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Beharrliche Arbeitsverweigerung bei Nichtteilnahme des Arbeitnehmers an Abteilungsbesprechung?

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz – Az.: 4 Sa 451/17 – Urteil vom 08.11.2018

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 20.09.2017, 5 Ca 1602/16, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung. Darüber hinaus begehrt die Klägerin von der Beklagten die Entfernung von insgesamt 4 Abmahnungen aus ihrer Personalakte sowie die Neuerteilung einer Leistungsbeurteilung.

Von einer Darstellung des unstreitigen Tatbestands sowie des erstinstanzlichen streitigen Parteivorbringens wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen. Insoweit wird Bezug genommen auf den (ausführlichen) Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Trier vom 20.09.2017 (Bl. 193 – 204 d. A.).

Die Klägerin hat beantragt,

1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 08.12.2016 mit sofortiger Wirkung, hilfsweise mit sozialer Auslauffrist zum 30.06.2017, sein Ende finden wird,

2. den Beklagten zu verurteilen, sie zu den bisherigen Bedingungen des Arbeitsvertrages als Sachbearbeiterin im Zahlungsverkehr tatsächlich weiterzubeschäftigen,

3. die Beklagte zu verurteilen, die Abmahnung vom 11.05.2015 aus ihrer Personalakte zu entfernen,

4. die Beklagte zu verurteilen, die Abmahnung vom 24.07.2015 aus ihrer Personalakte zu entfernen,

5. die Beklagte zu verurteilen, die Abmahnung vom 26.02.2016 aus ihrer Personalakte zu entfernen,

6. die Beklagte zu verurteilen, die Abmahnung vom 15.06.2016 aus ihrer Personalakte zu entfernen,

7. die Beklagte zu verurteilen, eine neue systematische Leistungsbeurteilung gemäß § 18.3 TVöD-S in Verbindung mit § 4 der Dienstvereinbarung zur Sparkassensonderzahlung vom 20.08.2015 für das Kalenderjahr 2015 ohne Berücksichtigung der in Ziffer 3. und 4. genannten Abmahnungen zu erteilen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen  M.,  T.,  K.,  Ku.,  St. und H.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 20.09.2017 (Bl. 173 ff d. A.) verwiesen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 20.09.2017 insgesamt stattgegeben. Zur Darstellung der maßgeblichen Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 13 – 31 dieses Urteils verwiesen.

Gegen das ihr am 29.09.2017 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 23.10.2017 Berufung eingelegt und diese innerhalb der ihr mit Beschluss vom 24.11.2017 verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 22.12.2017 begründet.

