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Betriebliche Altersversorgung – Ansprüche eines geschiedenen Ehegatten eines Arbeitnehmers

ArbG Stuttgart, Az.: 19 Ca 2211/12

Urteil vom 20.12.2013

1. Es wird festgestellt, dass der Klageantrag Ziffer 1 erledigt ist.

2. Es wird festgestellt, dass der Klageantrag Ziffer 2 a) in der Hauptsache erledigt ist.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz für den Zeitraum vom 16.12.2011 bis zum 20.12.2012 aus einem Betrag von 17.446,45 EUR zu bezahlen.

4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 55.482,78 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus einem Betrag von 27.741,39 EUR seit dem 29.02.2012 und aus einem Betrag von weiteren 27.741,39 EUR seit dem 28.02.2013 zu bezahlen.

5. In Höhe eines Betrages von 166.448,36 EUR wird der Klageantrag Ziffer 2 b) als derzeit unbegründet abgewiesen.

6. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

7. Der Streitwert wird auf 360.842,45 EUR festgesetzt.

8. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin 80 Prozent, die Beklagte 20 Prozent.

9. Die Berufung wird nicht über die gesetzlich geregelten Fälle hinaus gesondert zugelassen.

Tatbestand

Betriebliche Altersversorgung - Ansprüche eines geschiedenen Ehegatten eines Arbeitnehmers
Symbolfoto: snowing/Bigstock

Die Parteien streiten um die betriebliche Altersversorgung, welche die Klägerin nach dem Tod ihres Ehemannes beansprucht. Dabei geht es vor allem um die Frage, ob der ersten Ehefrau des Verstorbenen ebenfalls Ansprüche gegen die Beklagte zustehen.

Der Ehemann der Klägerin, Herr J. E. D., trat am 18.02.1975 in das Unternehmen der Beklagten ein. Am 01.06.1980 heiratete er Frau M. T. W.. Die beiden hatten zwei gemeinsame Kinder. Am 31.03.1997 reichte Frau W. beim Amtsgericht Böblingen die Scheidung ein. Mit Urteil vom 22.09.1997 wurde die Ehe geschieden. In Ziffer 3 des Urteilstenors wurde der Ausgleich des Anrechts des Herrn D. bei der Beklagten dem schuldrechtlichen Versorgungsausgleich vorbehalten. Ein Ausgleich dessen Anrechts auf betriebliche Altersversorgung sollte also erst bei Rentenbeginn erfolgen. Auf das Scheidungsurteil (Aktenseite 93 ff.) wird Bezug genommen.

Am 03.04.1998 heiratete Herr D. die Klägerin. Auf die Heiratsurkunde (Aktenseite 15) wird Bezug genommen. Am 22.12.2006 vereinbarte Herr D. mit der Beklagten Altersteilzeit ab dem 01.12.2007. Es war vorgesehen, dass er bis zum 30.11.2010 arbeiten und vom 01.12.2010 bis zum 30.11.2013 freigestellt werden sollte. Daneben enthielt die als Anlage K 7 vorgelegte Vereinbarung (Aktenseite 17 ff.), auf die Bezug genommen wird, noch folgende Regelung:

„IBM Rentenzahlung

Nach Beendigung des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses erhalten sie eine vorgezogene I. Rente gemäß den Bestimmungen des I.-Versorgungswerkes…“

In der Konzernbetriebsvereinbarung zur betrieblichen Altersversorgung aus dem Jahre 2009 (Aktenseite 108 ff.), auf die Bezug genommen wird, heißt es auszugsweise

„Artikel 1: Öffnung der I. Versorgungswerke und Geltungsbereich

§ 1: Öffnung der I. Versorgungswerke

Die Geschäftsführung und der Konzernbetriebsrat öffnen die bestehenden Versorgungswerke:

– Konzernbetriebsvereinbarung zum Versorgungswerk der I. Deutschland GmbH für Mitarbeiter mit Beschäftigungsbeginn vor dem 01.01.1992 vom 15.12.1994 in der derzeit gültigen Fassung einschließlich der hierzu vereinbarten Protokollnotizen (im Folgenden: APP oder KBV APP), . . .

Artikel 7: Versorgungsleistungen I. Vorsorgeplan

§ 1: Versorgungskapital

. . .

