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Betriebsbedingte Änderungskündigung nach durchgesetztem Teilzeitverlangen

Landesarbeitsgericht Hamburg – Az.: 5 Sa 67/20 – Urteil vom 15.03.2021

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 02. Juli 2020 – 15 Ca 3/20 – wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Änderung ihrer Arbeitsbedingungen durch eine Änderungskündigung der Beklagten.

Die am XX.XX.1980 geborene und gegenüber einem minderjährigen Sohn unterhaltspflichtige Klägerin ist gelernte Kfz-Mechanikerin und seit dem 01. Januar 2006 als „Großgerätefahrerin (Containerbrücke/Van Carrier) sowie zur Erledigung aller sonstigen im Hafen anfallenden Arbeiten“ in Regelarbeitszeit bei der Beklagten beschäftigt (Arbeitsvertrag vom 15. Dezember 2005, Anlage K 1 – Bl. 9 d.A.). Seit dem 16. Oktober 2018 gehört die Klägerin zur Gruppe der gleichgestellten behinderten Menschen (Anlage B 22 – Bl. 140 [141] d.A.). Sie ist betriebsärztlich von der Verpflichtung zur Nachtarbeit befristet befreit.

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden die einschlägigen Tarifverträge in den jeweils aktuellen Fassungen Anwendung, insbesondere der „Rahmentarifvertrag für die Hafenarbeiter der deutschen Seehafenbetriebe“, der „Lohntarifvertrag für die Hafenarbeiter der deutschen Seehafenbetriebe“, die „Sonderbestimmungen für den Hamburger Hafen“, der „Eingruppierungstarifvertrag für die Hafenarbeiter der deutschen Seehafenbetriebe, deren Arbeitsverhältnis nach dem 31. Mai 2000 begründet wird“, der „Tarifvertrag zwischen der E. C. T. Hamburg GmbH und der Gewerkschaft ÖTV über verpflichtende Sonntagsarbeit, überlappende Schichtzeiten, etc.“ und der „Tarifvertrag zur Einführung von Lebensarbeitszeitkonten“ (Nr. 3 Arbeitsvertrag, Anlage K 1 – Bl. 9 d.A.).

Bei der Beklagten werden Schiffe auf Containerterminals rund um die Uhr abgefertigt. Aufgrund der Sonderbestimmungen für den Hamburger Hafen zum Rahmentarifvertrag für die Hafenarbeiter der Deutschen Seehafenbetriebe (Anlage B 8 – Bl. 72 d.A.), des Haustarifvertrags (Anlage B 7 – Bl. 69 d.A.) und der Betriebsvereinbarung Teamarbeit (Anlage B 9 – Bl. 75 d.A.) wird in Teams wochentags rollierend in drei sich überlappenden Schichten (06:30 Uhr bis 15:00 Uhr, 14:30 Uhr bis 23:00 Uhr, 22:30 Uhr bis 07:00 Uhr) gearbeitet, am Wochenende und an Feiertagen in vier Schichten. Es besteht die Verpflichtung zur Wochenendarbeit, für die Klägerin – bei Vollzeit – an 17 bis 18 Samstagen und an 13 Sonntagen im Jahr. Entsprechend der BV Teamarbeit werden jährlich Quoten für die von den Mitarbeitern/Teams abzuleistenden Schichten sowie jährliche Schichtpläne festgelegt. Für die gesundheitlich belastenderen Spät- und Nachtschichten sind Teams auf freiwilliger Basis für einen ausschließlichen Einsatz gebildet. Häufig setzt die Beklagte in diesen Schichten Mitarbeiter ein, die sie vom Gesamthafenbetrieb abfordert. Zum Teil wird freiwillige Mehrarbeit zur Schichtabdeckung geleistet. Ab einem Lebensalter von 53 Jahren haben Mitarbeiter der Beklagten Anspruch auf Nachtschichtbefreiung. Bei der Beklagten arbeiten außerhalb des Drei- oder Vierschichtsystems zwei Spezialteams wochenweise wechselnd in Früh- und Spätschicht. Sie sind vor allem mit der LKW-Abfertigung betraut, außerdem mit Umstau und der Abfertigung spezieller Container. Wie in den anderen Teams erfolgt ihr Einsatz so, dass vier Personen drei Arbeitsplätze bzw. – in der Koordination – drei Personen zwei Arbeitsplätze besetzen und jeweils eine Person Pause hat. Mitarbeiter der Beklagten werden zum Teil auch bei deren Schwester- oder Tochtergesellschaften (E. und ET.) vollschichtig in drei oder vier Schichten eingesetzt.

Am XX.XX.2012 gebar die Klägerin einen Sohn und nahm zu dessen Betreuung zunächst eine 6-monatige Elternzeit, die am XX.XX.2013 endete. Danach nahm sie ihre bisherige Tätigkeit bei der Beklagten in regelmäßiger Arbeitszeit wieder auf.

Im Mai 2017 schlossen die Parteien eine „Vergleichsvereinbarung“, nach der sich die Klägerin vom 01. Mai 2017 bis 30. April 2018 in weiterer Elternzeit zur Betreuung ihres Sohnes befand, und vereinbarten ferner, während dieser Elternzeit die regelmäßige Arbeitszeit der Klägerin auf 24 Wochenstunden zu verringern. Außerdem schlossen die Parteien einen „1. Nachtrag zum Arbeitsvertrag für Gewerbliche Mitarbeiter vom 15.12.2005“, in dem es heißt:

„1. Arbeitszeit/Vergütung

Frau … [Klägerin] wird ab dem 29.05.2017 innerhalb ihrer Elternzeit vom 01.05.2017 bis 30.04.2018 als gewerbliche Mitarbeiterin/Hafenarbeiterin in Teilzeit eingesetzt.

