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Berufsausbildungsverhältnis – fristlose Kündigung – Beleidigung

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz – Az.: 2 Sa 427/17 – Urteil vom 09.05.2018

I. Die Berufung des Beklagten gegen das Teil-Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 07.09.2017 – 7 Ca 4072/16 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung des Berufsausbildungsverhältnisses.

Der 1996 geborene Kläger nahm aufgrund Berufsausbildungsvertrags vom 20. Februar 2014 (Bl. 5 d. A.) zum 01. August 2014 beim Beklagten, der in B-Stadt das Hotel-Restaurant „Z“ betreibt, eine Ausbildung zum Koch auf. Die Ausbildungszeit sollte zum 31. Juli 2017 enden.

Unter dem 02. November 2016 übersandte der Kläger dem Beklagten folgendes Schreiben (Bl. 6 d. A.):

„Hallo Chef,

beigefügt sende ich Ihnen meine Krankmeldung. Montag und Dienstag war die Arztpraxis geschlossen.

Aber es gibt noch etwas anderes zu klären. Als N.O. am Sonntag von meiner Krankmeldung erfahren hat, hat er gesagt, dass mir folgendes mitgeteilt werden soll: „Der soll verrecken, das Arschloch. Der kann seine Messer und Kochjacken holen. Der braucht nicht mehr kommen.“

Am Montag wurde mir mitgeteilt, dass N. wiederholt hat, dass er mich rausschmeißen will und ich nicht mehr kommen brauche. Später sagte er: „Den schicke ich für eine Woche in Urlaub. Aber ich mache es wie mit der M.. Ich lasse ihn am Donnerstag kommen und teile ihm dann mit, dass er Urlaub hat.“

Das hat er schon einmal getan. Als ich aus meinem letzten Urlaub zurückkam, hat mir N. ebenfalls mitgeteilt, dass mein Urlaub sich verlängert hat.

Da N. mir in der Vergangenheit auch schon mehrfach mit Schlägen und Verbrennungen gedroht hat, kann und werde ich dieses erbärmliche und bösartige Verhalten jetzt nicht mehr länger tolerieren.

Ich habe mich niemals darüber beschwert, jeden Tag 12 – 14 Stunden zu arbeiten oder immer wieder mal die Mittagspause durcharbeiten zu müssen. Ich habe auch schon manches Mal gearbeitet, obwohl bekannt war, dass ich krank war. Das habe ich getan, weil mir der Beruf des Kochs Spaß macht und ich meine Kollegen nicht im Stich lassen wollte.

Wenn ich aber zuhause bleibe, weil es mir wirklich dreckig geht und ich mich über Nacht mehrfach übergeben muss und dann nach meiner Krankmeldung vom Küchenchef aufs Übelste beschimpft werde, ist das nicht nur absolut asozial, sondern es nimmt engagierten Mitarbeitern jeglichen Spaß an der Arbeit.

Deshalb bitte ich Sie, N. sehr deutlich klarzumachen, dass ich mir zukünftig solche Unverschämtheiten nicht mehr gefallen lassen werde und er das zukünftig zu unterlassen hat. Weiter erwarte ich, dass N. sich vor allen Beteiligten bei mir für seine Äußerungen zu entschuldigen hat.

(…)“

Weiterhin wandte sich der Vater des Klägers mit Schreiben vom 06. November 2016 (Bl. 7, 8 d. A.) an den Beklagten und bat um ein gemeinsames Gespräch. Am 12. November 2016 fand zwischen den Parteien ein Personalgespräch statt, an dem auch der Vater des Klägers und der Prozessbevollmächtigte des Beklagten teilnahmen.

Mit Schreiben vom 15. November 2016 (Bl. 9 d. A.), dem Kläger am gleichen Tag zugegangen, kündigte der Beklagte das mit dem Kläger bestehende Berufsausbildungsverhältnis außerordentlich zum 15. November 2016 unter Angabe folgender Kündigungsgründe:

„Der Kündigung wird folgende Begründung gegeben.

Am 03.11.2016 schickten Sie eine Krankmeldung, wie Sie es bezeichneten persönlich ab. Sie führten aus, die Arztpraxis habe Montag und Dienstag geschlossen. Am 04.11. überreichten Sie persönlich eine weitere Krankmeldung.

In einem persönlichen Gespräch wurde Ihnen versucht näher zu bringen, dass eine Krankmeldung und die Übergabe eines Krankenscheins unterschiedliche Rechtsvorgänge sind und dass Sie bei einer Erkrankung verpflichtet sind sich bei Bekanntwerden der Erkrankung arbeitsunfähig bzw. einsatzunfähig zu melden und dies im Weiteren durch eine entsprechende ärztliche Bescheinigung zu belegen.