Die Beklagte macht im Wesentlichen geltend, entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts sei das Arbeitsverhältnis der Klägerin durch die streitbefangene außerordentliche Kündigung aufgelöst worden. Ein wichtiger Grund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB liege vor. Die Weigerung der Klägerin, an der Abteilungsbesprechung am 01.12.2016 nach Dienstschluss teilzunehmen stelle sich als beharrliche Arbeitsverweigerung dar. Die Klägerin sei verpflichtet gewesen, an dieser Besprechung teilzunehmen. Dem stehe nicht entgegen, dass sie in der Einladungs-Email gebeten worden sei, die Einladung anzunehmen bzw. abzulehnen. Dies sei bei ihr – der Beklagten – im System so hinterlegt und entspreche der üblichen Vorgehensweise. Auch die in freundlichem Umgangston verwendete Formulierung „ich würde mich freuen, wenn möglichst viele an der Besprechung teilnehmen können“ ändere nichts daran, dass die Klägerin an der Veranstaltung habe teilnehmen müssen. Der Personalrat sei vor Kündigungsausspruch ordnungsgemäß angehört worden. Zwar treffe es zu, dass dem Anhörungsschreiben an den Personalrat die vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin verfassten schriftlichen Gegendarstellungen bzw. Stellungnahmen zu den in den vorherigen Abmahnungen gerügten Pflichtverletzungen der Klägerin nicht beigefügt gewesen seien. Diese Stellungnahmen enthielten jedoch keinerlei Einwendungen über feststehende Tatsachen, sondern lediglich Behauptungen und Meinungen der Klägerin bzw. ihres Prozessbevollmächtigten. Bereits von daher habe keine Verpflichtung bestanden, den Personalrat über die Einwendungen der Klägerin gegen die Abmahnungen im Einzelnen zu unterrichten. Darüber hinaus seien dem Personalratsvorsitzenden sämtliche Einwendungen und Argumente der Klägerin bereits aus den in seiner Anwesenheit mit der Klägerin geführten Anhörungsgesprächen bekannt gewesen. Zu Unrecht habe das Arbeitsgericht auch den gegen die Abmahnungen gerichteten Klageanträgen stattgegeben. Die Abmahnung vom 11.05.2015 sei wirksam. Die Anweisung, ihre Urlaubswünsche mit den Kollegen abzustimmen und in den Urlaubsplan einzutragen, habe die Klägerin nicht befolgt. Als Arbeitgeberin habe sie – die Beklagte – ein Interesse daran, die Urlaubswünsche ihrer Mitarbeiter möglichst frühzeitig zu erfahren, um entsprechend planen zu können. Außerdem sei es schlecht für das Betriebsklima, wenn der Arbeitgeber gezwungen sei, von sich aus den Urlaub einseitig festzusetzen, nur weil der Mitarbeiter seine Urlaubswünsche nicht mit den Kollegen abstimme und auch nicht in den Terminkalender eintrage. Hinzu komme, dass es in der Rechtsprechung Tendenzen gebe, dass der Arbeitgeber den Urlaub von sich aus festzulegen habe, wenn der Arbeitnehmer ihn nicht rechtzeitig beantrage. Auch der zweite, in der Abmahnung vom 11.05.2015 enthaltene Vorwurf sei berechtigt, da die Klägerin sich nicht an die Anweisung gehalten habe, sich bei Zweifeln, ob Aufträge ordnungsgemäß unterschrieben seien, zunächst an ihren Vorgesetzten zu wenden, bevor sie (eigenmächtig) die Freigabe verweigere. Entsprechendes gelte hinsichtlich der Abmahnung vom 24.07.2015, da die Klägerin am 28.05.015 die Freigabe eines Mandats der Verbandsgemeinde C. verweigert habe, da sie der Meinung gewesen sei, eine Unterschrift auf dem Auftrag stamme von einem „falschen“ Zeichnungsberechtigten. Zu dieser Unterschriftenprüfung sei die Klägerin jedoch nicht mehr befugt gewesen, da diese bereits zuvor von einer Kollegin durchgeführt und auch dokumentiert worden sei. Was die Abmahnung vom 26.02.2016 betreffe, so sei diese deshalb gerechtfertigt, weil die Klägerin am 03.02.2016 die ihr erteilte Anweisung, ein Paket zu verschicken, nicht befolgt habe. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts sei diese Abmahnung nicht deshalb unwirksam, weil sie unter Hinweis auf die beiden zuvor erteilten Abmahnungen als „wiederholte Abmahnung“ bezeichnet sei. Letztlich sei auch die Abmahnung vom 15.06.2016 nicht zu beanstanden, da die Klägerin am 03.05.2016 einen Vorgang nicht bearbeitet habe, obwohl die Richtigkeit der auf dem Auftrag befindlichen Unterschrift von einer anderen Mitarbeiterin geprüft worden sei und diese der Klägerin mitgeteilt habe, die Sache „gehe in Ordnung“. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Erteilung einer neuen systematischen Leistungsbeurteilung für das Kalenderjahr 2015 ohne Berücksichtigung der beiden Abmahnungen aus dem Jahr 2015, da diese – wie ausgeführt – zu Recht erteilt worden seien.

Zur Darstellung aller Einzelheiten des Vorbringens der Beklagten im Berufungsverfahren wird auf deren Berufungsbegründungsschrift vom 21.12.2017 (Bl. 266 – 280 d. A.) Bezug genommen.

Die Beklagte beantragt, das erstinstanzliche Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderungsschrift vom 27.02.2018 (Bl. 315 – 322 d. A.), auf die Bezug genommen wird.

Entscheidungsgründe

I.

Die statthafte Berufung ist sowohl form- als auch fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das hiernach insgesamt zulässige Rechtsmittel hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat der Klage vielmehr sowohl im Ergebnis zu Recht als auch mit zutreffender Begründung insgesamt stattgegeben.

II.

Die zulässige Klage ist in vollem Umfang begründet.

Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die streitgegenständliche außerordentliche Kündigung weder mit sofortiger Wirkung noch unter Einhaltung einer Auslauffrist zum 30.06.2017 aufgelöst worden. Die Klägerin hat daher gegen die Beklagte auch einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzprozesses. Die Beklagte ist auch verpflichtet, die Abmahnungen vom 11.05.2015, 24.07.2015, 26.02.2016 und 15.06.2016 aus der Personalakte der Klägerin zu entfernen und ihr für das Kalenderjahr 2015 eine neue systematische Leistungsbeurteilung ohne Berücksichtigung der Abmahnungen aus dem Jahr 2015 zu erteilen.

