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Betriebsbedingte Änderungskündigung – Kündigungsfrist

LAG Berlin-Brandenburg, Az.: 8 Sa 1931/14, Urteil vom 27.03.2015

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 10. September 2014 – 54 Ca 10563/13 – dahin abgeändert, dass die Klage abgewiesen wird.

II. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Änderungskündigung, die die Beklagte gegenüber dem bei ihr bzw. ihren Rechtsvorgängern seit dem 1. September 1976 beschäftigten, nicht tarifgebundenen Kläger mit dem ihm am 10. Juli 2013 zugegangenen Schreiben vom 8. Juli 2013 (Anlage K 2, Bl. 23 – 24 d. A.) zum 31. Juli 2013 hilfsweise zum nächst zulässigen Termin ausgesprochen und mit dem Angebot der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses als Arbeitnehmer i.S.v. § 5 Abs. 1 TV Ratio TDG in der Vermittlungs- und Qualifizierungseinheit V. ab 1. August 2013 hilfsweise ab dem nächst zulässigen Termin verbunden und das der Kläger unter dem Vorbehalt des § 2 KSchG angenommen hat (Anlage K 3, Bl. 25 – 26 d. A.).

Die Parteien hatten am 12. November 2012 einen Altersteilzeitvertrag im sog. Blockmodell mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 19 Stunden zu einem durchschnittlichen Bruttomonatsentgelt von 2.631,11 € und einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des 30. Juni 2020 geschlossen (Anlage K 1 a, Bl. 12 – 18 d. A.) und im Übrigen auf die Fortgeltung der Bedingungen des Anstellungsvertrags vom 3. Januar 2006 (Anlage K 1, Bl. 8 – 11 d. A.) verwiesen, der in § 3 die Anwendung der für den Betrieb oder Betriebsteil, in dem der Arbeitnehmer beschäftigt ist, betrieblich/fachlich jeweils einschlägigen Tarifverträge in ihrer jeweils gültigen Fassung regelt.

Der Kläger gehörte zuletzt dem Betrieb „T. Direktvertrieb und Beratung“ (im Folgenden: DTDB) als Betriebsbeauftragter an und war aufgrund der Zusatzvereinbarung vom 30. Oktober 2012 (Anlage K 1 b, Bl. 19 – 22 d. A.) vom 1. November 2012 an befristet, zuletzt bis zum 31. Oktober 2015 im Rahmen einer Konzernarbeitnehmerüberlassung als Sachbearbeiter Back Office bei der V. Customer Services GmbH am Standort Hennigsdorf tätig.

Die Beklagte vereinbarte mit der Gewerkschaft ver.di für den Betrieb DTDB den „Tarifvertrag Bereichsausnahme DTDB“ vom 21. Juni 2011 (Anlage B 1, Bl. 59 – 60 d. A., im Folgenden TV Bereichsausnahme DTDB), der u. a. nach § 1 Abs. 1 für die Arbeitnehmer der Beklagten, die dem Betrieb DTDB angehören, gilt und nach dessen Bestimmungen im Wesentlichen die Tarifverträge der Deutschen T. GmbH in der jeweils geltenden Fassung auf den Betrieb DTDB Anwendung finden.

Außerdem schloss die Beklagte mit der Gewerkschaft ver.di den „Tarifvertrag Rationalisierungsschutz und Beschäftigungssicherung vom 1. April 2010“ (Anlage B 2, Bl. 61 ff. d. A., im Folgenden TV Ratio TDG), der einen Wechsel der von Umstrukturierungsmaßnahmen betroffenen Arbeitnehmern in eine Beschäftigungs- und Qualifizierungseinheit und in seinem § 5 Abs. 3 eine Kündigungsfrist von drei Wochen zum 15. bzw. zum Ende des Monats für die dafür erforderlichen Änderungskündigungen regelt. § 17 lautet wie folgt: „Dieser Tarifvertrag tritt am 1. April 2010 in Kraft“. Der Tarifvertrag wurde im Sommer 2013 von den Tarifvertragsparteien unterzeichnet, er lag frühestens am 4. Juli 2013 in einer von beiden Tarifvertragsparteien unterzeichneten Fassung bei der Beklagten vor und ist in der vollständig unterzeichneten Fassung der Gewerkschaft frühestens am 10. Juli 2013 zugegangen.

Die Beklagte legte den Betrieb DTDB zum 31. Juli 2013 still, nachdem sie mit dem bei ihr bestehenden Betriebsrat am 2. Mai 2013 einen Interessenausgleich zur Stilllegung des Betriebs DTDB (Anlage B 3, Bl. 80 – 83 d. A.) geschlossen hatte. Nachdem der Kläger ein Angebot gemäß § 5 TV Ratio TDG auf Abschluss eines Aufhebungsvertrages bzw. eines Änderungsvertrags abgelehnt hatte, unterrichtete die Beklagte den Betriebsrat mit E-Mail vom 1. Juli 2013 (Anlage B 17, Bl. 215 – 216 d. A.) über u.a. gegenüber dem Kläger beabsichtigte Kündigung, der eine Anlage beigefügt war, die in Bezug auf den Kläger u. a. Angaben zu dessen Geburtsdatum und dem tariflichen Sonderkündigungsschutz enthielt (Anlage B 18, Bl. 207 ff. d. A.).

