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Auslegung und Umdeutung einer Kündigungserklärung – sexuelle Belästigung

ArbG Weiden, Az.: 3 Ca 1739/14, Teilurteil vom 08.05.2015

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Beklagten zu 1) vom 30.09.2014 nicht aufgelöst wurde.

2. Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

3. Der Streitwert wird auf 1.200,- € festgesetzt.

4. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten u.a. um den Bestand ihres Arbeitsverhältnisses, um Schadensersatzansprüche sowie um Entschädigung nach dem AGG.

Die am 24.4.1973 geborene Klägerin, die zwei Personen gegenüber unterhaltsverpflichtet ist, ist bei der Beklagten seit 1.8.2014 im Rahmen eines geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses mit einem durchschnittlichen monatlichen Bruttoverdienst in Höhe von 400,- € als Bürokraft beschäftigt.

Nr. 6 des Arbeitsvertrages vom 1.8.2014 lautet:

Kündigung

Auslegung und Umdeutung einer Kündigungserklärung – sexuelle Belästigung
Symbolfoto: Von aijiro /Shutterstock.com

Das Arbeitsverhältnis kann von beiden Teilen ohne Angabe von Gründen mit einer Frist von 2 Monaten gekündigt werden. Die Kündigung muss schriftlich erfolgen. Das Arbeitsverhältnis endet danach, 2 Monate nach Eingang der Kündigung in der Geschäftsstelle. Im gegenseitigen Einvernehmen kann das Arbeitsverhältnis jederzeit aufgelöst bzw. verlängert werden. Gleiches gilt für die Fortsetzung der Tätigkeit bei der T. in einem anderen arbeitsrechtlichen Rahmen.

Im Übrigen wird auf den Arbeitsvertrag verwiesen (Bl. 7 d.A.).

Die Beklagte zu 1) beschäftigt lediglich einen Geschäftsführer (Beklagter zu 2) und die Klägerin, die sich regelmäßig zusammen in der Geschäftsstelle aufhalten.

Mit Schreiben vom 30.9.2014 kündigte die Beklagte zu 1) das Arbeitsverhältnis unter Bezugnahme auf die arbeitsvertragliche Kündigungsfrist.

Das Kündigungsschreiben lautet auszugsweise:

„Sehr geehrte Frau A,

wir nehmen Bezug auf Punkt 6. der Anstellungsvereinbarung zwischen der T. und Ihnen, vom 01.08.2014.

Danach kündigen wie das Arbeitsverhältnis Form- und fristgerecht mit einer Frist von 2 Monaten. Damit endet die Beschäftigung bei der T. in der ersten Dezemberwoche 2014.

Mit freundlichen Grüßen“

Unterschrieben wurde die Kündigung vom Beklagten zu 2).

Die Klägerin wehrt sich mit der vorliegenden, am 22.10.2014 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage gegen diese Kündigung. Die Kündigung sei unwirksam. Der Endzeitpunkt sei nicht bestimmbar. Die Kündigung verstoße auch gegen die Maßregelungsverbote der §§ 612 a BGB, 16 AGG und sei wegen §§ 138, 134 BGB nichtig. Diese sei offenkundig eine Reaktion auf das Schreiben der Klägerinvertreter vom 29.9.2014, mit welchem die Beklagte zu 1) von sexuellen Belästigungen und zwei massiven sexuellen Übergriffen ihres Geschäftsführers, des Beklagten zu 2), gegenüber der Klägerin informiert wurde mit der Aufforderung, unverzüglich der arbeitgeberseitigen Fürsorgeverpflichtung nachzukommen und mitzuteilen, welche Maßnahmen arbeitgeberseitig ergriffen werden, um die für die Klägerin unzumutbaren Zustände abzustellen (Bl. 3 und 9 f. d.A.).

Bereits kurze Zeit nach Beginn des Beschäftigungsverhältnisses habe der Beklagte zu 2) der Klägerin das „Du“ angeboten und immer wieder die „Nähe“ zu ihr gesucht, wobei sich hier anfängliche Berührungen gehäuft hätten und der Beklagte zu 2) z.B. längere Zeit den Rücken der Klägerin gestreichelt habe.

