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Berechnung einer Corona-Prämie

ArbG Koblenz – Az.: 10 Ca 1044/21 – Urteil vom 24.06.2021

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

3. Der Streitwert wird auf 395,00 EUR festgesetzt.

4. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen, soweit sie nicht bereits kraft Gesetzes zugelassen ist.

Tatbestand

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage hat in der Sache selbst keinen Erfolg, da sie unbegründet ist. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung der klageweise geltend gemachten weiteren 395,00 EUR aus § 150a Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4, Abs. 9 Nr. 1 SGB XI.

I.

Die Klage ist zulässig, insbesondere ist vorliegend der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3a) ArbGG eröffnet, da die Zahlungsgrundlage der Corona-Prämie schon nach dem Wortlaut des § 150a Abs. 1 S. 1 SGB XI als Anspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber ausgestaltet ist. Dem Vorliegen einer bürgerlich-rechtlichen Streitigkeit steht auch nicht entgegen, dass die Regelung im SGB XI und damit im Sozialgesetzbuch über die soziale Pflegeversicherung enthalten ist, denn es handelt sich weder um eine Angelegenheit der gesetzlichen Krankenversicherung i.S.v. § 51 Abs. 2 S.1 SGG noch ist das auf dem Versorgungsvertrag beruhende öffentlich-rechtliche Verhältnis der Arbeitgeberin zu einem Pflegeversicherer betroffen (vgl. ausführlich LAG Bremen, 23.04.2021 – 3 Ta 10/21).

II.

Die Klage ist jedoch unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung einer höheren Corona-Prämie aus § 150a Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4, Abs. 9 Nr. 1 SGB XI. Vielmehr ist der Anspruch auf Zahlung einer Corona-Prämie durch die Beklagte bereits vollständig unter Zugrundelegung des § 150a Abs. 2 Nr. 3, Abs. 4, Abs. 9 Nr. 3 SGB XI erfüllt.

1.) Gemäß § 150a Abs. 2 SGB XI ist die Corona-Prämie für Vollzeitbeschäftigte, die in dem Zeitraum vom 1. März 2020 bis einschließlich zum 31. Oktober 2020 (Bemessungszeitraum) mindestens drei Monate in einer zugelassenen oder für eine zugelassene Pflegeeinrichtung tätig waren, in folgender Höhe auszuzahlen:

1. in Höhe von 1000 Euro für Beschäftigte, die Leistungen nach diesem Buch oder im ambulanten Bereich nach dem Fünften Buch durch die direkte Pflege und Betreuung von Pflegebedürftigen erbringen,

2. in Höhe von 667 Euro für andere Beschäftigte, die in einem Umfang von mindestens 25 Prozent ihrer Arbeitszeit gemeinsam mit Pflegebedürftigen tagesstrukturierend, aktivierend, betreuend oder pflegend tätig sind,

3. in Höhe von 334 Euro für alle übrigen Beschäftigten.

Demnach setzt ein Anspruch nach § 150a Abs. 2 Nr. 1 SGB XI voraus, dass die Klägerin Leistungen nach dem SGB XI durch direkte Pflege und Betreuung erbracht hat. Die direkte Pflege und Betreuung werden über das SGB XI geregelt. Direkte Pflege ist damit gleichzusetzen mit Grundpflege, also Körperpflege, Ernährung, Mobilität, Vorbeugung (Prophylaxen), die Förderung von Eigenständigkeit und Kommunikation. Erfasst werden insoweit die grundlegenden und gewöhnlich regelmäßig wiederkehrenden Pflegeleistungen. Betreuung meint die pflegerische Betreuung im Sinne des SGB XI.

Die Klägerin hat solche Tätigkeiten jedoch nicht ausgeführt, sondern war vielmehr mit der Grundreinigung der Wohnräume und Sanitäreinrichtungen betraut. Dies stellt auch keine pflegerische Betreuung dar. Ihre Aufgabe lässt sich damit nicht unter § 150a Abs. 2 Nr. 1 SGB XI subsumieren.

Daran ändert weder der Umstand etwas, dass die Klägerin in den Wohnräumen der Pflegebedürftigen teilweise auch Reinigungsarbeiten in deren Anwesenheit ausführte noch die Tatsache, dass ihre Tätigkeit organisatorisch der Hauswirtschaft zugeordnet ist.