Der Betriebsrat widersprach den beabsichtigten Kündigungen (Anlage B 5, Bl. 86 d. A.), stimmte als abgebender Betrieb den Versetzungen zu. Der Betriebsrat des aufnehmenden Betriebs stimmte den Versetzungen zu (Anlagen B 6, 7, Bl. 88 – 89 d. A.).

Auf die Anzeige der Beklagten vom 4. Juli 2013 teilte die Bundesagentur für Arbeit mit dem Schreiben vom 26. Juli 2013 mit, dass eine Regelsperrfrist vom 5. Juli 2013 bis 4. August 2013 gelte (Anlage B 8, Bl. 89 d. A.).

Mit der am 19. Juli 2013 bei dem Arbeitsgericht Berlin eingegangenen Klage hat sich der Kläger gegen die Änderung der Arbeitsbedingungen gewandt, die er für sozial ungerechtfertigt und rechtsunwirksam gehalten hat. Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Änderungskündigung nach dem TV Ratio DTDB für rechtswirksam und sozial gerechtfertigt gehalten. Von der weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird unter Bezugnahme auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils abgesehen.

Durch das Urteil vom 10. September 2013 hat das Arbeitsgericht Berlin antragsgemäß festgestellt, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen aufgrund der Änderungskündigung vom 8. Juli 2013 sozial ungerechtfertigt sei, die Kosten des Rechtsstreits der Beklagten auferlegt und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, zwar sei zwischen den Parteien unstreitig, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch Schließung des Betriebs DTDB und des ersatzlosen Wegfalls sämtlicher Arbeitsplätze durch dringende betriebliche Gründe bedingt sei, die Kündigung sei jedoch unwirksam, weil der Kläger wegen seiner Versetzung zum Kündigungszeitpunkt nicht dem Betrieb DTDB angehört habe und deshalb nicht dem Geltungsbereich des TV Bereichsausnahme unterfallen sei, so dass der Verweis in § 4 TV Bereichsausnahme DTDB auf die Regelungen des TV Ratio TDG ins Leere gehe. Auch habe der Kläger im Hinblick auf den Altersteilzeitvertrag nicht in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis i.S.d. § 2 b TV Ratio TDG gestanden. Ferner sei die sich aus dem Manteltarifvertrag ergebende Kündigungsfrist zum Kündigungszeitpunkt nicht wirksam geändert worden, weil der TV Ratio TDG zum Kündigungszeitpunkt noch nicht wirksam gewesen sei, vielmehr die der Gewerkschaft ver.di übersandte Fassung dieser erst am 11. Juli 2013 durch Botendienst zugeleitet worden sei. Damit sei die Änderungskündigung sozial ungerechtfertigt, weil die Arbeitsbedingungen schon vor Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist hätten geändert werden sollen. Auch die rückwirkende Vereinbarung verkürzter Kündigungsfristen sei nicht wirksam erfolgt, da die von den gesetzlichen Kündigungsfristen abweichende Vereinbarung im TV Ratio TDG den älteren Arbeitnehmern keinen besseren Schutz gegenüber den jüngeren Arbeitnehmern gewährleiste und tief in wohlerworbene Rechte des Klägers eingegriffen habe. Wegen der weiteren Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 246 – 251 d. A.) verwiesen.

Gegen das der Beklagte am 25. September 2014 zugestellte Urteil richtet sich die am 20. Oktober 2014 bei dem Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg eingegangene Berufung, die die Beklagte mit einem nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 29. Dezember 2014 am 19. Dezember 2014 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Die Beklagte und Berufungsklägerin rügt, das Arbeitsgericht habe zu Unrecht den TV Ratio TDG nicht auf die streitgegenständliche Kündigung angewandt, obwohl der Tarifvertrag – zulässigerweise – ab dem 1. April 2010 gegolten habe und es nicht darauf ankomme, wann die tarifliche Regelung rechtsgeschäftlich zustande gekommen sei. Auch sei der Kläger weder durch seine zeitweise Versetzung noch durch den Altersteilzeitvertrag vom Geltungsbereich des Tarifvertrags ausgenommen. Die Tarifvertragsparteien seien auch berechtigt gewesen, die Kündigungsfrist abzukürzen, jedenfalls seien Änderungskündigung und Änderungsangebot auch hilfsweise zum nächst zulässigen Termin erfolgt. Schließlich sei auch die Anhörung des Betriebsrats nicht zu beanstanden.

Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 10. September 2014 zum Aktenzeichen 54 Ca 10563/13 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger und Berufungsbeklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil und ist weiterhin der Auffassung, im Hinblick auf den Altersteilzeitvertrag und auf seine Tätigkeit bei der V. Customer Service GmbH bereits nicht vom Geltungsbereich des TV Ratio TDG erfasst zu sein. Ferner seien die Feststellungen des Arbeitsgerichts, der TV Ratio TDG sei zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung noch nicht in Kraft gesetzt worden und sei hinsichtlich der Verkürzung der Kündigungsfrist – in seinem Fall von sieben Monaten auf drei Wochen – unwirksam, zutreffend.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf den vorgetragenen Inhalt der Berufungsbegründung vom 16. Dezember 2014 (Bl. 269 – 291 d. A.) und der Berufungsbeantwortung vom 29. Januar 2015 (Bl. 315 – 325 d. A. nebst Anlagen) verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.

Die nach § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist form- und fristgerecht iSd. §§ 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO eingelegt und innerhalb der verlängerten Frist begründet worden.

II.

Die Berufung hat auch in der Sache Erfolg und führt unter Abänderung des angefochtenen Urteils zur Klageabweisung, denn die Änderungskündigung vom 8. Juli 2013 ist sozial gerechtfertigt und rechtswirksam.

1. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass ein dringender betriebsbedingter Grund in der zum 31. Juli 2013 erfolgten Stilllegung des Betriebs DTDB liegt. Für den Kläger bestand zum Zeitpunkt der Betriebsstilllegung auch keine anderweitige, dauerhafte Beschäftigungsmöglichkeit. Zwar war der Kläger auf der Grundlage des Änderungsvertrages vom 30. Dezember 2012 im Wege der Konzernarbeitnehmerüberlassung seit dem 1. November 2012 bis zum 31. Oktober 2015 im Betrieb V. Customer Service GmbH Standort Hennigsdorf tätig, dennoch blieb der Kläger Angehöriger des Betriebs DTDB i.S.v. § 1 TV Bereichsausnahme DTDB, wie § 6 des Änderungsvertrags belegt, wonach die Rechte und Pflichten der Parteien aus dem Arbeitsverhältnis durch die vorübergehende Überlassung unberührt bleiben.

2. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der TV Ratio TDG Anwendung. Zwar haben die Parteien einen Altersteilzeitvertrag mit einem Beendigungstermin am 30. Juni 2020 geschlossen, dennoch liegt kein befristetes Arbeitsverhältnis i.S.d. § 2 b TV Ratio TDG vor. Dies ergibt die Auslegung des Tarifvertrags, wobei das Berufungsgericht von der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung ausgeht, nach der Tarifverträge wie Gesetze auszulegen sind. Dabei ist zunächst vom Wortlaut der Regelung auszugehen und der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen, ohne am Wortlaut zu haften. Der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und damit der von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Bestimmungen ist mit zu berücksichtigen, soweit sie in den Vorschriften ihren Niederschlag gefunden haben. Auch auf den systematischen Zusammenhang ist abzustellen. Verbleiben noch Zweifel, können weitere Kriterien wie die praktische Anwendung des Tarifvertrags und deren Entstehungsgeschichte ohne Bindung an eine bestimmte Reihenfolge berücksichtigt werden. Im Zweifel ist die Auslegung zu wählen, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Lösung führt.

Danach folgt nach Auffassung des Berufungsgerichts bereits aus dem Wortlaut der tariflichen Regelungen, dass die Tarifvertragsparteien ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis nicht als ein befristetes Arbeitsverhältnis angesehen haben. Gemäß § 3 Ziff. 6 TV Ratio TDG werden Arbeitnehmer in Altersteilzeit von einer eventuellen Auswahl ausgenommen. Eine solche Regelung wäre nicht erforderlich, wenn diese Arbeitnehmer bereits vom Geltungsbereich des TV Ratio TDG  nicht erfasst würden. Es sind auch keine Gründe ersichtlich, Arbeitnehmer in Altersteilzeitarbeitsverhältnissen – anders als der Grundentscheidung von § 8 Abs. 3 Altersteilzeitgesetz zu entnehmen – als befristet beschäftigte Arbeitnehmer anzusehen.

3. Der TV Ratio TDG ist Grundlage für das Änderungsangebot der Beklagten, insbesondere kommt es im Hinblick auf die Geltung des Tarifvertrags ab 1. April 2000 auf das rechtsgeschäftliche Zustandekommen des Tarifvertrags vor oder nach Zugang der hier streitgegenständlichen Kündigung nicht an.

