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Ausschlussfrist und Verjährung bei Mehrarbeitsvergütung

LArG Berlin-Brandenburg, Az.: 15 Sa 1353/13

Urteil vom 10.02.2014

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Potsdam vom 14. Mai 2013 – 3 Ca 1651/12 – teilweise abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.533,34 EUR (dreitausendfünfhundertdreiunddreißig 34/100) brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.03.2010 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits haben die Parteien jeweils zur Hälfte zu tragen.

III. Die Revision wird für beide Parteien zugelassen.

Tatbestand

Ausschlussfrist und Verjährung bei Mehrarbeitsvergütung
Symbolfoto: TeroVesalainen/Bigstock

Die Parteien streiten über Vergütungsdifferenzen für die Zeit vom 1. Dezember 2008 bis 28. Februar 2010. Insofern betrifft der hiesige Rechtsstreit teilweise gleiche Probleme wie sie auch in den Entscheidungen des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 12.04.2013 – 6 Sa 2000/12 (BAG: 4 AZR 587/13), vom 25.04.2013 – 5 Sa 1996/12 (BAG: 4 AZR 588/13) und vom 30.04.2013 – 7 Sa 2002/12 (BAG zuletzt: 10 AZR 882/13) abgehandelt wurden.

Der hiesige Kläger ist – im Gegensatz zum Sachverhalt in den oben angegebenen Entscheidungen – nicht Gewerkschaftsmitglied. Das Arbeitsverhältnis war ursprünglich mit der Deutschen B. T. begründet worden. Im Arbeitsvertrag vom 30.09.1993 (Bl. 19 d. A.) heißt es:

Für das Arbeitsverhältnis gelten

-Der „Tarifvertrag für die Angestellten der Deutschen B. (TVAng-O)“ und die sonstigen Tarifverträge für die Angestellten der Deutschen B. im Beitrittsgebiet

oder

-der „Tarifvertrag für die Arbeiter der Deutschen B. (TV Arb-O)“ und die sonstigen Tarifverträge für die Arbeiter der Deutschen B. im Beitrittsgebiet in ihrer jeweiligen Fassung als unmittelbar zwischen den Vertragsparteien vereinbart. …

Zum 01.01.1995 wurde das Arbeitsverhältnis des Klägers gem. § 21 Abs. 1 des Gesetzes zum Personalrecht der Beschäftigten der früheren Deutschen B. auf die Deutsche T. AG (DT AG) übergeleitet, die mit ver.di u. a. einen Manteltarifvertrag (Bl. 181 ff. d. A.) und einen Entgeltrahmentarifvertrag (ERTV, Bl. 163 ff. d. A.) schloss. Ein weiterer Betriebsübergang erfolgte zum 1. Dezember 2008 auf die nunmehrige und bis zu ihrer Umfirmierung im Jahre 2012 unter Deutsche T. Netzproduktion (im Weiteren DTNP) auftretenden Beklagten. Dort galten eigene Tarifverträge, die eine Wochenarbeitszeit von 38 Stunden vorsahen, während der Kläger zuvor auf Basis des MTV DTAG in Vollzeit nur 34 Stunden arbeiten musste.

Unter dem 2. März 2009 erhob der Kläger in einem ersten Verfahren Klage gegen die Beklagte (Abschrift Bl. 629 ff. d. A.). Danach sollte die Beklagte verpflichtet werden, die über 6,8 Stunden täglich hinausgehende Arbeitszeit auf einem Arbeitszeitkonto seit dem 1. Dezember 2008 gutzuschreiben. Weiterhin sollte festgestellt werden, dass auf das Arbeitsverhältnis der Parteien die Tarifverträge der Deutschen T. AG (Tarifstand 30.11.2008) Anwendung finden. Nachdem der Kläger den Feststellungsantrag noch im Berufungsverfahren zurückgenommen hatte, hat das Bundesarbeitsgericht (22.02.2012 – 4 AZR 527/10 – juris) den Leistungsantrag bezüglich der Gutschrift zum Arbeitszeitkonto als unbegründet zurückgewiesen. Diese Entscheidung ist der Vertreterin des Klägers am 28. Juni 2012 zugestellt worden.