(3) Versorgungskapital:

Das Versorgungskapital ist der bei Eintritt des Versorgungsfalles (Artikel 8) erreichte Stand des jeweiligen Versorgungskontos.

Abweichend von Satz 1

beträgt für APP- und NPP-Anwärter bei Erwerb eines Anspruchs als Witwen- bzw. Witwerleistung das Versorgungskapital 60 % des jeweils erreichten Standes des Basiskontos bzw. Zusatzkontos. . . .

§ 2: Auszahlung des Versorgungskapitals

(1) Die Auszahlung des Versorgungskapitals erfolgt grundsätzlich in acht Raten. Zur Auszahlung in Raten wird das Versorgungskapital in acht gleiche Teilbeträge geteilt . . . Die erste Rate ist am Ende des 4. Kalendermonats nach Eintritt des Versorgungsfalles fällig, weitere Raten sind jeweils zum selben Zeitpunkt der Folgejahre fällig. auf Antrag des Mitarbeiters und aus steuerlichen Gründen mit Zustimmung der I. können Raten vorzeitig ausgezahlt werden. Stirbt der Versorgungsempfänger während der Ratenzahlung, erwerben die versorgungsberechtigten Hinterbliebenen Anspruch auf die restlichen Raten unter Berücksichtigung der Bestimmungen zum Versorgungskapital. . . .

§ 3: Die Höhe der Rentenleistung für APP- und NPP-Anwärter und deren Hinterbliebene

. . .

(4) Als Hinterbliebenenrente wird dem versorgungsberechtigten hinterbliebenen Ehegatten, Lebenspartner oder Lebensgefährten eine monatliche Rente in Höhe von 60 % der dynamisierten erdienten Altersrente ausgezahlt. Beim Tod eines Rentenempfängers beträgt die Hinterbliebenenrente 60 % der Rente, auf die unmittelbar vor dem Tod Anspruch bestand.

. . .

§ 4: Auszahlung der Rentenleistung für APP- und NPP-Anwärter und deren Hinterbliebene

. . .

(4) Sofern der Mitarbeiter von der Wahlmöglichkeit zur Kapitalisierung der erdienten Anwartschaft zum Umstellungsstichtag gemäß Artikel 1 § 2 Abs. 3 Gebrauch gemacht hat finden in Artikel 2 § 3 Abs. 3 genannten Berechnungsannahmen bei der Ermittlung des Kapitalbetrags Anwendung. Für die Auszahlung gilt Artikel 7 § 2.

Artikel 8: Versorgungsfälle im I. Vorsorgeplan

Der Versorgungsfall tritt ein mit Erwerb eines Anspruchs nach den folgenden Absätzen:

. . .

(2) Anspruch auf das Versorgungskapital bzw. die Rentenleistung erwerben

– als Witwen- bzw. Witwerleistung der hinterbliebene Ehegatte bzw. der hinterbliebene Lebenspartner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft im Sinne von § 1 Lebenspartnerschaftsgesetz (LPartG) bzw. der vom Mitarbeiter benannte Lebensgefährte, wenn das Arbeitsverhältnis durch Tod endet. Anspruch auf die Rentenleistung wird auch im Fall des Todes des Rentenempfängers erworben…“

Daneben existiert ein Tarifvertrag, in dem ein zusätzlicher Anspruch für Angehörige von Mitarbeitern geregelt ist. Stirbt ein Mitarbeiter während des bestehenden Arbeitsverhältnisses, haben seine Hinterbliebenen einen Anspruch auf drei zusätzliche Bruttomonatsgehälter. Die Einzelheiten und sonstigen Regelungen dieses Tarifvertrages, der nicht vorgelegt wurde, sind unklar.

Am 06.12.2010 vereinbarte Herr D. mit der Beklagten, dass er statt der erdienten monatlichen Rente eine Kapitalzahlung erhalten werde. Auf das schriftliche Angebot der Beklagten (Aktenseite 185 ff.) und die schriftliche Annahmeerklärung des Ehemannes (Aktenseite 201) wird Bezug genommen. Hätte er den Rentenbeginn erlebt, hätte er insgesamt 529.154 EUR erhalten.

