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Aussetzung eines arbeitsgerichtlichen Verfahrens bis zur Beendigung eines Strafverfahrens

LAG Berlin-Brandenburg, Az.: 21 Ta 1260/17, Urteil vom 12.12.2017

I. Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Eberswalde vom 6. Juli 2017 – 1 Ca 365/16 – aufgehoben.

II. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I. Mit der sofortigen Beschwerde wendet sich der Beklagte gegen einen Aussetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts.

Die Parteien streiten in der Hauptsache über Schadensersatz- und Herausgabeansprüche der Klägerin gegen den Beklagten im Zusammenhang mit der Entsorgung von im Besitz der Klägerin befindlichen Radsätzen und sonstigem Material der DB C. AG durch die TSR R. GmbH & Co. KG (im Folgenden: TSR).

Aussetzung eines arbeitsgerichtlichen Verfahrens bis zur Beendigung eines Strafverfahrens
Symbolfoto: snowing/Bigstock

Die Klägerin ist ein Unternehmen des D. B. Konzerns und unterhielt u. a. in Eberswalde ein Werk zur Instandhaltung von Güterwagen, einzelnen Radsätzen und sonstigem Material im Auftrag der DB C. AG und verschiedener Drittunternehmen, darunter die A. A. E. AG (AAE). Die Klägerin übernahm für die DB C. AG – anders als bei den Drittunternehmen – auch die Verschrottung des nicht mehr verwendbaren Materials. Mit der Entsorgung der nicht mehr verwendbaren Radsätze und sonstigen Materialien der DB C. AG war die TSR bis März 2013 unmittelbar und ab April 2013 als Nachunternehmerin der Sch. R. AG & Co. KG beauftragt. Die angelieferten Radsätze wurden in der Werkstatt der Klägerin auf ihre Verwendbarkeit geprüft, je nach Zustand farblich gekennzeichnet und anschließend getrennt gelagert. Die zu entsorgenden Radsätze wurden in Schrottcontainer verbracht, nach Anmeldung bei der TSR in deren Niederlassung in Finowfurt abgeholt und verschrottet.

Der Beklagte war bei der Klägerin bzw. deren Rechtsvorgängerin seit September 1984 beschäftigt, seit Juli 1996 auf der Grundlage des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 21. Juni 1996 (Bl. 30 f. d. A.) als Lagermeister/Tauschteilmeister. Ob er diese Funktion auch nach Mitte April 2012 noch wahrgenommen hatte oder ab diesem Zeitpunkt nur noch für das Drittkundengeschäft zuständig war, ist zwischen den Parteien streitig.

Im Juli 2015 fand die Klägerin in den für die TSR bestimmten Schrottcontainern nicht zur Entsorgung vorgesehene Radsätze vor. Daraufhin stellte sie Ermittlungen an und erstattete am 6. August 2015 Strafanzeige (Bl. 40 ff. d. A.). Die Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) ermittelt gegen den Beklagten und die Niederlassungsleiterin der TSR in Finowfurt Frau Z. unter dem Aktenzeichen 200 Js 8360/15. Das Ermittlungsverfahren dauert noch an und wurde zwischenzeitlich auf weitere hier nicht relevante Tatvorwürfe ausgeweitet.

Mit Schreiben vom 19. Oktober 2015 kündigte die Klägerin das Arbeitsverhältnis mit dem Beklagten fristlos. In dem daraufhin von dem Beklagten vor dem Arbeitsgericht Eberswalde unter dem Aktenzeichen 4 Ca 762/15 anhängig gemachten Kündigungsschutzverfahren einigten sich Parteien am 21. Januar 2016 auf die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses zum 31. Oktober 2015 (Bl. 266 f. d. A.).

Auf Antrag der Klägerin sowie der TSR wurde der dingliche Arrest über das Vermögen des Beklagten angeordnet. Ferner erfolgten im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beschlagnahmemaßnahmen und Sicherungsmaßnahmen zur Rückgewinnungshilfe.

