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Ausscheiden aus Arbeitsverhältnis wegen Berufsunfähigkeit – betriebliche Altersversorgung

Landesarbeitsgericht Hamburg – Az.: 8 Sa 48/18 – Urteil vom 27.04.2020

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 26.07.2018 (15 Ca 366/17) teilweise abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 1.022,70 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit dem 07.07.2018 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Höhe der dem Kläger zustehenden betrieblichen Berufsunfähigkeitsrente und zu beanspruchender Zuschüsse zu Versicherungsbeiträgen.

Wegen des Sach- und Streitstands in erster Instanz wird gemäß § 69 II ArbGG auf die Feststellungen im angefochtenen Urteil (Bl.141 – 144 d.A.) Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die vom Kläger beanspruchten Zusatzleistungen setzten nach § 11 Nr. 6 der Gesamtbetriebsvereinbarung über die betriebliche Altersversorgung (i.F.: GBV) voraus, dass der Arbeitnehmer wegen Berufsunfähigkeit ausgeschieden sei. Das sei beim Kläger nicht der Fall, da er aufgrund der am 23.12.2012 einvernehmlich vereinbarter Aufhebung seines Arbeitsvertrags mit Blick auf den im Rahmen konzernweiter Umstrukturierungen abgeschlossenen Konzernsozialplan ausgeschieden sei. Dass dem Kläger zum damaligen Zeitpunkt ärztlicherseits zur Aufgabe seines Arbeitsverhältnisses geraten worden sei, sei allenfalls ein für den Arbeitgeber nicht nach außen getretenes Motiv des Klägers gewesen. Ob der Kläger im Zeitpunkt der Aufhebung objektiv berufsunfähig gewesen sei, sei ebenfalls unbeachtlich, da die Parteien die Beendigung aus betrieblichen Gründen unter Inanspruchnahme einer Abfindung vereinbart hätten. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe (Bl. 144 – 146 d.A.) Bezug genommen.

Gegen das am 26.07.2018 verkündete und den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 28.07.2018 zugestellte Urteil hat der Kläger am 27.08.2018 Berufung eingelegt und diese – nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 29.10.2018 – am 26.10.2018 begründet.

Der Kläger ist der Ansicht, das Arbeitsgericht habe die Klage zu Unrecht abgewiesen.

Das Arbeitsgericht sei der Frage, ob bereits vor dem Ausscheiden des Klägers aus dem Arbeitsverhältnis am 30.06.2013 eine 52 Wochen dauernde Arbeitsunfähigkeit bestanden habe, die zu einer Berufungsunfähigkeit i.S. der GBV geführt habe, nicht nachgegangen. Diese Voraussetzung sei jedoch mit Wirkung ab dem 29.05.201 zu bejahen, so dass hierdurch der Leistungsfall aus § 8 Nr. 2 GBV ausgelöst worden sei und dem Kläger ein unquotierter Versorgungsbezug ab diesem Zeitpunkt zugestanden habe.

Dass der Kläger Urlaub beantragt und erhalten habe, stehe der Feststellung der Arbeitsunfähigkeit nicht entgegen. Zur Stellung der Urlaubsanträge habe sich der Kläger durch Ziffer 3.1 des Aufhebungsvertrags veranlasst gesehen. Tatsächlich sei er auch während der als Urlaub gebuchten Zeiten arbeitsunfähig gewesen.

Die Arbeitsunfähigkeit des Klägers werde durch die Anlagen BK1, 2, 3 und 4 bestätigt. Dass die Atteste teilweise erst zu eine späteren Zeitpunkt ausgestellt worden seien, sei unschädlich, weil sich der Kläger durchgehend in der Behandlung des attestierenden Arztes befunden habe. Schließlich sei noch darauf hinzuweisen, dass der Kläger in dem 52wöchigen Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit keinen Bildungsurlaub genommen habe. Dies sei erst im Juni 2013 erfolgt.