Am 17.9 und 25.9.2014 sei es dann zu massiven sexuellen Belästigungen im Rahmen des laufenden Beschäftigungsverhältnisses gekommen. Am 17.9 sei der Beklagte zu 2) im Rahmen einer Außendiensttätigkeit u.a. zu Teichanlagen gefahren, wobei er als Pkw- Führer der Klägerin mit der rechten Hand an den Oberschenkel gegriffen und sie dort mit eindeutiger sexueller Absicht berührt habe. Die Klägerin sei über diesen Vorfall sehr erschrocken gewesen und habe sich auch aufgrund der Situation im Pkw dem Annäherungsversuch nur schwer entziehen können, habe jedoch deutlich gemacht, dass entsprechende körperliche Kontakte nicht erwünscht seien. Dass sie nicht sofort reagiert habe, sei auch daran gelegen, dass ihr der Beklagte zu 2) bei der Hinfahrt zur Teichanlage eine im Pkw verstaute Pistole gezeigt habe (Bl. 60 d.A.).

Am 25.9 um ca. 11.55 Uhr sei es zu einem weiteren eklatanten Vorfall im Büro gekommen, als sich der Beklagte zu 2) der Klägerin von hinten genähert habe, sich mit seinem ganzen Körper fest an sie gedrückt habe und mit beiden Händen ihre Brüste umfasst habe, wobei er ihren Körper dabei fest umklammert habe. Dieser Angriff sei von ihr neuerlich abgewehrt worden, indem sie mit beiden Händen die Hände des Beklagten weggeschlagen habe, sich dabei aber nur mit erheblicher Kraftanstrengung aus seiner Umklammerung habe lösen können. Da erhebliche strafrechtliche Tatbestände verwirklicht seien, habe die Klägerin Strafanzeige erstattet. Ihre Vertreter hätten sich außergerichtlich an den Vorstandsvorsitzenden gewandt und an die Adresse der Beklagten. Es sei davon auszugehen, dass der Beklagte zu 2) nach Öffnung des Schreibens als Reaktion noch am 30.9.2014 die Kündigung ausgesprochen habe, jedenfalls habe der Vorstandsvorsitzende noch am 2.10 schriftlich erklärt, bislang noch keinen Kontakt mit seinem Geschäftsführer gehabt zu haben (Bl. 4 d.A.). Die Kündigung sei unwirksam, der Klägerin stehe ein Leistungsverweigerungsrecht zu, nachdem die Beklagte keinerlei Maßnahmen zur Unterbindung weiterer sexueller Belästigungen ergriffen habe und letztlich müssten die Beklagten – die Klägerin sei seit dem letzten Vorfall arbeitsunfähig erkrankt (Bl. 4 f. d.A.) – Schadensersatz und Entschädigung leisten (Bl. 4 ff. d.A.). Der Klägerin sei mittlerweile von ihren beiden Vorgängerinnen bestätigt worden, dass auch diese sich Annäherungen des Beklagten hätten entziehen müssen und ebenfalls „unangemessenen Kontakten“ ausgesetzt gewesen seien (Bl. 58 ff. d.A.). Zweideutige Äußerungen ihrerseits oder gar eine unangemessene Annäherung an den Beklagten zu 2) habe es nicht gegeben. Wegen des weiteren Vortrages der Klägerin wird vollumfänglich auf alle hierzu eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Die Klägerin hat zuletzt im Kammertermin beantragt:

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Beklagten zu 1) vom 30.9.2014 nicht aufgelöst wurde.

2. Es wird festgestellt, dass die Klägerin berechtigt ist, die ihr übertragenen Arbeiten zurückzuhalten, solange die Beklagte zu 1) keine ausreichenden Maßnahmen ergriffen hat, die Klägerin vor weiteren sexuellen Übergriffen des bei der beklagten Partei beschäftigten Geschäftsführers, dem Beklagten zu 2), zu schützen.

3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 1) zum Ersatz aller materiellen Schäden verpflichtet ist, die der Klägerin durch die sexuellen Übergriffe des bei der beklagten Partei beschäftigten Geschäftsführers, dem Beklagten zu 2), entstanden sind und noch entstehen werden.

4. Die Beklagten zu 1) und 2) werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin eine Entschädigung in Höhe von 5.000,- € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Die Beklagten hingegen beantragen, die Klage abzuweisen.