Daraufhin veranlassten Sie die Fertigung eines Schreibens durch Ihren Vater mit Datum vom 06.11.2016, die zusammen mit Ihrem Schreiben und den weiteren Vorfällen Gegenstand eines Personalgesprächs und ausdrücklich sogenannter persönlicher Anhörung zu den von Ihnen geäußerten Umständen am 12.11.2016 führte. Mehrfach auf diesen Umstand hingewiesen haben Sie sich zu dem Inhalt Ihrer Ausführungen in keinem Punkt abweichend geäußert, sondern auf die Richtigkeit der von Ihnen getätigten Aussage bestanden.

Weitere Überprüfungen meinerseits haben ergeben, dass dies nicht richtig ist. Insbesondere hat sich Herrn N. O. nicht dahingehend geäußert, dass Ihnen mitgeteilt werden soll „der soll verrecken, das Arschloch“.

Des Weiteren ist es nicht richtig, dass Ihnen Herr O. schon mehrfach mit Schlägen und Verbrennungen gedroht hat und dass dessen Verhalten erbärmlich und bösartig ist. Ihre Aussagen, über Herrn O., der bekanntlich mein unmittelbarer Stellvertreter in arbeitstechnischen Abläufen ist, führen zu eine schweren Störung des Betriebsfriedens zumal Sie diese Äußerungen auch gegenüber Mitarbeitern und Arbeitskollegen tätigten. Die Aussagen sind geeignet das Ansehen des Herrn O. in erheblicher Art und Weise herabzuwürdigen, so dass ich gezwungen bin, dass mit Ihnen bestehende Ausbildungsverhältnis außerordentlich fristlos aufzukündigen.

Dies umso mehr, als dass Sie keinerlei Anzeichen an den Tag legen die von Ihnen selbst in mündlichen Gesprächen und in den schriftlichen Ausführungen als unhaltbare Situation dargelegten Umständen in irgendeiner Art und Weise entgegen zu wirken.“

Der vom Kläger am 17. November 2016 angerufene Schlichtungsausschuss fällte in der mündlichen Verhandlung am 16. Dezember 2016 einen Spruch (Bl. 15, 16 d. A.), der vom Beklagten nicht anerkannt wurde.

Mit seiner am 28. Dezember 2016 beim Arbeitsgericht Koblenz eingegangenen Klage hat sich der Kläger gegen die Kündigung vom 15. November 2016 gewandt. Der Kläger hat zwischenzeitlich die Abschlussprüfung bestanden, das Prüfungsergebnis wurde ihm am 22. Juni 2017 mitgeteilt. Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 01. September 2017 Widerklage erhoben.

Wegen des wechselseitigen Vorbringens der Parteien erster Instanz wird auf die erstinstanzlich eingereichten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

Der Kläger hat erstinstanzlich zuletzt beantragt festzustellen, dass das Berufsausbildungsverhältnis durch die Kündigung vom 15. November 2016 – zugestellt am 15. November 2016 – nicht aufgelöst worden ist.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat im Wege der mit Schriftsatz vom 01. September 2016 erhobenen Widerklage beantragt,

1. festzustellen, dass die Vollstreckung aus dem Urteil des Landesarbeits-gericht Rheinland Pfalz vom 09.03.2017 2 Sa Ga 2/17/ 7 Ga 51/16 Arbeitsgericht Koblenz unzulässig ist;

2. den Kläger zu verurteilen, die vollstreckbare Ausfertigung des Urteils des Landesarbeitsgericht Rheinland Pfalz vom 09.03.2017-2 Sa Ga 2/17/ 7 Ga 51/16 Arbeitsgericht Koblenz an den Widerkläger herauszugeben;

3. den Widerbeklagten zu verurteilen, 2.503,40 € netto nebst Zinsen in Hö-he von 5% Punkten über den Basiszinssatz p.a. an den Widerkläger zu zahlen;

4. den Widerbeklagten zu verurteilen, an den Widerkläger 1.619,94 € brut-to nebst Zinsen in Höhe von 5% Punkten über den Basiszinssatz p.a. zu zahlen;

5. den Widerbeklagten zu verurteilen, an den Widerkläger 458,15 € nebst Zinsen in Höhe von 5% Punkten über den Basiszinssatz p.a. zu zahlen;

6. festzustellen, dass der Widerbeklagte verpflichtet ist, den Widerkläger hinsichtlich ihm entstehende Kosten der Rechtsverfolgung für die Strafanzeige vom 18. Juli 2017 gegen den Beklagten und Frau Rechtsanwältin E. F. wegen des Verdachts der Erpressung zu erstatten.

