgesamt 13.277,41 EUR netto gemäß der neu erteilten Abrechnungen für den Zeitraum Dezember 2020 bis April 2021 ist durch die Anrechnung der bereits erfolgten Zahlung von 1.655,76 EUR im Dezember 2020 zuzüglich der weiteren Zahlungen von 10.466,66 EUR netto und 309,07 EUR netto an die Klägerin sowie 645,92 EUR an die Agentur für Arbeit abzüglich 200,00 EUR Rückzahlung Arbeitgeberdarlehen erfüllt.

Im übrigen wird auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichtes Bezug genommen. Die Kammer macht sich diese gem. § 69 Abs. 2 ArbGG zu Eigen.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Die Klägerin hat die Kosten des erfolglos gebliebenen Rechtsmittels zu tragen.

IV. Gründe, die Revision nach § 72 Abs. 2 ArbGG zuzulassen, sind nicht ersichtlich. Das Berufungsgericht ist der höchstrichterlichen Rechtsprechung gefolgt. Eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage mit grundsätzlicher Bedeutung liegt nicht vor.

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