Zur Begründung tragen die Beklagten vor, dass die Kündigung wirksam sei. Das Kündigungsschutzgesetz finde keine Anwendung. Die von der Klägerin behauptete sexuelle Belästigung werde bestritten und sei frei erfunden. Der Beklagte zu 2) habe zwar die Klägerin und auch die bisherigen Beschäftigten geduzt. Unrichtig sei aber, dass er immer wieder ihre Nähe gesucht habe. Aufgrund der räumlichen Verhältnisse (Büro nur 2,20 m breit) sei eine gewisse Nähe aber nicht zu vermeiden. Unrichtig sei, dass sich anfängliche Berührungen gehäuft hätten und der Beklagte zu 2) z.B. längere Zeit den Rücken der Klägerin gestreichelt habe. Er sei gegenüber der Klägerin zu keinem Zeitpunkt übergriffig gewesen und habe diese auch nicht in irgendeiner unschicklichen Art und Weise berührt. Soweit er sie berührt habe, sei dies aus gegebenem Anlass geschehen, z.B. Händedruck, auf die Schulter klopfen oder eine Umarmung usw. Diese Berührungen stellten keine sexuelle Handlung dar, sondern ein Zeichen der Wertschätzung und Freundschaft. Nachdem die Klägerin darüber hinaus weder mit Worten noch mit Handlungen zu erkennen gegeben habe, dass dies nicht in ihrem Sinn sei, habe es keine Veranlassung für den Beklagten zu 2) gegeben, die Nähe und (normale) Berührungen der Klägerin zu (ver)meiden. Im Gegenteil habe es die Klägerin sogar ausdrücklich abgelehnt, dass sie und der Beklagte zu 2) bewusst auf Abstand gehen. Dies nachdem der Beklagte zu 2) in einem normalen Gespräch mit der Klägerin diese Möglichkeit ausdrücklich eingeräumt und sich beide auf ein normales freundschaftliches Miteinander (ohne sexuelles Verhältnis!) verständigt hätten. Anlass für dieses Gespräch seien wiederholte zweideutige Äußerungen der Klägerin gegenüber dem Beklagten zu 2) gewesen, wovon er genervt gewesen sei. Bezüglich der beklagtenseits behaupteten Äußerungen der Klägerin im Einzelnen wird auf Bl. 47 f. d.A. verwiesen. Aus diesen Andeutungen habe der Beklagte zu 2) Konsequenzen gezogen und mit Erfolg versucht, Abstand zur Klägerin zu halten (Bl. 48 d.A.).

Am 17.9 habe er mit der Klägerin die Teichanlagen besichtigt. Da etwas Zeit gewesen sei, hätten sie ein Restaurant besucht. Bei dieser Gelegenheit habe der Beklagte zu 2) der Klägerin mitgeteilt, dass es bei der Beklagten zu 1) im Grunde zwei Varianten gebe: A) Man halte ausreichend Abstand, jeder erledige auf seinem Arbeitsplatz die anfallenden Arbeiten, Gespräche seien auf den Arbeitsbereich begrenzt. B) Man könne ein Stück aufeinander zugehen, um in einem guten Betriebsklima freundschaftlich und verantwortungsvoll seine Aufgaben zu erfüllen. Die Klägerin habe deutlich erklärt, dass sie Variante B wolle, woraufhin der Beklagte zu 2) sein Verhalten entsprechend angepasst habe. Ca. eine viertel Stunde später habe der Beklagte zu 2) dann auf der Heimfahrt im Auto den Oberschenkel der Klägerin kurz berührt, er sei nach dem vorangegangenen Gespräch der Meinung gewesen, dass sexuelle Handlungen von vornherein ausgeschlossen seien (Bl. 49 d.A.). Es sei nicht wahr, dass die Klägerin erschrocken reagiert habe. Es habe für die Klägerin kein Anlass bestanden, sich darüber zu beschweren. Die Klägerin habe während der Rückfahrt mitgeteilt, dass sie in der Nähe kleine Häuser/Wohnungen kenne, die man mieten könne, dort sei sie schon mit einem Bekannten gewesen (Bl. 49 d.A.). Der Beklagte zu 2) sei jedoch abermals nicht auf diese zweideutige Bemerkung eingegangen, worauf die Klägerin einen enttäuschten Eindruck gemacht habe, woraufhin er sie kurz in freundschaftlich-aufmunternder und keineswegs sexueller Weise am Oberschenkel berührt habe. Der Beklagte zu 2) hätte es im Übrigen auch akzeptiert, wenn die Klägerin nicht nur sexuell anzügliche Berührungen (was selbstverständlich sei), sondern auch normale Berührungen nicht akzeptiert hätte. Dem Beklagten zu 2) sei eine vertrauensvolle Zusammenarbeit bei der T. wichtig. Bereits im Bewerbungsgespräch sei der Klägerin erklärt worden, dass Bedenken oder Beanstandungen sofort offen besprochen werden müssten und gemeinsam geregelt werden müssten und nur unter dieser Voraussetzung eine vertrauliche Zusammenarbeit gewährleistet sei, ansonsten sei eine Einstellung bzw. Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses nicht möglich. Die Klägerin sei hiermit einverstanden gewesen (Bl. 50 d.A.).