Der Kläger hat hierzu im Termin vom 07. September 2017 keinen Antrag gestellt.

Mit Teil-Urteil vom 07. September 2017 – 7 Ca 4072/16 – hat das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben und festgestellt, dass das Berufsausbildungsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung vom 15. November 2016 nicht aufgelöst ist, während es über die Widerklage des Beklagten im vorgenannten Teil-Urteil nicht entschieden hat. Wegen der Begründung des Arbeitsgerichts wird auf die Entscheidungsgründe seines Teil-Urteils verwiesen.

Gegen das ihm am 27. September 2018 zugestellte Teil-Urteil des Arbeitsgerichts vom 07. September 2017 hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 04. Oktober 2017, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am gleichen Tag eingegangen, Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 26. Oktober 2017, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am 30. Oktober 2017 eingegangen, begründet.

Er trägt vor, die Klage sei bereits mangels Feststellungsinteresses abzuweisen. Dem Kläger sei unstreitig das Prüfungsergebnis mitgeteilt worden, so dass mit diesem Tag das Berufsausbildungsverhältnis geendet habe. Das erforderliche Feststellungsinteresse setze voraus, dass die begehrte Feststellung für den Kläger einen Wert habe, der durch die Leistungsklage nicht erreicht werden könne, was nicht feststellbar sei. Zwar setze sich die angegriffene Entscheidung mit § 301 ZPO auseinander, allerdings nicht mit der gebotenen Tiefe. Neben der vom Arbeitsgericht nicht zutreffend gewerteten schweren Störung des Betriebsfriedens und Herabwürdigung eines arbeitsrechtlichen Vorgesetzten sei nicht hinreichend gewürdigt worden, dass der Kläger die Zurverfügungstellung seiner Ausbildungsbereitschaft von einer Bedingung abhängig gemacht habe, was eine Arbeitsverweigerung sei. Soweit das Arbeitsgericht ausgeführt habe, die Kündigung habe nicht substantiiert die Punkte der Störung des Betriebsfriedens und Herabwürdigung des Vorgesetzten beschrieben, sei dies nicht nachvollziehbar. Der Kläger habe seine weitere Bereitschaft davon abhängig gemacht, dass Herr O. als Vorgesetzter sich vor der Mannschaft für sein Verhalten bei ihm, dem Kläger, zu entschuldigen habe. Hiervon sei der Kläger auch dann nicht abgerückt, als ihm in einem Personalgespräch klar gemacht worden sei, dass dies nicht gefordert werden könne und auch nicht beabsichtigt gewesen sei. Der Kläger habe das Ganze planvoll ausgerichtet, um sich auf seine Prüfung vorbereiten zu können, und habe im Übrigen von der praktischen Absolvierung von Leistungen zugunsten des Ausbildungsbetriebes Abstand nehmen wollen. Der Arbeitgeber bzw. Ausbilder sei damit vor die Wahl gestellt gewesen, entweder seinen Stellvertreter zu nötigen, das durchzusetzen, was der Kläger hier begehrt habe, oder aber auf die praktische Tätigkeit des Kläger zu verzichten. Die zitierte Entscheidung des BAG vom 27. September 2012 liege erkennbar neben dem vorliegenden Sachverhalt. Mit dem Fehlen von Entlastungsgründen müsse sich der Arbeitgeber nur beschäftigen, wenn denn solche vorgetragen worden seien. Zum einen sei dies nicht der Fall, zum anderen sei deren Kenntnis außerhalb seiner Erkenntnismöglichkeit. Er könne daher einen Sachverhalt nicht anders schildern, bei dem er gar nicht dabei gewesen sei. Das Bestreiten mit Nichtwissen sei in diesem Fall zulässig. Der Kläger habe nunmehr den Beweis dafür führen müssen, dass die Behauptungen nicht an den Haaren herbeigezogen seien. Diesen Beweis habe er nicht angetreten, so dass die Entscheidung in materieller Hinsicht ebenfalls der Aushebung bedürfe. Der verspätete Vortrag des Klägers, er habe seine Arbeitsleistung angeboten, sei unsubstantiiert. Der Umstand, dass der Kläger alle seine Sache bereits aus dem Hause entfernt gehabt und keinerlei Arbeitsutensilien mehr in seinem Haus habe, zeige mehr als deutlich, dass er seine Leistungsbereitschaft und -fähigkeit zu keinem Zeitpunkt wiederhergestellt habe.

