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Berichtigungsanspruch Arbeitszeugnis – Einwand bereits eingetretener Rechtskraft

Landesarbeitsgericht Köln – Az.: 6 Sa 15/18 – Urteil vom 15.03.2018

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 09.11.2017 – 10 Ca 5944/17 – wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten der Berufung hat die Beklagte zu tragen.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Korrektur eines Zeugnisses.

Die Klägerin war in der Zeit vom 18.05.2015 bis zum 15.05.2016 bei der Beklagten beschäftigt. Vereinbart war ein Bruttomonatsentgelt in Höhe von 1.500,00 EUR.

In einem Vorprozess vor dem Arbeitsgericht Köln – 5 Ca 2374/17 – hatten die Parteien um Zahlungsansprüche der Klägerin gestritten. Schon in diesem Vorprozess hatte die Klägerin beantragt, das damals schon einmal erteilte Zeugnis zu berichtigen. Das Verfahren hat seinerzeit durch einen Vergleich sein Ende gefunden, im Rahmen dessen die Parteien sich auf die Zahlung eines Restbetrages in Höhe von 500,00 EUR brutto geeinigt hatten in Verbindung mit einer finanziellen Ausgleichsquittung. Mit Blick auf das Zeugnisberichtigungsbegehren hatten sich die Parteien im Vergleich auf die folgende Formulierung geeinigt: „Die Beklagte erteilt der Klägerin ein wohlwollendes, qualifiziertes Arbeitszeugnis mit der Gesamtnote „gut“. Die Beklagte hat daraufhin noch während der im Vergleich vereinbarten Widerrufsfrist ein neues Zeugnis erteilt (Bl. 6 d.A.). In diesem Zeugnis hat sie an den Absatz mit der Verhaltensbeurteilung einen Satz zur Leistungsbeurteilung angefügt, nämlich den Satz „sie hat ihre Aufgaben stets zu unsrer vollen Zufriedenheit erledigt“. Im Übrigen blieb das von der Klägerin beanstandete Zeugnis unverändert. Weiterhin finden sich dort die folgenden Sätze:

Satz 1: „Frau S wandte sich allen ihr übertragenen Aufgaben mit Offenheit zu.“

Satz 2: „Frau S zeichnete sich durch emotionale Präsenz und sehr gute Zusammenarbeit mit Kollegen aus.“

Satz 3: „Sie war darüber hinaus gegenüber Vorgesetzten sachbezogen motivierbar, inhaltlich engagiert und hilfsbereit.“

Der vor der 5. Kammer abgeschlossene Vergleich wurde nicht widerrufen und bestandskräftig.

Berichtigungsanspruch Arbeitszeugnis - Einwand bereits eingetretener Rechtskraft
(Symbolfoto: Orathai Mayoeh/Shutterstock.com)

Mit der seit dem 05.09.2017 anhängigen Klage hat die Klägerin die Korrektur des Zeugnisses begehrt. Satt des Satzes 1 möchte sie den Satz „Frau S arbeitete stets zuverlässig und gewissenhaft“ lesen, statt des Satzes 2 die vorgezogene Leistungsbeurteilung mit den Worten „Frau S hat ihre Aufgaben stets zu unserer vollen Zufriedenheit erledigt“ und statt des Satzes 3 den Text „Ihr Verhalten gegenüber Vorgesetzten und Kollegen war jederzeit einwandfrei“.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben mit der Begründung, der Text des ursprünglich erteilten Zeugnisses entspreche nicht der Note „gut“. Die streitigen Textpassagen stellten vielmehr negative Bewertungen dar. Sie seien daher zu entfernen und gegen Formulierungen auszutauschen, die der Gesamtnote „gut“ entsprächen, zum Beispiel durch die beantragten Textvorschläge der Klägerin. Gegen dieses der Beklagten am 29.12.2017 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 03.01.2018 Berufung eingelegt und diese begründet.

Die Beklagte trägt zur Begründung der Berufung vor, sie sei weiterhin der Auffassung, die Klage sei wegen doppelter Rechtshängigkeit und wegen eines Verstoßes gegen den Grundsatz „ne bis in idem“ unzulässig. Der Zeugnisberichtigungsanspruch sei bereits vor der 5. Kammer des Arbeitsgerichts anhängig gewesen. Im Vergleichswege hätten sich die Parteien darauf geeinigt, dass die Klägerin keinen Anspruch auf eine ausdrückliche von ihr gewählte Formulierung habe, sondern dass lediglich ein Anspruch auf ein vom Arbeitgeber formuliertes „gutes“ Zeugnis bestehe. Indem sie in das seinerzeit bereits erteilte Zeugnis die Formulierung „Sie hat ihre Aufgaben stets zu unserer vollen Zufriedenheit erledigt“ aufgenommen habe, habe sie den Anspruch aus dem gerichtlichen Vergleich erfüllt.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 09.11.2017 – 10 Ca 4944/17- aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I. Die Berufung der Beklagten ist zulässig, weil sie statthaft (§ 64 Abs. 1 und 2 ArbGG) und frist- sowie formgerecht eingelegt und begründet worden ist (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).