Das Berufungsgericht folgt uneingeschränkt den ausführlichen Entscheidungsgründen des erstinstanzlichen Urteils und stellt dies gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG fest. Von der Darstellung eigener vollständiger Entscheidungsgründe wird daher abgesehen. Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen der Beklagten erscheinen lediglich folgende Klarstellungen angezeigt:

1.

Die außerordentliche Kündigung vom 08.12.2016 ist unwirksam.

a)

Ein wichtiger Grund i. S. v. § 626 Abs. 1 BGB, der den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung rechtfertigen könnte, ist nicht gegeben.

Die Nichtteilnahme an der Abteilungsbesprechung, die am 01.12.2016 nach Ende der regulären Arbeitszeit der Klägerin stattfand, stellt keine (beharrliche) Arbeitsverweigerung dar. Denn die Klägerin war nicht verpflichtet, an dieser Besprechung teilzunehmen. Dies ergibt sich aus dem Inhalt der Einladungs-Email vom November 2016. Dort heißt es: „Zur besseren Planung bitte ich die Einladung nochmal anzunehmen bzw. abzulehnen. Ich würde mich freuen, wenn möglichst viele an der Besprechung teilnehmen können.“ Hieraus ergibt sich deutlich, dass eine Verpflichtung zur Teilnahme nicht bestand, sondern dass den Arbeitnehmern die Teilnahme freigestellt war. Die Klägerin trifft daher kein Vorwurf, dass sie für die Zeit nach Dienstende am 01.12.2016 einen Werkstatttermin für ihr Auto vereinbart hat. Darüber hinaus wurde die Klägerin auch noch am 29.11.2016 lediglich darum gebeten, zu prüfen, ob sie den Werkstatttermin verschieben könne.

b)

Die Kündigung ist auch deshalb unwirksam, weil die Beklagte vor Kündigungsausspruch den Personalrat nicht gemäß § 83 Abs. 3 LPersVG Rheinland-Pfalz angehört hat.

Die Beklagte bezieht sich in ihrem Anhörungsschreiben an den Personalrat vom 06.12.2016 ausdrücklich auf die insgesamt vier der Klägerin erteilten Abmahnungen. Diese waren dem Anhörungsschreiben als Anlagen beigefügt. Nicht beigefügt waren dem Anhörungsschreiben hingegen die anwaltlich verfassten Gegendarstellungen bzw. Stellungnahmen der Klägerin vom 19.02.2016 und vom 27.05.2016 zu den in den Abmahnungsschreiben enthaltenen Vorwürfen. Zur ordnungsgemäßen Anhörung des Personalrats bei einer Kündigungsmaßnahme gehört jedoch nicht nur die Information über eine erteilte Abmahnung, sondern auch über eine bereits vorliegende Gegendarstellung des Arbeitnehmers. Unterlässt es der Arbeitgeber wie vorliegend, den Personalrat über die Gegendarstellungen in Kenntnis zu setzen, so führt dies dazu, dass es an einer ordnungsgemäßen Beteiligung des Personalrats fehlt (BAG v. 31.08.1989 – 2 AZR 453/88 – EzA § 102 BetrVG 1952 Nr. 75). Dem kann die Beklagte vorliegend nicht mit Erfolg entgegenhalten, die Stellungnahmen enthielten keinerlei Einwendungen betreffend feststehender Tatsachen, sondern lediglich Behauptungen und Meinungen, welche sie – die Beklagte – nicht teile. Die betreffenden Schreiben der Klägerin bzw. ihres Prozessvertreters enthalten substantiierte und erhebliche Darlegungen, die zumindest geeignet sind, die in den Abmahnungen enthaltenen Vorwürfe abzuschwächen bzw. in einem anderen Licht erscheinen zu lassen. Auch der Umstand, dass die Klägerin im Rahmen von Gesprächen, an denen auch der Personalratsvorsitzende teilgenommen hat, mündlich Einwendungen gegen die Abmahnungen erhoben hat, war nicht geeignet, die Beklagte dem Personalrat die schriftlich verfassten Stellungnahmen vorzuenthalten.

2.

Der Weiterbeschäftigungsantrag der Klägerin ist ebenfalls begründet.