Ferner sei der Beklagte zu 2) der Meinung, dass Berühren aus gegebenem Anlass, z.B. Händedruck, auf die Schulter klopfen, Umarmung usw. keine sexuelle Handlung darstellen, sondern vielmehr ein Zeichen der Wertschätzung und Freundschaft. Nachdem die Klägerin weder mit Worten noch mit Handlungen zu erkennen gegeben habe, dass dies nicht in ihrem Sinne sei, sei der Beklagte zu 2) davon ausgegangen, dass sein Handeln der klägerseits gewünschten Variante B entspreche. Gleiches gelte für den zweiten Vorwurf, dabei sei zu merken, dass die Angelegenheit so wie sie dargestellt worden sei, nie stattgefunden habe, der angebliche Vorfall entspringe der Phantasie der Klägerin und werde bestritten (Bl. 50 d.A.). Die Klägerin habe am 25.9 bei Verlassen des Beklagten zu 2) abschließend gesagt: „Also bis morgen“. Nachdem am Montagmorgen der Ehegatte der Klägerin beim Beklagten zu 2) angerufen und mitgeteilt habe, dass die Klägerin nicht zur Arbeit komme und ihr Rechtsanwalt eine Begründung nachreiche, habe die Klägerin den Nachweis erbracht, dass sie die Vereinbarung bei ihrem Vorstellungsgespräch missachtet habe und die Voraussetzungen für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit nicht mehr gegeben gewesen seien. Die Beklagte zu 1) habe sich in dieser Situation gezwungen gesehen, zu kündigen. Der Beklagte zu 2) habe sich mit dem Vorstandsvorsitzenden der Beklagten zu 1) schon vor Eingang des Schreibens des anwaltlichen Vertreters der Klägerin vom 29.9 entschlossen. Unabhängig davon habe der Beklagte zu 2) mit dem Vorstand der Beklagten zu 1) bereits etwa zwei Wochen vor dem 29.9 über die Klägerin gesprochen und gesagt, dass es nach Lage der Dinge mit ihr wahrscheinlich nicht lange gut gehe (Bl. 51 d.A.).

Unrichtig sei, dass der Beklagte zu 2) die Kündigung ohne Rücksprache und ohne Kenntnis des Vorstands der Beklagten zu 1) ausgesprochen habe (Bl. 51 d.A.). Sexuelle Übergriffe seien nicht ursächlich für eine – bestrittene – ärztliche Behandlung, da solche nicht stattgefunden hätten.

Die Kündigung sei inhaltlich bestimmt bzw. ihr Inhalt durch Auslegung bestimmbar und jedenfalls umdeutbar, somit wirksam (Bl. 52 ff. und 71 ff. d.A.). Auch liege kein Verstoß gegen Maßregelverbote vor, da die Kündigung keine Reaktion auf das anwaltliche Schreiben gewesen sei und keine Reaktion auf die Ausübung ihrer Rechte (Bl. 53 d.A.). Die Entschädigungshöhe sei zudem überzogen (Bl. 53 d.A.). Wegen weiterer Einzelheiten zum Vortrag der Beklagten wird vollumfänglich auf sämtliche hierzu eingereichten Schriftsätze und das Sitzungsprotokoll vom 8.5.2015 verwiesen.

Zur Ergänzung des Tatbestands wird im Übrigen noch auf den gesamten weiteren Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist nur teilweise entscheidungsreif, insoweit aber zulässig und begründet, da sich die Kündigung vom 30.9.2014 als unwirksam erweist.

A.

