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Betriebliche Übung – Bezahlung von Pausenzeiten

Landesarbeitsgericht Köln – Az.: 8 Sa 1386/10 – Urteil vom 06.04.2011

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 29.04.2010 – 17 Ca 9683/09 – teilweise abgeändert wie folgt:

Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten im Berufungsverfahren – nachdem zu weitergehend geltend gemachten Ansprüchen das Urteil erster Instanz rechtskräftig ist – noch um den geltend gemachten Anspruch auf die Bezahlung von Pausenzeiten.

Die Beklagte ist als Rechtsnachfolgerin der Firma L. Security seit 01.04.2009 Arbeitgeberin des Klägers.

Der Kläger stützt den Anspruch auf die Bezahlung von Pausenzeiten auf eine seiner Meinung nach entstandene betriebliche Übung.

Hierzu hat die Streitverkündete, die Firma L. Security mitgeteilt, keine Pausenzeit entgolten zu haben. Vielmehr hätten sich die Sicherungsmitarbeiter ständig abrufbar in Bereitschaft halten müssen. Dadurch sei es nicht möglich gewesen, Pausenzeiten im Sinne des Arbeitszeitgesetzes einzuplanen. Die eingeplanten Pausenzeiten seien in Bereitschaft durchgeführt worden. Daher habe man die Pausenzeiten durch bezahlt.

Der Kläger erbrachte seine Arbeitsleistung bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der Firma L. Security, in 12-Stundenschichten, wozu es in der hierzu bei der Firma L. Security geltenden Dienstanweisung heißt:

„Dienstzeiten einschließlich Pausen und Arbeitsbereitschaft sind wie folgt festgelegt:

Tagschicht: Täglich von 7.00 Uhr bis 19.00 Uhr

Nachtschicht: Täglich 19.00 Uhr bis 7.00 Uhr.“

In den von der Firma L. Security ausgestellten Entgeltabrechnungen sind u. a. jeweils mit einer Ordnungsnummer zur Bezeichnung der Lohnart Positionen aufgeschlüsselt wie folgt:

– Normallohn

– Lohnfortzahlung krank – 12 Monate

– Fahrgeld

– Prämie

– Urlaubslohn

– Tage Tarifurlaub

Die Beklagte hat dem Kläger die von ihr angeordneten Pausen nicht durch bezahlt.

Die Pausenzeiten bei der Beklagten sind als Ruhepausen in deren Schichtplänen angeordnet.

Das Arbeitsgericht hat die Klage auf Bezahlung der Pausen, die die Beklagte anordnet sowie die Feststellungsklage, dass die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger eine zusätzliche Pausenvergütung von 8,32 € brutto pro Tagesschicht zu zahlen, zuerkannt.

Auf die Begründung des Urteils erster Instanz, Bl. 94f. wird Bezug genommen.

Gegen dieses der Beklagten am 05.08.2010 zugestellte Urteil erster Instanz, hat die Beklagte am 02.09.2010 Berufung eingelegt und die Berufung sodann nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 05.11.2010 mit der am 05.11.2010 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Berufungsbegründungsschrift begründet.

Die Beklagte macht geltend, das Arbeitsgericht habe die Ansprüche zur geltend gemachten geschuldeten Pausenvergütung zu Unrecht zuerkannt.

Der Kläger habe bei der Firma L. Security die Pausen zwar durch bezahlt erhalten. Die Pausenzeiten, die während der Tätigkeit für die Firma L. Security eingehalten worden seien, seien allerdings als Bereitschaftszeit und nicht als Pausengewährung im Sinne des Arbeitszeitgesetzes zu bewerten.

Damit ergebe sich kein Rechtsanspruch aus betrieblicher Übung auf bezahlte Pausen.

Der Beklagte beantragt, das erstinstanzliche Urteil teilweise abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt unter Vertiefung seines Vortrags erster Instanz das Urteil des Arbeitsgerichts.

Wegen des sonstigen Sach- und Streitstands wird auf den vorgetragenen Inhalt der Akten sowie die gewechselten Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I. Die Berufung ist zulässig.

Die Beklagte hat gegen das Urteil erster Instanz fristwahrend Berufung eingelegt und die Berufung sodann fristwahrend begründet.

Die Berufung setzt sich im Einzelnen mit dem Urteil erster Instanz auseinander und erweist sich danach als ein ordnungsgemäß eingelegtes und begründetes Rechtsmittel.

II. Die Berufung ist begründet.

Der Klägerin stehen keine vertraglichen Ansprüche auf Zahlung einer Pausenvergütung zu, so dass das Arbeitsgericht die Klage zu Unrecht zu den geltend gemachte Ansprüchen zur Pausenvergütung zuerkannt hat.

Eine ausdrückliche vertragliche Vereinbarung zwischen dem Kläger und der Rechtsvorgängerin der Beklagten behauptet auch der Kläger nicht.

Die Entstehung eines Anspruchs aus betrieblicher Übung – allein hierauf stützt der Kläger den geltend gemachten Anspruch – lässt sich nach Maßgabe der Umstände des Streitfalls und dem Vortrag des Klägers nicht feststellen.

Unter einer betrieblichen Übung ist die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers zu verstehen, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer eingeräumt werden. Aus diesem als Vertragsangebot zu wertenden Verhalten des Arbeitgebers, dass von den Arbeitnehmern in der Regel stillschweigend angenommen wird (§ 151 BGB), erwachsen vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Leistungen. Entscheidend für die Entstehung eines Anspruchs ist nicht der Verpflichtungswille sondern wie die Erklärungsempfänger, die Erklärung oder das Verhalten des Arbeitsgebers nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Begleitumstände (§§ 133, 157 BGB) verstehen mussten und durften (BAG, Urteil vom 17.03.2010 – 5 AZR 317/09 -, EzA § 4 TVG Brot- und Bachwarenindustrie Nr. 2).