Dazu hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg in der den Parteien bekannten Entscheidung vom 15. Juli 2014 (7 Sa 662/14) Folgendes ausgeführt:

„2.2.2.1 Mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. z.B. BAG v. 29. September 2011 – 2 AZR 523/10 – EzA § 2 KSchG Nr 83 mwN) ist davon auszugehen, dass ein mit der Kündigung unterbreitete Änderungsangebot eindeutig bestimmt, zumindest bestimmbar sein muss (BAG v. 29. September 2011 – 2 AZR 523/10 – a.a.O; BAG v. 10. September 2009 – 2 AZR 822/07 – a.a.O.). Das Änderungsangebot muss so konkret gefasst sein, dass es einer Annahme durch den Arbeitnehmer ohne Weiteres zugänglich ist. Ihm muss – ggf. nach Auslegung gem. §§ 133, 157 BGB – zweifelsfrei zu entnehmen sein, welche Arbeitsbedingungen künftig gelten sollen. Da der Arbeitnehmer von Gesetzes wegen innerhalb kurzer Frist auf das Vertragsangebot des Arbeitgebers reagieren und sich entscheiden muss, ob er die Änderung der Arbeitsbedingungen ablehnt, ob er sie mit oder ohne Vorbehalt annimmt, ist dies schon im Interesse der Rechtssicherheit zu fordern. Nur so kann der Arbeitnehmer eine abgewogene Entscheidung über die Annahme oder Ablehnung des Angebots treffen. Unklarheiten gehen zu Lasten des Arbeitgebers. Sie führen zur Unwirksamkeit der Änderungskündigung (BAG v. 29. September 2011 – 2 AZR 523/10 mwN, aaO).

Weiterhin muss dieses Änderungsangebot auf solche Änderungen begrenzt sein, die der Arbeitnehmer billigerweise hinnehmen muss (BAG vom 29. September 2011 – 2 AZR 523/10 – a.a.O.; vom 10. September 2009 – 2 AZR 822/07 – BAGE 132, 78). Ob der Arbeitnehmer eine ihm vorgeschlagene Änderung billigerweise hinnehmen muss, ist nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu ermitteln. Die Änderungen müssen geeignet und erforderlich sein, um den Inhalt des Arbeitsvertrags den geänderten Beschäftigungsmöglichkeiten anzupassen. Diese Voraussetzungen müssen für alle Vertragsänderungen vorliegen. Ausgangspunkt ist die bestehende vertragliche Regelung. Die angebotenen Änderungen dürfen sich nicht weiter vom bisherigen Inhalt des Arbeitsverhältnisses entfernen, als dies zur Erreichung des angestrebten Ziels erforderlich ist (BAG v. 29. September 2011 – 2 AZR 451/10 – AP Nr 151 zu § 2 KSchG 1969; 10. September 2009 – 2 AZR 822/07 – aaO). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer (Änderungs-) Kündigung ist der des Kündigungszugangs (29. September 2011 – 2 AZR 451/10 – a.a.O.).

2.2.2.2 Diesen Anforderungen hält die streitgegenständliche Änderungskündigung stand.

2.2.2.2.1 Das Änderungsangebot der Beklagten zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses war hinreichend bestimmt bzw. bestimmbar. Die Klägerin konnte es mit einem einfachen „ja“ annehmen bzw. mit einem „nein“ ablehnen (vgl. dazu BAG v. 10. September 2009 – 2 AZR 822/07 – mwN – a.a.O). Die Beklagte hat der Klägerin mit der Kündigung angeboten, das Arbeitsverhältnis als Arbeitnehmerin im Sinne von § 5 Abs. 1 TV Ratio TDG in der Vermittlungs- und Qualifizierungseinheit V. der Deutschen T. AG zu den in Abschnitt 1 des TV Ratio TDG (nebst Anlagen) genannten Bedingungen fortzusetzen. Damit waren die zukünftig geltenden Arbeitsbedingungen auch für die Klägerin nach Maßgabe des entsprechenden Tarifvertrages festgelegt. Die Bestimmbarkeit der neuen Arbeitsbedingungen kann sich auch aus anwendbaren Tarifverträgen ergeben (BAG v. 26. April 2004 – 2 AZR 628/03 BAGE 112, 58).

2.2.2.2.1.1 Einer Wiedergabe der im TV Ratio TDG aufgeführten Arbeitsbedingungen bedurfte es weder unter dem Aspekt der Bestimmbarkeit noch unter dem Aspekt des Schriftformerfordernisses. Hier folgen die zukünftig geltenden Arbeitsbedingungen aus dem TV Ratio TDG, auf den in der Änderungskündigung ausdrücklich in Bezug genommen wird. Sie sind dort im Abschnitt I, auf den im Kündigungsschreiben Bezug genommen wird, im Einzelnen aufgeführt. Soweit sich aus dem Tarifvertrag keine Änderungen ergeben, verbleibt es – worauf das Änderungsangebot ebenfalls verweist – bei den ursprünglichen Arbeitsbedingungen.

2.2.2.2.1.2 Das Änderungsangebot ist auch hinsichtlich des in Bezug genommenen Tarifvertrages bestimmt, jedenfalls aber bestimmbar. Weder bedurfte es dazu einer datumsmäßigen Kennzeichnung des Tarifvertrages noch musste der Tarifvertrag zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung wirksam sein. Der Tarifvertrag, nach dessen Bedingungen sich das Arbeitsverhältnis zukünftig richten sollte, ist mit TV Ratio TDG hinreichend bezeichnet. Es konnte sich dabei nur um den nämlichen Tarifvertrag handeln. Der TV Ratio TDG vom 1.4.2010 hat keine Vorgängerregelung. Es gibt nur diesen einen TV Ratio TDG, der – unabhängig von dem Datum seiner Unterzeichnung – gemäß seinem § 17 am 1. April 2010 in Kraft getreten ist, und damit für den Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung Wirksamkeit für sich beansprucht. Die Beklagte hat die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit den dort aufgeführten Bedingungen angeboten. Zweifel zum Inhalt des Änderungsangebots konnten dadurch nicht hervorgerufen werden.

