I. Auf die Anschlussberufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz – 1 Ca 489/22 – vom 22. November 2022 teilweise dahingehend in Ziff. 3 des Tenors klarstellend abgeändert, dass die Klage im Übrigen mit der Maßgabe abgewiesen wird, dass festgestellt wird, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die ordentliche (Änderungs-) Kündigung vom 06. April 2022 nicht mit dem 30. September 2022, sondern mit dem 31. August 2022 beendet worden ist.
II. Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen
III. Die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der Kosten der Anschlussberufung trägt der Kläger
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten zuletzt noch über die Wirksamkeit einer ordentlichen Änderungskündigung aus betriebsbedingten Gründen.
Der 1964 geborene, kinderlose und ledige Kläger war seit dem 01. Juli 2010 bei der A. GmbH, der Rechtsvorgängerin der Beklagten, die ein Labor für die chemische und mikrobiologische Untersuchung von Lebensmitteln, Wasser und Bedarfsgegenständen in A-Stadt betrieb, als Lebensmittelchemiker zuletzt bei einem monatlichen Bruttogehalt von 4.510,00 Euro beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis richtete sich nach dem (zunächst befristeten) schriftlichen Arbeitsvertrag vom 14./16. Juni 2010 (Bl. 19 ff. d. A.). Dieser enthält u.a. folgende Regelungen:
„§ 1 Vertragsbeginn
Herr Dr. A. wird befristet vom 01.07.2010 bis 30.06.2012 als Lebensmittelchemiker eingestellt. Eine spätere unbefristete Anstellung wird angestrebt.
Die wöchentliche Arbeitszeit beträgt 40 Stunden.
§ 2 Tätigkeit und Aufgaben
… Herr … erklärt sich bereit, im Bedarfsfall auch eine andere ihm zumutbare Tätigkeit innerhalb der … zu übernehmen.
…
Salvatorische Klausel:
…
Als Gerichtsstand und Erfüllungsort wird für beide Teile A-Stadt vereinbart.“
Die A. GmbH kündigte das Arbeitsverhältnis am 31. Januar 2020 zum 30. April 2020 aus verhaltens- und betriebsbedingten Gründen ordentlich. Der hiergegen erhobenen Kündigungsschutzklage hat das Arbeitsgericht Mainz mit Urteil vom 18. Juni 2020 – 3 Ca 204/20 – stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz hat die hiergegen gerichtete Berufung der A. GmbH mit Urteil vom 12. Januar 2022 – 7 Sa 228/20 -, welches der Arbeitgeberin am 09. Mai 2022 zugestellt worden ist, zurückgewiesen. Mit E-Mail vom 13. Juni 2022 teilte die Beklagte dem Prozessbevollmächtigten des Klägers mit, dass keine Nichtzulassungsbeschwerde erhoben werde.
Während dieses Rechtsstreits wurde der Betrieb der A. GmbH durch einen Unternehmenskaufvertrag vom 16. Juli 2020 – sog. Asset Deal – mit Wirkung zum 01. August 2020 auf die Beklagte übertragen. Das Arbeitsverhältnis ist wegen unstreitigen Vorliegens der Voraussetzungen eines Betriebsübergangs zu diesem Zeitpunkt auf die Beklagte übergegangen. Die Beklagte hat ihren Firmensitz in C-Stadt und unterhält weitere Niederlassungen in Z.-Stadt, Y-Stadt, X-Stadt, W-Stadt, V-Stadt sowie in U-Stadt. Im Betrieb der Beklagten sind regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt. Ein Betriebsrat ist nicht gewählt. Auf der Grundlage eines Prozessarbeitsverhältnisses vom 10. August 2020 wurde der Kläger von der Beklagten bis einschließlich 09. Juni 2022 im Labor der Beklagten in C-Stadt eingesetzt.