Mit der am 28. August 2012 beim Arbeitsgericht Potsdam eingegangenen Klage begehrte der Kläger zuletzt die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 5.766,80 Euro brutto und weiteren 1.378,65 Euro brutto nebst Zinsen und hilfsweise die Verurteilung der Beklagten zur Führung eines Arbeitszeitkontos nach bestimmten Regelungen.

Das Arbeitsgericht Potsdam hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die Ansprüche des Klägers verfallen seien, da dieser nicht die Ausschlussfrist des § 31 MTV DTAG eingehalten habe. Der hiesige Zahlungsanspruch sei erstmals durch Klageerhebung geltend gemacht worden. Dies sei verspätet. Die im ursprünglichen ersten Durchgang begehrte Gutschreibung von Stunden auf dem Arbeitszeitkonto könne nicht als Geltendmachung auch im Hinblick auf die hiesigen Leistungsanträge verstanden werden. Die nunmehr begehrte Zahlung sei kein Äquivalent der geltend gemachten Stundengutschrift, sondern es handele sich um Differenzlohnansprüche.

Gegen dieses am 1. Juli 2012 zugestellte Urteil richtet sich die am 31. Juli 2012 eingelegte und am 1. Oktober 2012 nach entsprechender Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist begründete Berufung des Klägers. Der Kläger ist der Ansicht, dass das Verhältnis zwischen Zeitgutschrift auf einem Arbeitszeitkonto und Zahlung entsprechender Stunden nicht etwas ganz anderes (aliud) sei. Insofern seien die hiesigen Ansprüche auch durch das erste Klageverfahren rechtzeitig geltend gemacht worden. Bei einer Überschreitung der wöchentlichen Arbeitszeit hätten zwar gem. § 13 Abs. 4 S. 1 MTV DTAG die ersten 30 Minuten unberücksichtigt zu bleiben. Dies gelte jedoch nicht, wenn es zu einer weiteren Überschreitung komme. Die Einmalzahlung in Höhe von 369,48 Euro im Juni 2009 müssten zu Lasten der Beklagten unberücksichtigt bleiben.

Der Kläger beantragt, unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Potsdam vom 14. Mai 2013 – 3 Ca 1651/12 –

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 5.514,60 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.03.2010 zu zahlen.

2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.378,65 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.03.2010 zu zahlen.

Hilfsweise zu den Anträgen zu 1. und 2. wird beantragt,

3. die Beklagte zu verurteilen, für ihn im Zeitraum vom 01.12.2008 bis zum 28.02.2010 ein Arbeitszeitkonto nach den Regelungen des TV AZK DTAG, Tarifstand 30.11.2008 zu führen und in diesem Arbeitszeitkonto sämtliche Stunden, die in den Zeitnachweislisten der Anlage K9 zur Klageschrift aufgeführt sind, und die eine tägliche Arbeitszeit von 6 Stunden und 48 Minuten überschreiten, als Mehrarbeit gutzuschreiben.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte meint, schon wegen der Ausschlussfristen könne die hiesige Klage keinen Erfolg haben. Im Übrigen beruft sie sich hinsichtlich des Anspruchs für das Jahr 2008 auf Verjährung. Es müsse berücksichtigt werden, dass nach dem Betriebsübergang 38 Wochenstunden die betriebsübliche Arbeitszeit gewesen seien. Hierfür sehe die Entgelttabelle allenfalls 3.354,00 Euro/ monatlich vor. Auch müsse ein Teillohnausgleich in Höhe von 1,5 Stunden berücksichtigt werden. Mehrarbeit liege nicht vor, da diese nicht angeordnet worden sei.

Entscheidungsgründe

Die Berufung des Klägers hat im Umfang von 3.533,34 Euro brutto nebst Zinsen Erfolg. Insofern war das Urteil des Arbeitsgerichts Potsdam abzuändern und die Beklagte zu einer entsprechenden Zahlung zu verurteilen. Die weitergehende Berufung hatte hingegen keinen Erfolg.

I.

Die Berufung ist zulässig.

Sie ist form- und fristgemäß eingelegt und innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist entsprechend § 520 Abs. 3 S. 2 ZPO, § 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG begründet worden.

II.

Soweit der Kläger die Zahlung von 5.514,60 Euro und weiteren 1.378,65 Euro begehrt, ist die Berufung nur teilweise in Höhe von 3.533,34 Euro begründet. Die weitergehende Berufung war daher zurückzuweisen.

1. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien waren in der Zeit vom 1. Dezember 2008 bis 28. Februar 2010 aufgrund der arbeitsvertraglichen Verweisungsklausel die Tarifverträge der DTAG mit dem Stand 30.11.2008 weiterhin anzuwenden. Insofern wird auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts Potsdam auf den Seiten 6 f. des angegriffenen Urteils und die Entscheidung des BAG vom 21.11.2012 – 4 AZR 231/10 – verwiesen. Diese rechtliche Beurteilung ist zwischen den Parteien auch nicht streitig.

2. Nach § 11 Abs. 1 MTV DTAG betrug die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit ausschließlich der Pausen 34 Stunden (verkürzte Arbeitszeit). Insofern war der Kläger auch nur verpflichtet, 34 Stunden pro Woche zu arbeiten. Demgegenüber sahen nach dem Betriebsübergang vom 1. Dezember 2008 die von der Beklagten abgeschlossenen Tarifverträge eine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 38 Stunden vor. Auf dieser Basis wurde auch das Arbeitszeitkonto des Klägers geführt. Der Kläger möchte die über die arbeitsvertraglich geschuldete Arbeitszeit hinaus geleistete Arbeit vergütet erhalten (so schon Seite 5 der Klageschrift). Diese Vergütungsdifferenz unterliegt für Dezember 2008 nicht der Verjährung (3.). Entsprechende Ansprüche des Klägers sind auch nicht mangels Einhaltung der Ausschlussfristen untergegangen (4.). Diese Vergütungsdifferenzen hat der Kläger teilweise so berechnet, dass er bei 65 Wochen jeweils wöchentlich vier Stunden und einen Stundenlohn in Höhe von 21,21 Euro nebst einem Mehrarbeitszuschlag von 25 % ausgegangen ist, was insgesamt 6.893,25 Euro ausmacht. Er hat die Differenz hilfsweise auch so berechnet, dass er das ihm im gesamten Zeitraum zustehende Arbeitsentgelt der Summe des Arbeitsentgelts gegenüber gestellt hat, was er tatsächlich erhalten hat. Insofern ergab sich für ihn eine Differenz von mindestens 3.139,26 Euro.

Nach hiesiger Auffassung kann nicht eine volle Vergütung von vier Mehrarbeitsstunden wöchentlich verlangt werden, da die Beklagte 38 Stunden bezahlen wollte und auch tatsächlich bezahlt hat. Die Vergütungsdifferenz betrifft daher auch die Entgeltbestandteile, die auf die ersten 34 Wochenstunden selbst entfallen. Die Vergütungsregelungen in den Tarifverträgen der DTAG unterscheiden sich jedoch von den Regelungen, die die Beklagte mit ver.di abgeschlossen hat. Insofern kann ein sinnvoller Vergleich nur dadurch hergestellt werden, dass das jeweilige Entgelt insgesamt gegenübergestellt wird. Hierzu ist zuerst das Entgelt zu ermitteln, das dem Kläger auf Basis der Tarifverträge der DTAG (Stand 30.11.2008) im hier streitigen Zeitraum zugestanden hätte (5.). Danach ist festzustellen, in welchem Umfang die Beklagte für diesen Zeitraum durch Zahlungen diese Ansprüche erfüllt hat (6.). Aus der Differenz ergibt sich der Betrag, den die Beklagte an den Kläger zu zahlen hat (7.).

3. Der Kläger kann auch für Dezember 2008 Vergütungsdifferenzen mit Erfolg geltend machen. Dieser Anspruch ist nicht verjährt. Nach §§ 195, 199 Abs. 1 verjähren Vergütungsansprüche aus dem Jahre 2008 spätestens mit Ablauf des 31.12.2011. Durch Erhebung der ersten Klage im März 2009 war die Verjährung gehemmt. Nach § 213 BGB gilt die Hemmung auch für die Ansprüche, die aus demselben Grunde wahlweise neben dem Anspruch oder an seiner Stelle gegeben sind. Dies war hier der Fall. Der Klagegrund ist im ersten und im hiesigen Verfahren derselbe. Die Ansprüche resultieren daraus, dass der Kläger statt der geleisteten 38 Wochenstunden aufgrund der für ihn geltenden tariflichen Regelungen nur hätte 34 Stunden arbeiten müssen. Soweit er nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts irrtümlich die Gutschrift zu seinem Arbeitszeitkonto verlangt hat, tritt an diese Stelle nunmehr der hiesige Zahlungsanspruch. Insofern ist es ausreichend, dass die Ansprüche sich auf das gleiche Interesse richten (Parlandt-Heinrichs § 213 BGB Rd.-Nr. 3). Dies ist hier der Fall. Gemäß § 209 BGB trat in der Zeit von März 2009 jedenfalls bis zum 22. Februar 2012 Hemmung ein, sodass die Verjährungsfrist noch nicht abgelaufen ist.