2.2.2.2.1.3 Für die Bestimmbarkeit des Änderungsangebots kam es auch nicht darauf an, ob die Beklagte am 19.6.2013 eine „finalisierte“ Fassung des Tarifvertrages ins Netz gestellt hat, was zwischen den Parteien streitig ist. Denn unabhängig von einer etwaigen Veröffentlichung einer finalisierten Fassung zielte das Angebot der Beklagten auf die Arbeitsbedingungen ab, wie sie im Tarifvertrag in der zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung geltenden Fassung aufgeführt waren. In diesem Sinne war das Änderungsangebot der Beklagten aus Sicht des Erklärungsempfängers nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte (§§ 133, 157 BGB) zu verstehen. Mit dem Verweis auf diesen Tarifvertrag lässt sich aber schon im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung der Inhalt des Änderungsangebots klar bestimmen. Dieser Inhalt ist einer einseitigen Änderung durch die Arbeitgeberin entzogen. Es ist zwar richtig, dass ohne Veröffentlichung des Tarifvertrages die Klägerin persönlich von den einzelnen Arbeitsbedingungen, wie sie in Abschnitt I des Tarifvertrages aufgeführt wurden, insoweit keine Kenntnis nehmen konnte, als diese nicht schon in dem Informationsschreiben der Beklagten wiedergegeben wurden. Das macht das Angebot indes nicht unbestimmbar. Grundlage des Änderungsangebots ist der Tarifvertrag mit dem Inhalt, den die Tarifvertragsparteien für den Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung vereinbart haben, hier also der TV Ratio TDG vom 01.04.2010. Die Situation der Klägerin stellt sich hier nicht anders da, als wenn der Tarifvertrag mit Wirkung für beide Tarifvertragsparteien unterzeichnet, aber noch nicht für Dritte veröffentlich wäre oder aber die Tarifvertragsparteien den Tarifvertrag einvernehmlich nach Zugang der Kündigung noch ändern würden. Auch dann würden sich die Arbeitsbedingungen – für die Klägerin nur aufgrund der vertraglich vereinbarten dynamischen Bezugnahmeklausel abstrakt, nicht aber in den konkreten Änderungen vorhersehbar – ändern.

2.2.2.2.1.4 Für die Bestimmbarkeit des Änderungsangebots kam es auch nicht darauf an, wann der Tarifvertrag mit Unterzeichnung beider Tarifvertragsparteien Wirksamkeit erlangte. Wie oben bereits ausgeführt, bezieht sich das Änderungsangebot auf den nämlichen Tarifvertrag, der nach dem Willen der Tarifvertragsparteien bereits ab dem 1.4.2010 wirksam werden sollte.

……

2.2.2.3.3.2.2  Der TV Ratio TDG ist ein wirksamer Tarifvertrag. Er erfüllt das Schriftformerfordernis nach § 1 Abs. 2 TVG, da er von beiden Tarifvertragsparteien unterzeichnet wurde. Allerdings wurde die Annahmeerklärung der Arbeitgeberseite gemäß § 130 BGB erst mit Zugang bei der Gewerkschaft wirksam. Denn Angebot und Annahme auf Abschluss eines Tarifvertrages wurde unter Abwesenden erklärt. Die Beklagte hat insoweit in der Berufungsverhandlung vom 15.07.2014 klargestellt, dass der Tarifvertrag zunächst von der Gewerkschaft unterzeichnet und dann an die Arbeitgeberseite übersandt wurde, die ihn ihrerseits in Abwesenheit der Gegenseite unterzeichnete. Der unterschriebene Tarifvertrag ist der Gewerkschaft frühestens am 10.07.2013 zugegangen.

2.2.2.3.3.2.3  Die Regelungen zur Kündigungsfrist im TV Ratio TDG gehen der in § 26 MTV TDG geregelten Kündigungsfrist vor. Der TV Ratio TDG ist der jüngere Tarifvertrag, der den älteren Tarifvertrag – jedenfalls bezogen auf seinen Anwendungsbereich – ablöst. Im Verhältnis zweier zeitlich aufeinanderfolgender Normen derselben Normgeber gilt, soweit das beabsichtigt ist, das Ablösungsprinzip. Die Tarifvertragsparteien können einen von ihnen selbst früher geschlossenen Tarifvertrag grundsätzlich jederzeit abändern, einschränken oder aufheben (sog. Zeitkollisionsregel). Die spätere Regelung löst die frühere ab (für die st. Rspr. BAG v. 17.07.2007 – 9 AZR 1089/06 – v. 11. Oktober 2006 – 4 AZR 486/05 – Rn. 26, AP TVG § 1 Rückwirkung Nr. 24 ; v. 22. Oktober 2003 – 10 AZR 152/03 – BAGE 108, 176). Dies gilt auch hier. Die Tarifvertragsparteien haben in dem TV Ratio TDG für einen bestimmten Anwendungsbereich eine kürzere Kündigungsfrist geregelt. Für diesen Bereich wollten sie die längere Kündigungsfrist des MTV abkürzen.