Mit vom 06. April 2022 datierenden Schreiben, welches mit „Versetzung/ vorsorgliche Änderungskündigung Arbeitsverhältnis“ überschrieben ist, teilte die Beklagte dem Kläger mit, aufgrund des dauerhaften Wegfalls des vertraglich vereinbarten Aufgabengebietes des Klägers in A-Stadt werde er an seine aktuelle betriebliche Einsatzstätte in C-Stadt versetzt. Weiter kündigte die Beklagte das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis als Lebensmittelchemiker mit vertraglichem Erfüllungsort A-Stadt höchst vorsorglich außerordentlich fristlos aus wichtigem Grund, hilfsweise ordentlich fristgerecht zum 31. August 2022, äußerst hilfsweise zum nächstmöglichen Zeitpunkt aus betriebsbedingten Gründen für den Fall, dass der Kläger mit einer dauerhaften Versetzung nach C-Stadt nicht einverstanden sei und bot dem Kläger an, das Arbeitsverhältnis ab sofort im Betrieb C-Stadt zu unveränderten Bedingungen fortzusetzen. Das Schreiben vom 06. April 2022 ist dem Kläger am 04. April 2022 zugegangen. Der Kläger hat das geänderte Arbeitsplatzangebot der Beklagten binnen drei Wochen nach Zugang abgelehnt.
Der Kläger hat am 21. April 2022 beim Arbeitsgericht Mainz Kündigungsschutzklage erhoben, seine Weiterbeschäftigung begehrt und sich gegen die Versetzung zur Wehr gesetzt. Am 12. Juli 2022 hat er seine Klage um einen gegen eine außerordentliche fristlose Kündigung der Beklagten vom 05. Juli 2022 gerichteten Kündigungsschutzantrag erweitert, die die Beklagte mit unentschuldigtem Fehlen des Klägers begründet hat.
Der Kläger hat erstinstanzlich im Wesentlichen geltend gemacht, eine Versetzung von A-Stadt nach C-Stadt sei nicht durch die Ausübung des arbeitgeberseitigen Weisungsrechts möglich. Hinsichtlich der außerordentlichen fristlosen Kündigung vom 06. April 2022 liege kein wichtiger Grund vor und die Frist des § 626 Abs. 2 BGB sei nicht eingehalten. Die hilfsweise ordentliche Kündigung sei sozial nicht gerechtfertigt. Zudem liege eine unzulässige Wiederholungskündigung vor, da es sich um dieselbe unternehmerische Entscheidung handele, auf die die Beklagte bereits die Kündigung im Vorverfahren gestützt habe. Die Beklagte habe auch weiterhin die Möglichkeit, ihn in A-Stadt zu beschäftigen. Es werde bestritten, dass der Beschäftigungsbedarf für ihn in A-Stadt weggefallen sei. Im Vorverfahren seien seine Tätigkeiten in Projekt-, Routine- und Instandsetzungsarbeiten (sog. Troubleshooting) aufgeteilt worden, wobei die zeitlichen Anteile streitig gewesen seien. Die Beklagte habe die Instandsetzungsarbeiten mit vier Stunden wöchentlich angesetzt und für Projekttätigkeiten zuletzt 16 Wochenstunden veranschlagt. Letztere Arbeiten würden im hiesigen Verfahren nicht mehr als aufzuteilende Arbeit aufgeführt. Dies begründe die Beklagte damit, dass ein Sachverständiger der Akkreditierungsstelle (DAkkS) die mangelnden Erfolgsaussichten der zur Akkreditierung führenden Arbeiten prognostiziert habe. Auch die Routinearbeiten – nach den letzten Angaben der Beklagten im Vorverfahren von 20 Wochenstunden – würden nicht mehr genannt. In diesem Zusammenhang behaupte die Beklagte, an den drei in A-Stadt verbliebenen HPLC-Geräten würden nur noch sieben Parameter untersucht und die HPLC-Gerät afe5 und afe9 seien entsorgt worden. Nach den vorgelegten Unterlagen seien aber am Standort A-Stadt weitere Akkreditierungen für die Untersuchung von neun Parametern an den Geräten afe1 bis afe3 sowie die Akkreditierungen für die abgegebenen Geräte HPLC afe5 und