Der Beklagte beantragt, unter Aufhebung des Teilurteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 07. September 2017 – 7 Ca 4072/16 – die Klage abzuweisen, hilfsweise den Rechtsstreit zur erneuten Entscheidung durch die I. Instanz an eine andere Kammer des Arbeitsgerichts Koblenz zurückzuverweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er erwidert, zur Zulässigkeit der Kündigungsschutzklage als Feststellungsklage auch nach Beendigung des Ausbildungsverhältnisses verweise er auf die Entscheidung des BAG vom 09. Juni 2016 – 6 AZR 396/15 – sowie des LAG Baden-Württemberg vom 24. Juli 2015 – 17 Sa 33/15 -. Auch wenn das Berufsausbildungsverhältnis während des Gerichtsverfahrens beendet werde, bestehe das Feststellungsinteresse gemäß § 256 ZPO. Unzutreffend sei, dass er seine Ausbildungsbereitschaft von einer Bedingung bzw. einer Entschuldigung des Beleidigenden abhängig gemacht habe. Vielmehr habe er am 10. November 2016 seine Arbeitsleistung angeboten und sei auch für ca. eine halbe Stunde beschäftigt worden. Dann sei er von Herrn O. mit der Information nach Hause geschickt worden, der Beklagte würde sich bei ihm melden. Im vereinbarten Gesprächstermin am 12. November 2016 sei von Seiten des Beklagten die Freistellung und drei Tage später die Kündigung erfolgt. Es habe keine Arbeitsverweigerung und auch keine Herabwürdigung des Vorgesetzten gegeben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die gemäß § 64 Abs. 1 und 2 Buchst. b und c ArbGG statthafte Berufung des Beklagten ist zulässig. Sie ist insbesondere form- sowie fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. 519, 520 ZPO).

Die Berufung des Beklagten hat aber in der Sache keinen Erfolg. Das Arbeitsge-richt hat zu Recht der Klage mit dem von ihm erlassenen Teilurteil stattgegeben. Die Feststellungsklage ist zulässig und begründet. Die außerordentliche Kündigung vom 15. November 2016 ist mangels wichtigen Grundes i.S.v. § 22 Abs. 2 Nr. 1 BBiG unwirksam. Das Berufungsgericht folgt den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung (Ziff. A. I. und II. 1. – 4. der Entscheidungsgründe) und sieht deshalb von einer eigenen umfassenden Begründung ab (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Die hiergegen gerichteten Berufungsangriffe sind unbegründet.

A.

Das vom Arbeitsgericht erlassene Teilurteil ist nach § 301 ZPO zulässig. Ist – wie hier – bei erhobener Widerklage nur die Klage zur Endentscheidung reif, so hat das Gericht über sie durch Teilurteil zu entscheiden (§ 301 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Zwar darf zwischen dem durch ein Teilurteil entschiedenen Teil auf der einen und dem noch nicht entschiedenen Teil auf der anderen Seite kein Widerspruch entstehen. Die notwendige Widerspruchsfreiheit bezieht sich jedoch nicht auf den Tenor des Teilurteils. Dieser ist für das Gericht nach § 318 ZPO ohnehin bindend (BAG 19. November 2014 – 4 AZR 996/12 – Rn. 12, juris; BAG 17. April 2013 – 4 AZR 361/11 – Rn. 13, juris). Die Entscheidung des Arbeitsgerichts über den Feststellungsantrag enthält mit Ausnahme der im Tenor ohnehin zum Ausdruck kommenden und damit nach § 318 ZPO bindenden Feststellung keine Begründungselemente, die für die Entscheidung über die Widerklage von Bedeutung sein könnten.

B.

Die Feststellungsklage ist zulässig und begründet.

I.

Die Klage ist zulässig.