Die Arbeitszeit beträgt in der Regel 24 Stunden in der Woche und wird grundsätzlich an den Tagen Montag, Dienstag, Donnerstag und Freitag jeweils in der Zeit von 06:30 bis 12:30 Uhr erbracht.

Frau … [Klägerin] wird in dieser Zeit an der Tankstelle zum Betanken der Van Carrier sowie zur Erledigung aller sonstigen im Hafen anfallenden Arbeiten eingesetzt.

Die Vergütung richtet sich nach der Lohngruppe 8. Alle weiteren Vergütungsansprüche und sonstigen Ansprüche … werden ebenfalls anteilig nach dem Beschäftigungsgrad geleistet.“

Die Klägerin nahm ihre Teilzeittätigkeit während der Elternzeit – wie vereinbart – auf der Tankstelle für Van Carrier der Beklagten auf. Seit Juli 2017 betrieb die Beklagte diese Tankstelle in Eigenregie mit eigenen Mitarbeitern, um während der damals geringen Terminalauslastung bei der Schiffsabfertigung betriebsbedingte Kündigungen vermeiden zu können („Insourcing“). Später sollte der Betrieb der Tankstelle kurzfristig binnen weniger Wochen wieder fremdvergeben werden. Allerdings stand der Zeitpunkt der erneuten Fremdvergabe nur ungefähr und noch nicht exakt fest.

Für die Zeit ab dem 01. Mai 2018 – nach Ablauf der weiteren Elternzeit – beantragte die Klägerin bei der Beklagten, ihre regelmäßige Arbeitszeit unbefristet auf 24 Wochenstunden zu verringern und die verringerte Arbeitszeit – wie bisher – jeweils auf Montag, Dienstag, Donnerstag und Freitag, jeweils von 06:30 bis 12:30 Uhr, zu verteilen. Dies lehnte die Beklagte ab, wurde hierzu aber vom Landesarbeitsgericht Hamburg durch Urteil vom 24. Juni 2019 – 5 Sa 61/18 – rechtskräftig verurteilt.

Mit Schreiben vom 29. Oktober 2019 (Anlage K 2 – Bl. 11 d.A.) teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass der Eigenbetrieb der Tankstelle für Van Carrier mit Ablauf des 31. Oktober 2019 enden werde, und stellte die Klägerin mit Wirkung vom 01. November 2019 widerruflich von der Arbeitspflicht frei.

Seit dem 01. November 2019 erfolgt die Betankung der Van Carrier nachts durch ein Fremdunternehmen. Allerdings betanken auch die mit der Reinigung der Van Carrier betrauten Mitarbeiter der Beklagten diese Fahrzeuge anlässlich der Reinigung, wenn dies nötig und ihnen zeitlich möglich ist. Mit den Reinigungsarbeiten der Van Carrier sind drei Vollzeitmitarbeiter der Beklagten neben ihren „Normaltätigkeiten“ beschäftigt. Die Einzelheiten dieses Einsatzes sind zwischen den Parteien streitig.

Die Arbeitsbedingungen der Klägerin sollten wegen des Outsourcings der Tankstelle nach der Vorstellung der Beklagten im Wege einer Änderungskündigung angepasst werden.

Bereits mit Schreiben vom 29. August 2019 (Anlage B 19 – Bl. 125 d.A.) hörte die Beklagte die Schwerbehindertenvertretung zur beabsichtigten ordentlichen Änderungskündigung gegenüber der Klägerin an. Die Schwerbehindertenvertretung erhob hiergegen mit Schreiben vom 30. August 2019 (Anlage B 20 – Bl. 131 d.A.) keine Einwände.

Mit Schreiben vom 26. November 2019 (Anlage B 21 – Bl. 132 d.A.) hörte die Beklagte den Betriebsrat zur beabsichtigten ordentlichen Änderungskündigung gegenüber der Klägerin an. Der Betriebsrat erteilte hierzu am selben Tage seine Zustimmung (Anlage B 21 – Bl. 132 [133] d.A.).

Mit Bescheid vom 10. Dezember 2019 (Anlage B 22 – Bl. 140 d.A.), den Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 13. Dezember 2019 zugegangen, erteilte das Integrationsamt auf den Antrag der Beklagten die Zustimmung zur fristgemäßen Änderungskündigung gegenüber der Klägerin.

Mit Schreiben vom 19. Dezember 2019 (Anlage K 4 – Bl. 13 d.A.), der Klägerin am selben Tage zugegangen, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien ordentlich fristgerecht zum nächst zulässigen Zeitpunkt, nach ihrer Berechnung der 31. März 2020, und bot der Klägerin zugleich an, das Arbeitsverhältnis ab dem Folgetag, nach ihrer Berechnung ab dem 01. April 2020, zu folgenden geänderten Bedingungen fortzusetzen:

„1. Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit beträgt 25,5 Stunden.

2. Diese Arbeitszeit verteilt sich gemäß den für Sie geltenden tarifvertraglichen, betrieblichen und arbeitsvertraglichen Regelungen mit Ausnahme des Einsatzes in der Nachtschicht (Montag bis Freitag) sowie mit Ausnahme der III. und IV. Schicht an Samstagen, Sonntagen und Feiertagen. Das heißt, Ihr Einsatz erfolgt derzeit an drei Tagen von Montag bis Freitag in Früh- und Spätschichten und an Samstagen, Sonntagen und Feiertagen in der I. und II. Schicht.