II. Das Rechtsmittel bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg. Das Arbeitsgericht hat der Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung stattgegeben.

1. Die Klage ist zulässig. Eine doppelte Rechtshängigkeit oder eine bereits eingetretene Rechtskraft steht der Zulässigkeit nicht entgegen.

a. Eine doppelte Rechtshängigkeit im Sinne des § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO lag bei Klageerhebung am 05.09.2017 nicht vor, denn das Verfahren 5 Ca 2374/17 war durch gerichtlichen Vergleich vom 09.05.2017 bereits beendet.

b. Auch der Einwand der bereits eingetretenen Rechtskraft, § 322 ZPO, kommt nicht in Betracht, denn eine rechtskräftige Entscheidung über den Antrag des ersten Prozesses vor der 5. Kammer des Arbeitsgerichts Köln ist nicht in der Welt. Bekanntlich erwächst ein Vergleich, wie er hier abgeschlossen worden ist, nicht in Rechtskraft (BAG v. 30.08.1989 – 4 AZR 202/89 -). Der Zweck der materiellen Rechtskraft besteht darin, den Bestand einer getroffenen gerichtlichen Entscheidung zu sichern. Ein Vergleich ist keine solche „getroffene gerichtliche Entscheidung“. Das Gesetz hat daher die Vorschrift des § 322 ZPO für die materielle Rechtskraft von Urteilen auf Prozessvergleiche nicht für entsprechend anwendbar erklärt. Die prozessuale Wirkung eines Prozessvergleichs besteht nur darin, dass er einen Rechtsstreit beendet und einen Vollstreckungstitel bildet. Alle prozessualen Wirkungen, die auf der Rechtskraft eines Urteils beruhen, gelten für Prozessvergleiche nicht. Hätten die Parteien tatsächlich einen nachfolgenden Zeugnisberichtigungsstreit ausschließen wollen, so hätten sie dies ausdrücklich vereinbaren müssen.

2. Die Klage ist auch begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte aus § 109 GewO in Verbindung mit dem gerichtlichen Vergleich vom 09.05.2017 einen Anspruch auf Erteilung eines Zeugnisses mit dem von ihr beantragten Wortlaut. Diesbezüglich wird auf die ausführliche und zutreffende Entscheidung des Arbeitsgerichts Köln Bezug genommen, der sich die erkennende Kammer anschließt und zu der nur noch das Folgende vertiefend hinzugefügt werden kann:

Die Formulierungen „Frau S wandte sich allen ihr übertragenen Aufgaben mit Offenheit zu“ und „Frau S zeichnete sich durch emotionale Präsenz und sehr gute Zusammenarbeit mit Kollegen aus,“ kann beim Leser das Bild einer Mitarbeiterin zeichnen, die Begeisterung und/oder Verzweiflung an den Schultern oder in den Armen ihrer Kolleginnen und (oder doch nur?) ihrer männlichen Kollegen abarbeitet. In der Hierarchie nach oben legt demgegenüber die Formulierung „Sie war darüber hinaus gegenüber Vorgesetzten sachbezogen motivierbar, inhaltlich engagiert und hilfsbereit“ nahe, dass es sich hier um eine Mitarbeiterin handelt, die „gegenüber Vorgesetzten“, also in Bezug auf ihre Chefs nur eine „sachbezogene“, aber offensichtlich nicht eine persönlich/menschliche Beziehung aufzubauen in der Lage ist; eine Mitarbeiterin, die nur „inhaltlich“, nicht aber persönlich engagiert ist und eine Mitarbeiterin die einfach nur, ohne jede Steigerungsform und ohne jede weitere Konkretisierung, „hilfsbereit“ ist, also z.B. ihr zugewiesene Vertretungsarbeit ohne Murren zu erledigen versucht. Jedenfalls sind diese Formulierungen nicht geeignet, Teil eines „guten“ Zeugnisses zu sein. Die Beklagte hat mit dem streitigen Zeugnis ihre im Prozessvergleich vereinbarte Pflicht ein „gutes“ Zeugnis zu erteilen, nicht erfüllt.

Tatsächlich ist es grundsätzlich der Arbeitgeber, der das Zeugnis zu formulieren hat und es auch formulieren darf. Tut er dies aber nicht und macht er auch im Prozess keinen adäquaten Formulierungsvorschlag, so sind die Vorschläge der Arbeitnehmerin zu übernehmen, soweit diese Vorschläge der angemessenen oder – wie hier – vereinbarten Schlussnote entsprechen.

III. Nach allem bleibt es somit bei der klagestattgebenden erstinstanzlichen Entscheidung. Als unterliegende Partei hat die Beklagte gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Berufung zu tragen. Gründe für eine Revisionszulassung sind nicht gegeben, da die Entscheidung auf den Umständen des vorliegenden Einzelfalls beruht.

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