Der Rechtsstreit ist nur bezüglich der Kündigung vom 30.9.2014 entscheidungsreif, § 301 I ZPO.

Insoweit ist der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten eröffnet, § 2 I Nr. 3 b ArbGG. Das Arbeitsgericht Weiden ist örtlich zuständig, § 48 I a ArbGG.

 

Insoweit ist die Klage auch zulässig, insbesondere ist das Feststellungsinteresse gem. § 256 I ZPO gegeben, was sich bereits aus §§ 7, 4 KSchG ergibt.

B.

Die Kündigung vom 30.9 ist unwirksam und konnte das Arbeitsverhältnis nicht auflösen.

Die Dreiwochenfrist des § 4 KSchG wurde durch Eingang des Klage bei Gericht am 22.10.2014 offensichtlich gem. § 167 ZPO gewahrt, da die Kündigung vom 30.9 beklagtenseits mit der Post versandt wurde (vgl. Beklagtenschreiben vom 6.5.2015, S. 2, Bl. 77 d.A.) und damit der Klägerin frühestens am 1.10.2014 zugegangen ist. Damit gilt die Kündigung nicht gem. § 7 KSchG als wirksam.

Zwar findet das Kündigungsschutzgesetz unstreitig keine Anwendung auf das klägerische Arbeitsverhältnis. Die Kündigung ist aber dennoch unwirksam.

Die Unwirksamkeit folgt aus dem Erfordernis der Bestimmtheit. Eine Kündigung muss hinsichtlich Beendigungswille und -zeitpunkt ausreichend bestimmt sein, da sie ansonsten unwirksam ist (vgl. nur BAG vom 21.10.1981, 7 AZR 407/79; Mues, Eisenbeis, Legerlotz, Laber, Handbuch zum Kündigungsrecht, Teil 1 Rz. 123).

Daran fehlt es hier. Bei einer ordentlichen Kündigung ist grds. der Kündigungstermin anzugeben, doch kann die notwendige Bestimmtheit auch durch Auslegung erreicht werden (vgl. ErfK, 15. Aufl., § 620 BGB Rn. 20). Der Beendigungszeitpunkt ist notwendiger Bestandteil eine Kündigung. Die an eine ordentliche Kündigung zu stellenden Bestimmtheitsanforderungen verlangen dazu nicht unbedingt die Angabe eines konkreten Datums. Der Arbeitgeber muss aber den Wirkungszeitpunkt seiner Willenserklärung so bestimmen, dass der Arbeitnehmer als Erklärungsempfänger unschwer – also ohne darüber rätseln zu müssen oder umfassende tatsächliche oder rechtliche Ermittlungen anzustellen – feststellen kann, zu welchem Termin der Arbeitgeber eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses genau gewollt haben könnte (vgl. ErfK, § 4 KSchG Rn. 5 a, m.N.d. BAG-Rspr.). Bestehen danach keine Zweifel am Beendigungszeitpunkt oder ist der genaue Beendigungstermin unter Anwendung der einschlägigen gesetzlichen, tarifvertraglichen und/oder vertraglichen Regelungen für den Arbeitnehmer bestimmbar, scheitert die Kündigung nicht am Bestimmtheitserfordernis (vgl. ErfK, a.a.O.). Nicht auslegungsfähig und damit nicht hinreichend bestimmt ist allerdings eine Erklärung, in der mehrere Termine für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses genannt werden und für den Arbeitnehmer nicht erkennbar ist, welcher Termin gelten soll (vgl. BAG vom 20.6.2013, 6 AZR 805/11).

Bei Anwendung dieser Grundsätze kann nicht festgestellt werden, dass die Klägerin dem Kündigungsschreiben den arbeitgeberseits beabsichtigten genauen Beendigungstermin hätte unschwer entnehmen können.

Ein konkreter Beendigungstermin ist nicht genannt, sondern ein mehrere Tage beinhaltender Zeitraum, in dem die Beendigung eintreten soll („… endet … in der ersten Dezemberwoche“). Damit sind letztlich mehrere mögliche Beendigungstermine genannt, was bereits dazu führt, dass eine Auslegung nicht möglich ist und die Kündigung unbestimmt und damit unwirksam ist (vgl. BAG vom 20.6.2013, BAG vom 21.10.1981).