Im Übrigen verbleibt es bei den bisherigen arbeitsvertraglichen Bedingungen.“

Zur Begründung der Änderungskündigung bezog sich die Beklagte auf die dem Kündigungsschreiben beigefügte Betriebsratsanhörung.

Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 03. Januar 2020 (Anlage K 5 – Bl. 15 d.A.) nahm die Klägerin das Änderungsangebot der Beklagten unter dem Vorbehalt an, dass die Änderungen der Arbeitsbedingungen nicht sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam seien.

Seit dem 01. April 2020 ist die Klägerin zu den angebotenen neuen Arbeitsbedingungen bei der Beklagten tätig.

Die Klägerin hat vorgetragen, die Wirksamkeit der Änderungskündigung scheitere bereits an § 21 Nr. 5 Satz 2 RTV, weil Kündigungen danach der Schriftform und der Angabe eines Kündigungsgrundes bedürften. Die Bezugnahme auf die beigefügte Betriebsratsanhörung stelle keine solche schriftliche Begründung dar, zumal es an einer Originalunterschrift kündigungsberechtigter Personen fehle. Die angebotenen Änderungen der Arbeitsbedingungen seien zudem sozial ungerechtfertigt. Bereits der Wegfall des bisherigen Beschäftigungsbedarfs sei zu bestreiten. Jedenfalls beständen diverse Beschäftigungsmöglichkeiten, die mit weniger einschneidenden Änderungen ihrer bisherigen Arbeitsbedingungen umzusetzen seien. Ihr vollschichtiger Einsatz ausschließlich montags bis freitags in der Frühschicht sei der Beklagten ohne Weiteres möglich. Aber auch ohne eine derartige Änderung könne sie von der Beklagten beschäftigt werden. Insbesondere die Reinigung der Van Carrier sei an keinerlei Schicht- und Teamvorgaben gebunden und könne von ihr ohne Weiteres zu ihren bisherigen Arbeitszeiten erledigt werden. Dass die bislang mit diesen Tätigkeiten betrauten Mitarbeiter ihr gegenüber insoweit sozial schutzwürdiger wären, sei nicht ersichtlich.

Die Klägerin hat mit der am 03. Januar 2020 beim Arbeitsgericht Hamburg eingegangenen Klage erstinstanzlich zuletzt beantragt (Sitzungsprotokoll des Arbeitsgerichts vom 02. Juli 2020 – Bl. 231 [232] d.A.)

1. festzustellen, dass die Änderungen der Arbeitsbedingungen durch die Änderungskündigung der Beklagten vom 19. Dezember 2019 zum 31. März 2020 sozial ungerechtfertigt ist oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist.

2. … [allgemeiner Feststellungsantrag – zurückgenommen – Bl. 232 d.A.]

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat entgegnet, die bisherige Beschäftigungsmöglichkeit für die Klägerin zu den von ihr gewünschten Arbeitszeiten sei entfallen, weil ihr damaliger Geschäftsführer Anfang Februar 2018 beschlossen habe, den ohnehin nur als Zwischenlösung für die Dauer des zurückgegangenen Containeraufkommens gedachten Eigenbetrieb der Tankstelle wieder einzustellen, was durch die vollständige Auslagerung des Tankstellenbetriebs zum 31. Oktober 2019 geschehen sei (Zeugnis A., Vertrag mit der B., Anlage B 26 – Bl. 215 d.A.). Einen anderen Arbeitsplatz, auf dem die Klägerin wie zuvor hätte eingesetzt werden können, gebe es nicht. Denn der Containerumschlag werde aufgrund tarifvertraglicher Regelungen und aufgrund von Betriebsvereinbarungen teamweise Wochentags in einem 3-Schicht-System mit drei sich überlappenden 8,5-Stunden-Schichten und am Wochenende in einem 4-Schicht-System mit 4- bis 6-Stunden-Schichten durchgeführt. Ein hiervon abweichender Einsatz der Klägerin widerspräche ihrem Organisationskonzept und den zu beachtenden kollektivrechtlichen Regelungen, insbesondere auch im Hinblick auf eine gleichmäßige Belastung aller Arbeitnehmer mit unliebsamen bzw. besonders belastenden Schichten. Eine medizinische Notwendigkeit, die Klägerin von den Spätschichten auszunehmen, habe eine betriebsärztliche Begutachtung nicht bestätigt. Es existiere auch kein teilschichtiger Arbeitsplatz zur Reinigung der Van Carrier. Die aufgrund bestehender gesundheitlicher Beeinträchtigungen mit diesen Reinigungsarbeiten betrauten Mitarbeiter arbeiteten jeweils vollschichtig in Früh- und Spätschicht und teilten sich die Reinigungsarbeiten je nach Containeraufkommen und ihren Schichtplänen selbstständig ein. Wenn sie nicht mit der Van Carrier-Reinigung beschäftigt seien, führten sie Normalgerät. Würde die Klägerin mit den Reinigungstätigkeiten beschäftigt, müsste auch sie vollschichtig arbeiten.