Das nach § 111 Abs. 2 Satz 5 ArbGG erforderliche Verfahren ist durchgeführt. Der Kläger hat innerhalb der Frist des § 111 Abs. 2 Satz 3 ArbGG Klage gegen den Spruch des Schlichtungsausschusses erhoben. Entgegen der Ansicht des Beklagten liegt das erforderliche Feststellungsinteresse nach § 256 Abs. 1 ZPO vor, obwohl das Berufsausbildungsverhältnis spätestens am 22. Juni 2017 mit der Mitteilung des Prüfungsergebnisses geendet hat (§ 21 Abs. 2 BBiG). Wäre die streitgegenständliche Kündigung unwirksam, so hätte dies Konsequenzen für den Inhalt des Zeugnisses (§ 16 BBiG); der Kläger könnte zudem ggf. weitere Vergütung oder Schadenersatz verlangen (vgl. BAG 12. Februar 2015 – 6 AZR 831/13 – Rn. 14, NZA 2015, 737; BAG 12. Februar 2015 – 6 AZR 845/13 – Rn. 26, NZA 2015, 741; LAG Baden-Württemberg 24. Juli 2015 – 17 Sa 33/15 – Rn. 15, juris).

II.

Die Klage ist auch begründet.

Die außerordentliche Kündigung vom 15. November 2016 ist mangels wichtigen Grundes i.S.v. § 22 Abs. 2 Nr. 1 BBiG unwirksam.

Gemäß § 22 Abs. 2 Nr. 1 BBiG kann das Berufsausbildungsverhältnis nach der Probezeit vom Ausbilder nur aus wichtigem Grund fristlos gekündigt werden. Ein wichtiger Grund ist gegeben, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Berufsausbil-dungsverhältnisses bis zum Ablauf der Ausbildungszeit nicht zugemutet werden kann. Das Verständnis des wichtigen Grundes i.S.v. § 22 Abs. 2 Nr. 1 BBiG ent-spricht dem wichtigen Grund i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB. Nach § 22 Abs. 3 BBiG muss die Kündigung schriftlich und in den Fällen des § 22 Abs. 2 BBiG unter Angabe der Kündigungsgründe erfolgen. Der Kündigende muss dabei die Tatsachen mitteilen, die für die Kündigung maßgebend sind. Der Ausbildende darf sich im Kündigungsschutzprozess nicht auf Gründe stützen, die er im Kündigungsschreiben nicht genannt hat.

1. Nach der im Kündigungsschreiben vom 15. November 2016 enthaltenen Begründung hat der Beklagte die von ihm ausgesprochene außerordentliche Kündigung darauf gestützt, dass die zitierten Aussagen des Klägers über Herrn O. als seinem unmittelbaren Stellvertreter in arbeitstechnischen Abläufen zu einer schweren Störung des Betriebsfriedens führten und geeignet seien, das Ansehen des Herrn O. in erheblicher Art und Weise herabzuwürdigen.

a) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts stellen u.a. grobe Beleidigungen des Arbeitgebers oder seiner Vertreter und Repräsentanten oder von Arbeitskollegen, die nach Form und Inhalt eine erhebliche Ehrverletzung für den Betroffenen bedeuten, einen die fristlose Kündigung „an sich“ rechtfertigenden Grund dar. Entsprechendes gilt, wenn der Arbeitnehmer bewusst unwahre Tatsachenbehauptungen über seinen Arbeitgeber oder Vorgesetzten bzw. Kollegen aufstellt, insbesondere wenn die Erklärungen den Tatbestand der üblen Nachrede erfüllen (BAG 27. September 2012 – 2 AZR 646/11 – Rn. 22, juris). Der kündigende Arbeitgeber ist für den Kündigungsgrund darlegungs- und beweispflichtig. Das schließt die Darlegungslast für das Fehlen von Umständen ein, die den Arbeitnehmer entlasten (BAG 27. September 2012 – 2 AZR 646/11 – Rn. 22, juris).

b) Danach ist die Kündigung nicht aus einem wichtigen Grund i.S.v. § 22 Abs. 2 Nr. 1 BBiG gerechtfertigt.