Am 27.04.2011 stellt Herr D. beim Amtsgericht Nagold einen Antrag auf Scheidung seiner Ehe mit der Klägerin. Die Klägerin war diesem Scheidungsantrag entgegengetreten. Am 28.10.2011 verstarb Herr D.. Das Amtsgericht Nagold erklärte deshalb das Scheidungsverfahren gemäß §§ 153 Abs. 1 S. 1 BGB, 131 FamFG in der Hauptsache kraft Gesetzes für erledigt.

Am 03.11.2011 rief eine Mitarbeiterin der Beklagten bei der Klägerin an, kondolierte ihr und kündigte eine schnelle Abwicklung der Hinterbliebenenversorgung an. Als die Klägerin auch einige Wochen später keine Informationen erhalten hatte, wandte sie sich an ihren Prozessbevollmächtigten. Dieser teilte der Beklagten mit Schreiben vom 15.12.2011, bei dieser eingegangen am 16.12.2011, mit, dass die Klägerin Ansprüche auf Witwenrente verfolge. Auf das als Anlage K 3 vorgelegte Schreiben (Aktenseite 10 f.) wird Bezug genommen. Als die Beklagte nicht reagierte, erhob die Klägerin am 23.03.2012 Klage beim Arbeitsgericht Stuttgart. Sie beantragte zunächst, die Beklagte zu einer Auskunft über Art und Höhe der Hinterbliebenenversorgung zu verurteilen. Daneben beantragte sie, die Beklagte zur Zahlung von drei Monatsgehältern, der sich aus der Auskunft ergebenden monatlichen Hinterbliebenenversorgung sowie weiterer ihr zustehender Zuwendungen zu verurteilen. Auf die Anträge in der Klageschrift (Aktenseite 2) wird insoweit Bezug genommen.

Am 04.07.2012 reichte die Beklagte eine Antragsschrift beim Amtsgericht Böblingen ein. Darin begehrte sie Feststellungen über künftige oder derzeitige Ansprüche der Klägerin und von Frau W.. Auf die als Kopie vorgelegte Antragsschrift (Aktenseite 76 – 92) wird Bezug genommen. Mit ihrem Antrag hatte sie beim Amtsgericht keinen Erfolg. Nach Auffassung des Amtsgerichts fehlte dem Antrag das Feststellungsinteresse im Sinne des § 256 ZPO. Auf den Beschluss (Aktenseite 234 ff.) wird Bezug genommen.

Am 21.12.2012 bezahlte die Beklagte der Klägerin 17.466,45 € netto. Dabei handelte es sich um den sich aus drei Bruttomonatsgehältern des Ehemannes ergebenden Nettobetrag. Auf die als Anlage K 19 vorgelegte Abrechnung (Aktenseite 150) wird Bezug genommen.

Am 05.12.2012 übermittelte die Beklagte der Klägerin ein Schreiben, das eine Berechnung der Versorgungsleistung enthielt. Als Gesamtsumme der kapitalisierten Witwenrente war dort ein Betrag von 343.396,00 € angegeben.

Die Klägerin ist der Rechtsauffassung, dass die Beklagte ihr den Betrag von 343.396,00 € als kapitalisierte Witwenrente schulde. Die Klägerin meint weiter, dass die Beklagte verpflichtet sei, ihr wegen der zu spät bezahlten drei Bruttomonatsgehälter Verzugszinsen zu zahlen.

Nachdem die Klägerin ihren ursprünglichen Auskunftsantrag sowie ihren Antrag auf Zahlung von drei Bruttomonatsgehältern für erledigt erklärt hatte, beantragte die Klägerin zuletzt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 17.446,45 € vom 30.11.2011 bis 20.12.2012 zu bezahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 343.396,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 29.02.2012 zu bezahlen.