2.) Denn der Verweis auf diese beiden Umstände seitens der Klägerin ist nicht zielführend. Dies folgt aus der Auslegung des § 150a Abs. 2 SGB XI.

Berechnung einer Corona-Prämie
(Symbolfoto: PhotoSGH/Shutterstock.com)

a) Maßgebend für die Gesetzesauslegung ist der in der Norm zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers, wie er sich aus dem Wortlaut der Vorschrift und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den die Regelung hineingestellt ist. Der Erfassung des objektiven Willens des Gesetzgebers dienen die anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung aus dem Wortlaut der Norm, der Systematik, ihrem Sinn und Zweck sowie aus den Gesetzesmaterialien und der Entstehungsgeschichte. Unter diesen Methoden hat keine einen unbedingten Vorrang. Welche Regelungskonzeption der Gesetzgeber mit dem von ihm gefundenen Wortlaut tatsächlich verfolgt, ergibt sich unter Umständen erst aus den anderen Auslegungsgesichtspunkten. Wird daraus der Wille des Gesetzgebers klar erkennbar, ist dieser zu achten (std. Rspr. vgl. zuletzt z.B. BAG 16. Oktober 2019 – 5 AZR 241/18 – Rn. 15 mwN, BAGE 168, 113).

b) Nach dem Wortlaut des § 150a Abs. 2 SGB XI ist die Höhe der Corona-Prämie gestaffelt. Dabei differenziert die Staffelung der Höhe der zu zahlenden Prämie dem Wortlaut der Norm allein danach, ob schwerpunktmäßig direkte Pflege und Betreuung (Nr. 1) geleistet oder zumindest 25 % der Arbeitszeit in der direkten Pflege und Betreuung mitgearbeitet wird (Nr. 2) oder eben solche Leistungen nicht oder nur im geringeren Umfang zur geschuldeten Arbeit gehören (Nr. 3).

Damit lässt sich der Norm die Systematik entnehmen, dass die Höhe der zu zahlenden Prämie typisierend vom Grad der Nähe der Arbeitsleistung zum Pflegebedürftigen abhängt. Die Umstände des Einzelfalles spielen hingegen dabei keine Rolle.

Dies deckt sich auch mit dem Sinn und Zweck der Regelung des § 150a Abs. 2 SGB XI. Gemäß § 150a Abs. 1 SGB sind die Pflegeeinrichtungen verpflichtet ihren Beschäftigten zum Zweck der Wertschätzung für die besonderen Anforderungen während der Coronavirus-SARS-CoV-2-Pandemie eine einmalige Sonderleistung nach Maßgabe der nachfolgenden Absätze zu zahlen. Dementsprechend soll ebenso mit der niedrigsten Corona-Prämie nach § 150a Abs. 2 Nr. 3 SGB XI die Wertschätzung für die bei der Arbeit aufgetretenen besonderen Anforderungen gezeigt werden. Dieser Auffangtatbestand deckt dementsprechend auch ab, dass bei allen Beschäftigten in der Pflegeeinrichtung selbst, wenn sie nicht schwerpunktmäßig in der Pflege- und Betreuung arbeiten oder zu 25 % ihrer Arbeitszeit mitarbeiten einer besonderen Belastung ausgesetzt sind. Insbesondere wird auch gewürdigt, dass es ebenso zu Kontakt zu den zur Hochrisikogruppe zählenden oder bereits erkrankten Pflegebedürftigen kommen kann.

Schließlich folgt auch nichts anderes aus der Gesetzesbegründung, insbesondere nicht daraus, dass dort zu § 150a Abs. 2 Nr. 1 SGB XI ausgeführt wird, dass nach Nummer 1 eine Prämie in Höhe von 1 000 Euro alle Beschäftigten und von der Pflegeeinrichtung eingesetzten Mitarbeitenden erhalten, die schwerpunktmäßig in der direkten Pflege und Betreuung arbeiten. Dies sind insbesondere Pflegefach- und Pflegehilfskräfte, Alltagsbegleiterinnen und Alltagsbegleiter, Betreuungskräfte, Assistenzkräfte und Präsenzkräfte (unabhängig von ihrer betrieblichen Bezeichnung) sowie Beschäftigte in der hauswirtschaftlichen Versorgung (BT-Drucks. 19/18976, S. 74).