afe9 vorhanden. Da wegen der vorhandenen Akkreditierungen die früher von ihm ausgeübten Tätigkeiten am Standort A-Stadt weiter ausgeführt werden könnten, genüge die Entsorgung von Geräten nicht, für die Behauptung, seine Tätigkeiten in A-Stadt seien vollständig entfallen. Tatsächlich bestehe die Möglichkeit, ihn mit Instandsetzungs- und Routinearbeiten für 13 Parameter an fünf Geräten in A-Stadt zu beschäftigen. Für die Instandsetzungsarbeiten seien dabei mindestens vier Stunden wöchentlich und für die Routinearbeiten mindestens 28 Wochenstunden anzusetzen. Vorsorglich werde bestritten, dass die am Gerät afe 9 durchgeführten Arbeiten nunmehr am Standort Z.-Stadt oder Y-Stadt stattfänden, da die Durchführung laut Akkreditierungsurkunde, gültig seit dem 22. März 2022, am Standort A-Stadt stattfinde. Zudem bestünden auch weitere Arbeitsmöglichkeiten bzgl. aller Parameter, die ihm die Beklagte bislang nicht zugestanden habe. So sei bisher keine Methodenpflege für die Aufrechterhaltung der Akkreditierungen betrieben worden, was bei 13 Parametern 3,25 Wochenstunden entspreche. Ihm könnten zudem weitere Tätigkeiten übertragen werden, so z.B. die wissenschaftliche Diskussion von Ergebnissen, die von den Sachverständigen reklamiert würden. Im Übrigen habe auch die Aussicht auf die Erlangung der Akkreditierung für die Parameter Sudan-Farbstoffe und Acrylamid bestanden, was ein Arbeitsaufkommen von weiteren acht Wochenstunden bei den Routinearbeiten bedeutet hätte. Außerdem habe die Beklagte im Gütetermin eine Teilzeittätigkeit am Standort A-Stadt angeführt, die sie ihm zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit des Änderungsangebots vorrangig hätte anbieten müssen.
Die Kündigung vom 05. Juli 2022 sei unwirksam. Durch die Ablehnung des Änderungsangebots liege eine fristlose Beendigungskündigung vom 06. April 2022 vor. Mit deren Zugang sei seine Arbeitspflicht insgesamt entfallen. Nach dem 09. Juni 2022 sei er auch nicht wegen des auflösend bedingt abgeschlossen Prozessarbeitsverhältnisses verpflichtet gewesen, seine Leistung zu erbringen, da die auflösende Bedingung mit dem rechtskräftigen Abschluss des Vorverfahrens am 09. Juni 2022 eingetreten sei. Er sei zudem nicht hinreichend abgemahnt worden.
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 06. April 2022, zugegangen am 04. April 2022, nicht aufgelöst ist.
2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände aufgelöst ist, sondern zu unveränderten Bedingungen fortbesteht.
3. festzustellen, dass die im Schreiben vom 06. April 2022 erklärte Versetzung nach C-Stadt unwirksam ist.
4. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 05. Juli 2022, zugegangen am 06. Juli 2022, nicht aufgelöst worden ist.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hat im Wesentlichen vorgetragen, die streitgegenständlichen Maßnahmen seien berechtigt, da die zuvor vom Kläger in A-Stadt verrichteten Tätigkeiten durch die mit dem Betriebsübergang einhergehende betriebliche Neuorganisation weggefallen seien. Bereits die streitgegenständliche Versetzung sei wirksam. Da die örtliche Veränderung für den bereits im Rahmen der Prozessbeschäftigung in C-Stadt tätigen Kläger nur mit unwesentlichen Belastungen verbunden sei, habe sie bzgl. der Änderungskündigung auch nicht die Kündigungsfrist einhalten müssen. Es liege auch keine Wiederholungskündigung vor, da es sich – anders als im Vorverfahren – vorliegend um eine betriebsbedingte Änderungskündigung handele, die ihren Grund in den geänderten Verhältnissen seit dem Betriebsübergang am 01. August 2020 habe. Sie habe zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs durch den Geschäftsführer der Beklagten Dr. T. die unternehmerische Entscheidung getroffen, an dem übernommenen Standort in A-Stadt keine HPLC-MS-Analysen (Flüssigkeitschromatographie gekoppelt mit einem Massenspektrometer) und keine GC-MS-Analysen mehr zu machen, sondern diese nur noch an ihren Standorten in C-Stadt, Z.