Aus dem herangezogenen Schreiben vom 02. November 2016, das der Kläger ausdrücklich nur an den Beklagten persönlich gerichtet hat, geht hervor, dass der Kläger bei der von ihm zitierten Äußerung („Der soll verrecken, das Arschloch“) selbst nicht zugegen war. In seinem Schreiben verweist der Kläger darauf, dass ihm die zitierte Äußerung nach seiner Krankmeldung mitgeteilt werden sollte. Der Kläger hat hierzu vorgetragen, dass er während seiner krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit über eine entsprechende Äußerung des stellvertretenden Küchenchefs von einem anderen Auszubildenden, Herrn K., über das Handy unterrichtet worden sei. Der Beklagte hat diesen Vortrag nicht unter Beweisantritt widerlegt, sondern hierzu ausgeführt, dass Herr K. bei dem angeführten Gespräch zwischen Herrn O. und Herrn L. wohl einige Meter daneben gestanden und wohl möglicherweise irgendwelche Wortfetzen des Gesprächs aufgenommen und möglicherweise dem Kläger berichtet habe. Selbst wenn man zugunsten des Beklagten unterstellt, dass Herr O. weder die vom Kläger zitierte noch überhaupt eine derartige Äußerung gemacht hat, ist die Wiedergabe einer ggf. unzutreffenden Mitteilung eines anderen Auszubildenden durch den Kläger jedenfalls nicht als eine derart schwerwiegende Pflichtverletzung zu bewerten, dass diese ohne vorherige Abmahnung eine außerordentliche Kündigung rechtfertigt. Soweit der Beklagte behauptet hat, dass der Kläger die im Schreiben vom 02. November zitierten Äußerungen in Bezug auf Herrn O. auch gegenüber Kollegen getätigt habe, hat das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt, dass der Beklagte nicht nachvollziehbar dargelegt hat, wann, wo und insbesondere gegenüber welchen Kollegen sich der Kläger entsprechend geäußert haben solle. Die zitierte Äußerung des Klägers in einer WhatsApp-Nachricht an Herrn L. („Ich halte dich auf dem laufenden und möchte dich bitten dies auch an die anderen weiter zu geben.“) bezog sich nach dem Gesamtkontext der Nachricht erkennbar auf seine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit und nicht etwa auf Vorwürfe gegenüber Herrn O..

Zwar hat der Kläger in seinem Schreiben vom 02. November 2016 nach der zitierten Äußerung des Herrn O., gegen die er sich mit seinem Schreiben in erster Linie wendet und wegen der er eine Klärung herbeiführen wollte, auch darauf verwiesen, dass dieser ihn „in der Vergangenheit auch schon mehrfach mit Schlägen und Verbrennungen gedroht“ habe. Auch wenn man davon ausgeht, dass der pauschale Vorwurf mehrfacher Drohungen in der Vergangenheit unzutreffend ist, erscheint die ausgesprochene außerordentliche Kündigung gleichwohl jedenfalls bei Abwägung der beiderseitigen Interessen als unverhältnismäßige Reaktion des Beklagten. Zugunsten des Klägers ist insbesondere zu berücksichtigen, dass er sich im Zeitpunkt der Kündigung bereits im letzten Ausbildungsjahr befand. Wird ein Berufsausbildungsverhältnis durch den Ausbildenden aus Gründen im Verhalten des Auszubildenden fristlos gekündigt, so ist bei der Prüfung des wichtigen Grundes nicht nur die Zweckbestimmung des Vertrages, nämlich zu einem Berufsabschluss für den Auszubildenden zu führen, sondern auch die im Zeitpunkt der Kündigung bereits zurückgelegte Ausbildungszeit im Verhältnis zur Gesamtdauer der Ausbildung zu berücksichtigen (BAG 10. Mai 1973 – 2 AZR 328/72 – juris). Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass der Kläger nach seinem unwiderlegten Vortrag nach seiner Krankmeldung von einem anderen Auszubildenden über eine grobe Beleidigung durch den stellvertretenden Küchenchef unterrichtet worden war und er mit seinem Schreiben vom 02. November 2016 in erster Linie eine Klärung des Vorfalls herbeiführen wollte. Soweit der Kläger nach dem von ihm konkret beanstandeten Verhalten des Herrn O. nach seiner Krankmeldung aus Verärgerung zu Unrecht durch einen pauschalen Verweis auf angeblich mehrfache Drohungen in der Vergangenheit aufgebauscht haben sollte, erscheint eine darin liegende Pflichtverletzung auch vor dem Hintergrund des Anlasses des Schreibens vom 02. November 2016 nicht als derart schwerwiegend, dass eine Fortsetzung des bereits weit fortgeschrittenen Ausbildungsverhältnisses bis zum Ablauf des letzten Ausbildungsjahres dem Beklagten unzumutbar ist.

2. Soweit der Beklagte im Berufungsverfahren vorgetragen hat, dass der Kläger seine weitere Bereitschaft zur Erbringung der praktischen Teile der Ausbildung von der Bedingung abhängig gemacht habe, dass sich sein Vorgesetzter, Herr O., vor der Mannschaft bei ihm entschuldige, und darin eine Arbeitsverweigerung liege, kann der Beklagte die Kündigung darauf nicht stützen, weil er diesen Kündigungsgrund im Kündigungsschreiben nicht angegeben hat (§ 22 Abs. 3 BBiG).

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