Das Arbeitsgericht Hamburg hat durch Urteil vom 02. Juli 2020 – 15 Ca 3/20 – (Bl. 234 d.A.) der Änderungsschutzklage stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die zulässige Klage sei begründet. Die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Änderungskündigung vom 19. Dezember 2019 sei sozial ungerechtfertigt im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG und damit gemäß § 1 Abs. 1 KSchG rechtsunwirksam. Die Klagefrist sei gewahrt. Der von der Klägerin erklärte Annahmevorbehalt sei nicht schon gemäß § 7 KSchG erloschen. Das Kündigungsschutzgesetz finde auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung. Die Änderungskündigung sei unwirksam, weil sie nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt sei, die einer unveränderten Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenständen. Die angebotenen Änderungen entfernten sich weiter vom bisherigen Arbeitsverhältnis, als dies zur Erreichung des angestrebten Zieles unter Berücksichtigung des Inhaltsschutzinteresses des Arbeitnehmers unbedingt erforderlich sei. Selbst wenn man davon ausginge, dass die bis Ende Oktober 2019 von der Klägerin ausgeübte Betankungstätigkeit seitdem bei der Beklagten aufgrund von Fremdvergabe nicht mehr anfalle, führe der Wegfall dieser Tätigkeit nicht dazu, dass die Klägerin nicht mehr im vereinbarten Umfang mit den vereinbarten Arbeitszeiten beschäftigt werden könnte.

Auch wenn die Beklagte nachvollziehbar ihr durch betriebliche Notwendigkeiten und kollektivrechtliche Regelungen bedingtes Organisationskonzept eines teamweisen Einsatzes ihrer Mitarbeiter in Wechselschichten dargelegt habe, bestehe eine hiervon unabhängige Einsatzmöglichkeit jedenfalls in der Van Carrier-Reinigung. Denn diese werde unstreitig nicht teamgebunden und auch zeitlich flexibel nach Bedarf ausgeführt, wenn auch im Regelfall montags und dienstags. Dass für die betrieblich und wirtschaftlich sinnvolle Ausführung der anfallenden Reinigungstätigkeiten ein vollschichtiger Einsatz erforderlich wäre, sei nicht ersichtlich. Dies habe die Beklagte zwar behauptet, aber durch keinerlei Tatsachenvortrag begründet. Ebenso wenig sei ersichtlich, dass der bestehende Reinigungsbedarf nicht ausreichte, die Klägerin mit 24 Wochenstunden auszulasten. Denn immerhin seien im Regelfall zwei Mitarbeiter an zwei Tagen mit der Van Carrier-Reinigung beschäftigt, was für einen Regelbedarf im Umfang von 4 x 8 = 32 Stunden wöchentlich spreche. Nicht ersichtlich sei auch, dass die Beklagte rechtlich gehindert wäre, anstelle der bisher mit den Reinigungsarbeiten betrauten Mitarbeiter der Klägerin diese Tätigkeiten zuzuweisen. Denn dass die anderen Mitarbeiter einen vertraglichen Anspruch auf Ausführung der Reinigungsarbeiten hätten, sei ebenso wenig dargelegt, wie dass deren leidensgerechte Beschäftigung allein unter Zuweisung der Reinigungsarbeiten möglich wäre. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils Bezug genommen.

Gegen dieses am 05. August 2020 (Bl. 245 d.A.) ihr zugestellte Urteil hat die Beklagte mit einem am 18. August 2020 (Bl. 249 d.A.) beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt. Auf den am 30. September 2020 (Bl. 259 d.A.) beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Antrag ist die Berufungsbegründungsfrist bis zum 05. November 2020 verlängert worden (Bl. 262 d.A.). Die Berufungsbegründung ist am 05. November 2020 (Bl. 274 d.A.) beim Landesarbeitsgericht eingegangen.

Die Beklagte hält das arbeitsgerichtliche Urteil für unzutreffend und trägt vor, zwar gehe das Arbeitsgericht im Ausgangspunkt zutreffend davon aus, dass sich die angestrebten neuen Arbeitsbedingungen nicht weiter vom bisherigen Arbeitsverhältnis entfernen dürften, als dies zur Erreichung des angestrebten Zieles unter Berücksichtigung des Inhaltsschutzinteresses des Arbeitnehmers unbedingt erforderlich sei. Das Arbeitsgericht habe aber verkannt, dass sie dem nachgekommen sei. Sie habe entsprechend den arbeitsvertraglichen Bedingungen die Arbeitszeiten der Klägerin mit den Arbeitszeiten und dem Schichtsystem in Einklang gebracht, die auf der Grundlage von Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen für alle ihre Mitarbeiter gälten. Teilschichten seien in diesem kollektivrechtlich geregelten System nicht vorgesehen. Die Reinigung von Van Carriern oder anderen Arbeitsgeräten gehörten nicht zu den arbeitsvertraglichen Tätigkeiten der Klägerin.

Die Ansicht des Arbeitsgerichts, dass der Wegfall der von der Klägerin bis Oktober 2019 ausgeführten Betankungstätigkeit infolge der Fremdvergabe dieser Tätigkeit nicht dazu führte, dass sie die Klägerin nicht mehr im Umfange der vereinbarten Arbeitszeiten beschäftigen könnte, weil eine teilschichtige Einsatzmöglichkeit jedenfalls in der Van Carrier-Reinigung bestände, sei unzutreffend. Zunächst könnte sie der Klägerin arbeitsvertraglich Reinigungstätigkeiten nicht zuweisen. Ferner gebe es in ihrem Betrieb keine eigene Funktion der „Van Carrier-Reinigung“. Die arbeitsvertragliche Aufgabe der Klägerin als „Großgeräte Fahrerin“ sei es unter anderem, solche Geräte für den Containerumschlag zu bedienen. Bei den Tätigkeiten des Containerumschlags gebe es jedoch keine teilschichtigen Einsätze, weil die für sie geltenden kollektiven Regelungen nur volle Schichten vorsähen.