Der Kläger könne die Zusatzleistungen auch für die gesamte Dauer seiner Berufsunfähigkeit beanspruchen, da er wegen Berufsunfähigkeit aus den Diensten der Arbeitgeberin ausgeschieden sei. Das Arbeitsgericht habe die Formulierung „wegen Berufsunfähigkeit“ in § 11 Abs. 6 Nr. 1 GBV unrichtig ausgelegt. Die Formulierung bedeute nicht, dass die Parteien die Berufsunfähigkeit kennen und deshalb eine Aufhebung vereinbaren müssen. Vielmehr sei lediglich erforderlich, dass die Berufsunfähigkeit objektiv vorgelegen habe. Dies ergebe sich aus dem Grundsatz der objektiven Auslegung von Betriebsvereinbarungen. Dass der Kläger in Folge einvernehmlicher Aufhebung im Rahmen konzernweiter Umstrukturierung durch Aufhebungsvertrag aus seinem Arbeitsverhältnis ausgeschieden sei, habe, anders als vom Arbeitsgericht angenommen, keinen Einfluss auf seine Berufsunfähigkeit. Für den Kläger sei der Rat seines Arztes, seine berufliche Tätigkeit aufzugeben, das tragende Motiv auf den Abschluss des Aufhebungsvertrags gewesen. Durch den Abschluss des Aufhebungsvertrags habe sich der Kläger maßgeblichen Einfluss auf die Formulierung seines Zeugnisses verschaffen können.

Zu Unrecht sehe die Beklagte in der Beanspruchung von Zusatzleistungen nach der GBV und der gewährten Zahlung einer Abfindung einen Widerspruch. Der Aufhebungsvertrag sehe ausdrücklich vor, dass Ansprüche auf etwaige unverfallbare Anwartschaften unberührt blieben.

Anders als von der Beklagten angenommen, könnten Ansprüche aus § 8 Ziffer 2 und aus § 11 Ziffer 6 GBV nebeneinander bestehen. Letztere schlössen § 8 Ziffer 2 GBV keineswegs aus.

Die Beklagte wende zu Recht ein, dass der Kläger die Zusatzleistungen nur für die Dauer der Berufsunfähigkeit beanspruchen könne. Deshalb seien die Anträge 3 und 4 jeweils entsprechend eingeschränkt worden. Die Befristung der Hausversicherung auf den 07.12.2032 – dem Zeitpunkt, in dem der Kläger das 65. Lebensjahr vollenden wird – sei mit der Rechtsprechung zum RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz nicht vereinbar. Die Begrenzung auf das 65. Lebensjahr sei vielmehr als dynamische Verweisung auf die Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung auszulegen (vgl. BAG v. 15.05.2012 – 3 AZR 11/10 – Tz 50). Diese Wertung sei auch für die vorliegende versicherungsförmige betriebliche Altersversorgung zu übernehmen. Die Anträge zu 3b bzw. 4b würden hilfsweise für den Fall gestellt, dass die Kammer dieser Rechtsauffassung nicht folge.

Wegen der Einzelheiten wird auf die Berufungsbegründung (Bl. 160 – 184 d.A.) sowie die ergänzenden Schriftsätze vom 06.03.2019 (Bl. 221 – 234 d.A.), 29.04.2019 (Bl. 239 – 253 d.A.), 24.06.2019 (Bl. 268 – 275 d.A.) und vom 19.03.2020 (Bl. 289 – 290 d.A.) Bezug genommen.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 26.07.2018 (15 Ca 366/17) abzuändern und – klageerweiternd aufgrund der zwischenzeitlich angefallenen Beiträge – wie folgt zu entscheiden:

1. die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 45.691,87 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf € 35.451,53 seit Rechtshängigkeit sowie auf je € 640,04 ab dem 01.07.2018 für jeden fortlaufenden Monat zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger ab dem 01.11.2018 weitere € 640,04 monatlich bis zur Übernahme der vollen monatlichen Beiträge der für den Kläger abgeschlossenen Versicherungsverträge LV 482183366 (Monatsbeitrag € 204,80) und LV 4304554004 (Monatsbeitrag € 31,55), diese längstens bis zum Erreichen der Altersgrenze des Klägers für den ungekürzten Bezug der Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung zu zahlen.

3. a) Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, zugunsten des Klägers ab dem 01.11.2018 monatlich weitere € 196,38 als volle Beitragsübernahme für die Versicherungsverträge LV 482183366 (Monatsbeitrag € 204,80) und LV 4304554004 (Monatsbeitrag € 31,55) monatlich für die Dauer der Berufsunfähigkeit längstens bis zum Erreichen der Altersgrenze des Klägers für den ungekürzten Bezug der Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung zu zahlen.

hilfsweise

3 b) festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, zugunsten des Klägers ab dem 01.11.2018 monatlich weitere € 196,38 als volle Beitragsübernahme für die Versicherungsverträge LV 482183366 (Monatsbeitrag € 204,80) und LV 4304554004 (Monatsbeitrag € 31,55) monatlich für die Dauer der Berufsunfähigkeit längstens bis zum 07.12.2032 zu zahlen.