Ein genauer Termin kann auch durch Auslegung nicht ermittelt werden, insbesondere nicht durch einen durchschnittlichen Arbeitnehmer und insbesondere nicht unschwer. Dies deshalb, da die Kündigung auf Nr. 6 des Arbeitsvertrages verweist, in dem bezüglich des Kündigungstermins nichts zum Kündigungszugang sondern nur geregelt ist, dass das Arbeitsverhältnis danach 2 Monate nach Eingang der Kündigung in der Geschäftsstelle ende. Daraus lässt sich aber ein konkreter Termin im Lauf der angegebenen Woche nicht ermitteln. Eine Berechnung ausgehend vom Kündigungszugang – wie es die Beklagtenseite vornehmen will (vgl. Schriftsatz vom 6.5.2015) ist in Nr. 6 nicht vereinbart, solches kann auch nicht angenommen werden, da Kündigungstermine regelmäßig und typischerweise nicht ab dem Kündigungszugang ermittelt werden (ab da läuft nur die vom Kündigungstermin streng zu trennende Kündigungsfrist), sondern zum Schutz des Arbeitnehmers nur zu bestimmten Zeitpunkten bestehen, z.B. nach § 622 BGB nur zum Fünfzehnten oder zum Monatsende. Eine Berechnung des Kündigungstermins ausgehend vom Eingang der Kündigung in der Geschäftsstelle – wie explizit vereinbart – ist der Klägerin oder einem anderen Außenstehenden nicht möglich, da es sich hier um einen rein internen Vorgang bei der Beklagten handelt. Ein Verständnis dahingehend, dass diese Regelung nur Arbeitnehmerkündigungen betreffen soll (vgl. Beklagtenausführungen im Schriftsatz vom 6.5.2015) ist möglich und auch nicht fernliegend, eine andere Auslegung dahingehend, dass alle Kündigungen erfasst sein sollen, ist allerdings auch möglich. Für letzteres spricht der nicht differenzierende Wortlaut der Passage im Anschluss an Satz 1 der Nr. 6 wonach das Arbeitsverhältnis von beiden Teilen gekündigt werden kann und der (vermeintliche) Vorteil einer solchen Regelung – bei unterstellter Wirksamkeit – für die Beklagte, dass sie den Beendigungstermin genau bestimmen kann, nämlich 2 Monate nach Eingang der Arbeitgeberkündigung in der Geschäftsstelle zum Versand.

Im Ergebnis ist Nr. 6 des Arbeitsvertrages hinsichtlich des Kündigungstermins unklar und durch die Bezugnahme im Kündigungsschreiben auch die Kündigung selbst. Eine Auslegung ist nach Vorstehendem nicht möglich und würde auch nicht weiterhelfen, eine AGB-Inhaltskontrolle oder arbeitgeberfreundliche Interpretation kann nicht stattfinden, da sich die Beklagte als Verwenderin der schon dem Anschein nach Allgemeinen Geschäftsbedingungen gem. §§ 305 ff. BGB im Arbeitsvertrag vom 1.8.2014 nicht zu ihren Gunsten auf die §§ 305 ff. BGB berufen kann (vgl. ErfK, § 305 ff. Rn. 10).

Der genaue Beendigungstermin ist danach weder bestimmt noch bestimmbar, vielmehr bleibt es beim im Kündigungsschreiben angegebenen Zeitraum von einer Woche mit entsprechend vielen möglichen Beendigungsterminen. Dies führt zur Unwirksamkeit der Kündigung.

Auch eine Umdeutung der unwirksamen Kündigung vom 30.9.2014 ist vorliegend nicht möglich und kann daher nicht zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses führen. Zwar kann eine unwirksame Kündigung unter Umständen im Wege der Umdeutung Rechtswirkungen erlangen. Nach § 140 BGB gilt, sofern ein nichtiges Rechtsgeschäft den Erfordernissen eines anderen Rechtsgeschäfts genügt, das Letztere, wenn anzunehmen ist, das dessen Geltung bei Kenntnis der Nichtigkeit gewollt sein würde.