Das Arbeitsgericht gehe unzutreffend davon aus, dass die Van Carrier-Reinigung nicht teamgebunden und auch zeitlich flexibel nach Bedarf erfolgte. Sie erfolge vielmehr im Rahmen der vollschichtigen Tätigkeiten, wenn der tatsächliche Arbeitsanfall diese Reinigungstätigkeiten zulasse, und nicht irgendwann außerhalb des geltenden Schichtsystems. So arbeiteten die beiden für die Reinigung eingesetzten Mitarbeiter grundsätzlich vollschichtig und teamgebunden. Fielen keine Reinigungstätigkeiten an, kehrten beide Mitarbeiter in ihre Teams zurück und verrichteten dort Hafenumschlagstätigkeiten. Die Auffassung des Arbeitsgerichts, dass für die betrieblich und wirtschaftlich sinnvolle Ausführung der anfallenden Reinigungstätigkeiten kein vollschichtiger Einsatz erforderlich wäre, missachte die allein ihr obliegende Organisationsentscheidung, auf welche Weise sie die bei ihr anfallenden Tätigkeiten – in Absprache mit dem Tarifvertragspartner und dem Betriebsrat – organisiere, nämlich allein vollschichtig.

Unzutreffend sei die Argumentation des Arbeitsgerichts, dass der bestehende Reinigungsbedarf ausreichte, um die Klägerin mit 24 Wochenstunden auszulasten, weil im Regelfall zwei Mitarbeiter an zwei Tagen mit dieser Reinigung beschäftigt wären. Vielmehr fielen die Reinigungstätigkeiten nicht mit einem Regelbedarf im Umfang von 4 × 8 = 32 Wochenstunden an, sondern die mit der Reinigung befassten Mitarbeiter reinigten zu Zeitpunkten, wenn deren Arbeit im Containerumschlag dies erlaube und in jeweils variierender Dauer.

Unzutreffend gehe das Arbeitsgericht davon aus, dass sie der Klägerin die Reinigungsarbeiten anstelle der Mitarbeiter, die diese bislang ausführten, zuweisen könnte. Die Klägerin sei Großgerätefahrerin und Hafenarbeiterin. Reinigungstätigkeiten zählten nicht dazu. Beschäftigte sie die Klägerin ausschließlich mit Reinigungsarbeiten, müsste sie die Klägerin auch nicht mehr als Hafenarbeiterin vergüten. Schließlich verkenne das Arbeitsgericht, dass die Lage der von der Klägerin zurzeit arbeitsvertraglich geschuldeten Arbeitszeit nur vormittags nicht mit den Zeiten übereinstimme, in denen gereinigt werde, nämlich sowohl in der Früh- als auch in der Spätschicht.

Die Beklagte beantragt (Sitzungsprotokoll des Landesarbeitsgerichts vom 15. März 2021 – Bl. 316 [317, 251] d.A.), das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 02. Juli 2020 – 15 Ca 3/20 – abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil und erwidert auf die Berufungsbegründung, es bestehe ein von dem Organisationskonzept der Beklagten unabhängiger Beschäftigungsbedarf für die Reinigung von Van Carriern. Die beiden Mitarbeiter seien nicht abhängig vom Containeraufkommen zur Reinigung eingesetzt, sondern vollschichtig regelmäßig an zwei Wochentagen. Bei etwa 180 Van Carriern bestehe hierfür auch ein entsprechender Regelbedarf. Selbst wenn die beiden Mitarbeiter teamgebunden arbeiteten und nach den Reinigungstätigkeiten in ihre Teams zurückkehrten, bedeute dies nichts anderes, als dass sie die Hafenumschlagsarbeiten letztlich teilschichtig erledigten. Damit bestätige die Beklagte, dass auch teamgebundene teilschichtige Hafenumschlagsarbeiten mit ihrem Organisationskonzept vereinbar seien, bzw. durch mehrere Ausnahmen durchbrochen werde. Ein vollschichtiger Einsatz sei bei den Reinigungsarbeiten nicht erforderlich. Ob er erforderlich wäre, sei nach dem 3-stufigen Prüfungsschema des Bundesarbeitsgerichts festzustellen. Zwar habe die Beklagte für die Hafenumschlagsarbeiten ein Organisationskonzept behauptet, nicht jedoch für die Reinigungsarbeiten. Die beiden Mitarbeiter teilten ihre Reinigungstätigkeiten selbst ein. Aber selbst wenn es ein Organisationskonzept für die Reinigungsarbeiten gäbe, stände ihre bisherige Teilzeit-Regelung dem Arbeitszeitmodell der Beklagten tatsächlich nicht entgegen. Die Beklagte selbst trage vor, die beiden mit der Reinigung beschäftigten Mitarbeiter sollten und könnten während einer laufenden Schicht – also teilschichtig – Hafenumschlagsarbeiten übernehmen.

Die Beklagte sei rechtlich nicht gehindert, anstelle der anderen beiden Mitarbeiter ihr – der Klägerin – die Reinigungsarbeiten zuzuweisen. Nach ihrem Arbeitsvertrag sei sie nicht nur als Großgerätefahrerin, sondern auch zur Erledigung aller sonstigen im Hafen anfallenden Arbeiten angestellt. Die Reinigung und Betankung der Van Carrier sei von diesem weiten Direktionsrecht der Beklagten umfasst. Die Beklagte habe nicht dargelegt, dass die leidensgerechte Beschäftigung der beiden Mitarbeiter allein unter Zuweisung der Reinigungsarbeiten möglich wäre. Zudem wäre zu berücksichtigen, dass sie zum Personenkreis der gleichgestellten behinderten Menschen gehöre, sodass die Beklagte eine Sozialauswahl hätte vornehmen müssen, was aber nicht geschehen sei.