Zwischenzeitlich veräußerte die Klägerin das Werk Eberswalde an die Q. C. Partner AG oder eine von deren Tochtergesellschaften zum symbolischen Preis von 1,00 Euro, wobei zwischen den Parteien streitig ist, ob das Werk in seiner Gesamtheit mit allen Aktiva und Passiva übergangen ist oder – wie die Klägerin behauptet – per „Asset Deal“ nur einzelne Gegenstände und Forderungen übertragen worden sind, wozu die Forderungen der Klägerin gegen den Beklagten nicht gehören.

Die Klägerin hat – soweit für das vorliegende Verfahren von Bedeutung – behauptet, der Beklagte habe aufgrund einer mit Frau Z. getroffenen Vereinbarung in den Jahren 2011 bis 2015 in ihrem Besitz befindliche Radsätze und sonstiges Material der DB C. AG entwendet und dieses unter dem Code-Wort „AAE-Material“ bei der TRS anliefern lassen. Dort sei es dann von Frau Z. unter falscher Sortenangabe auf irgendwelchen willkürlich ausgesuchten Kundenkonten verbucht worden. Die jeweiligen Beträge seien bar ausgezahlt worden. Den Erlös hätten sich Frau Z. und der Beklagte gemäß Absprache geteilt. Durch das Verhalten des Beklagten sei ihr in den Jahren 2011 und 2012 ein Schaden in Höhe von mindestens 1.584.643,95 Euro und in den Jahren 2013 bis 2015 in Höhe von mindestens 901.847,00 Euro entstanden. Dabei stützt sich die Klägerin außer auf eigene Ermittlungen auf die umfänglichen Einlassungen von Frau Z. gegenüber der TSR am 9. September 2015 (Bl. 48 ff. d. A.) und gegenüber den Ermittlungsbehörden am 17. März 2016 (Bl. 382 ff. d. A.) sowie auf den undatierten Abschlussbericht der Bundespolizeiinspektion Angermünde (Bl. 147 ff. d. A.). Weiter hat sie behauptet, der Beklagte habe auch noch nach seiner langen Erkrankung und Wiedereingliederung ab Mitte April 2012 die Position des Lager- und Tauschmeisters innegehabt. Jedenfalls sei er weiterhin für die Anmeldung der Schrottcontainerabholungen bei der TSR zuständig gewesen, gegenüber den Gabelstaplerfahrern weisungsbefugt gewesen und habe diese auch angewiesen, die Schrottcontainer mit bestimmten Radsätzen zu beladen. Im Rahmen des betrieblichen Eingliederungsmanagements sei er nur von der disziplinarischen Führungsverantwortung für die ihm unterstellten 5 Fachlageristen und 11 Transportarbeiter entlastet worden und habe stattdessen zusätzlich das Drittkundengeschäft übernommen.

Die Klägerin hat beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 2.486,490,95 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz

aus 1.584.643,95 Euro seit dem 1. Januar 2013

aus 901.847,00 Euro seit dem 31. Juli 2015

zu zahlen.

2. festzustellen, dass der Beklagte sämtliche weitere Schäden, Kosten, Aufwendungen zu tragen hat, die der Klägerin aus und im Zusammenhang mit seinem Arbeitsverhältnis und dem Entwenden von Radsatz- oder sonstigem Material der Klägerin und dessen unsachgemäße Entsorgung entstanden sind oder noch entstehen, insbesondere aus denjenigen Geschäftsvorfällen, die Gegenstand des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) 200 Js 8360/15 sind.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat die ihm gegenüber erhobenen Vorwürfe bestritten. Er habe niemals irgendwelche Radsätze entwendet oder unsachgemäß zur Entsorgung deklariert. Er habe auch mit Frau Z. keine Vereinbarung über Nebengeschäfte getroffen oder irgendwelche „Erlöse“ erhalten. Ab seiner Wiedereingliederung sei er nur noch für das Drittkundengeschäft zuständig gewesen. Ferner hat er die Höhe des geltend gemachten Schadens bestritten.

