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Berufungsunzulässigkeit wegen unterlassener Vollmachtsvorlage

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz – Az.: 7 Sa 123/21 – Urteil vom 03.11.2021

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein – Auswärtige Kammern Landau – vom 11. März 2021 wird auf Kosten der Beklagten als unzulässig verworfen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, die Weiterbeschäftigung des Klägers sowie die Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung von Lohnabrechnungen und Zahlung von Vergütung.

Der 1969 geborene Kläger ist seit dem 1. April 2017 aufgrund eines Arbeitsvertrags vom 20. März 2017 (Bl. 8 ff. d. A.) bei der Beklagten als „Leiter der Pflanzenproduktion“ beschäftigt. Die Beklagte betreibt einen biozyklisch-veganen Gemüsebaubetrieb. Seit dem 1. Januar 2018 erzielt der Kläger eine monatliche Bruttovergütung in Höhe von 2.700,00 € bei 40 Stunden/Woche.

Mit Schreiben vom 31. Oktober 2018, dem Kläger übergeben am 30. Oktober 2018, erklärte die Beklagte die Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 30. November 2018. Gegen diese Kündigung wendete sich der Kläger im Verfahren Arbeitsgericht Ludwigshafen am Rhein – Auswärtige Kammern Landau, Az. 5 Ca 845/18. Durch vom Urteil vom 12. September 2019 stellte das Arbeitsgericht fest, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers durch diese Kündigung nicht aufgelöst wurde. Weiter verurteilte es die Beklagte zur Weiterbeschäftigung des Klägers. Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz wies durch Urteil vom 8. September 2020 unter dem Az. 8 Sa 411/19 die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten zurück.

Mit Schreiben vom 27. September 2019 sprach die Beklagte eine weitere Kündigung zum 31. Oktober 2019 (Bl. 47 d. A.) aus. Hiergegen wendete sich der Kläger mit der Kündigungsschutzklage im Verfahren Arbeitsgericht Ludwigshafen am Rhein – Auswärtige Kammern Landau, Az. 5 Ca 744/19, begehrte seine Weiterbeschäftigung und verfolgte Vergütungsansprüche.

Sodann sprach die Beklagte zwei weitere – wortlautidentische – Kündigungen mit Schreiben vom 20. November 2019 zum 31. Dezember 2019 aus, von denen eine per Boten zugestellt wurde, eine weitere per Einwurf-Einschreiben an den Klägervertreter. Gegen diese wendete sich der Kläger im Verfahren Arbeitsgericht Ludwigshafen am Rhein – Auswärtige Kammern Landau Az. 5 Ca 878/19, begehrte seine Weiterbeschäftigung und verfolgte weitere Entgeltansprüche.

Im Verfahren vor dem Arbeitsgericht Ludwigshafen am Rhein – Auswärtige Kammern Landau – Az. 5 Ca 739/19 verfolgte Kläger unter anderem Ansprüche auf Erteilung einer Lohnabrechnung sowie auf Zahlung von Entgelt.

Das Arbeitsgericht hat die Verfahren 5 Ca 739/19, 5 Ca 744/19 und 5 Ca 878/19 durch Beschluss vom 30. September 2020 unter Führung des Verfahrens 5 Ca 739/19 verbunden.

Der Kläger hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,

1. festzustellen, dass sein Arbeitsverhältnis weder durch die ordentliche (Folge)Kündigung vom 27. September 2019 (zum 31. Oktober 2019), zugegangen am 1. Oktober 2019, noch durch die ordentliche (Folge) Kündigung vom 20. November 2019 (zum 31. Dezember 2019), zugegangen am 2. Dezember 2019, aufgelöst worden ist, sondern zu den im Arbeitsvertrag vom 20. März 2017 geregelten Arbeitsbedingungen über den 31. Dezember 2019 hinaus fortbesteht;

2. die Beklagte zu verurteilen, ihn zu den im Arbeitsvertrag vom 20. März 2017 geregelten Arbeitsbedingungen über den 31. Dezember 2019 hinaus als „Leiter der Pflanzenproduktion“ im Betrieb der beklagten C. (ehemals K. GbR) bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag zu 1. weiter zu beschäftigen;