Das Urteil des Arbeitsgerichts sei aber auch aus anderen Gründen richtig. Der Beschäftigungsbedarf zur bisherigen Arbeitszeitregelung sei nicht entfallen. Sie könnte weiterhin als Großgerätefahrerin teilschichtig eingesetzt werden. Denn das angebliche Organisationskonzept der Beklagten werde nicht durchgehend umgesetzt und lasse sich mit ihrer bisherigen Teilzeitregelung in Einklang bringen. So werde das überlappende Schichtmodell und die sich daraus abgeleitete Ablöseregel durch Mitarbeiter durchbrochen, die in der Schicht sprängen. Durch den späteren Arbeitsbeginn des Mitarbeiters stehe der Van Carrier für etwa zwei Stunden still und die verbleibenden drei Mitarbeiter lösten sich untereinander ab. Diese tatsächliche Handhabung zeige, dass die Beklagte durch geringfügige zumutbare Änderungen der betrieblichen Abläufe und des Personaleinsatzes die bestehende Arbeitszeitregelung der Parteien mit ihrem Konzept in Deckung bringen könne.

Außerdem seien nicht sämtliche Änderungen der Arbeitsbedingungen verhältnismäßig. So sei die Anpassung der Arbeitszeit hinsichtlich ihrer Beschäftigung in der Spätschicht und an den Wochenenden nicht erforderlich. Die Beklagte berufe sich in erster Linie auf die Erforderlichkeit eines vollschichtigen Einsatzes. Die Beklagte habe aber nicht nachvollziehbar dargelegt, warum ihr Einsatz in der Spätschicht und an den Wochenenden erforderlich wäre. Es hätte als milderes Mittel ausgereicht, ihre Arbeitszeit dahin zu ändern, dass sie an 3 Tagen von Montag bis Freitag eine volle Frühschicht arbeitete, um den Inhalt des Arbeitsvertrages an den verbliebenen Beschäftigungsbedarf und die kollektiven Regelungen anzupassen. Sie habe ein hohes Interesse daran, zu den festgelegten Arbeitszeiten in der Frühschicht zu arbeiten. Sie wäre auch weiterhin zu einem vollschichtigen Einsatz in der Frühschicht bereit.

Schließlich genüge die Änderungskündigung nicht dem qualifizierten Schriftformerfordernis (§ 21 Nr. 5 Rahmentarifvertrag für die Hafenarbeiter der deutschen Seehafenbetriebe).

Hinsichtlich des ergänzenden Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird verwiesen auf die Berufungsbegründung vom 05. November 2020 (Bl. 276 d.A.), die Berufungsbeantwortung vom 03. Dezember 2020 (Bl. 293 d.A.) und den Schriftsatz der Klägerin vom 10. März 2021 (Bl. 312 d.A.). Wegen des Sachvortrags der Parteien und der von ihnen überreichten Unterlagen, ihrer Beweisantritte und ihrer Rechtsausführungen im Übrigen wird ergänzend auf den gesamten Akteninhalt einschließlich der Sitzungsprotokolle Bezug genommen (§ 69 Abs. 2 und 3 ArbGG).

Entscheidungsgründe

A.

Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig, aber unbegründet.

I. Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt sowie begründet worden (§ 64 Abs. 1, 2 und 6, § 66 Abs. 1 ArbGG i.V.m. § 519 Abs. 1 und 2, § 520 Abs. 1 und 3, § 522 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

II. Die Berufung ist unbegründet, weil die zulässige Klage begründet ist. Die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Änderungskündigung der Beklagten vom 19. Dezember 2019 ist rechtsunwirksam. Dies hat bereits das Arbeitsgericht jedenfalls im Ergebnis zutreffend erkannt. Das weitere Vorbringen der Parteien in der Berufungsinstanz rechtfertigt kein anderes Ergebnis.

1. Die Änderungsschutzklage ist nicht deshalb unbegründet, weil die Änderungskündigung der Beklagten „überflüssig“ wäre. Die Beklagte ist rechtlich gehindert, die von ihr erstrebte Änderung der Arbeitsbedingungen bereits im Wege der Ausübung ihres Weisungsrechts durchzusetzen.

a) Eine Änderungsschutzklage ist unbegründet, wenn die Änderungskündigung „überflüssig“ ist. Vom Arbeitgeber erstrebte Änderungen, die sich schon durch die Ausübung des Weisungsrechts gemäß § 106 Satz 1 GewO durchsetzen lassen, halten sich im Rahmen der vertraglichen Vereinbarungen und sind keine „Änderung der Arbeitsbedingungen“ im Sinne von § 2 Satz 1, § 4 Satz 2 KSchG. Soll der bestehende Vertragsinhalt nicht geändert werden, liegt in Wirklichkeit kein Änderungsangebot vor. Die vermeintlich erst herbeizuführenden Vertragsbedingungen gelten bereits (vgl. BAG, Urteil vom 05. Juni 2014 – 2 AZR 615/13 –, Rn. 12; BAG, Urteil vom 19. Juli 2012 – 2 AZR 25/11 –, Rn. 21; juris).