Denn die beispielhafte Nennung der Beschäftigten der hauswirtschaftlichen Versorgung steht dort nicht isoliert, sondern im Kontext zum Satz davor, d.h. soweit die Beschäftigten in der hauswirtschaftlichen Versorgung zumindest von der Pflegeeinrichtung schwerpunktmäßig eingesetzt werden, erhalten sie die Höchstprämie.

Dass allein der Umstand einer Beschäftigung in der hauswirtschaftlichen Versorgung nicht ausreicht, um die Prämie nach Nr. 1 zu erhalten, belegen auch die weiteren Ausführungen in der Gesetzesbegründung zu § 150 a Abs. 2 SGB IX. So wird bei der Begründung zu § 150 a Abs. 2 Nr. 2 SGB IX erläutert, dass alle weiteren Mitarbeitenden, die in der Pflege und Betreuung der Pflegebedürftigen in der Einrichtung mitarbeiten (soweit diese nicht schon der ersten Gruppe zuzurechnen sind) eine Prämie in Höhe von 667 EUR erhalten. Dies können Beschäftigte aus der Verwaltung, der Haustechnik, der Küche, der Gebäudereinigung, des Empfangs- und des Sicherheitsdienstes, der Garten- und Geländepflege, der Wäscherei oder der Logistik sein, wenn sie mindestens zu 25 Prozent ihrer Arbeitszeit gemeinsam mit Pflegebedürftigen tagesstrukturierend, aktivierend, betreuend oder pflegend tätig sind (BT-Drucks. 19/18976, S. 75).

Die explizite Nennung u.a. der Gebäudereinigung, die Teil der hauswirtschaftlichen Versorgung darstellt, zeigt erneut, dass es maßgeblich auf die konkrete Tätigkeit und nicht auf die Bezeichnung ankommt.

Dies deckt sich auch damit, dass die Regelung des § 150a Abs. 2 SGB IX auf dem Vorschlag der auf Veranlassung der Bundesminister für Gesundheit und Arbeit und Soziales erarbeiteten, einstimmig gefassten Empfehlung der ehemaligen Mitglieder der Vierten Pflegemindestlohn-Kommission vom 22. April 2020 beruht. Diese Vierte Pflegemindestlohn-Kommission hat für die Prämienzahlung vorgeschlagen, dass für die Staffelung einer Sonderleistung an Beschäftigte in Zeiten der Corona-Pandemie vor allem die „Nähe“ der jeweiligen Pflege- und Betreuungstätigkeit zum Pflegebedürftigen maßgeblich sein soll (vgl. BT-Drucks. 19/18976, S. 74).

c) Nach alledem ergibt die Gesetzesauslegung eindeutig den Willen des Gesetzgebers, allein Beschäftigten, die schwerpunktmäßig Arbeitsleistungen in der direkten Pflege und Betreuung (Nr. 1) leisten, die Höchstprämie als Anerkennung zu zahlen.

3.) Mangels Auslegungszweifeln kann sich die Klägerin zur Begründung ihres Anspruchs auch nicht auf die von der Beklagten angewandten FAQ des GKV-Spitzenverbandes zur Umsetzung der Festlegungen nach § 150a Abs. 7 SGB XI vom 12.01.2021 und des dort unter Nr. 6 vorgesehenen Günstigkeitsprinzips berufen. Zwar besagt das Günstigkeitsprinzip, dass von mehreren im Einzelfall möglichen Auslegungen im Zweifel die für den Arbeitnehmer günstigere anzuwenden ist. Doch stehen vorliegend nicht mehrere Auslegungsmöglichkeit zur Wahl, denn die Auslegung des § 150a Abs. 2 SGB XI ist insoweit eindeutig.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 91 Abs. 1 ZPO, wonach die unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat.

Der gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG festzusetzende Streitwert wurde auf den bezifferten Betrag der Zahlungsklage festgesetzt.

Der Ausspruch zur Berufungsstatthaftigkeit beruht auf § 64 ArbGG. Gründe für eine gesonderte Berufungszulassung gem. § 64 Abs. 3 ArbGG lagen nicht vor.

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