3. den von der Beklagten unter dem ehemaligen Az. 5 Ca 744/19 am 27. Januar 2020 unter Textziffer III. gestellten Hilfsantrag, wie auch den unter dem ehemaligen Az. 5 Ca 878/19 am 25. Mai 2020 unter Textziffer IV. gestellten gleichlautenden Hilfsantrag, „das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien gemäß §§ 9,10 KSchG gegen Zahlung einer Abfindung, die in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, aber einen Betrag in Höhe von 2.700,00 € brutto nicht überschreiten sollte, aufzulösen,“ zurückzuweisen;

4. die Beklagte zu verurteilen, für die Monate für den Zeitraum ab 1. Dezember 2018 bis zunächst einschließlich 31. Dezember 2020 ihm eine konkrete (rechtlich korrekte) Lohnabrechnung, insbesondere unter Berücksichtigung der gemäß § 115 SGB X auf die Bundesagentur für Arbeit (BfA), Agentur für Arbeit X, zu dem Az.: 0815 (Versicherungsnummer des Klägers: 0000) übergegangenen Ansprüche, zu erstellen;

5. die Beklagte C., ehemals K. GbR, zu verurteilen, für die Monate ab 1. Dezember 2018 bis einschließlich 31. Dezember 2019 an ihn

a) monatlichen Bruttolohn in Höhe von jeweils 2.700,00 €, insgesamt 35.100,00 € brutto (entsprechend 13 Monate zu 2.700,00 € brutto),

b) abzüglich des jeweiligen auf die BfA übergegangenen Betrages in Höhe von insgesamt 11.313,12 € netto („Arbeitslosengeld“),

zu zahlen,

c) zuzüglich jeweiliger Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz

aa) aus 2.700,00 € für den Zeitraum vom 2. Januar 2019 bis 1. August 2019 sowie aus 1.836,90 € (2.700,00 € minus durch die BfA am 2. August 2019 gezahlter 863,10 €) (Bruttolohn für Dezember 2018) seit dem 2. August 2019,

bb) aus 2.700,00 € für den Zeitraum vom 2. Februar 2019 bis 1. August 2019 sowie aus 1.824,30 € (2.700,00 € minus 875,70 €) (Bruttolohn für Januar 2019) seit dem 2. August 2019,

cc) aus 2.700,00 € für den Zeitraum vom 2. März 2019 bis 1. August 2019 sowie aus 1.824,30 € (2.700,00 € minus 875,70 €) (Bruttolohn für Februar 2019) seit dem 2. August 2019,

dd) aus 2.700,00 € für den Zeitraum vom 2. April 2019 bis 1. August 2019 sowie aus 1.824,30 € (2.700,00 € minus 875,70 €) (Bruttolohn für März 2019) seit dem 2. August 2019,

ee) aus 2.700,00 € für den Zeitraum vom 2. Mai 2019 bis 1. August 2019 sowie aus 1.824,30 € (2.700,00 € minus 875,70 €) (Bruttolohn für April 2019) seit dem 2.August 2019,

ff) aus 2.700,00 € für den Zeitraum vom 2. Juni 2019 bis 1. August 2019 sowie aus 1.824,30 € (2.700,00 € minus 875,70 €) (Bruttolohn für Mai 2019) seit dem 2. August 2019,

gg) aus 2.700,00 € für den Zeitraum vom 2. Juli 2019 bis 1. August 2019 sowie aus 1.824,30 € (2.700,00 € minus 875,70 €) (Bruttolohn für Juni 2019) seit dem 2. August 2019,

hh) aus 1.824,30 € (2.700,00 € minus 875,70 €) (Bruttolohn für Juli 2019) seit dem 2. August 2019,

ii) aus 1.824,30 € (2.700,00 € minus 875,70 €) (Bruttolohn für August 2019) seit dem 2. September 2019,

jj) aus 1.824,30 € (2.700,00 € minus 875,70 €) (Bruttolohn für September 2019) seit dem 2. Oktober 2019,

kk) aus 1.824,30 € (2.700,00 € minus 875,70 €) (Bruttolohn für Oktober 2019) seit dem 2. November 2019,

ll) aus 1.824,30 € (2.700,00 € minus 875,70 €) (Bruttolohn für November 2019) seit dem 2. Dezember 2019,

mm) aus 1.882,68 € (2.700,00 € minus 817,32 €) (Bruttolohn für Dezember 2019) seit dem 2. Januar 2020;