Am 16. März 2017 bzw. am 22. Juni 2017 hat das Arbeitsgericht folgende von der Klägerin benannte und ehemals im Werk in Eberswalde beschäftigte Zeuginnen und Zeugen zu folgenden Beweisthemen vernommen:

– die frühere Leiterin der Materialwirtschaft Frau J., der der Beklagte unmittelbar unterstellt war, zu den Arbeitsaufgaben des Beklagten und der Verwaltung der Abholscheine,

– den früheren Leiter Lager und Logistik Herrn G. zur Buchung der Radsätze im SAP-System und den im Rahmen der Ermittlungen der Klägerin festgestellten Fehlbeständen,

– die frühere Fachreferentin Materiallogistik Frau W. zu im Radsatzlager durchgeführten Inventuren und festgestellten Fehlbeständen,

– die Gabelstaplerfahrer Herrn G., Herrn K., Herrn J. und Herrn B. zu Weisungen des Beklagten diesen gegenüber bezüglich der Beladung der Schrottcontainern und

– den Schlosser Herrn A. und den früheren Mitarbeiter Controlling Herrn M. zu den Lagerfehlbeständen.

Wegen der Ergebnisse der Beweisaufnahme wird auf die Protokolle vom 16. März 2015 (Bl. 427 ff. d. A.) und 22. Juni 2017 (Bl. 560 ff. d. A.) verwiesen.

Wegen des weiteren erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen ihnen bis 6. Juli 2017 gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Mit Beschluss vom 6. Juli 2017 hat das Arbeitsgericht die Verhandlung bis zur Erledigung des gegen den Beklagten und Frau Z. als Beschuldigte geführten Strafverfahrens 200 Js 8360/15 nach § 149 ZPO ausgesetzt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, es bestehe der Verdacht einer strafbaren Handlung des Beklagten. Das Vorbringen der Klägerin, aus dem Werk in Eberswalde seien in den Jahren 2011 bis Mitte 2015 Material, im Wesentlichen Radsätze, entwendet und unrechtmäßig über die TSR gewinnbringend entsorgt worden, sei zwischen den Parteien unstreitig. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme gebe es auch ausreichende Verdachtsmomente für eine Tatbeteiligung des Beklagten. Die Frage der Begründetheit dieses Verdachts sei von erheblichem Einfluss auf die Sachverhaltsfeststellung im vorliegenden Verfahren. Im Rahmen der Ermessensentscheidung spreche für eine Aussetzung, dass zur Aufklärung des Sachverhalts die Einvernahme von Frau Z. als Zeugin unabdingbar sei, diese jedoch erst nach dem Abschluss des gegen sie geführten Strafverfahrens bereit sei auszusagen. Ferner spreche für die Aussetzung der Umfang der dem Beklagten zur Last gelegten Handlungen und der Umfang des aufzuklärenden Schadens. Auch diesbezüglich sei es unumgänglich, auf das Wissen der Zeugin Z. zurückzugreifen. Die durch die Aussetzung eintretende Verfahrensverzögerung sei zumutbar. Der Beklagte habe die Aussetzung selbst angeregt. Auch für die Klägerin seien erhebliche Nachteile bzw. Risiken nicht erkennbar. Es seien auch keine Anhaltspunkte gegeben, dass die Staatanwaltschaft die Ermittlungen nicht zügig und mit Nachdruck vorantreibe. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf II. der Gründe des Beschlusses vom 6. Juli 2017 (Bl. 621 – 625 d. A.) verwiesen.

Gegen diesen dem Beklagten am 17. Juli 2017 zustellten Beschluss hat er mit am 18. Juli 2017 beim Arbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt. Mit Beschluss vom 4. September 2017 hat das Arbeitsgericht der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen.