Die Umdeutung ist von der Auslegung der Willenserklärung abzugrenzen, sie setzt deren Ergebnis voraus (vgl. Schaub, 15. Aufl., § 123 Rn. 73). Erst wenn als Ergebnis der Auslegung feststeht, dass eine Willenserklärung unwirksam ist, kann eine Umdeutung erfolgen (vgl. Eisemann, NZA 2011, 601). Vorliegend ist die Kündigungserklärung aber bereits gar nicht auslegungsfähig, da kein Kündigungstermin sondern ein Korridor genannt wird, innerhalb dessen die Kündigung wirken soll und damit im Ergebnis mehrere verschiedene Zeitpunkte (vgl. BAG vom 20.6.2013, 6 AZR 805/11, Rz.15). Eine Umdeutung ist daher hier nicht möglich. In Fällen, in denen Gerichte Kündigungserklärungen als zu unbestimmt und damit unwirksam erklärt haben, wurde eine Umdeutung daher konsequenterweise auch gar nicht erst geprüft (vgl. z.B. BAG vom 21.10.1981, 7 AZR 407/79, LAG Hamm vom 6.4.2011, 6 Sa 9/11, aufgehoben durch BAG vom 20.6.2013, a.a.O.).

Es fehlt vorliegend anders als in den „typischen“ Umdeutungsfällen auch an einem Maßstab zur Bestimmung eines bzw. des zutreffenden Kündigungstermins, da die Parteien in Nr. 6 des Arbeitsvertrages offensichtlich und auch aus Beklagtensicht gerade eine vom Gesetz abweichende individualvertragliche Kündigungsregelung vereinbart haben, die die Bestimmung eines Kündigungstermins aus Sicht der Kammer aber nicht zweifelsfrei ermöglicht (s.o.).

Im Übrigen scheidet eine Umdeutung immer dann aus, wenn es sich nicht um ein nichtiges Geschäft i.S.d. § 140 BGB sondern um ein unvollständiges Rechtsgeschäft handelt, bei dem ein wesentlicher Teil fehlt, denn eine solche fehlende Erklärung kann nicht wie eine nichtige, aber zumindest vorhandene Erklärung im Wege der Umdeutung Rechtswirkungen entfalten (vgl. BGH vom 12.11.1981, III ZR 57/80; Palandt, 72. Aufl., § 140 BGB Rn. 3). Eine solche Konstellation liegt hier vor: Der Beendigungszeitpunkt ist wesentlicher und sogar notwendiger Bestandteil einer Kündigung. Die Kündigung kann nicht in ein „ob“ und ein „wann“ getrennt werden (vgl. ErfK, § 4 KSchG Rn. 5a; Ascheid/ Preis/ Schmidt, Kündigungsrecht, 4. Aufl., § 622 BGB Rn. 66c). In der Kündigung vom 30.9.14 gibt es keinen – auch durch Auslegung (s.o.) nicht ermittelbaren – eindeutigen Kündigungstermin. Damit ist diese nach dem Vorgenannten unvollständig und damit gar nicht umdeutungsfähig, dies jedenfalls deshalb, da in der vorliegenden besonderen Konstellation nicht etwa (nur) die Angabe eines Kündigungstermins fehlt, sondern vielmehr beklagtenseits mit dem angegebenen Beendigungskorridor („in der ersten Dezemberwoche 2014“) in Verbindung mit der Nr.6 des Arbeitsvertrages eine im Ergebnis unauflösbare Situation geschaffen wurde.

Unabhängig davon erweist sich die streitgegenständliche Kündigung nach dem Akteninhalt auch als unwirksam gem. § 134 BGB wegen Verstoßes gegen das Maßregelungsverbot des § 612 a BGB, das auch außerhalb des Anwendungsbereichs des Kündigungsschutzgesetzes gilt. Die Klägerseite wirft der Beklagtenseite eine unzulässige Maßregelung vor und begründet die Unwirksamkeit der Kündigung damit. Nach dem Klägervortrag erweist sich die Kündigung auch als maßregelnd.

Die Kündigung verstößt jedoch auch nach dem Beklagtenvortrag gegen das Maßregelungsverbot. Die Beklagtenseite lässt hierzu ausführen, dass sie gekündigt habe, sich sogar zur Kündigung gezwungen gesehen habe, weil die Klägerin gegen ihre Verpflichtung verstoßen habe, bei Beanstandungen oder Bedenken diese unmittelbar der TEGO mitzuteilen und gemeinsam eine Lösung zu finden, da am 29.9.2014 ihr Ehegatte beim Beklagten zu 2) angerufen und mitgeteilt habe, dass die Klägerin nicht zur Arbeit komme und eine Begründung von ihrem Rechtsanwalt nachgereicht werde (vgl. S. 7 des Schriftsatzes vom 9.1.2015, Bl. 51 d.A.).