6. die Beklagte C., ehemals K. GbR, zu verurteilen, für die Monate ab 1. Januar 2020 bis einschließlich 31. Dezember 2020 an ihn

a) monatlichen Bruttolohn in Höhe von jeweils 2.700,00 €, insgesamt 32.400,00 € brutto, (entsprechend 12 Monate zu 2.700,00 € brutto),

b) zuzüglich jeweiliger Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz

aa) aus 2.700,00 € (Bruttolohn für Januar 2020) seit dem 2. Februar 2020,

bb) aus 2.700,00 € (Bruttolohn für Februar 2020) seit dem 2. März 2020,

cc) aus 2.700,00 € (Bruttolohn für März 2020) seit dem 2. April 2020,

dd) aus 2.700,00 € (Bruttolohn für April 2020) seit dem 2. Mai 2020,

ee) aus 2.700,00 € (Bruttolohn für Mai 2020) seit dem 2. Juni 2020,

ff) aus 2.700,00 € (Bruttolohn für Juni 2020) seit dem 2. Juli 2020,

gg) aus 2.700,00 € (Bruttolohn für Juli 2020) seit dem 2. August 2020,

hh) aus 2.700,00 € (Bruttolohn für August 2020) seit dem 2. September 2020,

ii) aus 2.700,00 € (Bruttolohn für September 2020) seit dem 2. Oktober 2020,

jj) aus 2.700,00 € (Bruttolohn für Oktober 2020) seit dem 2. November 2020,

kk) aus 2.700,00 € (Bruttolohn für November 2020) seit dem 2. Dezember 2020,

ll) aus 2.700,00 € (Bruttolohn für Dezember 2020) seit dem 2. Januar 2021

zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat weiter widerklagend beantragt,

1. den Kläger zu verurteilen, an sie 14.211,98 € netto nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29. November 2019 zu zahlen;

2. den Kläger zu verurteilen, an sie 73.001,76 EUR netto nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29. November 2019 zu zahlen.

Der Kläger hat beantragt, die Widerklage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen, hilfsweise und vorsorglich werde mit ihren Ansprüchen aufgrund der Schäden aus einem Verkehrsunfall sowie den Forderungen aus den Schäden und Umsatzeinbußen der Pflanzenproduktion mit den vermeintlichen Ansprüchen des Klägers aufgerechnet. Aufgrund des Verlustes des QS Siegels hätten auch die Produkte nicht mehr verkauft werden können. Insgesamt seien ihr damit allein im Zeitraum vom 31. Oktober 2018 bis zum 31. Dezember 2018 Waren im Wert von 73.001,75 € netto verloren gegangen.

Aufgrund eines Lkw-Unfalls am Morgen des 23. April 2018 seien weitere Schäden entstanden, als der Kläger bei der Auslieferung von Waren mit seinem 3,65 m hohen Lkw eine 2,90 m hohe Unterführung habe durchfahren wollen. Der Unfallschaden sei durch die Kfz-Haftpflichtversicherung nicht reguliert worden, da hier ein vorsätzliches Verhalten des Klägers zugrunde gelegt worden sei. Ein entsprechendes Hinweisschild sei an dem Tunnel angebracht gewesen.

Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 11. März 2021 festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers weder durch die ordentliche (Folge-) Kündigung vom 27. September 2019 (zum 31. Oktober 2019), zugegangen am 1. Oktober 2019, noch durch die ordentliche (Folge-) Kündigung vom 20. November 2019 (zum 31. Dezember 2019), zugegangen am 2. Dezember 2019, aufgelöst worden ist. Das Arbeitsgericht hat die Beklagte weiter verurteilt, den Kläger zu den im Arbeitsvertrag vom 20. März 2017 geregelten Arbeitsbedingungen über den 31. Dezember 2019 hinaus als „Leiter der Pflanzenproduktion“ im Betrieb der Beklagten bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag zu 1 weiter zu beschäftigen. Es hat die Beklagte weiter verurteilt, für die Monate ab Dezember 2018 bis zunächst 31. Dezember 2020 eine konkrete (rechtlich korrekte) Lohnabrechnung, insbesondere unter Berücksichtigung der gemäß § 115 SGB X auf die Bundesagentur für Arbeit (BfA), Agentur für Arbeit X, zu dem Az.: 0815 (Versicherungsnummer des Klägers: 0815) übergegangenen Ansprüche, zu erstellen. Es hat weiter die Beklagte verurteilt, an den Kläger für die Monate ab 1. Dezember 2018 bis einschließlich 31. Dezember 2019 monatlichen Bruttolohn in Höhe von jeweils 2.700,00 €, insgesamt 35.100 € brutto (entsprechend 13 Monate zu 2.700,00 € brutto) abzüglich des jeweiligen auf die BfA übergegangenen Betrages in Höhe von insgesamt 11.313,12 € netto („Arbeitslosengeld“) zu zahlen zuzüglich Zinsen. Weiter hat das Arbeitsgericht die Beklagte verurteilt, an den Kläger für die Monate ab 1. Januar 2020 bis einschließlich 31. Dezember 2020 monatlichen Bruttolohn in Höhe von jeweils 2.700,00 €, insgesamt 32.400 € brutto (entsprechend 12 Monaten zu 2.700,00 € brutto) zuzüglich Zinsen zu zahlen. Die Widerklage hat das Arbeitsgericht abgewiesen. Es hat – zusammengefasst – zur Begründung ausgeführt, die streitbefangenen Kündigungen seien bereits aufgrund der rechtskräftigen Entscheidung des Landesarbeitsgerichts im Verfahren mit dem Aktenzeichen 8 Sa 411/19 unwirksam. Die Beklagte habe bereits in diesem Berufungsverfahren keine neuen Kündigungsgründe vorgetragen gehabt, die die Kündigung vom 27. September 2019 und vom 20. November 2019 rechtfertigen könnten. Es handele sich bei diesen Kündigungen um bloße rechtsunwirksame Wiederholungskündigungen. Eine verhaltensbedingte Kündigung scheitere vorliegend an der fehlenden vorherigen Abmahnung. Insbesondere die fehlende Dokumentation bezüglich Beregnung und Düngung, aber auch der einmalige Verkehrsunfall seien ohne Hinzutreten besonderer Umstände keine derart schweren Pflichtverletzungen, so dass eine Abmahnung für entbehrlich gehalten werden könnte. Soweit die Beklagte Mutmaßungen dazu angestellt gehabt habe, ob es sich bei den vermeintlichen Leistungsmängeln des Klägers um ein nicht steuerbares Verhalten handele, hätten hierfür keine Anhaltspunkte bestanden. Solche bestünden auch nicht. Auch die Rechtfertigung der streitbefangenen Kündigungen als betriebsbedingte scheide nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts aus. Dieses sei in Rechtskraft erwachsen und binde daher die Parteien auch in dem zugrundeliegenden Folgeverfahren. Die Beklagte sei daher auch zur Weiterbeschäftigung des Klägers zu verurteilen. Weiter sei die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger die wegen der Unwirksamkeit der Kündigungen aus § 615 BGB (Annahmeverzug) geschuldete Vergütung (abzüglich der auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangenen Beträge) zu zahlen. Über den unter dem ehemaligen Aktenzeichen 5 Ca 744/19 am 27. Januar 2020 unter Textziffer III. angekündigten Hilfsantrag, wie auch den unter dem ehemaligen Az. 5 Ca 878/19 am 25. Mai 2020 unter Textziffer IV. angekündigten gleichlautenden Hilfsantrag, „das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien gemäß §§ 9,10 KSchG gegen Zahlung einer Abfindung, die in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, aber einen Betrag in Höhe von 2.700,00 € brutto nicht überschreiten soll, aufzulösen“, sei nicht zu entscheiden gewesen; dieser sei im Termin nicht mehr gestellt worden. Die Widerklage sei abzuweisen gewesen. Zum einen sei der diesbezügliche Vortrag der Beklagten widersprüchlich, die in dem Berufungsverfahren noch gemutmaßt habe, es liege kein steuerbares Verhalten vor, jetzt aber annehme, der Kläger habe den Verkehrsunfall und die angeblichen weiteren Schäden schuldhaft verursacht. Weiter reichten die Darstellungen der Beklagten nicht aus, um eine Inanspruchnahme des Klägers wegen des Unfallereignisses zu rechtfertigen. Da sich der Kläger auf die Grundsätze zur Haftungsprivilegierung des Arbeitnehmers berufen könne, wäre für eine Inanspruchnahme ein Ausmaß an Verschulden erforderlich gewesen, welches über die einfache Fahrlässigkeit hinausgehe. Ein solches sei aber nicht dargestellt gewesen. Entscheidend aber sei, dass die Beklagte schon wegen der im Arbeitsvertrag der Parteien enthaltenen Ausschlussfrist mit der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen ausgeschlossen gewesen sei. Wegen der Einzelheiten der erstinstanzlichen Begründung wird ergänzend auf die Entscheidungsgründe des Urteils des Arbeitsgerichts (Bl. 402 ff. d. A.) Bezug genommen.

