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Ausschreibungsverfahren – Nichtberücksichtigung externer Bewerber – Entschädigungsanspruch

ArbG Lübeck – Az.: 3 Ca 2041 b/17 – Urteil vom 19.12.2017

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Der Streitwert wird auf EUR 15.000,00 festgesetzt.

4. Die Berufung wird gesondert zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über eine Entschädigung gemäß § 15 Abs. 2 AGG, weil die einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellte Klägerin als externe Bewerberin bei der Bewerbung um eine in- und extern ausgeschriebene Stelle bei der Beklagten nicht zum Zuge gekommen ist.

Die Beklagte ist eine kommunale Gebietskörperschaft, die sich aufgrund ihrer prekären Haushaltslage gegenüber dem Land Schleswig-Holstein durch öffentlich-rechtlichen Vertrag verpflichtet hat, bis 2018 strukturelle Einsparungen in Millionenhöhe vorzunehmen. Nur auf diese Weise kann die Beklagte an dem Konsolidierungsfond des Landes teilnehmen. Im Übrigen gelten bei der Beklagten die personalpolitischen Eckpunkte im Rahmen der Haushaltskonsolidierung in der Fassung vom 28. Februar 2009. Diese lauten auszugsweise wie folgt:

„3. Grundsätze und Handlungsprämissen

Zur Vereinheitlichung des fachbereichsübergreifend angelegten Prozesses, in dem dezentrale und zentrale Aktivitäten zielorientiert zusammengeführt werden müssen, werden hier allgemeine Grundsätze als Handlungsrahmen zusammengefasst. Diese Grundsätze bilden die gemeinsame Basis der Konsolidierungsbemühungen auf der Seite des Personals. Gegebenenfalls wird im Zusammenhang mit den jährlich vorgesehenen Zwischenauswertungen nachgesteuert.

3. Sofern die Notwendigkeit zur Wiederbesetzung besteht, wird nach Besetzungsmöglichkeiten im Rahmen des internen Arbeitsmarktes/der aufzubauenden aktiven, internen Personalvermittlung gesucht. Das gilt auch für zu besetzende Vertretungsaufgaben aus Aushilfstätigkeiten. Die vorrangige Nachbesetzung aus den eigenen Reihen ist ein personalpolitischer Grundsatz. Für ggf. dadurch frei werdende Arbeitsplätze gelten die gleichen Bedingungen. Die Grundsätze der Bestenauslese, der Frauenförderung und der Schwerbehindertenförderung bleiben erhalten.

4. Die Genehmigung von externen Einstellungsverfahren erfolgt durch den Bürgermeister. Alle Anträge auf externe Einstellungen werden ihm vorgelegt. Zu den externen Einstellungen gehören auch Vermittlungen der Agentur für Arbeit und anderer Personalvermittlungsagenturen sowie Personal von Zeitarbeitsfirmen.

5. Betriebsbedingte Kündigungen werden zur Zeit nicht durchgeführt.“

Das Controlling des Fachbereichs Kultur der Beklagten stellte im Februar 2017 fest, dass aufgrund einer Änderung des Unterhaltsvorschussgesetzes mit Wirkung 1. Juli 2017 im Bereich Familienhilfen für die Funktion „Sachbearbeiter/in Unterhaltsvorschuss“ mehrere neue Planstellen zu besetzen sein würden.

Am 16. März 2017 schrieb die Beklagte fünf EG-9a–Stellen mit der Stellenausschreibung B 28/2017 intern aus. Die Bewerbungsfrist lief bis zum 4. April 2017, Anfang Mai 2017 führte die Beklagte Bewerbungsgespräche durch.

Bereits am 3. März 2017 genehmigte der Bürgermeister auch die externe Stellenaus-schreibung der vorgenannten Stellen. Im Antrag an den Bürgermeister hieß es in der Begründung:

„Aufgrund der Umstrukturierung im Team Unterhaltsvorschuss/Beistandsschaften werden die dortigen Bestandsstellen derzeit intern ausgeschrieben. Die genaue Anzahl der im Anschluss extern zu besetzenden Planstellen wird erst nach Abschluss des internen Stellenbesetzungsverfahrens feststehen. Da aller Voraussicht nach auch nach Abschluss des internen Stellenverfahrens noch ein Personalbedarf bestehen wird, wird parallel die Genehmigung zur externen Wiederbesetzung empfohlen.“

Im Stellenbesetzungsverfahren K 45/2017 hat die Beklagte die vorgenannten Sachbearbeiterstellen für das Team „Unterhaltsvorschusskasse“ öffentlich ausgeschrieben.