2.2.2.3.3.4  Die abgekürzten Kündigungsfristen des TV Ratio TDG verdrängen für die streitgegenständliche Kündigung auch dann die Kündigungsfrist des MTV TDG, wenn der TV Ratio erst nach Zugang der Änderungskündigung bei der Klägerin am 10.07.2013 wirksam geworden ist, weil erst dann ein auch von der Arbeitgeberseite unterschriebenes Exemplar bei der Gewerkschaft eingegangen ist.

2.2.2.3.3.4.1  Nach der aufgrund des eindeutigen Wortlautes nicht anders auslegbaren Regelung in § 17 des TV Ratio trat dieser mit Wirkung zum 01.04.2010 und damit zu einem Zeitpunkt in Kraft, der weit vor der hier streitgegenständlichen Kündigung lag. Der zeitliche Geltungsbereich einer tarifvertraglichen Regelung steht zur Disposition der Tarifvertragsparteien. Ebenso wie sie vereinbaren können, dass ein Tarifvertrag nicht mit sofortiger Wirkung, sondern zu einem in der Zukunft liegenden Zeitpunkt in Kraft tritt, können sie sein Inkrafttreten auf einen in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt datieren. Es bedarf keiner besonderen Ermächtigung der Tarifvertragsparteien zur Rechtssetzung mit rückwirkender Kraft (BAG v. 23. November 1994 – 4 AZR 879/93 – BAGE 78, 309-333). Das haben die Tarifvertragsparteien in § 17 des TV Ratio getan. Dass sie mit dieser Regelung den Zeitpunkt der Wirksamkeit ihres Tarifvertrages auf einen Zeitpunkt in der Vergangenheit zurück bezogen haben, nämlich auf den 01.04.2010 folgt unmittelbar aus § 17 TV Ratio TDG. Danach tritt der Tarifvertrag zum 1.4.2010, also zu einem Zeitpunkt in der Vergangenheit in Kraft. Einer weiteren gesonderten Regelung, um dies zum Ausdruck zu bringen, bedurfte es hier nicht.

2.2.2.3.3.4.2  Ist der Tarifvertrag aber bereits zum 01.04.2010 in Kraft getreten, gilt ab diesem Zeitpunkt auch die in ihm geregelte kürzere Kündigungsfrist für Änderungskündigungen nach § 1 Abs. 3 Satz 2 TV Ratio TDG. Dies betrifft auch die hier streitige Änderungskündigung, die der Klägerin nach ihrem von der Beklagten nicht substantiiert bestrittenen Vortrag und dem Tatbestand der erstinstanzlichen Entscheidung am 10.07.2013 zugegangen ist. Soweit die Tarifvertragsparteien damit rückwirkend in den Lauf der Kündigungsfrist eingreifen, ist dies zulässig. Insbesondere steht Vertrauensschutz dem nicht entgegen.

2.2.2.3.3.4.2.1  Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts tragen tarifvertragliche Regelungen auch während der Laufzeit des Tarifvertrages den immanenten Vorbehalt ihrer rückwirkenden Abänderbarkeit durch Tarifvertrag in sich (vgl. BAG v. 24. März 2011 – 6 AZR 765/09 –, juris mwN; v. 27. Oktober 2010 – 10 AZR 410/09 – Rn. 17, ZTR 2011, 172; 24. Oktober 2007 – 10 AZR 878/06 – NZA 2008, 131). Dies gilt selbst für bereits entstandene und fällig gewordene, noch nicht abgewickelte Ansprüche (sog. „wohlerworbene Rechte“). Die Kompetenz der Tarifvertragsparteien zur Änderung von Tarifverträgen umfasst auch die Möglichkeit, Kündigungsfristen rückwirkend zu Ungunsten der betroffenen Arbeitnehmer zu ändern und zwar mit Wirkung für bereits ausgesprochene Kündigungen (BAG v. 18.09.1997 – 2 AZR 614/96 – RzK I 3e Nr. 67; Hesse in MünchKo zum BGB 6. Aufl. 2012; a.A. Löwisch TVG 3. Aufl. § 1 Rz. 890). Dabei ist die Gestaltungsfreiheit der Tarifvertragsparteien zur rückwirkenden Änderung nur durch den Grundsatz des Vertrauensschutzes der Normunterworfenen begrenzt. Insoweit gelten die gleichen Regeln wie nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bei der Rückwirkung von Gesetzen. Ob und ab wann die Tarifunterworfenen mit einer tariflichen Neuregelung rechnen müssen, ist eine Frage des Einzelfalls (BAG v. BAG v. 24. März 2011 – 6 AZR 765/09 a.a.O;  v. 23. November 1994 – 4 AZR 879/93 – a.a.O). Das Vertrauen in die Fortgeltung einer Tarifnorm ist dann nicht mehr schutzwürdig, wenn und sobald die Normunterworfenen mit einer Änderung rechnen müssen (BAG 22. Oktober 2003 – 10 AZR 152/03 – BAGE 108, 176, 183). Maßgebend sind insoweit die Umstände des jeweiligen Einzelfalls. Dabei hat der Wegfall des Vertrauensschutzes nicht zur Voraussetzung, dass der einzelne Tarifunterworfene positive Kenntnis von den zugrunde liegenden Umständen hat. Entscheidend und ausreichend ist vielmehr die Kenntnis der betroffenen Kreise (BAG vom 24. März 2011 – 6 AZR 765/09 –, juris).