Das genannte Urteil ist der Beklagten zu Händen ihrer Prozessbevollmächtigten am 22. März 2021 zugestellt worden. Die Beklagtenvertreterin hat hiergegen „für die Beklagte und Berufungsklägerin“ mit einem am 19. April 2021 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz vom gleichen Tag Berufung eingelegt. Das Landesarbeitsgericht hat die Frist zur Berufungsbegründung durch Beschluss vom 18. Mai 2021 verlängert bis einschließlich 18. Juni 2021. Die Beklagtenvertreterin hat die Berufung mit am 18. Juni 2021 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz vom 16. Juni 2021 begründet.

Der Kläger hat die Beklagtenvertreterin mit Schriftsatz vom 20. April 2021 zur Vorlage einer Vollmacht aufgefordert. Der Beklagtenvertreterin wurde sodann durch das Gericht unter dem 3. Mai 2021 im Hinblick auf § 88 ZPO aufgegeben, bis zum 25. Mai 2021 eine Prozessvollmacht zur Gerichtsakte zu reichen. Mit Schriftsatz vom 20. Mai 2021 hat der Kläger „Vollmachtsrüge gemäß §§ 80, 88 i. V. m. § 79 ZPO“ erhoben.

Zur Begründung der Berufung macht die Beklagte nach Maßgabe des Schriftsatzes vom 17. Mai 2021 und der Berufungsbegründung vom 16. Juni 2021, auf die ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 516, 533 ff. f. d. A.), zusammengefasst geltend,

sie bestätige von der Beklagten bevollmächtigt zu sein, sie in allen Angelegenheiten, die Beendigung des Arbeitsverhältnisses und alle weiteren in diesem Zusammenhang stehenden Angelegenheiten, insbesondere Lohnansprüche, Gegenansprüche, unter anderem den Kläger betreffend, zu vertreten. Ergänzend werde noch die erteilte schriftliche Vollmacht vorgelegt.

Die Bevollmächtigung sei zunächst mündlich erfolgt und sei später noch durch die Erteilung der vorgelegten schriftlichen Vollmacht bestätigt worden. Keineswegs bedürfe es hier noch weiterer Unterlagen. Die Vollmacht sei von zwei Gesellschaftern unterschrieben worden. Dies sei ausreichend.