4. a) festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger ab dem 01.11.2018 monatlich weitere € 443,66 als unquotierte Berufsunfähigkeitsrente – vorbehaltlich von Änderungen im Rahmen der gesetzlichen Anpassungsverpflichtungen – für die Dauer der Berufsunfähigkeit längstens bis zum Erreichen der Altersgrenze des Klägers für den ungekürzten Bezug der Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung zu zahlen.

hilfsweise

4 b) festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger ab dem 01.11.2018 monatlich weitere € 443,66 als unquotierte Berufsunfähigkeitsrente – vorbehaltlich von Änderungen im Rahmen der gesetzlichen Anpassungsverpflichtungen – für die Dauer der Berufsunfähigkeit längstens bis zum 07.12.2032 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und weist darauf hin, dass der Kläger bei Abschluss des Aufhebungsvertrags am 25.12.2012 noch keine 52 Wochen durchgängig arbeitsunfähig sondern erst 25 ½ Wochen, mithin nicht berufsunfähig i.S. der GBV gewesen sei. Die Ansprüche seien auch der Höhe nach nicht nachvollziehbar dargelegt. Sollten die geltend gemachten Ansprüche bestehen, müsste der Kläger jedenfalls die Abfindung in Höhe von € 93.272,67, die er auf der Grundlage des Sozialplans erhalten habe, und das für die Zeit der behaupteten Arbeitsunfähigkeit erhaltene Arbeitsentgelt zurückzahlen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Berufungserwiderung (Bl. 209 – 220 d. A.) sowie den ergänzenden Schriftsatz vom 17.05.2019 (Bl. 262 – 267 d.A.) wird Bezug genommen.

Die Parteien haben am 18. bzw. 19.03. 2020 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt. Der Termin, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können, wurde daraufhin auf den 17.04.2020 festgesetzt, Verkündungstermin auf den 27.04.2020.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung des Klägers hat nur in geringem Umfang Erfolg. Der Kläger hat Anspruch auf die Zusatzleistungen nach § 8 Nr. 1 GBV, da er berufsunfähig geworden ist, nachdem seine Hausversicherungen mindestens 5 Jahre bestanden hatten (I). Die Ansprüche bestanden allerdings nur für den Zeitraum vom 29.05.2013 bis zum 30.06.2013. Danach endeten sie, weil der Kläger nicht wegen Berufsunfähigkeit aus den Diensten der Beklagten ausgeschieden ist (II). Im Einzelnen:

I.

Der Kläger hat Anspruch auf die Zusatzleistungen nach § 8 Nr. 1 GBV, da er berufsunfähig geworden ist, nachdem seine Hausversicherungen mindestens 5 Jahre bestanden hatten.

1. Der Kläger war seit dem 29.05.2013 berufsunfähig. Die Voraussetzungen von § 8 Ziffer 2 der GBV lagen vor. Der Kläger konnte seine bisherige oder eine andere angemessene Tätigkeit im Rahmen des Außen- oder Innendienstes aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben und hat dies auch nicht mehr getan. Diese Voraussetzungen sind zwischen den Parteien nicht streitig.

2. Am 29.05.2013 waren seit dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit auch 52 Wochen vergangen. Entgegen der Auffassung der Beklagten steht dem der vom Kläger beantragte und ihm für die Zeiten vom 05.03. bis 08.04.2013 und vom 24.04. bis 10.05.2013 bewilligte Urlaub dem nicht entgegen.

a) Zwar schließen sich Arbeitsunfähigkeit und Urlaub gegenseitig aus, da Urlaub die Befreiung von einer bestehenden Arbeitspflicht bedeutet und eine solche während der Arbeitsunfähigkeit gerade nicht besteht (vgl. BAG v. 18.03.2014 – 9 AZR 669/12 – Tz 16). Der Kläger war jedoch Ziffer gemäß Ziffer 3.1 des Aufhebungsvertrags der Parteien verpflichtet, seinen gesamten (Rest-) Urlaub bis zum Beendigungstermin – hier 30.05.2013 – in natura in Anspruch zu nehmen. Diese in dem von der Beklagten vorformulierten Aufhebungsvertrag vereinbarte Regelung ist gemäß § 307 I 1 BGB unwirksam, da sie den Kläger unangemessen benachteiligt. Die Regelung ist mit wesentlichen Grundgedanken des Urlaubsrechts nicht vereinbar, da sie dann, wenn der Urlaubsanspruch vor dem vereinbarten Beendigungstermin wegen Arbeitsunfähigkeit nicht erfüllt werden kann, zum Verlust des sich daraus bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses ergebenden Abgeltungsanspruchs gemäß § 7 IV BUrlG führt. Dieser Anspruch ist gemäß § 13 I 3 BurlG unabdingbar.