b) Die erstrebte Änderung der Arbeitsbedingungen hat die Beklagte nicht schon durch die Ausübung ihres Weisungsrechts durchsetzen können.

aa) Die maßgebenden Arbeitsbedingungen vor der angebotenen Änderung ergeben sich aus der rechtskräftigen Verurteilung der Beklagten, das Angebot der Klägerin vom 30. November 2017 auf Reduzierung der vertraglichen Arbeitszeit mit Wirkung vom 01. Mai 2018 auf 24 Wochenstunden und deren Verteilung auf Montag, Dienstag, Donnerstag und Freitag jeweils von 06:30 Uhr bis 12:30 Uhr anzunehmen (LAG Hamburg, Urteil vom 24. Juni 2019 – 5 Sa 61/18 –). Danach beschränkt sich die Arbeitszeit der Klägerin auf eine teilschichtige sechsstündige Tätigkeit mit Beginn der Frühschicht an den genannten Tagen. Die frühere Verpflichtung zur Arbeit am Mittwoch, in der Spätschicht oder an Wochenenden ist entfallen. Diese Arbeitsbedingungen sind nunmehr Vertragsinhalt geworden und können von der Beklagten einseitig durch die Ausübung ihres Weisungsrechts nicht mehr geändert werden.

bb) Mit ihrem Änderungsangebot erstrebt die Beklagte eine Tätigkeit der Klägerin auch am Mittwoch sowie in der Spätschicht und an Wochenenden bei einer um 1,5 Wochenstunden verlängerten Arbeitszeit. Jede einzelne diese Änderungen betrifft aber den aktuellen Vertragsinhalt, der einer einseitigen Änderung im Wege der Ausübung des Weisungsrechts durch die Beklagte entzogen ist. Hierfür bedarf es anderer rechtlicher Gestaltungsmittel, etwa einer einvernehmlichen Vertragsänderung oder – einseitig – einer wirksamen Änderungskündigung.

2. Die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die – erforderliche – Änderungskündigung der Beklagten vom 19. Dezember 2019 gilt nicht als von Anfang an rechtswirksam und der erklärte Vorbehalt gilt nicht als erloschen (§ 7 KSchG), weil die Klägerin die Änderung rechtzeitig unter Vorbehalt angenommen und deren Rechtsunwirksamkeit rechtzeitig geltend gemacht hat. Die jeweils dreiwöchigen Fristen für die Vorbehaltsannahme und die Klageerhebung sind eingehalten (§ 2 Satz 2, § 4 Satz 1 und 2 KSchG).

Die Änderungskündigung mit der angebotenen Änderung der Arbeitsbedingungen ist der Klägerin am 19. Dezember 2019 zugegangen (Bl. 6 d.A.). Die Klägerin hat durch Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 03. Januar 2020 (Anlage K 5 – Bl. 15 d.A.), der Beklagten per Telefax zugegangen, das Änderungsangebot unter dem Vorbehalt angenommen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen nicht rechtsunwirksam sei, und am 03. Januar 2020 Änderungsschutzklage beim Arbeitsgericht Hamburg erhoben, die der Beklagten demnächst, am 13. Januar 2020 (Bl. 19 d.A.), zugestellt worden ist (§ 253 Abs. 1, § 167 ZPO i.V.m. § 46 Abs. 2 ArbGG).

3. Die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Änderungskündigung der Beklagten vom 19. Dezember 2019 ist rechtsunwirksam, weil sie sozial ungerechtfertigt ist (§ 2 Satz 1 i.V.m. § 1 Abs. 2 Satz 1 bis 3, Abs. 3 Satz 1 und 2 KSchG).

a) Die Änderung der Arbeitsbedingungen bedarf der sozialen Rechtfertigung, weil das Kündigungsschutzgesetz auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anwendbar ist. Die Klägerin ist im Zeitpunkt des Kündigungszugangs am 19. Dezember 2019 länger als sechs Monate (§ 1 Abs. 1 KSchG), nämlich seit dem 01. Januar 2006 ununterbrochen als Arbeitnehmerin im Betrieb der Beklagten angestellt, die regelmäßig jedenfalls mehr als zehn Arbeitnehmer mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von mehr als 30 Stunden ohne die zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten beschäftigt (§ 23 Abs. 1 Satz 2 bis 4 KSchG).

b) Die Änderung der Arbeitsbedingungen ist sozial ungerechtfertigt.

aa) Eine betriebsbedingte Änderungskündigung ist sozial gerechtfertigt i.S.d. § 1 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 2 KSchG, wenn das Beschäftigungsbedürfnis für den Arbeitnehmer zu den bisherigen Vertragsbedingungen entfallen ist und der Arbeitgeber sich darauf beschränkt hat, solche Änderungen vorzuschlagen, die der Arbeitnehmer billigerweise hinnehmen muss. Ob der Arbeitnehmer eine ihm vorgeschlagene Änderung billigerweise hinnehmen muss, ist nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu ermitteln. Die Änderungen müssen geeignet und erforderlich sein, um den Inhalt des Arbeitsvertrags an die verbliebenen Beschäftigungsmöglichkeiten anzupassen. Die angebotenen Änderungen dürfen sich nicht weiter vom bisherigen Inhalt des Arbeitsverhältnisses entfernen, als dies zur Erreichung des angestrebten Ziels erforderlich ist (BAG, Urteil vom 18. Mai 2017 – 2 AZR 606/16 –, Rn. 11, juris).

bb) Zwar dürfte das Beschäftigungsbedürfnis für die Klägerin zu den bisherigen Vertragsbedingungen entfallen sein, was im Ergebnis aber dahinstehen kann, weil sich die Beklagte jedenfalls nicht darauf beschränkt hat, nur solche Änderungen vorzuschlagen, die von der Klägerin billigerweise hinzunehmen wären.