-Stadt und Y-Stadt durchzuführen. Nach ihrer unternehmerischen Entscheidung würden in A-Stadt auch zukünftig keine neuen Investitionen im Bereich der instrumentellen Analytik getätigt. Vielmehr sei im Gegenzug geplant, die Mikrobiologie und die Molekularbiologie am Standort A-Stadt weiter auszubauen. Diese unternehmerische Entscheidung sei bereits vor Ausspruch der streitgegenständlichen Änderungskündigung wie folgt umgesetzt worden: Von den vor dem Betriebsübergang im August 2020 am Standort A-Stadt vorhandenen acht Analysegeräten – davon drei sog. LC-MSMS bzw. GC-MS Geräte (insbesondere zur Feststellung von Pestiziden, Sudan-Farbstoffen und Acrylamid in Lebensmitteln) und fünf sog. HPLC-Geräte (insbesondere zur Feststellung von Fetten, organischen Säuren, Konservierungsstoffen und anderen Lebensmittelbestandteilen) seien seit August 2020 bei Ausspruch der Änderungskündigung im April 2022 in A-Stadt nur noch drei HPLC-Geräte (HPLC afe1 bis 3) und keine MS-Geräte mehr vorhanden. Alle anderen Geräte seien – wie aus der nachfolgenden Übersicht erkennbar – entsorgt oder auf ihre Standorte in Y-Stadt und Z.-Stadt verlagert worden. Teilweise seien die Analysetätigkeiten auch an Fremddienstleister vergeben worden. Die beiden anderen HPLC-Geräte seien mangels Bedarfes verkauft bzw. entsorgt worden. Die ursprünglich am HPLC-Gerät afe9 (entsorgt) durchgeführten Analysen fänden seit dem Betriebsübergang in ihren Laboren in Y-Stadt bzw. Z.-Stadt statt. Das HPLC-Gerät afe5 sei auch entsorgt worden. Die dort durchgeführten Analysen fänden nunmehr bei zwei Fremddienstleistern sowie an ihrem Standort in Y-Stadt statt. Das Analysegerät LC-MSMS für die Feststellung der Acrylamid/Sudan-Farbstoffe und für die Pestizidfeststellung in Lebensmitteln stehe an ihrem Standort in Y-Stadt. Die Analyse werde seit dem Betriebsübergang in C-Stadt getätigt. Bezogen auf die einzelnen Parameter ergebe sich mithin zusammengefasst folgendes:
Fettsäureverteilung
GC afe 9 entsorgt; Analyse bei LA in Y-Stadt
t-Fettsäuren
GC afe 9 entsorgt; Analyse bei LA in Y-Stadt
Milchfett
GC afe 9 entsorgt; Analyse bei LA in Y-Stadt
Fettsäuren DHA/EPA
GC afe 9 entsorgt; Analyse bei LA in Y-Stadt
Furan, früher Pestizide
GC-MS Gerät steht bei LA in Z.-Stadt
PAK
GC-MSMS entsorgt; Analyse bei LA in Z.-Stadt
Organische Säuren
HPLC afe 1 HPLC afe 1
Konservierungsstoffe
HPLC afe 1 HPLC afe 1
Coffein
HPLC afe 1 HPLC afe 1
Kreatinin
HPLC afe 1 wird bei LA in Y-Stadt gemacht
Ascorbinsäure UV
HPLC afe 1 HPLC afe 1
Cumarin
HPLC afe 1 wird bei LA in Y-Stadt gemacht
Aflatoxine
HPLC afe 2 HPLC afe 2
Ochratoxin A
HPLC afe 2 HPLC afe 2
Zucker
HPLC afe 3 HPLC afe 3
Vitamin A & E
HPLC afe 5 entsorgt, Analyse extern durch Labor IFP in S.-Stadt
Capsaicin (HPLC)
HPLC afe 5 entsorgt, Analyse extern durch Labor bilcaon in S.-Stadt
Süssstoffe
HPLC afe 5 entsorgt; Analyse bei LA in Y-Stadt
Acrylamid/Sudan-Farbstoffe
LC-MSMS Gerät steht bei LA in Y-Stadt
Pestizide
LC-MSMS Gerät steht bei LA in Y-Stadt; Analytik wird bei LA in C-Stadt gemacht sowie in Y-Stadt und Z.-Stadt