Hierauf hat sich die – im Landesdienst tätige – Klägerin mit Schreiben vom 18. April 2017, bei der Beklagten am 20. April 2017 eingegangen, beworben. Bei ihrer Bewerbung hat die Klägerin ihre Gleichstellung angegeben. Sie weist einen GdB von 40 % auf und ist mit Bescheid vom 27. Oktober 2010 einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt.

Sämtliche Stellen besetzte die Beklagte mit internen Bewerbern.

Sie sagte der Klägerin mit Schreiben vom 14. Juni 2017 ab.

Mit Schreiben vom 3. Juli 2017, bei der Beklagten am 6. Juli 2017 eingegangen, machte die Klägerin geltend, im Bewerbungsverfahren benachteiligt worden zu sein und verlangte die Zahlung einer angemessenen Entschädigung. Dies hat die Beklagte abgelehnt.

Mit der am 2. Oktober 2017 bei Gericht eingegangenen Klage verfolgt die Klägerin ihre Entschädigungsansprüche weiter. Sie bestreitet, dass sämtlichen 71 externen Bewerbern abgesagt worden sei. Da sich die Beklagte entschieden habe, die begehrten Stellen sowohl intern als auch extern auszuschreiben, handele es sich um ein einziges Bewerbungsverfahren. Die Beklagte sei gemäß § 82 Satz 2 SGB IX verpflichtet gewesen, die Klägerin zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen. Dies habe sie unterlassen. Insofern sei ein hinreichendes Indiz für die Diskriminierung der Klägerin im Bewerbungsverfahren gesetzt. Die personalpolitischen Eckpunkte zwängen die Beklagten nicht, auch externe Bewerber einzuladen. Die Beklagte habe sich nun einmal für die externe Ausschreibung entschieden. Insofern sei die Klägerin zwingend zum Vorstellungsgespräche einzuladen. Die Indizwirkung werde von der Beklagten auch nicht widerlegt, da die Nichtberücksichtigung nicht, wie notwendiger Weise vorgesehen, auf personalpolitischen Erwägungen, sondern ausschließlich auf fiskalpolitischen Argumenten beruhe. Im Übrigen sei die Klägerin bestgeeignet gewesen. Die Klägerin verfüge über die in der Ausschreibung genannte erforderliche Ausbildung zur Verwaltungsfachangestellten. Aus der dienstlichen Beurteilung aus dem Jahr 2013 ergebe sich, dass die Klägerin die Anforderungen in allen Bereichen übertroffen oder deutlich übertroffen habe. Zudem sei sie ehrenamtlich tätig für die Betreuungseinrichtung „D. B. gGmbH“ in L. . Insofern sei vorliegend ein Ansatz von fünf Bruttomonatsgehältern als Entschädigung angemessen.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von EUR 15.000,00 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, sie habe die Klägerin nicht diskriminiert. Nach erfolgreichem Abschluss des internen Bewerbungsverfahrens sei allen 71 externen Bewerbern abgesagt worden, wie der Zeuge J. bestätigen könne. Insofern sei die Beklagte nicht verpflichtet gewesen, die Klägerin als externe Bewerberin in einem Vorstellungsgespräch anzuhören. Die Entscheidung sei allein wegen des Vorrangs der internen Besetzung getroffen worden und gelte für nicht schwerbehinderte Bewerber gleichermaßen. Insofern entfalte § 82 Satz 2 SGB IX schon keine Indizwirkung. Zudem sei die Nichtberücksichtigung allein auf dem Vorrang der internen Bewerbungen begründet. Die allein haushaltsrechtlichen Erwägungen seien geeignet, etwaige Indizien für eine Benachteiligung zu widerlegen. Die Klägerin wäre auch nicht am besten geeignet gewesen. Die Klägerin habe keine Erfahrungen im Umgang mit Menschen in schwierigen Problemlagen. Aus ihrer Tätigkeit im Bereich Straßenbau könnten solche Erfahrungen nicht abgeleitet werden. Es hätten sich an die 20 externen Bewerber beworben, die auf Erfahrungen mit Menschen in Problemlagen verweisen hätten können.

Das Gericht hat im Kammertermin Beweis erhoben durch das Zeugnis des Herrn J. . Hinsichtlich des Beweisthemas und dem Inhalt der Beweisaufnahme wird auf das Terminsprotokoll verwiesen.

Im Übrigen wird hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes auf die Schriftsätze, Unterlagen und Protokolle verwiesen.