Damit greift auch nach dem Beklagtenvortrag das Maßregelungsverbot des § 612 a BGB ein. Danach darf der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung oder Maßnahme nicht benachteiligen, weil dieser in zulässiger Weise seine Rechte ausübt. Dies ist hier aber durch die Kündigung nach dem Beklagtenvortrag geschehen.

Dies ergibt sich daraus, dass die Beklagte nach ihrem Vortrag zur Zeit des Kündigungsentschlusses noch vor Eingang des Schreibens des Klägerinvertreters vom 29.9.2014 noch gar keine Kenntnis von den Vorwürfen (sexuelle Belästigung) der Klägerin hatte und hierzu (also zum Kündigungsentschluss) alleine durch die Mitteilung des klägerischen Nichterscheinens durch ihren Ehemann mit der angekündigten nachfolgenden Begründung durch ihren Rechtsanwalt bewegt wurde. Damit aber hat die Klägerin nur in zulässiger Weise ihr Recht zur Information ihres Arbeitgebers bezüglich ihres Nichterscheinens am Arbeitsplatz ausgeübt. Hierzu bestand sogar eine Obliegenheit, wenn nicht gar Pflicht (vgl. § 5 EFZG).

Die zulässige Rechtsausübung erfasste sogar – ohne dass es vorliegend darauf ankommt – die Ausübung von Verfahrens- und Beschwerderechten, ohne dass es auf die sachliche Begründetheit des Rechtsbehelfs ankäme (vgl. KR-Treber, 10. Aufl., § 612 a BGB, Rn. 6a). Eine Äußerung von Beschwerden wirft die Beklagte der Klägerin aber explizit nicht vor, sondern nur die Art und Weise der Informationsübermittlung, nämlich nicht persönlich, sondern über Dritte. Dies ist aber zur Überzeugung der Kammer gerade nicht zu beanstanden, sondern vielmehr ein Recht der Klägerin.

Zur Übermittlung der Information – Nichterscheinen – sowie zur Begründung darf sich die Klägerin auch Vertretern bzw. ihres Ehemannes (vgl. § 1357 BGB) bedienen, was sich aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen ergibt. Dass eine Stellvertretung bei der Informationsübermittlung abbedungen wäre, macht die Beklagte nicht geltend, solches wäre auch wenig sinnvoll (man denke an eine Krankmeldung durch eine Vertrauensperson) und würde gegen §§ 305 c I, 307 I 2 und § 307 I 1 BGB verstoßen, da es sich nach dem Beklagtenvortrag bei der Vereinbarung bezüglich des Vorgehens bei Bedenken oder Beanstandungen um eine mündliche (was unschädlich ist, vgl. z.B. BAG vom 16.5.2012, 5 AZR 331/11) arbeitgeberseits vorgegebene Vertragsbedingung und damit Allgemeine Geschäftsbedingung i.S.d. §§ 305 ff. BGB handelt, vgl. § 310 III BGB (vgl. ErfK, § 305-310 Rn. 23), mit der ungewöhnlicherweise und ohne erkennbare Begrenzung und Grund ein elementares Recht (Stellvertretung) ausgeschlossen wäre (vgl. MüKo, 6. Aufl., vor § 164 BGB Rn. 73). Bei der Ausübung eines Rechts kann man sich seines Ehepartners (§ 1357 BGB ist ohnehin zwingend und für einen Dritten nicht abdingbar) oder eines Rechtsanwalts bedienen, ohne deswegen Sanktionen befürchten zu müssen (vgl. ErfK, § 612 a BGB Rn. 7).

Da die Kündigung nach dem Beklagtenvortrag auch gerade wegen der im Ergebnis aber zulässigen Benachrichtigung am Morgen des 29.9 erfolgte, erweist sie sich auch nach diesem Vorbringen und damit nach dem Vorbringen beider Seiten als unwirksam.

Die Kostenentscheidung war der Schlussentscheidung vorzubehalten.

Der Streitwert wurde gem. § 42 II GKG festgesetzt.

Ein gesetzlich begründeter Anlass für eine gesonderte Berufungszulassung bestand nicht, § 64 III ArbGG.

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