2.2.2.3.3.4.2.2  Diesen Grundsätzen hält die tarifliche Regelung, die Kündigungsfrist auf 3 Wochen zum 15. bzw. Ende des Kalendermonats stand. Der Wille der Tarifvertragsparteien, den Tarifvertrag zu einem Zeitpunkt in der Vergangenheit in Kraft treten zu lassen, folgt aus den klaren Regelungen in § 17 des Tarifvertrages. Vertrauensschutz steht hier nicht entgegen. Zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung musste die Klägerin mit einer wirksamen Änderung der Kündigungsfristen rechnen. Es war allen Arbeitnehmern des Betriebes bekannt, dass die Tarifvertragsparteien über den TV Ratio verhandelten und dieser Tarifvertrag die nahende  Betriebsstilllegung begleiten und abfedern sollte. Nach der Mail des Betriebsrats vom 2. Juli 2013 (Bl.220 d.A.), in dem dieser darauf hinwies, dass der Tarifvertrag veröffentlicht sei, war außerdem bekannt, dass die Tarifvertragsparteien diese Verhandlungen auch zum Abschluss gebracht haben. Auch das Kündigungsschreiben nimmt auf die kurze Kündigungsfrist von 3 Wochen Bezug. Die Klägerin konnte daher schon bei Zugang der Kündigung nicht mehr auf den Bestand einer längeren Kündigungsfrist vertrauen und sich entsprechend darauf einstellen.

2.2.2.3.4  Wie das Arbeitsgericht bereits ausgeführt hat, erlaubt § 622 Abs. 4 Satz 1 BGB eine Abkürzung der gesetzlichen Kündigungsfristen durch Tarifvertrag. Von dieser Möglichkeit haben die Tarifvertragsparteien hier mit der Regelung in § 5 Abs. 3 Satz 2 Ratio TDG Gebrauch gemacht.“

Diesen Ausführungen schließt sich die erkennende Kammer für den vorliegenden – keine Besonderheiten aufweisenden – Fall an.

4. Nicht zu beanstanden ist auch die Kündigungsfrist gemäß § 5 Abs. 3 TV Ratio TDG. Dazu hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg in der den Parteien bekannten Entscheidung vom 14. Oktober 2014 (19 Sa 1200/14) Folgendes ausgeführt:

„3 a) In Abweichung von der gesetzlichen aber auch der ansonsten geltenden tarifvertraglichen Regelung bestimmt § 5 Absatz 3 TV Ratio TDG für die Änderungskündigung zur Durchsetzung des Beschäftigungsangebots eine Kündigungsfrist von drei Wochen zum 15. oder zum Monatsende.

b) Eine solche Abweichung von den gesetzlichen Mindestkündigungsfristen aus § 622 BGB ist den Tarifvertragsparteien durch § 622 Absatz 4 BGB erlaubt.

aa) § 622 Absatz 4 Satz 1 BGB erlaubt den Tarifvertragsparteien Abweichungen von den Absätzen 1-3 der Vorschrift und damit von der gesetzlichen Grundkündigungsfrist, den gesetzlichen Kündigungsterminen, den in Abhängigkeit von der Beschäftigungszeit verlängerten Kündigungsfristen und der Kündigungsfrist für die Probezeit. Nach der zutreffenden Rechtsprechung des BAG ist den Tarifvertragsparteien damit eine weite Abweichungsbefugnis eingeräumt (BAG 23.04.2008 – 2 AZR 21/07 – NZA 2008, 960, Rn 14ff). Der Wortlaut der gesetzlichen Öffnungsklausel enthält keinerlei Einschränkungen. Nach der Begründung des Gesetzesentwurfs (BT-Drs 12/4902, S. 9) sind sämtliche Elemente der Regelung zu den Kündigungsfristen einschließlich der Voraussetzungen für verlängerte Kündigungsfristen zur Disposition der Tarifvertragsparteien gestellt. Der vom Gesetzgeber gewählte Begriff „abweichende Regelungen“ umfasst neben der Verlängerung auch die Verkürzung der gesetzlichen Fristen (Müller-Glöge, Fs Schaub, 497, 499). Damit erlaubt die gesetzliche Regelung die durch § 5 Absatz 3 TV Ratio TDG vereinbarte Abweichung, wie sie in der Abkürzung der Grundkündigungsfrist auf drei Wochen und ihrer Ausdehnung auf alle Arbeitsverhältnisse unabhängig von deren Beschäftigungsdauer besteht.