Da die Klägerin mit ihrer Kündigungsschutzklage obsiegt und keine besonderen Umstände vorliegen, die ein überwiegendes Interesse der Beklagten begründen könnten, die Klägerin nicht weiterzubeschäftigen, hat diese einen Anspruch auf tatsächliche Beschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzrechtsstreits (BAG v. 27.02.1985 – GS 1/84 – Rz. 94, juris).

3.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte in entsprechender Anwendung der §§ 242, 1004 BGB auch Anspruch auf Entfernung der insgesamt vier im Klageantrag bezeichneten Abmahnungen aus ihrer Personalakte.

Bei einer Abmahnung, die in § 314 Abs. 2 BGB gesetzlich verankert wurde, handelt es sich um die Ausübung eines arbeitsvertraglichen Gläubigerrechts durch den Arbeitgeber. Als Gläubiger der Arbeitsleistung weist er den Arbeitnehmer als seinen Schuldner auf dessen vertragliche Pflichten hin und macht ihn auf die Verletzung dieser Pflichten aufmerksam (Rügefunktion). Zugleich fordert er ihn für die Zukunft zu einem vertragstreuen Verhalten auf und kündigt, wenn ihm dies angebracht erscheint, indiviualrechtliche Konsequenzen für den Fall einer erneuten Pflichtverletzung an (Warnfunktion). Eine solche missbilligende Äußerung des Arbeitgebers in Form einer Abmahnung ist geeignet, den Arbeitnehmer in seinem beruflichen Fortkommen und in seinem Persönlichkeitsrecht zu beeinträchtigen. Deshalb kann der Arbeitnehmer die Beseitigung dieser Beeinträchtigung verlangen, wenn die Abmahnung formell nicht ordnungsgemäß zustande gekommen ist, unrichtige Tatsachenbehauptungen enthält, auf einer unzutreffenden rechtlichen Bewertung des Verhaltens des Arbeitnehmers beruht, den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt oder kein schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers am Verbleib der Abmahnung in der Personalakte mehr besteht. Darüber hinaus ist eine Abmahnung auch dann aus der Personalakte zu entfernen, wenn sie statt eines konkret bezeichneten Fehlverhaltens nur pauschale Vorwürfe enthält (BAG v. 27.11.2008 – 2 AZR 675/07 -, AP Nr. 33 zu § 611 BGB Abmahnung, m. w. N.). Entsprechendes gilt, wenn die Abmahnung ein über ihren Zweck hinausgehendes Unwerturteil über die Person des Arbeitnehmers enthält (BAG v. 11.08.1982 – 5 AZR 1089/79 -, AP Nr. 9 zu Art. 5 Abs. 1 GG Meinungsfreiheit).

a)

Bei Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich, dass die Klägerin einen Anspruch auf Entfernung der Abmahnung vom 11.05.2015 aus ihren Personalakten hat, da diese insoweit auf einer unzutreffenden rechtlichen Bewertung ihres Verhaltens als arbeitsvertragliche Pflichtverletzung beruht, als der Klägerin vorgeworfen wird, sie habe ihren Urlaub (weisungswidrig) nicht mit ihren Kollegen abgestimmt.

Die Aufgabe, die Urlaubswünsche bzw. die Urlaubsplanung von Arbeitnehmern zeitlich in Einklang zu bringen und zu koordinieren, obliegt nach der gesetzlichen Konzeption des § 7 Abs. 1 BUrlG dem Arbeitgeber. Dieser ist selbst verpflichtet, bei der Urlaubsbewilligung die Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer zu berücksichtigen. Zwar ist es durchaus wünschenswert, dass sich die Arbeitnehmer bei ihrer Urlaubsplanung untereinander abstimmen. Dies kann der Arbeitgeber indessen nicht wirksam verpflichtend anordnen. Meldet der Arbeitnehmer keine Urlaubswünsche an, ist der Arbeitgeber berechtigt, den Urlaubszeitraum von sich aus zu bestimmen (ErfK/Gallner, § 7 BUrlG Rz. 11 m. w. N.). Die Klägerin war daher nicht verpflichtet, selbst ihren Urlaub mit den Urlaubswünschen ihrer Kollegen zu koordinieren.