Ihr Eintrag sei deshalb nicht beim Gewerbeamt zu finden, da hierzu keine Verpflichtung bestehe. Bei ihr handele es sich um einen rein landwirtschaftlichen Betrieb, der kein Gewerbe ausübe.

Auch ihre Gesellschafter könnten bestätigen, dass eine Prozessvollmacht bestehe.

Die Beklagte beantragt,

1. das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen;

2. das angefochtene Urteil abzuändern und den Kläger zu verurteilen, an sie 14.211,98 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29. November 2019 zu zahlen;

3. den Kläger zu verurteilen, an sie 73.001,76 € netto nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29. November 2019 zu zahlen.

Der Kläger beantragt, die Berufung als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise die Berufung der Beklagten vom 19. April 2021 gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein – Auswärtige Kammern Landau – vom 28. Januar 2021, verkündet am 11. März 2021, Az. 5 Ca 739/19 zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe seiner Schriftsätze vom 20. April 2021, 30. April 2021, 6. Mai 2021, 7. Mai 2021, 20. Mai 2021, 26. Mai 2021, 18. Juni 2021, 21. Juli 2021, der Berufungserwiderung vom 23. August 2021, der Schriftsätze vom 17. September 2021, 21. September 2021 und 14. Oktober 2021, auf die ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 506, 509, 512, 515, 523 ff., 529 f., 560, 622, 626 ff., 662 ff., 736 ff., 804 d. A.), als rechtlich zutreffend.

Er bestreite, dass die „Firma C.“ „jetzt“ existiere und am 19. April 2021 wirksam Berufung eingelegt habe. Das erstinstanzliche Urteil sei in Rechtskraft erwachsen. Sein Bestreiten beziehe sich nicht nur auf die Vorlage einer anwaltlichen Prozessvollmacht (§ 88 ZPO), sondern vor allem auf den Nachweis der „Existenz“ der die Prozesshandlung „Berufung“ auslösenden „Firma C.“. Die Prozessvollmacht sei nicht in der gebotenen Form nachgewiesen worden. Es sei im Rahmen der gesetzlichen Frist nicht wirksam das Rechtsmittel der „Berufung“ eingelegt worden.

Ausweislich der in diesem Schreiben beigefügten Auskunft der Verbandsgemeindeverwaltung K. vom 31. März 2021 sei bei ihr mit der Firmierung „C.“ kein Gewerbe angemeldet.

Durch die am 17. Mai 2021 von der Beklagtenvertreterin vorgelegte „Vollmacht“ sei der Vollmachtsnachweis nicht geführt. Weder bestätige zum Beispiel ein Stempel der C. die Vollmacht noch lasse sich entnehmen, wer die/alle Gesellschafter seien. Es lägen insbesondere keine wirksamen „Unterschriften“ vor, sondern allenfalls „Paraphen“.

Die beiden Personen, welche am 3. Mai 2019 die „Vollmacht“ erteilt haben sollten, seien weder in der Lage allein den landwirtschaftlichen Betrieb mit Millionenumsätzen zu führen noch überhaupt die juristische Tragweite ihrer „Unterschriften“ zur Gänze zu erfassen – zum Beispiel sei ein „XX“ gerade keine Unterschrift, sondern der Beweis dafür, dass „der Zeichner“ dies nicht erfassen könne oder wolle. Die andere Person, wohl ebenfalls aus Osteuropa stammend, könne ihren – unleserlichen – Namen nicht in Druckbuchstaben ausschreiben; auch die daneben befindliche unleserliche Paraphe sei keine Unterschrift der C.. Beide Personen seien weder seine Vertragspartner noch sonst in irgendeiner Weise als Verantwortliche in Erscheinung getreten. Sie hätten nicht als Geschäftsführer o. Ä. der Beklagten für diese in deren Auftrag eine anwaltliche Vollmacht „unterschrieben“. Der Gesellschafter Herr G. habe die „Vollmacht“ ebenfalls unterschreiben müssen. Weitere Gesellschafter hätten benannt werden müssen, insbesondere hätten diese die „Vollmacht“ unterschreiben müssen.