4. Die hiesigen Zahlungsansprüche des Klägers sind auch nicht deswegen untergegangen, weil er die für ihn geltenden Ausschlussfristen nicht eingehalten hat. Die Ausschlussfrist des § 31 MTV DTAG ist vielmehr dadurch eingehalten, dass der Kläger im März 2009 mit seiner Klage Gutschrift von Arbeitsstunden begehrt hat, die täglich über 6,8 Stunden hinausgingen. Soweit das Arbeitsgericht Potsdam betont, dass eine Gutschrift zu einem Arbeitszeitkonto etwas anderes sei als die Vergütung für zusätzlich geleistete Stunden, ist dies zutreffend. Jedenfalls im Sinne der ZPO dürften unterschiedliche Streitgegenstände vorliegen. Dies ist aber nicht der entscheidende Gesichtspunkt.

Das Bundesarbeitsgericht argumentiert vielmehr mit Sinn und Zweck der Ausschlussfristen. Sie dienen dazu, dem Schuldner zeitnah Gewissheit darüber zu verschaffen, mit welchen Ansprüchen er noch zu rechnen hat (BAG, 19.09.2012 – 5 AZR 628/11 NZA 2013, 330 Rd.-Nr. 22). Sie dienen ferner der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit. Der Anspruchsgegner soll sich auf die aus Sicht des Anspruchstellers noch offenen Forderungen einstellen, Beweise sichern oder auch vorsorglich Rücklagen bilden können (BAG, 20.02.2001 – 9 AZR 46/00 – juris zu II, 3 a der Gründe). Wird fälschlicherweise eine Masseforderung zur Insolvenztabelle angemeldet, wahrt auch dies die Ausschlussfrist hinsichtlich eines späteren Zahlungsbegehrens (BAG, 15.02.2005 – 9 AZR 78/04 – NZA 2005, 1124, juris Rd.-Nr. 40). Das Bundesarbeitsgericht hat dies damit begründet, dass ein Insolvenzverwalter insofern wisse, dass diese arbeitsrechtliche Forderung (Urlaubsabgeltungsanspruch) im Raume stehe. Er müsse daher damit rechnen, dass der Arbeitnehmer alle Möglichkeiten nutzen werde, diese Forderung auch tatsächlich durchzusetzen. Hierauf müsse sich ein Insolvenzverwalter einstellen.

Gleiches gilt für den hiesigen Zahlungsanspruch. Auch insofern hatte der Kläger vergeblich ursprünglich eine Gutschrift zum Arbeitszeitkonto verlangt. Die Beklagte musste dann jedoch auch damit rechnen, dass bei Abweisung eines solchen Antrages der Kläger sein Interesse dadurch wahren wird, dass ein Zahlungsanspruch erhoben wird. Dies ergibt sich auch aus folgender Kontrollüberlegung: Gerichtlicherseits ist auf die Stellung sachdienlicher Anträge hinzuweisen (§ 139 Abs. 1 S. 2 ZPO). Bei einem entsprechenden Hinweis hätte somit auch schon im ersten Verfahren mindestens hilfsweise ein Zahlungsanspruch geltend gemacht werden können. Eine solche Klageänderung wäre auch sachdienlich iSd. § 263 ZPO gewesen. Hiermit hätte die Beklagte also selbst schon im Verlauf des ersten Verfahrens rechnen müssen.

5. Für die Zeit vom 1. Dezember 2008 bis 28. Februar 2010 kann der Kläger insgesamt Vergütung in Höhe von 56.920,08 Euro brutto verlangen.

5.1 Dem Kläger stand ein Monatsentgelt in Höhe von 3.135,00 Euro zu. Bezogen auf 15 Monate ergibt dies einen Betrag in Höhe von 47.025,00 Euro.