Bereits vor dem Betriebsübergang im August 2020 sei der Kläger routinemäßig nur an den entsorgten bzw. verlagerten instrumentell analytischen Gerätesysteme (LC-MSMS und GC-MS) tätig gewesen. Die anderen Analysen habe er nur vertretungsweise gemacht, da dies klassische Laborantentätigkeiten und nicht solche für einen promovierten Lebensmittelchemiker seien. Der Kläger als Lebensmittelchemiker werde fachlich nur für die MS-Geräte benötigt. Dementsprechend würden die drei am Standort A-Stadt verbliebenen HPLC-Geräte (afe1-3) nunmehr durch Chemielaboranten, die Arbeitskollegen G. (zu 80 % ihrer 19 Stunden Teilzeittätigkeit) und H. (zu 100 % seiner 20 Stunden Teilzeittätigkeit), im Rahmen „einfacher“ Laboraufgaben, für die der Kläger als Akademiker überqualifiziert und zu hoch dotiert sei, betrieben, sowie im Rahmen des sog. „Troubleshootings“ (also nur für den Fall des Auftretens von entsprechenden Problemen) durch den Laborleiter F. (mit ca. 3 Stunden wöchentlich) betreut. Die notwendige Akkreditierung des Labors in A-Stadt zum Betreiben der MSMS-Geräte sei 2019 entfallen und auch nicht mehr wiedererlangt worden, weshalb keine solchen Analysen mehr möglich seien. Soweit zwischenzeitlich noch eine Akkreditierung vorgelegen habe, habe sie seit dem Betriebsübergang die Untersuchungen nicht mehr in A-Stadt vollzogen und die neue Akkreditierungsurkunde ab 30. Juni 2022 enthalte eine entsprechende Akkreditierung auch nicht mehr. Im Ergebnis würden also die vom Kläger zuvor in A-Stadt verrichteten Arbeiten seit dem Betriebsübergang entweder gar nicht mehr in ihrem Unternehmen verrichtet oder seien aufgrund unternehmerischer Entscheidung ab dem Zeitpunkt des Betriebsüberganges auf ihre Standorte in Y-Stadt, C-Stadt und Z.-Stadt verteilt worden. Damit sei ein Einsatz des Klägers auch an den Standorten in Z.-Stadt und Y-Stadt möglich. Mit C-Stadt habe sie bereits die Variante gewählt, die dem Kläger am ehesten zumutbar sei. Die im Bereich der chemischen Analytik weiter in A-Stadt als Chemielaboranten (in Teilzeit) tätigen Mitarbeiter, der Zeuge H. und die Zeugin G., seien mit dem Kläger als studiertem Lebensmittelchemiker nicht vergleichbar, da Lebensmittelchemiker wie der Kläger und der Zeuge F. als fachtechnisch verantwortliches Personal bzw. Laborleitung die prüfmethodenbezogene Personalfreigabe, die Formulierung und Aktualisierung von Arbeitsanweisungen und Prüfmethoden, die Gewährleistung der Einhaltung der Arbeitssicherheitsvorschriften und die richtige Erfassung und Verarbeitung der Messwerte, Validierungsaufgaben und die Durchführung von Ringversuchen zur Aufgabe hätten, während die Chemielaboranten „einfache“ Laboraufgaben durchführten. Auch mit den weiteren reinen Chemielaboranten R., Q., P., N. und M. bestehe daher keine Vergleichbarkeit. Der Zeuge L. – K., der auch Lebensmittelchemiker sei, wiederum habe eine längere Betriebszugehörigkeit (seit 11. Februar 2006), sei verheiratet und gegenüber einer Ehefrau und zwei Kindern unterhaltsverpflichtet und daher sozial schutzbedürftiger. Zudem habe er die Leitungsfunktion als Laborleiter in A-Stadt inne. Die mangelnde Vergleichbarkeit bzw. höher soziale Schutzwürdigkeit sei im Vorprozess auch unstreitig gewesen. Die vom Kläger ins Spiel gebrachte Möglichkeit, Gutachten zu erstellen, sei nicht möglich und gewünscht und es bestehe insoweit auch kein freier Arbeitsplatz oder Arbeitszeitvolumen. Zudem würden dafür auch „staatlich geprüfte Lebensmittelchemiker“ mit Erfahrungen benötigt. Der Kläger habe aber mindestens in den letzten 12 Jahren nicht in diesem Bereich gearbeitet und sei auch nicht als „staatlich geprüfter“ Lebensmittelchemiker eingestellt. Zum Zeitpunkt der Änderungskündigung sei der Kläger am Standort C-Stadt seit Aufnahme der Prozessbeschäftigung mit Temperaturkontrolle Kühlschränke, Auftragsfreigaben, Vorbereitung elektronisch gefasster Prüfberichtsformate und Übertragung Prüfberichtsergebnisse tätig gewesen, seit 06. April 2022 sei er dort in der Elementeanalytik eingesetzt gewesen (Aufschluss von Lebensmittel- und Abwasserproben mittels Mikrowellentechnik, Messungen ICPMS, Übertragen und Freigeben der Prüfergebnisse). Soweit im Gütetermin erklärt worden sei, dass an den HPLC-Geräten afe 1, 2 und 3 nur noch Teilzeittätigkeiten erfolgten, stehe dies im Zusammenhang mit der geschilderten Verlagerung von Analysetätigkeiten auch an Fremddienstleister. Eine Wiederaufnahme der Akkreditierung der instrumentellen Analytik am Standort A-Stadt widerspreche ihrer Unternehmensentscheidung, die instrumentelle Analytik nur an den Standorten C-Stadt, Y-Stadt und Z.-Stadt durchzuführen. Aus wirtschaftlichen Gründen müssten diese Geräte ausgelastet werden. Dies erfordere eine Zentralisierung innerhalb ihrer Laborgruppe. Damit seien die Projektarbeiten weggefallen. Infolge der entsorgten bzw. umgesetzten fünf Geräte sei für den Kläger auch der Arbeitszeitaufwand für Routinetätigkeiten (24 Stunden wöchentlich) entfallen. Auf eine theoretische Möglichkeit von Instandsetzungs- und Routinearbeiten für 13 chemische Parameter an fünf Geräten komme es nicht an. Es bestehe keine Verpflichtung, Tätigkeiten an Chromatographen von den anderen Laborstandorten nach A-Stadt (zurück) zu verlegen. Der Kläger sei bereits am 21. Januar 2022 in A-Stadt darauf hingewiesen worden, dass er auch über die Beendigung der Prozessbeschäftigung hinaus mangels Beschäftigungsmöglichkeit in A-Stadt in C-Stadt arbeiten werden müsse, was der Kläger auch nicht zurückgewiesen habe.
Die fristlose Beendigungskündigung vom 05. Juli 2022 sei wegen beharrlicher Arbeitsverweigerung des Klägers seit dem 10. Juni 2022 nach den vorherigen Abmahnungen vom 15. Juni 2022 und 29. Juni 2022 zu Recht erfolgt. Gerade bei einer mit einem Betriebsübergang einhergehenden Restrukturierung sei es allein Sache des Arbeitgebers darüber zu entscheiden, Tätigkeiten entweder gar nicht mehr oder an anderen Standorten durchzuführen bzw. an Fremdlabore zu vergeben. Es spiele auch keine Rolle, ob eine unternehmerische Entscheidung ihrer Rechtsvorgängerin etwas Anderes vorgesehen habe. Der Vortrag des Klägers, der sich auf das Vorverfahren beziehe, sei daher nicht einschlägig. Ihre unternehmerische Entscheidung bzgl. der Neuorganisation der Probentätigkeiten orientiere sich an der innerhalb ihres Unternehmens bereits bestehenden Struktur, die aufwendige und kostenintensive instrumentelle Analytik, die darüber hinaus eine hohe fachliche Kompetenz der Mitarbeiter erfordere, an den Standorten C-Stadt, Y-Stadt und Z.-Stadt zu zentralisieren. Eine Tätigkeit als Gutachter, um Prüfberichte mit Laborergebnissen an Kunden zu senden, sei von der Arbeitskapazität her nicht möglich und i.Ü. von ihr aus Qualitätssicherungsgründen auch nicht gewünscht. Der Kläger habe weder in C-Stadt, noch am alten Arbeitsort in A-Stadt (wo indes keine Arbeitsaufgaben mehr bestünden) seine Arbeit aufgenommen bzw. angeboten.