Die Beklagte schloss sich den Erledigterklärungen der Klägerin an. Die Beklagte beantragte im Übrigen, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte vertritt die Rechtsauffassung, dass sie nicht verpflichtet sei, der Klägerin für die zu spät bezahlten drei Bruttomonatsgehälter Verzugszinsen zu bezahlen. Es sei rechtlich unklar gewesen, ob dieser Betrag der Klägerin, der geschiedenen Ehefrau oder sonstigen Erben zustehe. Aufgrund der zerrütteten Familienverhältnisse hätte sie nicht früher bezahlen können. Im Hinblick auf die eingeklagte kapitalisierte Witwenrente vertritt die Beklagte die Rechtsauffassung, dass dieser Betrag gemäß § 25 Abs. 5 Versorgungsausgleichsgesetz (künftig: VersAusglG) zu kürzen sei. Abzuziehen sei der Betrag, welcher der ersten Ehefrau zustehe. Ausgangswert sei der Anwartschaftsbarwert in Höhe von 529.154,00 €. Der Ehezeitanteil, der auf die erste Ehefrau entfalle, betrage im Ergebnis 23 %, so dass dieser ersten Ehefrau ein Ausgleichsanspruch in Höhe von 121.705,42 € zustehe. Dieser Betrag sei von den 343.396,00 € abzuziehen. Auf die Berechnung im Schriftsatz der Beklagten vom 22.11.2013 (Aktenseite 258) wird Bezug genommen.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die gerichtlichen Protokolle Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die zulässige Klage ist nur zum Teil begründet.

1. In Ziffer 1 des Tenors war die Feststellung auszusprechen, dass sich der Klageantrag Ziffer 1 (Auskunftsanspruch) erledigt hat. Beide Parteien gaben in der Kammerverhandlung vom 16.10.2013 entsprechende Erklärungen ab.

2. Auch der ursprüngliche Klageantrag Ziffer 2 a) ist jedenfalls in der Hauptsache erledigt. Auch hier gaben die Parteien entsprechende Erklärungen in der Kammerverhandlung ab.

3. Die Beklagte ist verpflichtet, der Klägerin Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz für den Zeitraum vom 16.12.2011 bis zum 20.12.2012 aus einem Betrag von 17.446,45 € zu bezahlen, §§ 286, 288 BGB. Denn ab dem 16.12.2011 befand sich die Beklagte mit der Zahlung von drei Bruttomonatsgehältern in Höhe von insgesamt 17.446,45 € in Verzug.

a) Der Klägerin stand ein Anspruch in Höhe von 17.446,45 EUR gegen die Beklagte zu. Dass die entsprechenden tarifvertraglichen Anspruchsvoraussetzungen vorlagen, ist zwischen den Parteien unstreitig. Auch über die Höhe des Betrages besteht kein Streit.

b) Mangels anderer Anhaltspunkte geht die Kammer davon aus, dass der Anspruch der Klägerin auf die drei Monatsgehälter mit dem Tod des Ehemannes entstand. Insofern geht die Kammer von einer Fälligkeit am 28.10.2011 aus. Zwar hat die Beklagte im Kammertermin ausgeführt, der Betrag sei in drei Monatsraten zu bezahlen, die Teilbeträge seien also zu unterschiedlichen Zeitpunkten fällig. Dies hat sie jedoch nicht näher substantiiert. Entgegen der gerichtlichen Verfügung vom 18.07.2013 (Aktenseite 202) hat die Beklagte es insbesondere versäumt, dem Gericht die entsprechenden tarifvertraglichen Regelungen, die Angaben zu der Fälligkeit enthalten vorzulegen.

c) Mit Schreiben vom 15.12.2011, welches der Beklagten am 16.12.2011 zugegangen ist, mahnte die Klägerin, vertreten durch ihren Prozessbevollmächtigten, die Zahlung der drei Monatsgehälter an.

d) Die Höhe der Zinsforderung folgt aus § 288 Abs. 1 S. 2 BGB.

4. Die Beklagte ist grundsätzlich verpflichtet, der Klägerin eine kapitalisierte Hinterbliebenenversorgung in Höhe von insgesamt 221.931,14 € zu bezahlen. Derzeit ist jedoch nur ein Betrag von 55.482,78 € fällig. Im Einzelnen:

a) Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf kapitalisierte Hinterbliebenenversorgung aus Artikel 8 Abs. 2, Artikel 7 § 1 Abs. 3 des I. Vorsorgeplans (Aktenseite 125, 128) in Höhe von 60 % der dynamisierten verdienten Altersrente. Nach dem unstreitigen Vortrag der Parteien ist von einem Barwert in Höhe von 343.396,00 € auszugehen.