Der Beklagte meint, die Aussetzung sei ihm nicht zumutbar. Ferner meint er, der Klägerin könne schon kein Schaden entstanden sein, weil sie nur Besitzerin der Radsätze und sonstigen Materialien gewesen sei. Jedenfalls sei sie auf Grund der Veräußerung des Werks an die Q. C. Partner AG bzw. an eine von deren Tochtergesellschaften nicht mehr aktiv legitimiert.

Wegen des weiteren Vorbringens des Beklagten im Beschwerdeverfahren wird auf dessen Schriftsätze vom 18. Juli 2017 (Bl. 594 – 596 d. A.), 19. September 2017 (Bl. 640 – 642 d. A.) und 8. November 2017 (Bl. 682 f. d. A.), wegen des Vorbringens der Klägerin auf deren Schriftsätze vom 1. August 2017 (Bl. 614 – 617 d. A.), 6. Oktober 2017 (Bl. 648 – 651 d. A.) und 4. Dezember 2017 (Bl. 686 f. d. A.) und wegen der Begründung des Nichtabhilfebeschlusses vom 4. September 2017 auf dessen Gründe (Bl. 632 f. d. A.) verwiesen.

II. Die sofortige Beschwerde ist statthaft sowie frist- und formgerecht eingelegt worden (§§ 252, 567 Abs. 1 Nr. 1, § 569 Abs. 1 und 2 ZPO, § 78 ArbGG). Sie ist auch begründet.

1. Nach § 149 Abs. 1 ZPO, der nach § 46 Abs. 2 ArbGG auch für das arbeitsgerichtliche Urteilsverfahren gilt, kann das Gericht, wenn sich im Laufe eines Rechtsstreits der Verdacht einer Straftat ergibt, deren Ermittlung auf die Entscheidung von Einfluss ist, die Aussetzung der Verhandlung bis zur Erledigung des Strafverfahrens anordnen.

a) Danach kommt eine Aussetzung nur in Betracht, wenn aus Sicht des Gerichts der Verdacht einer Straftat besteht, deren Ermittlung auf die Entscheidung des Zivilprozesses von Einfluss ist.

aa) Ob sich der Verdacht erst im Laufe des Rechtsstreits ergibt oder die Klage auf eine behauptete Straftat gestützt wird, ist entgegen dem missverständlichen Wortlaut des § 149 Abs. 1 ZPO unerheblich (LAG Hamm vom 16.08.2013 – 1 Ta 379/13 – Rn. 11 zitiert nach juris; Zöller-Greger, 32. Aufl., § 149 ZPO Rn. 1; MüKo/ZPO-Fritsche, 5. Aufl., § 149 ZPO Rn. 4, jeweils m. w. N.). Es kommt auch nicht darauf an, ob sich der Verdacht gegen eine Partei, andere am Prozess Beteiligte oder auch Dritte richtet (Zöller-Greger, a. a. O. Rn. 3; BeckOK ZPO-Wendtland, Stand 15.09.2017, § 149 Rn. 2; Musielak/Voit-Stadler, 14. Aufl., § 149 Rn. 2). Für den Verdacht müssen zureichende tatsächliche Anhaltspunkte i. S. d. § 152 Abs. 2 StPO bestehen. Ein nur vager Verdacht oder die bloße Behauptung einer Partei genügt nicht. Es muss allerdings auch kein dringender Verdacht sein (MüKo/ZPO-Fritsche, a. a. O. Rn. 3; BeckOK ZPO-Wendtland, a. a. O. Rn. 2; Musielak/Voit-Stadler, a. a. O. Rn. 2).