Im Wege der Auslegung ist dabei zu ermitteln, ob die Belegschaft davon ausgehen musste, die Leistung werde nur unter bestimmten Voraussetzungen oder nur für eine bestimmte Zeit gewährt (BAG, Urteil vom 26.08.2009 – 5 AZR 669/08 – , NZA 2010, 173; BAG, Urteil vom 28.05.2008 – 10 AZR 274/07 – , EzA BGB 2002, § 242 Betriebliche Übung Nr. 8; BAG, Urteil vom 28.06.2006 – 10 AZR 385/05 – , BAGE 118, 360).

Ein Rechtsanspruch aus betrieblicher Übung scheidet aus, wenn das tatsächliche Verhalten eines Arbeitgebers keine Leistungsgewährung darstellt, die als stillschweigendes Angebot zur Erbringung einer die vertraglich bestehenden Verpflichtungen übersteigenden Leistung angesehen werden kann.

Das Entstehen eines Anspruch aus betrieblicher Übung ist insbesondere in den Fällen auszuschließen, in denen für den Empfänger deutlich wird, dass die erbrachte Leistung nicht als überobligatorische Leistung sondern in (vermeintlicher) Erfüllung bestehender Verpflichtungen erfolgt (vgl. BAG, Urteil vom 26. August 2009 – 5 AZR 669/08 – , NZA 2010, 173; BAG, Urteil vom 18.04.2007 – 4 AZR 653/05 – , AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 54; BAG, Urteil vom 25.07.2001 – 10 AZR 758/00 – , EzA BGB § 611 Schichtarbeit Nr. 2).

Bereits die zu den Gerichtsakten vorgelegte Dienstanweisung der Rechtsvorgängerin der Beklagten lässt erkennen, dass die bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten nach Dienstplänen vorgesehene Pausenregelung nicht eine Pauseneinteilung im Sinne des § 4 ArbZG vorsah. Die Dienstanweisung sieht nämlich unter der Überschrift Dienstzeiten Regelung dahingehend vor, dass die Dienstzeiten einschließlich Pausen und Arbeitsbereitschaft in Tagschicht von täglich 7.00 Uhr – 19.00 Uhr und in Nachtschicht von täglich 19.00 Uhr – 7.00 Uhr festgelegt sind. Eine derartige Festlegung von Dienstzeiten einschließlich Pausen und Arbeitsbereitschaft entspricht nicht den Anforderungen an die Festlegung von Ruhezeiten im Sinne des § 4 ArbZG.

Nach § 4 ArbZG ist nämlich für die Anordnung von Ruhezeiten zu verlangen, dass eine Festlegung derart erfolgt, dass die Arbeit durch im Voraus feststehende Ruhezeiten von mindestens 30 Minuten bei einer Arbeitszeit von mehr als 6 Stunden bis zu 9 Stunden und 45 Minuten bei einer Arbeitszeit von mehr als 9 Stunden insgesamt zu unterbrechen ist.

Wird allerdings Dienstzeit als Festlegung von Arbeitszeit einschließlich Pausen und Arbeitsbereitschaft in einer Dienstordnung angeordnet, so entspricht bereits dies nicht den Anforderungen an eine Ruhepause im Sinne der Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes.

Die Rechtsvorgängerin der Beklagten hat zudem – wie die zu den Gerichtsakten vorgelegten Monatsabrechnungen belegen – in den Monatsabrechnungen jeweils mit Zusatz durch eine Ordnungsziffer die in den Lohnabrechnungen enthaltenen abgerechneten Ansprüche des Arbeitnehmers gekennzeichnet. Sämtliche Zeiten der zu den Gerichtsakten vorgelegten Lohnabrechnungen die nach dem der Klage zugrunde liegenden Verständnis eine Entlohnung eigentlich nicht entgeltpflichtiger Ruhepausen enthalten sollen, sind in der in den Monatsabrechnungen enthaltenen Position der Lohnart 101 ausgewiesen. Diese Lohnart bedeutet im Klartext aufgeschlüsselt „Normallohn“.

Damit bringen die Lohnabrechnungen für den Empfänger der Lohnabrechnung erkennbar zum Ausdruck, dass ein bestimmter Anspruch nämlich der Anspruch auf Normallohn abgerechnet wird. Dies aber kann nur dahingehend verstanden werden, dass eine Leistung in Erfüllung einer (vermeintlich) bestehenden vertraglichen Verpflichtung abgerechnet ist.

Eine überobligatorische Leistung und ein Angebot vertraglicher Art eine solche überobligatorische Leistung zu akzeptieren, vermag in der Abrechnungshandhabung der Rechtsvorgängerin der Beklagten deshalb nicht gesehen zu werden.

Hiernach scheiden Ansprüche auf Zahlung einer Vergütung für Ruhepausen aus, die die Beklagte als Rechtsnachfolgerin der Firma L. Security dem Kläger gegenüber zu begleichen hätte.

Dass die Beklagte ihrerseits Ruhezeiten im Sinne von § 4 ArbZG in ihren Schichtplänen anordnet und gewährt, steht zwischen den Parteien außer Streit. Diese Pausen im Sinne des ArbZG sind nicht zu entlohnen.

Daher hat das Arbeitsgericht zu Unrecht die Ansprüche des Klägers in Bezug auf die geltend gemachte Entlohnungspflicht von Pausenzeiten zuerkannt.

III. Die Kostenentscheidung des Rechtsstreits beruht auf § 91 ZPO.

IV. Die Entscheidung des Rechtsstreits beruht insgesamt auf den Umständen des Einzelfalles. Der Rechtsstreit hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die Kammer hat daher die Revision nicht zugelassen.

 

 

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