Entscheidungsgründe

A. Die zulässige Klage ist unbegründet.

I. Die Klage ist zulässig.

1. Die Klägerin hat die Klage rechtzeitig gemäß § 61 b Abs. 1 ArbGG erhoben.

a) Gemäß § 61 b Abs. 1 ArbGG muss eine Klage auf Entschädigung innerhalb von drei Monaten, nachdem der Anspruch schriftlich geltend gemacht worden ist, erhoben werden.

b) Die Klägerin hat ihren Anspruch mit Schriftsatz vom 3. Juli 2017, bei der Beklagten am 6. Juli 2017 eingegangen, geltend gemacht. Die Entschädigungsklage ging bei Gericht am 2. Oktober 2017 und damit weniger als drei Monate nach Zugang der schriftlichen Geltendmachung ein.

2. Die Klägerin hat auch die Frist gemäß § 15 Abs. 4 AGG eingehalten.

a) Gemäß § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG muss ein Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 1 und Abs. 2 AGG innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden. Die Frist beginnt mit Kenntnis von der Benachteiligung.

b) Die Klägerin hat die vorgenannte Frist eingehalten. Sie erhielt mit Schreiben vom 14. Juni 2017 eine Absage und hat ihren Anspruch bereits mit Schreiben vom 3. Juli 2017 geltend gemacht.

II. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Entschädigung gemäß § 15 Abs. 2 AGG.

1. Die formalen Voraussetzungen für einen Entschädigungsanspruch sind gegeben. Die Klägerin weist einen GdB von 40 % auf und ist einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt. Damit ist sie sowohl iSd. AGG als auch iSd. SGB IX (§ 2) behindert. Sie ist als Bewerberin für ein Beschäftigungsverhältnis Beschäftigte im Sinne des AGG (§ 6 Abs. 1 Satz 2 1. Alternative  AGG). Dies folgt bereits aus dem Umstand, dass sie eine Bewerbung eingereicht hat. § 6 Abs. 1 Satz 2 Alternative 1 AGG enthält einen formalen Bewerberbegriff (BAG 11. August 2016 – 8 AZR 4/15 – Rn. 38, juris). Die Beklagte ist Arbeitgeberin iSd. § 6 Abs. 2 AGG.

2. Es kann dahinstehen, ob die Klägerin gegenüber den letztlich eingestellten Bewerbern sowie gegenüber anderen Bewerbern und Bewerberinnen eine ungünstigere Behandlung erfahren hat (a)) bzw. die Klägerin durch die Beklagte mangels Einladung zum Vorstellungsgespräch benachteiligt wurde (b)), da die Beklagte zumindest eine entsprechende Indizwirkung widerlegt hat (c)).

a) Eine Entschädigung iSd. § 15 Abs. 2 AGG kommt nur in Betracht, wenn die Klägerin eine ungünstigere Behandlung als die anderen Bewerber erfahren hat (§ 3 Abs. 1 AGG). Dies ist hier zweifelhaft.

aa) Nimmt man sowohl die interne als auch die externe Bewerbung als eine Einheit, so wurde die Klägerin im Auswahlverfahren benachteiligt. Anders als die internen Bewerber bzw. als Teile der internen Bewerber wurde die Klägerin weder zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen, noch hat sie die Stelle erhalten. Trennt man allerdings beide Verfahren, dann wurde die Klägerin nicht anders behandelt, als alle anderen externen (nicht schwerbehinderten) Bewerber auch.

bb) Nach der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass sämtlichen externen Bewerbern ausnahmslos abgesagt wurde, nachdem sämtliche ausgeschriebenen Stellen mit internen Bewerbern besetzt worden sind. Die in sich schlüssige und ohne mit Warnsignalen behaftete Zeugenaussage führt beim Gericht zu allen vernünftigem Schweigen gebietender Sicherheit dazu, dass das Bewerbungsverfahren, wie von Beklagtenseite vorgetragen, abgelaufen ist.

cc) Aus Sicht des Gerichts spricht einiges dafür, dass die Klägerin bereits nicht benachteiligt wurde, weil die Beklagte in berechtigter Weise das Ausschreibungsverfahren gestuft durchgeführt hat. Damit wollte die Beklagte gerade ein einheitliches Bewerbungsverfahren verhindern. Dies lag, wie sich aus der Begründung für die Zustimmung zur externen Ausschreibung ergibt, im Interesse der Beklagten zum Zwecke des dringenden notwendigen Personalabbaus. Auch der Gesetzgeber geht, wie § 82 Satz 1 SGB IX oder § 99 Abs. 2 Nr. 5 iVm. § 93 BetrVG zeigen, von einem berechtigten Interesse der vorrangigen internen Ausschreibung aus. Auf der anderen Seite stand das Erfordernis für die Beklagte, durch Gesetzesänderungen auferlegte Aufgaben gegenüber ihren Bürgern auch zeitnah zu erledigen. Beide Aspekte zusammen genommen lassen ein gestuftes Verfahren legitim erscheinen. Sehe man dies anders, wäre die Kombination der sowohl für die Arbeitgeber- als auch für die Arbeitnehmerseite geltenden Vorzüge der internen Ausschreibung einerseits und die zeitgerechte Besetzung der Stellen andererseits nicht möglich.