(1) Allerdings dürfte das Beschäftigungsbedürfnis für die Klägerin zu den bisherigen Vertragsbedingungen entfallen sein.

(a) Die maßgebenden Arbeitsbedingungen vor der angebotenen Änderung ergeben sich aus der rechtskräftigen Verurteilung der Beklagten, das Angebot der Klägerin vom 30. November 2017 auf Reduzierung der vertraglichen Arbeitszeit mit Wirkung vom 01. Mai 2018 auf 24 Wochenstunden und deren Verteilung auf Montag, Dienstag, Donnerstag und Freitag jeweils von 06:30 bis 12:30 Uhr anzunehmen (LAG Hamburg, Urteil vom 24. Juni 2019 – 5 Sa 61/18 –). Danach beschränkt sich die Arbeitszeit der Klägerin auf eine teilschichtige sechsstündige Tätigkeit mit Beginn der Frühschicht an den genannten Tagen. Die frühere Verpflichtung zur Arbeit am Mittwoch, in der Spätschicht oder an Wochenenden ist entfallen.

(b) Diese Dauer und Verteilung der Arbeitszeit ist durch eine Beschäftigung der Klägerin auf der Tankstelle für Van Carrier im Rahmen der betrieblichen Erfordernisse der Beklagten zunächst möglich gewesen. Diese Beschäftigungsmöglichkeit ist aber mit Wirkung vom 01. November 2019 durch die Einstellung des Eigenbetriebs der Tankstelle für Van Carrier und die Fremdvergabe dieser Tätigkeiten entfallen. Ob inzwischen eine Beschäftigung der Klägerin in der Van Carrier-Reinigung mit dieser Dauer und Verteilung der Arbeitszeit sowie unter Berücksichtigung der weiteren Arbeitsbedingungen, insbesondere zur Art der Tätigkeit und der Höhe der Vergütung, möglich wäre, erscheint als zweifelhaft, weil die ausschließliche Erbringung von Reinigungsleistungen an Van Carriern eine tarifliche Eingruppierung als Großgerätefahrerin wohl nicht mehr rechtfertigte. Dies kann aber dahinstehen.

(2) Denn die Beklagte hat sich jedenfalls nicht darauf beschränkt, nur solche Änderungen der Arbeitsbedingungen vorzuschlagen, die von der Klägerin billigerweise hinzunehmen wären.

(a) Bereits die erstrebte Änderung zur Arbeit an Wochenenden muss die Klägerin billigerweise nicht hinnehmen. Ob die weiteren von der Beklagten erstrebten Änderungen der Arbeitsbedingungen von der Klägerin hinzunehmen wären, kann dahinstehen, weil schon eine überflüssige Änderung das gesamte Änderungsangebot unwirksam macht.

(b) Der Maßstab für die billigerweise hinzunehmende Änderung der Arbeitsbedingungen richtet sich im Ausgangspunkt – anders als im Vorprozess der Parteien – nicht nach dem Vorliegen lediglich „betrieblicher Gründe“ des Arbeitgebers hierfür (§ 8 Abs. 4 Satz 1 und 2 TzBfG), wozu grundsätzlich auch ein bestimmtes Arbeitszeitkonzept gehören kann, sondern es sind „dringende betriebliche Erfordernisse“ zu verlangen (§ 2 Satz 1 i.V.m. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG), an denen es im Streitfall fehlt. Dies gilt jedenfalls für die von der Beklagten erstrebte Änderung zur Arbeit an Wochenenden. Die hierfür darlegungsbelastete Beklagte hat nicht ausreichend konkret vorgetragen, dass ihr Organisationskonzept eines 24/7-Betriebes bei der Abfertigung von Containerschiffen eine Tätigkeit der Klägerin als Großgerätefahrerin auch an Wochenenden im erstrebten Umfange erforderte. Die von der Beklagten dargestellte kollektivrechtliche Regelung der Arbeitszeit an Wochenenden durch Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen begründet dieses Erfordernis noch nicht, weil die von der Klägerin im Vorprozess inzwischen rechtskräftig erstrittenen einzelvertraglichen Arbeitsbedingungen, von denen die Beklagte abzuweichen beabsichtigt, als jeweils für die Klägerin günstiger zu beurteilen sind und deshalb den kollektiven Regelungen vorgehen. Es ist auch nicht ersichtlich, weshalb die Nichterbringung von Arbeitsleistungen als Großgerätefahrerin an Wochenenden – als Einzelfall der Klägerin – mit den betrieblichen Notwendigkeiten der Beklagten nicht in Einklang zu bringen wäre. So müsste die Beklagte auch sonst auf den Ausfall von Arbeitskräften etwa durch Umverteilung oder Mehrbelastung anderer Arbeitnehmer reagieren.

B.

I. Die Kosten ihrer ohne Erfolg eingelegten Berufung hat die Beklagte zu tragen (§ 97 Abs. 1, § 525 Satz 1 ZPO i.V.m. § 64 Abs. 6 ArbGG).

II. Gegen dieses Urteil ist die Revision an das Bundesarbeitsgericht nicht zuzulassen, weil ein erforderlicher Zulassungsgrund nicht ersichtlich ist (§ 72 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 ArbGG).

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