bb) Weiter ist Voraussetzung, dass das Ergebnis der strafrechtlichen Ermittlungen für die Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen im auszusetzenden Verfahren, insbesondere im Hinblick auf eine erforderliche Beweiserhebung von Bedeutung sein kann. Zwar sind die Zivilgerichte nicht an die Tatsachenfeststellungen der Strafgerichte gebunden, sondern haben im Rahmen des § 286 ZPO eine eigene Beweiswürdigung vorzunehmen (BeckOK ZPO-Wendtland, a. a. O. Rn. 5; MüKo/ZPO-Fritsche, a. a. O. Rn. 3). Jedoch soll sich das Zivilgericht die besseren Erkenntnismöglichkeiten des Strafverfahrens nutzbar machen können, wenn sich der streitentscheidende Lebenssachverhalt mit den Mitteln des Zivilprozesses nicht oder nicht so gut ausklären lässt (BeckOK ZPO-Wendtland, a. a. O. Rn. 5 m. w. N.) oder die Aufklärung der streitentscheidenden Umstände im Strafverfahren eine erneute Klärung im Zivilprozess mit den damit verbundenen Kosten erspart (vgl. BGH vom 17.11.2009

– VI ZB 58/08 – Rn. 10, NJW-RR 201, 423; LAG Düsseldorf vom 20.01.2015 – 16 Sa 458/14 – Rn. 3 zitiert nach juris, LAGE § 149 2002 Nr. 2; Oesterle, jurisPR-ArbR 50/12013 Anm. 5 m. w. N.; zur Verwertung eines Strafurteil im Zivilprozess BAG vom 23.10.2014 – 2 AZR 865/13 – Rn. 26, AP Nr. 248 zu § 626 BGB).

Dagegen ist der Umstand, dass eine Zeugin oder ein Zeuge erst nach dem Abschluss eines gegen sie oder ihn gerichteten Ermittlungs- oder Strafverfahrens zur Aussage bereit ist, kein Aussetzungsgrund (MüKo/ZPO-Fritsche, a. a. O. Rn. 6). Denn in diesem Fall geht es nicht um den Einfluss des Strafverfahrens auf die Entscheidung im Zivilprozess sondern um den Einfluss auf das weitere Verfahren (KG vom 12.10.1982 – 21 W 4957/82 -, MDR 1983, 139). Nicht das Ergebnis der Ermittlungen im Strafverfahren ist von Bedeutung, sondern nur der Abschluss des Strafverfahrens als solcher.

b) Liegen die Voraussetzungen des § 149 Abs. 1 ZPO vor, muss das Gericht im Rahmen seiner Ermessensentscheidung die Verzögerung des Zivilprozesses gegen den möglichen Erkenntnisgewinn im Strafverfahren abwägen. Dafür reicht ein allgemeiner Hinweis auf die besseren Erkenntnismöglichkeiten nicht aus (BGH vom 17.11.2009 – VI ZB 58/08 – Rn. 9, NJW-RR 201, 423). Vielmehr bedarf es einer auf den konkreten Einzelfall bezogenen, nachprüfbaren Abwägung zwischen dem Gebot der Verfahrensbeschleunigung (hier § 9 Abs. 1 ArbGG) und dem möglichen Erkenntnisgewinn aus dem Strafverfahren (vgl. BGH vom 17.11.2009 – VI ZB 58/08 – Rn.10, a. a. O.; zur Nachprüfbarkeit siehe auch LAG Hamm vom 16.08.2013 – 1 Ta 3232/13 – Rn. 15 zitiert nach juris; LAG Niedersachsen vom 04.05.2006 – 12 Ta 47/06 – LAGE § 148 ZPO 2002 Nr. 3a). Ist mit einer Verzögerung von mehr als einem Jahr zu rechnen, hat die Aussetzung – wie sich aus der Wertung des § 149 Abs. 2 ZPO ergibt – zu unterbleiben, es sei denn, es liegen gewichtige gleichwohl für eine Aussetzung sprechende Gründe vor (vgl. LAG Rheinland-Pfalz vom 30.07.2009 – 7 Ta 147/09 – Rn. 21 zitiert nach juris; Zöller-Grger, a. a. O. Rn. 2).