b) Die gleiche Argumentation gilt auch bei der Frage, ob die Beklagte gemäß § 82 Satz 2 SGB IX verpflichtet war, die Klägerin zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen.

aa) Bewirbt sich ein schwerbehinderter Mensch bei einem öffentlichen Arbeitgeber um eine zu besetzende Stelle, so hat dieser ihn nach § 82 Satz 2 SGB IX zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen. Der öffentliche Arbeitgeber muss einem sich bewerbenden schwerbehinderten Menschen die Chance eines Vorstellungsgesprächs auch dann gewähren, wenn dessen fachliche Eignung zwar zweifelhaft, aber nicht offensichtlich ausgeschlossen ist. Insofern ist der schwerbehinderte Bewerber im Bewerbungsverfahren besser gestellt als nicht schwerbehinderte Konkurrenten (BAG 11. August 2016 – 8 AZR 375/15 – Rn. 29, juris).

bb) Hier war die Klägerin erkennbar nicht gemäß § 82 Satz 3 SGB IX offensichtlich fachlich ungeeignet. Die in der Ausschreibung genannten Erwartungen erfüllte die Klägerin. Soweit Erfahrungen im Umgang mit Menschen in schwierigen Problemlagen gefordert wird ist nicht erkennbar, dass diese Erfahrungen in einer behördlichen Tätigkeit gemacht werden sollten. Ansonsten wäre der nächste Aufzählungspunkt überflüssig.

cc) Fraglich ist hier, wie bereits unter a) ausgeführt, ob diese Verpflichtung auch dann gilt, wenn eine Stelle zwar öffentlich ausgeschrieben wurde, aber das Verfahren noch vor der Entscheidung zur Nichteinladung abgebrochen wurde.

(1) Zwar reicht für eine Benachteiligung bereits die Versagung einer Chance aus, sodass es grundsätzlich nicht darauf ankommt, ob es später im Zuge des Auswahlverfahrens tatsächlich zu einer Einstellung kommt (vgl. BAG 20. Januar 2016 – 8 AZR 194,14 – Rn. 23, juris).

(2) Hier dürfte der Fall jedoch anders liegen. Es ist für das Gericht ausgesprochen zweifelhaft, ob einem sich bewerbenden schwerbehinderten Menschen auch dann die Chance eine Vorstellungsgespräches gewährt werden muss, wenn völlig unabhängig von dessen fachlicher Eignung überhaupt keine zu vergebende Stelle mehr existiert. Es stellt sich die Frage, ob das bloße formale Abhalten der Vorstellungsgespräche mit schwerbehinderten Bewerbern ohne Aussicht auf Besetzung der Stellen diese nicht unangemessen belastet, da mit deren Hoffnungen inadäquat umgegangen wird. Aus § 82 Satz 1 SGB IX lässt sich zumindest ableiten, dass in bestimmten Fällen kein Vorstellungsgespräch notwendig ist, nämlich dann, wenn die Prüfung zur internen Besetzung des Arbeitsplatzes erfolgreich war. Hier war die interne Prüfung auch erfolgreich, allerdings erst nachdem die Stellen extern ausgeschrieben wurden und sich die Klägerin beworben hatte.

c) Selbst wenn man unterstellt, dass die Beklagte gegen § 82 Satz 2 SGB IX verstoßen habe und deshalb die Vermutung iSv. § 22 AGG besteht, dass die Klägerin im Auswahlverfahren wegen ihrer Behinderung benachteiligt wurde, ist die Vermutung durch die Beklagte widerlegt.