Die „Vollmacht“ vom 3. Mai 2019 widerspreche insgesamt dem bisherigen Beklagtenvortrag im Ausgangsverfahren 5 Ca 845/17, wie auch im Verfahren 5 Ca 739/19. Dort sei immer, für jeden Beweisantritt, B.K. als erster Zeuge benannt, neben anderen Personen. Die Beklagte könne eine Prozessvollmacht wirksam nur mit den Unterschriften aller Gesellschafter der GbR unter der Vollmachtsurkunde erteilen. Dies sei hier bereits deshalb offensichtlich nicht der Fall, da B. K. die vorgelegte „Vollmacht vom 3. Mai 2019“ nicht unterschrieben habe.

Auch im Übrigen wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Sitzungsprotokoll vom 3. November 2021 (Bl. 827 ff. d. A.) Bezug genommen.

Das Landesarbeitsgericht hat die Akte Arbeitsgericht Ludwigshafen am Rhein – Auswärtige Kammern Landau Az. 8 Ca 845/18 (Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Az. 8 Sa 411/19) beigezogen.

Entscheidungsgründe

A.

Die nach § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist unzulässig. Die Beklagte hat bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung am 3. November 2021 trotz Rüge des Klägers (§ 88 ZPO) und Aufforderung durch das Gericht eine ordnungsgemäße schriftliche Vollmacht nicht vorgelegt, § 80 S. 1 ZPO. Sie hat nicht in ordnungsgemäßer Form nachgewiesen, dass sie Frau Rechtsanwältin D. Vollmacht erteilt hat.

I.

Gemäß § 11 Abs. 4 S. 1 ArbGG müssen sich die Parteien vor dem Landesarbeitsgericht, außer im Verfahren vor einem beauftragten oder ersuchten Richter und bei Prozesshandlungen, die vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vorgenommen werden können, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Der Vertretungszwang gilt auch für die Einlegung und Begründung einer Berufung.

Die Bevollmächtigung des Prozessbevollmächtigten ist außer im Mahnverfahren (§ 703 ZPO) grundsätzlich nachzuweisen. Der Nachweis ist grundsätzlich für jedes Verfahren separat zu führen; eine Ausnahme besteht nur, wenn dem Gericht eine Einsicht in die in einem anderen Verfahren vorgelegte Vollmachtsurkunde ohne weiteres möglich ist und aus der Urkunde ersichtlich ist, dass sie auch für das Verfahren, in dem die Bezugnahme erfolgt ist, bestimmt ist. Soweit die Vollmacht auch das Rechtsmittelverfahren umfasst, genügt der einmalige Nachweis, weil es sich über die Instanzen um ein Verfahren handelt.

Bei einer Prozessvertretung durch Rechtsanwälte wird der Nachweis jedoch nur auf Rüge des Gegners erhoben (§ 88 ZPO). Der Mangel der Vollmacht kann von dem Gegner in jeder Lage des Verfahrens gerügt werden (§ 88 Abs. 1 ZPO).

Der Gegner hat auf diese Rüge die Bevollmächtigung – abgesehen von hier nicht gegebenen Sonderfällen – durch eine schriftliche Vollmacht nachzuweisen und diese zu den Gerichtsakten abzugeben (§ 80 S. 1 ZPO). Der Nachweis der schriftlichen Vollmacht kann nur durch Einreichung der Originalurkunde geführt werden (BGH 23. Februar 2006 – III ZB 50/05 – Rn. 9 mwN.; 23. Juni 1994 – I R 106/92 – Rn. 9; LSG Sachsen-Anhalt 26. November 2014 – L 5 AS 452/13 – Rn. 11 mwN., jeweils juris; Zöller/Althammer, 34. Aufl. 2022, § 80 Rn. 8 mwN.). Die Urkunde muss den Anforderungen des § 416 ZPO genügen, das heißt, sie muss von dem bzw. den Ausstellern unterschrieben oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet sein. Die Vorlage einer Kopie (BeckOK ZPO/Piekenbrock, 40. Ed. 1.3.2021, ZPO § 80 Rn. 13 mwN., juris) bzw. von Schriftstücken, die lediglich einen durch technische Übertragungsverfahren hergestellten Abdruck der Originalurkunde enthalten (BGH 31. Oktober 2019 – IX ZR 37/19 – Rn. 3 mwN., juris; Zöller/Althammer, 34. Aufl. 2022, § 80 Rn. 8 mwN.), reicht nicht aus. In elektronischer Form kann der Nachweis nach Maßgabe von § 130a ZPO geführt werden.