5.2 Im Jahre 2008 hatte der Kläger einen Anspruch auf ein variables Leistungsentgelt. Dies wurde im Juni 2008 in Höhe von 1.590,45 Euro und im Dezember 2008 in Höhe weiterer 1.149,94 Euro gezahlt. Bei einem Gesamtbetrag von 2.740,39 Euro sind dies 228,37 Euro monatlich. Hochgerechnet auf 15 Monate ergibt sich ein Betrag von 3.425,55 Euro.

5.3 Dem Kläger steht auch eine Vergütung für Mehrarbeitsstunden zu.

Nach § 11 Abs. 1 MTV DTAG beträgt die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit ausschließlich der Pausen 34 Stunden. Dies ist jedenfalls auch eine Inhaltsnorm iSd. TVG, sodass der Kläger sich hierauf berufen kann. Soweit die Beklagte meint, es kämen die Regelungen für Arbeitnehmer mit einer Wochenstundenzahl von 38 Stunden zur Anwendung, ist dies nicht zutreffend. Der auf das Arbeitsverhältnis der Parteien in dieser Zeit anwendbare Manteltarifvertrag sieht in § 11 Abs. 2 zwar die Möglichkeit vor, dass die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit 38 Stunden betragen kann. Dies betrifft entsprechend der dortigen Regelung jedoch nur Arbeitnehmergruppen im Sinne der Anlage 1 MTV. Der Kläger gehört zu keiner der dort aufgeführten drei Beschäftigungsgruppen. Ansonsten ist nach § 11 Abs. 2 S. 2 eine Herausnahme für einzelne oder mehrere Arbeitnehmer mit einem vergleichbaren Anforderungsprofil und unter weiteren Voraussetzungen möglich. Auch unter diese Gruppe fällt der Kläger nicht, sodass es für ihn bei einer 34-stündigen Arbeitswoche verbleibt.

Nach § 13 Abs. 1 S. 1 MTV DTAG ist Mehrarbeit die über die für den Arbeitnehmer betrieblich festgelegte wöchentliche Arbeitszeit hinausgehende Arbeitszeit ausschließlich der Pausen, soweit sie angeordnet war. Für den Kläger war eine wöchentliche Arbeitszeit von 38 Stunden durch die Beklagte festgelegt worden. Dies geschah jedoch in Verkennung der Rechtslage, sodass es der Beklagten analog § 162 Abs. 1 BGB versagt ist, sich darauf zu berufen. Stattdessen war davon auszugehen, dass als wöchentliche Arbeitszeit 34 Stunden festzulegen gewesen wären.

Die Beklagte ist ferner der Ansicht, dass weitere 1,5 Stunden wöchentlich nicht berücksichtigungsfähig seien, weil insofern für die Vergütung von 34 Stunden durch die Tarifvertragsparteien ein Teillohnausgleich berücksichtigt worden sei. Dies ändert nichts daran, dass dem Kläger, der nur zur Ableistung von 34 Stunden verpflichtet war, ein Entgelt entsprechend der Entgelttabelle (Kopie Bl. 470 d. A.) für 34 Stunden gemäß der Entgeltgruppe T 5, Stufe 4 in Höhe von 3.135,00 Euro zusteht. Die Vergütungshöhe bestimmt sich nicht nach internen Kalkulationen, sondern nach den Werten, die einer bestimmten Arbeitsleistung zugeordnet werden. Eine weitere Stunde war entgegen der Ansicht der Beklagten auch nicht gemäß § 5 Abs. 8 TV AzK ohne Berücksichtigung zu bleiben. Dies scheitert schon daran, dass der Kläger nicht aus der Wochenarbeitszeitverkürzung herausgenommen worden war. Für ihn galt vielmehr gerade die generelle Wochenarbeitszeitverkürzung auf 34 Stunden.