c) Ein Beschluss des Arbeitsgerichts über die Anordnung oder Ablehnung der Aussetzung des Verfahrens ist im Beschwerdeverfahren lediglich auf Verfahrensfehler, das formelle Vorliegen eines Aussetzungsgrundes und Ermessensfehler zu überprüfen (Brandenburgisches OLG vom 26.01.2010 – 12 W 62/09 – Rn. 9 zitiert nach juris,

NJW-RR 2010, 787, MüKo/ZPO-Fritsche, a. a. O. Rn. 10; Musielak/Voit-Stadler, a. a. O., § 252 Rn. 4). Hingegen ist die materiell-rechtliche Beurteilung des Streitstoffs durch das erstinstanzliche Gericht nicht zu überprüfen (Brandenburgisches OLG vom 26.01.2010 – 12 W 62/09 – a. a. O.; Oesterle, jurisPR-ArbR 50/12013 Anm. 5, jeweils m. w. N.) Deren Überprüfung bleibt dem Rechtsmittel gegen die spätere Sachentscheidung vorbehalten (vgl. zu § 148 ZPO BAG vom 26.10.2009 – 3 AZB 24/09 – Rn. 9, AP Nr. 9). Etwas anderes gilt nur dann, wenn es auf die Erkenntnisse aus dem Strafverfahren für die Entscheidung offensichtlich nicht ankommt (vgl. BAG vom 26.10.2009 – 3 AZB 24/09 – Rn. 9, AP Nr. 9 zu § 148 ZPO).

2. Gemessen an diesen Grundsätzen erweist sich die Aussetzungsentscheidung des Arbeitsgerichts als fehlerhaft. Zwar sind hinsichtlich der Voraussetzungen des § 149 ZPO keine Fehler zu erkennen. Das Arbeitsgericht hat auch eine eigene Ermessensentscheidung getroffen und ausgeführt, welche Ermessensüberlegungen es angestellt hat. Es hat sich bei diesen Überlegungen jedoch durch Umstände leiten lassen, die von § 149 Abs. 1 ZPO nicht gedeckt sind.

a) Das Arbeitsgericht hat mit nachvollziehbarer Begründung angenommen, es bestehe der Verdacht einer Straftat gegen den Kläger. Es ist auch nicht zu Unrecht davon ausgegangen, der Beklagte habe das auf die Einlassungen von Frau Z. gestützte Vorbringen der Klägerin, aus dem Werk der Klägerin in Eberswalde seien in den Jahren 2011 bis Mitte 2015 Material, im Wesentlichen Radsätze, entwendet und unrechtmäßig über die TSR gewinnbringend entsorgt worden, nicht bestritten. Dementsprechend fehlen in der Beschwerdebegründung auch nähere Angaben, in welchem Schriftsatz der Beklagte wo das diesbezügliche Vorbringen der Klägerin bestritten haben will. Soweit es in dessen Schriftsatz vom 26. Juli 2016 auf der Seite 2 heißt, daran ändere auch ein umfassendes Geständnis von Frau Z. nichts (Bl. 117 d. A.), und auf der Seite 6 von einer reinen Schutzbehauptung der Frau Z. die Rede ist (Bl. 121 d. A.), geht es jeweils nur um die eigene Tatbeteiligung des Beklagten. Was Frau Z. betrifft, wird dagegen auf der Seite 6 des Schriftsatzes ausdrücklich ausgeführt, diese habe die von ihr begangenen Taten eingeräumt.

b) Auch die Annahme des Arbeitsgerichts, der Ausgang des Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) gegen den Beklagten habe für die Feststellung des Sachverhalts im vorliegenden Verfahren erhebliche Bedeutung und sei für die Entscheidung von Einfluss, ist nicht zu beanstanden.

Soweit der Beklagte meint, darauf, ob der Verdacht gegen ihn begründet sei, komme es nicht an, weil der Klägerin als bloße Besitzerin kein Schaden entstanden sein könne, geht das Arbeitsgericht, wie auch schon die Beweisaufnahmen zeigen, offensichtlich vom Gegenteil aus. Dies ist – wenn überhaupt – jedenfalls nicht offensichtlich fehlerhaft.