Die Einreichung der Vollmacht ist nicht nur Sachurteilsvoraussetzung, sondern hat auch Beweisfunktion. Es gilt hier nichts Anderes als beim Urkundenbeweis (vgl. BFH 18. Februar 1987 – II R 213/84 – Rn. 20 mwN., juris). An einer solchen zweifelsfreien Feststellung der Bevollmächtigung besteht ein öffentliches Interesse und ein Interesse des Prozessgegners (BGH 23. Februar 2006 – III ZB 50/05 – Rn. 9 mwN., juris). Die Urkunde verbleibt nicht beim Beweisführer, sondern ist zu den Gerichtsakten zu reichen.

II.

Die von der Beklagtenvertreterin vorgelegte Kopie oder der Scan der Vollmacht vom 3. Mai 2019 (Bl. 517 d. A.) genügt diesen Anforderungen nicht. Darauf befinden sich weder Originalunterschriften der Gesellschafter der Beklagten noch deren elektronische Signatur.

III.

Darüber hinaus ist die Vollmacht lediglich von zwei Personen unterzeichnet worden, in Bezug auf die im vorliegenden Verfahren nicht dargelegt worden ist, dass diese die beklagte Gesellschaft wirksam vertreten konnten.

Gemäß § 709 Abs. 1 BGB steht die Führung der Geschäfte einer Gesellschaft bürgerlichen Recht grundsätzlich den Gesellschaftern gemeinschaftlich zu (vgl. LAG Schleswig-Holstein 16. Januar 1997 – 4 Sa 434/96, BeckRS 1997, 30818496). Eine abweichende gesellschaftsvertragliche Gestaltung ist nachzuweisen.

Eine Darlegung der gesellschaftsvertraglichen Gestaltung und deren Nachweis ist durch die Beklagte nicht erfolgt. Der Gesellschaftsvertrag wurde nicht zur Gerichtsakte gereicht, auch in der beigezogenen Akte findet sich kein vollständiger Gesellschaftsvertrag mit lückenlosen Anlagen. Soweit in der beigezogenen Akte § 5 Abs. 2 des angeblichen Gesellschaftsvertrages dahingehend wiedergegeben wird, dass jeweils zwei Gesellschafter gemeinsam gesamtvertretungsberechtigt sind, falls kein Geschäftsführer bestellt wurde und alle Gesellschafter dies schriftlich bestätigen, ist nicht dargelegt und nachgewiesen, dass diese Voraussetzungen (kein Geschäftsführer bestellt, schriftliche Bestätigung aller Gesellschafter) tatsächlich vorliegen.

Unstreitig verfügte die Beklagte im Zeitpunkt der Unterzeichnung der Vollmacht am 3. Mai 2019 über mehr als zwei Gesellschafter. Die Beklagte hat lediglich behauptet, die Unterschrift von zwei Gesellschaftern sei ausreichend.

Darüber hinaus hat der Kläger bestritten, dass die Unterzeichnenden „C. H.“ und „V. M.“ im Zeitpunkt der Vollmachtserteilung Gesellschafter der Beklagten waren. Aus dem Vortrag der Beklagten ergibt sich nicht, wann diese Unterzeichnenden Gesellschafter der Beklagten geworden sowie ob und wann sie aus dieser wieder ausgeschieden sind.

Die von Rechtsanwältin D. für die Beklagte eingelegte Berufung ist daher unzulässig.

C.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Voraussetzungen einer Revisionszulassung nach § 72 Abs. 2 ArbGG sind nicht erfüllt.

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