Im Gegensatz zur Auffassung der Beklagten ist auch davon auszugehen, dass der Kläger in der hier fraglichen Zeit im Durchschnitt mindestens 38 Stunden pro Woche gearbeitet hat. Dies ergibt sich aus den eingereichten Unterlagen zum Arbeitszeitkonto (Bl. 79 ff. d. A.). Bei Führung dieses Arbeitszeitkontos ist die Beklagte davon ausgegangen, dass der Kläger 38 Stunden wöchentlich und somit 7,36 Stunden täglich zu arbeiten hat. Entsprechend dieses von der Beklagten geführten Arbeitszeitkontos haben mehrere Nulldurchläufe stattgefunden, so am 28.08.2009, 26.11.2009, 24.12.2009 und zuletzt am 14.01.2010. Mit Erreichen eines sogenannten Nulldurchlaufs wird dokumentiert, dass weder eine Unter- noch Überschreitung der erforderlichen Sollarbeitszeit vorlag. Insofern hat der Kläger in diesen Phasen jedenfalls im Durchschnitt immer 38 Wochenstunden erbracht. Das Arbeitszeitkonto selbst endet mit dem 28. Februar 2010 und einem Guthaben im Umfang von 15.43 Stunden (Kopie Bl. 108 d. A.). Daher kann die Wochenstundenanzahl von 38 durchgängig nicht unterschritten worden sein.

Soweit die wöchentliche Arbeitszeit von 34 Stunden überschritten worden war, haben gemäß § 13 Abs. 4 MTV DTAG die ersten 30 Minuten unberücksichtigt zu bleiben (so auch die Kammern 5, 6 und 7 des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg aaO.). Der Kläger meint, dass jedoch in 44 Fällen mindestens eine halbe Stunde deswegen zu berücksichtigen sei, weil er in 44 Wochen auch über 38 Stunden hinaus gearbeitet habe und die Beklagte bei Führung des Arbeitszeitkontos und Überschreitung von 38 Stunden ebenfalls 30 Minuten abgezogen habe. Dies müsse seiner Ansicht nach deswegen berücksichtigt werden, weil es anderenfalls in diesen Wochen zu einem doppelten Abzug von jeweils einer halben Stunde komme. Der Kläger übersieht, dass er im vorliegenden Verfahren nur den Ausgleich für die an sich zu leistenden 34 Stunden im Verhältnis zu den tatsächlich geleisteten 38 Stunden pro Woche begehrt. Weitere Überstunden sind nicht Teil des hiesigen Klagebegehrens.

Gemäß § 20 Abs. 1 Buchst. a MTV DTAG ist für die ersten acht Mehrarbeitsstunden je Woche ein Zuschlag von 25 % zu zahlen.

Der Stundenlohn des Klägers beträgt 22,75 Euro. Hierbei ist das feste Monatsgehalt (3.135,00 Euro) und das variable Leistungsentgelt (228,37 Euro) zu addieren. Der sich hieraus ergebende Betrag 3.363,37 Euro ist durch die Wochenstundenzahl 34 und den Faktor 4,348 (§ 11 MTV DTAG) zu teilen (3.363,37 : 34 : 4,348 = 22,75).

Bezogen auf 65 Wochen, 3,5 Stunden pro Woche, einen Stundenlohn von 22,75 Euro und einen Zuschlag von 25 % ist wie folgt zu rechen: 65 x 3,5 x 22,75 x 125 % = 6.469,53 Euro.

5.4 Somit ergibt sich folgende Gesamtrechnung:

Festentgelt 47.025,00 EUR

Variables Entgelt 3.425,55 EUR

Mehrarbeitsvergütung 6.469,53 EUR

Gesamtsumme 56.920,08 EUR

6. Der klägerische Anspruch ist durch Zahlungen der Beklagten in Höhe von insgesamt 53.386,74 Euro erfüllt. Hierbei sind alle Zahlungen zu berücksichtigen, die die Beklagte für den hier streitigen Zeitraum erbracht hat, auch wenn die Zahlung erst nach dem 28. Februar 2010 erfolgte. Bei den entsprechenden Beträgen sind die vermögenswirksamen Leistungen nicht berücksichtigt worden, da sie auch unter Ziff. 5 ohne Ansatz geblieben waren.

6.1 Im Dezember 2008 erhielt der Kläger ein Gehalt in Höhe von 3.135,00 Euro.

6.2 Für den Monat Dezember 2008 ist ein anteiliges variables Leistungsentgelt zu berücksichtigen, das für das Kalenderjahr 2008 teilweise im Juni 2008 und im Mai 2009 in Höhe von insgesamt 2.740,39 Euro gezahlt worden ist. 1/12 hiervon ergeben 228,37 Euro.