b) Dieser Betrag ist jedoch gemäß § 25 Abs. 5 VersAusglG um 121.464,86 € zu kürzen. Dabei handelt es sich um den Betrag, den die Beklagte als Versorgungsträger an die erste Ehefrau des Verstorbenen gemäß § 25 Abs. 1, Abs. 3 S. 1 VersAusglG bezahlen muss.

aa) Entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin muss eine Kürzung ihres Anspruchs schon jetzt stattfinden. Es ist unerheblich, dass der Ausgleichsanspruch der ersten Ehefrau noch nicht fällig im Sinne des § 20 Abs. 2 VersAusglG ist. Die Fälligkeitsregel des § 20 Abs. 2 VersAusglG kommt zwar in Fällen zum Tragen, in denen die Hinterbliebenenversorgung als Rente und nicht als Kapital ausbezahlt wird. In derartigen Fällen erhält die Witwe die volle Hinterbliebenenversorgung bis zu dem Zeitpunkt, ab dem die geschiedene Ehefrau selbst Rente bezieht, der Ausgleichsfall also eintritt. Nach Eintritt des Ausgleichsfalles muss die Hinterbliebenenversorgung verhältnismäßig geteilt werden. Wird die Hinterbliebenenversorgung aber wie hier als Kapital ausbezahlt, muss eine Kürzung im Sinne des § 25 Abs. 5 VersAusglG schon zum Zeitpunkt der Auszahlung an die Witwe vorgenommen werden. Dies folgt zum einen aus systematischen Erwägungen. So bestimmt § 31 Abs. 2 S. 1 VersAusglG, dass der überlebende Ehegatte durch den Wertausgleich nicht besser gestellt werden darf, als wenn der Versorgungsausgleich tatsächlich durchgeführt worden wäre. Zudem nimmt § 25 Abs. 5 VersAusglG gerade nicht auf § 25 Abs. 4 VersAusglG und damit § 20 Abs. 2 VersAusglG Bezug. Nach Auffassung der Kammer sprechen vor allem Sinn und Zweck des § 25 Abs. 5 VersAusglG dafür, eine Kürzung schon zum jetzigen Zeitpunkt vorzunehmen. Die Vorschrift dient dazu, den Versorgungsträger vor ungerechtfertigten Doppelverpflichtungen zu schützen (vgl. BT-Drs 16/10144, Seite 67).

bb) Da die Vorschrift des § 25 Abs. 5 VersAusglG sowohl auf Abs. 1 als auch auf Abs. 3 S. 1 verweist, sind die hypothetischen Ansprüche der ersten Ehefrau nach beiden Absätzen gesondert zu berechnen. Die Beklagte als Versorgungsträger ist dann berechtigt, den geringeren der beiden Beträge vom Anspruch der Klägerin abzuziehen.

(1) Gemäß § 25 Abs. 1 VersAusglG hätte die erste Ehefrau für den Fall, dass ihre Ehe bis zum Tod des Herrn D. fortbestanden hätte, einen Anspruch auf den vollen Betrag in Höhe von 343.396,00 € (vgl. Schulze/Kemper, BGB, 7. Auflage 2012, § 25 VersAusglG Rn. 9). Bei dieser hypothetischen Berechnung muss denknotwendig davon ausgegangen werden, dass die zweite Ehe des Verstorbenen mit der Klägerin nicht zustande gekommen ist.

(2) Gemäß § 25 Abs. 3 S. 1 VersAusglG hätte die erste Ehefrau einen schuldrechtlichen Ausgleichsanspruch in Höhe von 121.464,86 €.