bb) Entgegen der Berufung verstößt die Tarifnorm nicht gegen ein die Tarifvertragsparteien bindendes Gebot, älteren Arbeitnehmern eine verlängerte Kündigungsfrist zubilligen zu müssen. Ein solches Gebot ist entgegen einer in Literatur (KR-Spilger BGB § 622 Rn 214) und Rechtsprechung (ArbG Berlin 10.09.2014 – 54 Ca 10559/13) vertretenen Auffassung nicht anzuerkennen. Das BAG hat eine tarifvertragliche Regelung anerkannt, die einheitliche Kündigungsfristen ohne Staffelung nach Alter und Betriebszugehörigkeit für Betriebe mit weniger als 20 Mitarbeitern vorsah (BAG 23.04.2008 – 2 AZR 21/07 – NZA 2008, 960, Rn 14ff). Die dort gegebene Begründung, der Mindestschutz für ältere Mitarbeiter werde unabhängig von der eingeräumten Kündigungsfrist durch die gesetzliche Regelung bezüglich der Kündigungsgründe in § 1 Absatz 3 Satz 1 KSchG gewahrt, greift auch für Betriebe mit mehr als 20 Arbeitnehmern. Von Gesetzes wegen müssen Tarifverträge nicht der Zielsetzung des Gesetzgebers entsprechen, ältere Arbeitnehmer durch längere Kündigungsfristen zu schützen (Müller-Glöge, Fs Schaub, 497, 500).

cc) Wie das Arbeitsgericht zutreffend ausführt, ist in diesem Zusammenhang außerdem zu beachten, dass die vorliegend zu beurteilenden Fristen allein für tarifvertraglich geregelte Änderungskündigungen Geltung beanspruchen. Der tarifnormunterworfene Arbeitnehmer verfügt somit über die Möglichkeit, durch die Annahme des Änderungsangebots die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu vermeiden und stattdessen das Arbeitsverhältnis zu tarifvertraglich geregelten geänderten Bedingungen fortzusetzen. Die Kündigungsfrist regelt dann nicht die Frist zwischen Erklärung der Kündigung und Beendigung des Arbeitsverhältnisses, sondern zwischen Erklärung und Wirksamwerden der – tarifvertraglich vorgegebenen – Änderungen. Hierin ist ein weniger gravierender Eingriff zu sehen, so dass bereits aus diesem Grund die Verletzung eines gebotenen Mindestschutzes nicht angenommen werden kann.“

Diesen Ausführungen schließt sich die erkennende Kammer für den vorliegenden – keine Besonderheiten aufweisenden – Fall an.

5. Die Kündigung ist auch nicht nach § 102 BetrVG wegen unzureichender Anhörung des Betriebsrats unwirksam.

Die Beklagte kann sich insoweit auf die Einleitung des Anhörungsverfahrens durch die E-Mail vom 1. Juli 2013 berufen. Dieses Schreiben, das zwar nicht mit dem Musterschreiben zur Anhörung zur beabsichtigten Kündigung erfolgte, enthält aber alle für die Änderungskündigung relevanten Angaben, indem die Beklagte erklärt, gegenüber den in der Anlage aufgeführten Beschäftigten eine ordentliche betriebsbedingte Kündigung unter Wahrung der Kündigungsfrist von drei Wochen zum Monatsende mit Wirkung zum Ablauf des 31.07.2013 wegen der Stilllegung des Betriebs DTDB  auszusprechen zu wollen.

Zwar enthält die Anlage zur E-Mail keine Angaben zu Familienstand und Unterhaltspflichten des Klägers. Diese Angaben sind jedoch bei der hier streitgegenständlichen Kündigung entbehrlich, da eine Sozialauswahl nach der für den Betriebsrat erkennbaren Auffassung der Beklagten bei der Stilllegung des gesamten Betriebes nicht vorzunehmen war. Gleiches gilt für die fehlende Mitteilung der Dauer der Betriebszugehörigkeit des Klägers, die wegen der einheitlichen Kündigungsfrist gemäß § 5 Absatz 3 TV Ratio TDG erkennbar unerheblich war, während die Tatsache des tariflichen Kündigungsschutzes des Klägers der Anlage zu entnehmen war.

6. Die Kündigung ist auch nicht gemäß § 18 KSchG unwirksam, denn die nach § 17 KSchG erforderliche Anzeige ist vorliegend erfolgt, sodass die Kündigung nach dem Bescheid der Bundesagentur für Arbeit nach Ablauf der Monatsfrist wirksam werden konnte.

III.

Der Kläger hat als unterlegene Partei gemäß § 91 Abs.1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

IV.

Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.

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