aa) Es reicht zur Widerlegung der auf den Verstoß gegen § 82 Satz 2 SGB IX gestützten Kausalitätsvermutung nicht aus, wenn die Beklagte Tatsachen vorgetragen und ggf. bewiesen hätte, aus denen sich ergäbe, dass ausschließlich andere Gründe als die Behinderung für die Benachteiligung der Kläger ausschlaggebend waren. Es muss hinzukommen, dass diese Gründe nicht die fachliche Eignung der Klägerin betrafen. Diese zusätzliche Anforderung folgt aus der in § 82 Satz 3 SGB IX getroffenen Bestimmung, wonach eine Einladung des schwerbehinderten Bewerbers zu einem Vorstellungsgespräch nur dann entbehrlich ist, wenn diesem die fachliche Eignung offensichtlich fehlt. § 82 Satz 3 SGB IX enthält insoweit eine abschließende Regelung, die bewirkt, dass sich der (potentielle) Arbeitgeber zur Widerlegung der infolge der Verletzung des § 82 Satz 2 SGB IX vermuteten Kausalität nicht auf Umstände berufen kann, die die fachliche Eignung des Bewerbers berühren. Die Widerlegung dieser Vermutung setzt daher den Nachweis voraus, dass die Einladung zu einem Vorstellungsgespräch aufgrund von Umständen unterblieben ist, die weder einen Bezug zur Behinderung aufweisen, noch die fachliche Eignung des Bewerbers berühren (vgl. BAG 11. August 2016 – 8 AZR 375/15 – Rn. 50, juris; BAG 20. Januar 2016 – 8 AZR 194/14 – Rn. 45, juris).

bb) Danach hat die Beklagte die Indizwirkung wirksam widerlegt.

(1) Sie beruft sich zur Widerlegung allein auf die formale Entscheidung, die Stellen ausschließlich mit internen Bewerbern zu besetzen und das Verfahren mit den externen Bewerbern, ohne überhaupt irgendeine fachliche Prüfung vorgenommen zu haben, abzubrechen. Dies ist weder ein Grund in der Behinderung der Klägerin, noch hängt dies mit ihrer fachlichen Eignung zusammen.

(2) Soweit sich die Klägerseite darauf beruft, dass es sich lediglich um personalpolitische Gründe und nicht um fiskalpolitische Gründe handeln dürfe, ist dies aus den zuvor genannten Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts nicht ableitbar. Darüber hinaus handelt es sich bei der Entscheidung der Beklagten um durchaus personalpolitische Gründe. Die Vermeidung von ansonsten notwendigen betriebsbedingten Kündigungen durch interne Besetzung von frei werdenden Stellen betrifft die Personalabbauplanung und im Übrigen auch die Personalentwicklungsplanung. Es liegt auf der Hand, dass jegliche Personalplanung auch die Frage der Personalkosten einschließt. Insofern ist die Differenzierung zwischen fiskalpolitischen und personalpolitischen Gründen nicht zielführend.

cc) Die Beklagte ist auch nicht aus Rechtsgründen gehindert, sich zur Widerlegung der Vermutung der Kausalität zwischen Behinderung der Klägerin und deren ungünstigere Behandlung auf den von ihr geltend gemachten Vorrang der internen Besetzung zu berufen. Die Beklagte hat sich bereits gegenüber dem Land zum Abbau struktureller Kosten verpflichtet und in den personalpolitischen Eckpunkten vom 27. Februar 2009 die vorrangige interne Besetzung freier Stellen festgelegt. Dieser Vorrang ist legitim und entspricht den gesetzgeberischen Wertungen in § 82 Satz 1 SGB IX sowie § 99 Abs. 2 Ziffer 5 BetrVG iVm. § 93 BetrVG. Insofern hat der Bestandsschutz der Arbeitsverhältnisse Vorrang gegenüber den Kriterien des Art. 33 Abs. 2 GG. Der Bestandsschutz ist eine sachliche Erwägung zur Einengung des Kreises der nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung zu vergleichender Bewerber (vgl. BVerfG 11. November 1999 – 2 BvR 1992/99 – zu 2. der Gründe, juris; vgl. BVerwG 21. Oktober 2010 – 1 WB 18/10 – Rn. 31, juris; vgl. BAG 20. Januar 2016 – 8 AZR 194/14 – Rn. 49, juris). Daran ändert sich auch nichts, wenn die Beklagte, wie hier, internes und externes Bewerbungsverfahren zur Sicherstellung der rechtzeitigen Besetzung zeitlich gestuft kombiniert.

B. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Streitwertentscheidung auf § 3 ff. ZPO. Es ist der im Antrag angegebene Rahmen der Entschädigung in Ansatz gebracht worden.

C. Die Berufung wird gesondert zugelassen, da die Rechtssache allgemeine Bedeutung iSd. § 64 Abs. 3 Ziffer 1 ArbGG aufweist. Die Konstellation eines gestuften Ausschreibungsverfahrens (zuerst interne, dann externe Ausschreibung) und die sich daraus ableitenden Erforderlichkeiten iSd. § 82 Satz 2 SGB IX sowie die Begründung für die Nichtberücksichtigung der Klägerin dürften eine – bislang nicht obergerichtlich entschiedene – typische Konstellation in der öffentlichen Verwaltung betreffen.

 

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