Unschädlich ist, dass sich das Arbeitsgericht in dem Aussetzungsbeschluss zum möglichen Schaden bis auf Seite 5 oben im Zusammenhang mit dem Bestreiten des Beklagten nicht explizit geäußert hat. Denn auch der Beklagte hat diesen Einwand erst im Beschwerdeverfahren vorgebracht. Den Einwand, die Klägerin sei nicht mehr aktiv legitimiert, hat er ebenfalls erst im Beschwerdeverfahren erhoben, ohne diesen hinreichend zu substantiieren und ohne auf § 265 ZPO einzugehen.

c) Hingegen war die Ermessenentscheidung des Arbeitsgerichts fehlerhaft. Das Arbeitsgericht hat nicht zwischen dem Gebot der Verfahrensbeschleunigung und dem möglichen Erkenntnisgewinn aus dem Strafverfahren abgewogen. Es hat vielmehr darauf abgestellt, dass sowohl hinsichtlich der Umfangs der dem Beklagten zur Last gelegten Handlungen als auch hinsichtlich des Umfang des aufzuklärenden Schadens, eine Vernehmung von Frau Z. unumgänglich sei, Frau Z. aber wegen des zeitgleich gegen sie geführten Ermittlungsverfahrens ein Zeugnisverweigerungsrecht nach § 384 Nr. 2 ZPO in Anspruch nehme, gleichzeitig aber ihre Bereitschaft kundgetan habe, nach dem Abschluss des Strafverfahrens auszusagen. Dabei handelt es sich – wie oben unter 1. a) bb) ausgeführt – nicht um einen von § 149 Abs. 1 ZPO erfassten Aussetzungsgrund. Die Zivilprozessordung kennt auch sonst keine Vorschrift, die wegen eines zeitweiligen Beweiserhebungsverbots oder Beweisverwertungsverbots eine Aussetzung des Rechtsstreits erlauben würde (KG vom 12.10.1982 – 21 W 4957/82 -, MDR 1983, 139). Damit einhergehende Schwierigkeiten bei der Sachverhaltsfeststellung sind in der Zivilprozessordnung angelegt und sowohl vom Gericht als auch den Parteien hinzunehmen.

II. Die Entscheidung schließt eine erneute Prüfung, ob eine Aussetzung des Verfahrens unter den oben näher dargestellten Voraussetzungen des § 149 Abs. 1 ZPO und nach Abwägung der in § 149 ZPO vorgesehenen Kriterien und Maßstäbe angezeigt ist, nicht aus. Im Rahmen einer solchen Prüfung wird gegebenenfalls auch der Frage nachzugehen sein, ob der Schaden bei der Klägerin entstanden ist. Das könnte unter Umständen von den vertraglichen Beziehungen zwischen der Klägerin und DB C. AG abhängen, die bisher nicht aufgeklärt sind. Ferner wird zu berücksichtigen sein, ob der ohne die strafverfahrensrechtlichen Erkenntnisquellen feststellbare Sachverhalt genügend Anhaltspunkte für eine Schadensschätzung oder eine Schätzung des vom Beklagten Herauszugebenden nach § 287 Abs. 1 und 2 ZPO bietet.

III. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, weil die durch die Beschwerde entstandenen Kosten einen Teil der Kosten des Rechtsstreits bilden, über die unabhängig vom Ausgang des Beschwerdeverfahrens in der Entscheidung über die Hauptsache nach den §§ 91 ff. ZPO zu befinden ist (BGH 11.06.2013 – VI ZB 31/12 -, VersR 2013, 1198; vom 12.12.2005 – II ZB 30/04 -, NJW-RR 2006, 1289 jeweils m. w. N.).

III. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach §§ 78, 72 Abs. 2 ArbGG liegen nicht vor.

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