Nach Auffassung der Kammer ist Absatz 3 auf den vorliegenden Fall analog anzuwenden. Seinem Wortlaut nach fände der Absatz zwar keine Anwendung, da er nur schuldrechtliche Ausgleichsrenten erfasst. Hier liegt nach Auffassung der Kammer aber eine planwidrige Regelungslücke vor, die die Anwendung der Vorschrift auch auf Kapitalzahlungen rechtfertigt. Denn in § 22 VersAusglG hat der Gesetzgeber berücksichtigt, dass eine (betriebliche) Altersversorgung nicht zwingend als Rente ausbezahlt werden muss, sondern auch Kapitalzahlungen möglich sind. Eine nachvollziehbare Begründung, weshalb der Gesetzgeber Rentenzahlungen und Kapitalzahlungen hier unterschiedlich behandeln wollte, ist nicht ersichtlich. Würde bei Kapitalzahlungen nur Absatz 1, nicht aber Absatz 3 zur Anwendung kommen, würde dies regelmäßig – so auch hier – dazu führen, dass der Versorgungsträger die Kapitalzahlung an die Witwe auf Null reduzieren könnte. Denn der Anspruch des geschiedenen Ehepartners nach Absatz 1 dürfte regelmäßig höher sein als dessen Anspruch nach Absatz 3.

Die schuldrechtliche Ausgleichsrente, welche die erste Ehefrau nach § 25 Abs. 3 VersAusglG verlangen könnte, richtet sich nach § 39 VersAusglG (vgl. Münchener Kommentar zum BGB/Glockner, 6. Aufl. 2013, § 25 VersAusglG Rn. 16). Danach ist der Anteil, den die Ehezeit mit der geschiedenen Ehefrau an der Gesamtbetriebszugehörigkeit des Verstorbenen ausmachte, zu ermitteln. Seine Betriebszugehörigkeit dauerte vom 18.02.1975 bis zu seinem Tod am 28.10.2011. Seine Gesamtbetriebszugehörigkeit beträgt damit 440 Monate. Seine erste Ehe dauerte vom 01.06.1980 bis zum 31.03.1997, also insgesamt 202 Monate. Gemessen an der Gesamtbetriebszugehörigkeit betrug der Ehezeitanteil der ersten Ehe somit 45,90 %. Gemäß § 1 Abs. 1 VersAusglG ist dieser Wert hälftig zu teilen.

Wäre es zum schuldrechtlichen Versorgungsausgleich gekommen, d. h. hätte der Verstorbene den Rentenbeginn erlebt, hätte er unstreitig 529.154,00 € erhalten. Der hälftige Ehezeitanteil seiner ersten Frau beträgt 22,95 %, also 121.464,86 €.

(3) Dieser geringere Betrag von 121.464,86 € ist vom Anspruch der Klägerin gemäß § 25 Abs. 5, Abs. 3 S. 1 VersAusglG in Abzug zu bringen.

d) Die Beklagte ist jedoch nicht verpflichtet, den Betrag von 221.931,14 € auf einmal zu bezahlen. Gemäß Artikel 7 § 2 Abs. 1, § 4 Abs. 4 des I. Vorsorgeplanes erfolgt die Auszahlung des Versorgungskapitals grundsätzlich in acht Raten. Die erste Rate ist am Ende des vierten Kalendermonats nach Eintritt des Versorgungsfalles fällig, weitere Raten sind jeweils zum selben Zeitpunkt der Folgejahre fällig. Somit wurde die erste Rate am 29.02.2012 fällig, die zweite Rate am 28.02.2013. Im Hinblick auf die sechs weiteren, noch nicht fälligen Raten war die Klage als derzeit unbegründet abzuweisen.

Die Zinsentscheidungen folgen jeweils aus §§ 286, 288 BGB.

II.

1. Der Streitwert ist auf 360.842,45 € festzusetzen. Der ursprüngliche Antrag auf Auskunft wirkt sich gemäß § 44 GKG nicht streitwerterhöhend aus. Für den Klageantrag Ziffer 2 a) ist der eingeklagte Betrag von 17.446,45 € festzusetzen. Für den Klagantrag Ziffer 2 b) ist ebenfalls der eingeklagte Betrag von 343.396,00 € festzusetzen.

2. Über die Kosten der Klaganträge Ziffer 1 und 2 a) musste die Kammer gemäß § 91 a ZPO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen entscheiden. Da die Klägerin sowohl einen Anspruch auf Auskunft als auch auf Zahlung von drei Bruttomonatsgehältern hatte, waren der Beklagten insoweit die Kosten aufzuerlegen.

Die übrige Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.

3. Da kein Fall des § 64 Abs. 3 ArbGG vorliegt, ist die Berufung nicht über die gesetzlich geregelten Fälle hinaus gesondert zuzulassen.

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