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 22. November 2022 festgestellt, dass die angegriffene Versetzung des Klägers unwirksam war, das Arbeitsverhältnis weder durch die außerordentliche (Änderungs-) Kündigung vom 06. April 2022, noch durch die außerordentliche Kündigung vom 05. Juli 2022 aufgelöst worden ist und hat die Klage im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen angeführt, der Kläger sei zu Recht der Auffassung, dass seine Versetzung unwirksam sei. Auch die außerordentliche betriebsbedingte Änderungskündigung erweise sich als unwirksam. Zwar liege nicht bereits eine unzulässige Wiederholungskündigung vor, da die frühere Kündigung nicht durch die Beklagte, sondern von der Rechtsvorgängerin ausgesprochen worden sei, zwischen den beiden Kündigungen mehr als zwei Jahre und ein Betriebsübergang lägen und es sich im Vorverfahren um eine Beendigungskündigung gehandelt habe. Allerdings habe die Beklagte nach ihrem eigenen Vortrag jedenfalls die Frist des § 626 Abs. 2 BGB nicht eingehalten. Auch die fristlose Beendigungskündigung vom 05. Juli 2022 habe das Arbeitsverhältnis nicht mit sofortiger Wirkung beendet. Der Kläger sei zur Erbringung seiner Arbeitsleistung wegen der fristlosen Änderungskündigung vom 06. April 2022 nicht verpflichtet gewesen. Da der Kläger das Änderungsangebot nicht angenommen habe, sei die Arbeitspflicht spätestens mit Ablauf der Erklärungsfrist des § 2 Satz 2 KSchG entfallen und nach dem 09. Juni 2022 habe auch keine Arbeitsverpflichtung wegen des auflösend bedingt abgeschlossenen Prozessarbeitsverhältnisses mehr bestanden, nachdem die Bedingung (Eintritt der Rechtskraft bezüglich der Entscheidung im Vorprozess) eingetreten gewesen sei. Die zulässige Klage erweise sich jedoch als unbegründet, soweit die ordentliche Änderungskündigung vom 06. April 2022 in Rede stehe. Da der Kläger diese nicht unter dem Vorbehalt ihrer sozialen Rechtfertigung angenommen habe, sei das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 30. September 2022 beendet worden. Die Beklagte habe sich auf eine unternehmerische Entscheidung dahingehend berufen, den übernommenen Betrieb der Rechtsvorgängerin der Beklagten in die bei ihr vorhandene Unternehmensstruktur zu integrieren und die instrumentelle Analytik in A-Stadt aufzugeben und teilweise fremdzuvergeben bzw. zentralisiert an ihren schon vorhandenen Standorten Z.-Stadt, Y-Stadt oder C-Stadt durchzuführen. Der Kläger habe nicht bestritten, dass diese nur der eingeschränkten gerichtlichen Überprüfung unterliegende unternehmerische Entscheidung im Zeitpunkt des Kündigungszugangs nicht nur bereits greifbare Formen angenommen gehabt habe, sondern bereits umgesetzt worden sei, indem die für die instrumentelle Analytik notwendigen Geräte entweder bereits entsorgt oder (LC-MSMS Gerät) nach Y-Stadt verlagert worden seien. Auch die Entscheidung, die Akkreditierungsbemühungen nicht fortzuführen bzw. vorhandene Akkreditierungen nicht weiter zu nutzen, unterliege nur der eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle. Als Folge der dargestellten unternehmerischen Entscheidung/en sei der Beschäftigungsbedarf für den Kläger am Standort in A-Stadt entfallen. Sämtliche im Vorverfahren als sog. „Projekttätigkeiten“ bezeichneten Tätigkeiten würden in A-Stadt nicht mehr benötigt. Dies gelte auch für die dort so bezeichneten „Routinearbeiten“, jedenfalls, soweit sie im Bereich der instrumentellen Analytik an den entsorgten Geräten bzw. an dem nach Y-Stadt verlagerten LC-MSMS verrichtet worden seien. Die Beklagte habe insoweit im Übrigen unwidersprochen vorgetragen, der Kläger sei bereits vor dem Betriebsübergang im August 2020 routinemäßig nur an den entsorgten bzw. verlagerten instrumentell analytischen Gerätesystemen (LC-MSMS und GC MS) tätig gewesen und habe die anderen Analysen nur vertretungsweise gemacht, da dies klassische Laborantentätigkeiten seien. Damit seien auch die Routinearbeiten des Klägers entfallen. Soweit der Kläger erstmals im Kammertermin behauptet habe, er habe in der Vergangenheit auch bzw. sogar überwiegend Analysen an den in A-Stadt verbliebenen Geräten verrichtet, sei das Vorbringen verspätet. Es sei unerheblich, da die Beklagte unwidersprochen vorgetragen habe, der Kläger werde als promovierter Lebensmittelchemiker fachlich nur für die sog. MS-Geräte benötigt und die verbliebenen HPLC-Geräte würden auch tatsächlich nur durch Chemielaboranten bedient. Eine Verpflichtung der Beklagten, den überqualifizierten und entsprechend vergüteten Kläger mit der Tätigkeit eines horizontal nicht vergleichbaren Chemielaboranten zu betrauen, bestehe nicht. Soweit noch die zeitlich vernachlässigbaren Tätigkeiten im Rahmen des sog. „Troubleshootings“ übrig blieben, sei der Laborleiter L.-Anders sozial schutzwürdiger. Einen Anspruch auf eine von ihm gewünschte Tätigkeit habe der Kläger nicht. Da das Beschäftigungsbedürfnis für den Kläger in A-Stadt weggefallen sei, habe die Beklagte mit dem Angebot der Beschäftigung in C-Stadt bereits die am ehesten zumutbare Variante gewählt, zumal der Kläger im Rahmen der Prozessbeschäftigung bereits in C-Stadt gearbeitet habe. Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird auf S. 10 ff. des Urteils (= Bl. 728 ff. d. A.) Bezug genommen.