Ob die anderen in der Abmahnung erhobenen Vorwürfe gerechtfertigt sind, kann offen bleiben. Denn eine mehrere eigenständige Vorwürfe enthaltene Abmahnung ist bereits dann aus der Personalakte des Arbeitnehmers zu entfernen, wenn auch nur einer dieser Vorwürfe ungerechtfertigt ist. Sie kann nicht teilweise aufrechterhalten bleiben. Es ist dem Arbeitgeber überlassen, ob er stattdessen eine auf die zutreffenden Pflichtverletzungen beschränkte Abmahnung aussprechen will (BAG v. 13.03.1991 – 5 AZR 133/90 -, AP Nr. 5 zu § 611 BGB Abmahnung).

b)

Die Entfernung der Abmahnung vom 24.07.2015 aus ihrer Personalakte kann die Klägerin deshalb verlangen, weil diese Abmahnung einen unzutreffenden Vorwurf enthält. Die Beklagte wirft der Klägerin vor, sie habe entgegen der Anweisung ihres Vorgesetzten die Unterschrift unter einem Auftrag nochmals geprüft und wegen empfundener Unstimmigkeiten die Freigabe verweigert, obwohl eine Unterschriftsprüfung bereits zuvor von einer Kollegin durchgeführt und dokumentiert worden und daher nicht mehr in ihren Aufgabenbereich gefallen sei. Dies konnte durch die erstinstanzlich durchgeführte Beweisaufnahme jedoch nicht bestätigt werden. Die zu dem betreffenden Sachverhalt vernommene Zeugin H. hat bei ihrer Vernehmung (letztlich) bekundet, sie könne sich nicht mehr erinnern, ob sie den Unterschrifts-Prüfungsvermerk schon auf dem Auftrag angebracht hatte, als sie ihn an die Klägerin zur Freigabe weiterleitete. Die diesbezügliche Beweiswürdigung durch das Arbeitsgericht ist nicht zu beanstanden. Nichts anderes ergibt sich aus dem von der Beklagten im Berufungsverfahren vorgelegten Vermerk des Vorgesetzten  M. vom 28.05.2015. Diesem lässt sich lediglich entnehmen, dass der Vorgesetzte die Zeugin H. gebeten hatte, die Unterschriftsprüfung zu dokumentieren und sodann den Auftrag (nochmals) der Klägerin vorzulegen. Ob und wann der Prüfungsvermerk tatsächlich gefertigt wurde, lässt sich dem Vermerk des Vorgesetzten nicht entnehmen. Sofern der Prüfungsvermerk jedoch noch nicht auf dem Auftrag angebracht war, als er der Klägerin zugeleitet wurde, hat diese mit der Weigerung, ihn auszuführen, nicht gegen arbeitsvertragliche Pflichten verstoßen.

c)

Die Abmahnung vom 26.02.2015 enthält zwar den zutreffenden Vorwurf, die Klägerin habe sich am 03.02.2016 geweigert, die Anweisung, ein Paket fertig zu machen, zu befolgen. Gleichwohl ist diese Abmahnung aus der Personalakte der Klägerin zu entfernen. Denn die Beklagte behauptet in diesem Abmahnungsschreiben an mehreren Stellen (unzutreffend), die Klägerin habe sich zum wiederholten Male geweigert, Anweisungen ihres Vorgesetzten zu befolgen und bezieht sich dabei ausdrücklich auf die vorherigen Abmahnungen vom 11.05.2015 und vom 24.07.2015. Damit erweckt die Abmahnung den unzutreffenden Eindruck, die Klägerin sei in der Vergangenheit bereits mehrfach wirksam abgemahnt worden und verletze gleichwohl weiterhin ihre arbeitsvertraglichen Pflichten. Dies trifft – wie bereits ausgeführt – indessen nicht zu. Die Abmahnung enthält daher auch zugleich einen über ihren eigentlichen Zweck, nämlich ein bestimmtes Fehlverhalten zu rügen, hinausgehendes (unzutreffendes) Unwerturteil über die Klägerin.

d)

Schließlich hält auch die Abmahnung vom 15.06.2016 einer rechtlichen Prüfung nicht stand. Diesbezüglich ist den zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts unter A.5. der erstinstanzlichen Entscheidungsgründe nichts hinzuzufügen.

3.

Da sich die der Klägerin erteilten Abmahnungen aus dem Jahr 2015 – wie ausgeführt – als unberechtigt erweisen, hat die Klägerin auch einen Anspruch auf Neuerteilung einer systematischen Leistungsbewertung gemäß § 18.3 TVöD-S für das Kalenderjahr 2015, in der diese beiden Abmahnungen unberücksichtigt zu bleiben haben.

III.

Nach alledem war die Berufung der Beklagten mit der sich aus § 97 Abs. 1 ZPO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen.

Für die Zulassung der Revision bestand keine Veranlassung. Auf die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision selbständig durch Beschwerde anzufechten (§ 72 a ArbGG), wird hingewiesen.

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