b) Die Kammer hat keine Zweifel daran, dass der Kläger seit dem 29.05.2012 durchgehend arbeitsunfähig war. Diese Tatsache ist durch die Atteste des Dr. H. (Anl. BK1-4, Bl. 172 – 175 d.A.) belegt. Der Beweiswert dieser Atteste steht dem von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen gleich, auch soweit (BK 1-3) nicht in Form einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausgestellt worden sind. Es handelt sich um Feststellungen eines Arztes auf der Grundlage persönlicher Inaugenscheinnahme des Patienten. Dass die Atteste nicht zeitnah ausgestellt worden sind, mindert ihren Beweiswert nicht, da sich der Kläger durchgängig in der Behandlung des attestierenden Arztes befunden hat. Die Beklagte bestreitet die Arbeitsunfähigkeit auch nur mit dem Argument, der Kläger habe Urlaub erhalten. Dazu s. 2 a.

c) Der Kläger kann ab dem 29.05.2013 die Zusatzleistungen nach § 8 Ziffer 1 der GBV verlangen. Dabei handelt es sich gemäß § 8 Ziffer 3 Abs. 1 um eine jährliche Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von 12 % der Versicherungssummen der zu Gunsten des Klägers abgeschlossenen Hausversicherungen. Das sind der am 01.07.2003 geschlossene Vertrag LV 482 183 366 über € 76.694,- sowie der am 01.12.2004 abgeschlossene Vertrag LV 430 454 004 über € 11.306,-. Beide Verträge bestanden bei Eintritt der Berufsunfähigkeit länger als 5 Jahre. Darüber hinaus kann der Kläger gemäß § 8 Ziffer 3 Abs. 2 eine volle Beitragszahlung zu den beiden o.g. Hausversicherungen verlangen.

d) Beide Ansprüche bestanden nur für den Zeitraum vom 29.06. bis zum 30.06.2013 und beliefen sich für diesen Zeitraum nach der vom Kläger angestellten und von der Beklagten nicht konkret angegriffenen Berechnung (Anl. BK8, Bl. 179 d.A.) auf € 1.022,70.

e) Gegenansprüche stehen der Beklagten insoweit nicht zu. Zwar hat der Kläger für die Zeit des ihm trotz Unmöglichkeit erteilten Urlaubs zu Unrecht Arbeitsentgelt erhalten. Die maßgebliche Ursache dafür war aber die widerrechtliche Verpflichtung dazu im Aufhebungsvertrag. Die Beklagte handelt deshalb treuwidrig i.S.v. § 242 BGB, soweit sie aus dem von ihr verursachten Handeln des Klägers Erstattungsansprüche herleiten will.

II.

Für die Zeit nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses kann der Kläger nur die sich aus seiner unverfallbaren Anwartschaft ergebenden Ansprüche aus § 11 Ziffer 6 Abs. 1 der GBV verlangen, die ihm unstreitig gewährt werden. Der Kläger kann keine Ansprüche aus § 11 Nr. 6 Abs. 2 GBV herleiten. Insoweit folgt die Berufungskammer dem angefochtenen Urteil und macht sich dessen zutreffende Begründung gemäß § 69 II ArbGG zu Eigen. Die Ausführungen der Berufung führen zu keiner abweichenden Beurteilung.

1. Leistungen nach § 11 Nr. 6 Abs. 2 GBV sind ausgeschlossen, weil der Kläger nicht wegen Berufsunfähigkeit aus den Diensten der Beklagten ausgeschieden ist. Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses war vielmehr der von der Beklagten am 13.12. und vom Kläger am 23.12.2012 unterzeichnete Aufhebungsvertrag. Dies hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt. Nach Ziffer 1.1. des Aufhebungsvertrags endete das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 30.06.2013 betriebsbedingt auf Veranlassung des Arbeitgebers. Der Kläger hat diese Vereinbarung nicht angefochten. Er ist deshalb an sie gebunden.