6.3 Das für das Jahr 2009 gezahlte Entgelt betrug 37.795,82 Euro.

Ausweislich der Abrechnung für Dezember 2009 betrug das Jahresentgelt 39.025,56 Euro (Bl. 332 d. A.). Hiervon sind vermögenswirksame Leistungen in Höhe von insgesamt 79,80 Euro und das im Mai 2009 für 2008 gezahlte Leistungsentgelt in Höhe von 1.149,94 Euro abzuziehen. Dies ergibt den obigen Betrag.

Soweit der Kläger meint, ein Betrag in Höhe von 369,00 Euro, der in der Entgeltabrechnung für Juni 2009 als Einmalzahlung ausgewiesen ist (Bl. 318 d. A.) könne ebenfalls nicht berücksichtigt werden, kann dies nicht nachvollzogen werden. Auch Einmalzahlungen stellen Vergütungsbestandteile dar und sind daher berücksichtigungsfähig.

6.4 Für Januar 2010 ist ein Entgelt in Höhe von 3.279,12 Euro gezahlt worden.

6.5 Für Februar 2010 sind ebenfalls 3.279,12 Euro gezahlt worden.

6.6 Zu berücksichtigen ist ferner eine Restzahlung auf das Leistungsentgelt für 2009 in Höhe von 4.932,47 EUR, das in der Abrechnung für Mai 2010 ausgewiesen ist. Dieser Betrag war in den Berechnungen des Klägers unberücksichtigt geblieben.

6.7 Das Leistungsentgelt für 2010 ist in Höhe von 2/12 zu berücksichtigen, was 736,84 Euro entspricht.

Das Leistungsentgelt für 2010 betrug unstreitig 8.066,35 Euro (Bl. 497 d. A.). Zu Recht hat der Kläger jedoch darauf hingewiesen, dass sich dieses Leistungsentgelt an seiner erhöhten Vergütung ab dem 1. März 2010 orientierte, während er in den beiden Monaten zuvor noch zwei Entgeltgruppen tiefer eingruppiert war. Das Jahreszielentgelt bezogen auf die Entgeltgruppe T 7 betrug 43.270,00 Euro während es bezogen auf die Entgeltgruppe T 5 40.558,00 Euro ausmachte. Dies sind es 93,7 %. Dies rechtfertigt es, das variable Leistungsentgelt für 2010 ebenfalls auf 93,7 %, somit 7.558,17 Euro zu kürzen. Für die ersten beiden Monate des Jahres 2010 stehen dem Kläger hiervon 2/12 zu, somit 1.259,70 Euro. Von diesem Betrag sind zwei Abschlagszahlungen im Januar und Februar 2010 in Höhe von je 261,43 Euro abzuziehen, sodass 736,84 Euro verbleiben.

6.8 Insgesamt ergibt sich folgende Berechnung:

Gehalt Dezember 2008 3.135,00 EUR

1/12 variable Vergütung 2008 228,37 EUR

Jahresentgelt 2009 37.795,32 EUR

Entgelt Januar 2010 3.279,12 EUR

Entgelt Februar 2010 3.279,12 EUR

Leistungsentgelt 2009 (Rest) 4.932,47 EUR

2/12 Leistungsentgelt 2010 736,84 EUR

53.386,74 EUR

7. Die dem Kläger zustehende Differenz berechnet sich wie folgt:

56.920,08 EUR ./. 53.386,74 EUR

3.533,34 EUR

Die Zinsentscheidung ergibt sich aus den Grundsätzen des Verzuges.

Soweit der Kläger zuletzt höhere Beträge eingefordert hatte, waren die Klage und die entsprechende Berufung zurückzuweisen.

8. Über den Hilfsantrag war nicht zu entscheiden. Nach Darstellung der Klägervertreterin im Berufungstermin war dieser nur für den Fall gestellt worden, dass Zahlungsansprüche an sich ausscheiden sollten.

III.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 92 ZPO und entspricht dem anteiligen Obsiegen und Unterliegen, das für beide Instanzen gemittelt wurde.

Die Berufung ist für beide Parteien gemäß § 72 Abs. 2 Ziff. 1 ArbGG zugelassen worden. So ist zum einen durch die höchstrichterliche Rechtsprechung nicht sicher geklärt, in welchem Umfang Ausschlussfristen zur Anwendung kommen und wie das Entgelt zu berechnen ist, das der Verpflichtung zur Ableistung einer geringeren wöchentlichen Arbeitszeit als regelmäßige Arbeitszeit entspricht.

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