2. Der Rechtsauffassung der Berufung, wonach Ansprüche nach § 11 Nr. 6 GBV lediglich das objektive Bestehen einer Berufsunfähigkeit voraussetzen, ohne dass diese Grund für das Ausscheiden gewesen sein muss, vermag die Kammer nicht zu folgen.

Fernliegend ist insoweit das Argument, dafür spräche der Grundsatz der objektiven Auslegung von Betriebsvereinbarungen. Dieser Grundsatz, der nicht nur für Betriebsvereinbarungen sondern in gleicher Weise für Tarifverträge und staatliche Gesetze gilt (vgl. u.a. BAG v. 26.04.2017 – 10 AZR 589/15 – Tz 13), besagt, dass wegen deren normativen Charakter der Wille der Normgeber nur zu berücksichtigen ist, soweit er in der Regelung Ausdruck gefunden hat. Maßgeblich dafür sind Wortlaut und systematischer Zusammenhang der Regelung, die im Einzelfall durch weitere Auslegungsmerkmale ergänzt werden können. Im Gegensatz dazu geht es bei Individualverträgen zunächst darum, was die Parteien übereinstimmend gewollt haben. Wenn feststeht, was die Parteien übereinstimmend gewollt haben, dann ist für eine Auslegung ihrer Erklärungen nach den Maßstäben der §§ 133, 157 BGB kein Raum; ihr übereinstimmender Wille geht dem Wortlaut einer Erklärung vor (BAG v. 06.02.1974 – 3 AZR 232/73 – Tz 18). Der Grundsatz der objektiven Auslegung bedeutet aber keineswegs, dass in Betriebsvereinbarungen oder sonstigen Normen keine subjektiven Tatbestandsmerkmale vereinbart werden können.

3. Die Formulierung „wegen…“ deutet regelmäßig auf einen Beweggrund des oder der Handelnden hin. Das gilt für die Kündigung wegen Betriebsübergangs gemäß § 613a IV BGB (vgl. BAG v. 27.09.1984 – 2 AZR 309/83 – Tz 37; BAG v. 20.09.2006 – 6 AZR 249/05 – Tz 28; ErfK-Preis 20. Aufl. 2020 § 613a BGB Tz 155; MüKo-MüllerGlöge 8. Aufl. 2020 § 613a BGB Tz 188) ebenso wie für die Benachteiligung wegen der Wahrnehmung von Rechten gemäß § 612a BGB (vgl. BAG v. 22.10.2015 – 2 AZR 569/14 – Tz 60; BAG v. 20.12.2012 – 2 AZR 867/11 – Tz 45; ErfK-Preis 20. Aufl. § 612a BGB Tz 11; AP-Linck 5. Aufl. 2017 § 612a BGB Tz 13). Der Kläger hat keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass der Begriff „wegen“ in § 11 der GBV anders als im Regelfall rein objektiv auszulegen sein sollte. Solche Anhaltspunkte sind auch nicht ersichtlich.

4. Wie das Arbeitsgericht ebenfalls bereits zutreffend ausgeführt hat, ist das vom Kläger vorgetragene Motiv, sich einer von ihm empfundenen und von seinem Arzt bestätigten beruflichen Überlastung zu entziehen, obwohl diese die Qualität einer Berufsunfähigkeit gehabt haben dürfte, nicht zum gemeinsamen Motiv der Parteien des Aufhebungsvertrags geworden. Das wäre aber – anders als bei einer Eigenkündigung des Klägers – erforderlich gewesen. Der Kläger hat das von ihm behauptete Motiv auch in seinem Schreiben an die Beklagte vom 20.09.2012, mit der er um die Übersendung einer Aufhebungsvereinbarung gebeten hat, nicht zum Ausdruck gebracht.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 64 VI ArbGG i. V. m. § 97 ZPO. Die Kammer sieht von einer Kostenteilung entsprechend § 92 II Nr. 1 ZPO ab, da der Kläger nur in geringem Umfang (1,24 % ausgehend von einem Gegenstandswert von € 82.588,75) obsiegt und der Umfang des Obsiegens allenfalls geringfügig höhere Kosten verursacht hat.

IV.

Für die Zulassung der Revision bestand keine Veranlassung. Die Berufungskammer folgt der einschlägigen höchstrichterlichen Rechtsprechung. Die rechtlichen Erwägungen, auf denen das Urteil beruht, haben keine grundsätzliche Bedeutung i. S. v. § 72 II Nr. 1 ArbGG.

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