Der Kläger hat gegen das am 14. Februar 2023 zugestellte Urteil mit am 09. März 2023 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz vom gleichen Tag Berufung eingelegt und diese innerhalb verlängerter Berufungsbegründungsfrist mit am gleichen Tag bei Gericht eingegangenem Schriftsatz vom 12. Mai 2023 begründet. Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 19. Juni 2023, bei Gericht eingegangen innerhalb verlängerter Berufungserwiderungsfrist am 03. Juli 2023, Anschlussberufung eingelegt, mit der sie rügt, das Arbeitsgericht sei von einer unzutreffenden Kündigungsfrist (30. September 2022 statt 31. August 2022) ausgegangen.
Der Kläger macht zweitinstanzlich nach Maßgabe seiner Berufungsbegründungsschrift vom 12. Mai 2023 (Bl. 765 ff. d. A.) und seines Schriftsatzes vom 03. November 2023 (Bl. 845 ff. d. A.), hinsichtlich deren weiterer Einzelheiten jeweils ergänzend auf den Akteninhalt Bezug genommen wird, geltend,
das Arbeitsgericht habe rechtsfehlerhaft entschieden, dass das Arbeitsverhältnis durch ordentliche betriebsbedingte (Änderungs-) Kündigung zum 30. September 2022 aufgelöst worden sei. Es habe bereits rechtsfehlerhaft angenommen, dass der Beschäftigungsbedarf für den Kläger in A-Stadt entfallen und damit ein dringender betrieblicher Grund gegeben sei. Die Beklagte habe den dringenden betrieblichen Grund für die Änderungskündigung nicht substantiiert vorgetragen, so dass das Arbeitsgericht der Klage bereits aus diesem Grunde habe stattgegeben müssen. Die Beklagte habe einerseits die Tätigkeiten des Klägers und die zeitliche Einteilung derselbigen in Anbetracht der Darlegungen in den vergangenen Rechtsstreitigkeiten nicht hinreichend konkret dargelegt. So habe die damalige Beklagte im Verfahren Arbeitsgericht Mainz – 3 Ca 204/20 – z.B. im Schriftsatz vom 27. Mai 2020 auf S.13/14 vier Stunden wöchentlich für Instandsetzungsarbeiten (sog. Troubleshooting) angegeben. Nur diese Art von Tätigkeit des Klägers lese sich im aktuellen Rechtsstreit noch als aufzulösende Arbeit. Die im Verfahren 3 Ca 204/20 genannten Projekttätigkeiten (nach Angaben der damaligen Beklagten im genannten Schriftsatz in Anlage B22 zuletzt 16 Wochenstunden in der 40-Stunden-Woche des Klägers), seien nicht mehr genannt worden, obwohl der Kläger diese Tätigkeiten weiterhin ausgeübt habe. Die Routinearbeiten, welche nach Angaben der damaligen Beklagten in ihrem Schriftsatz in Anlage B22 zuletzt mit 20 Wochenstunden veranschlagt worden seien, seien im aktuellen Rechtsstreit nicht vorgetragen worden. Diese Umstände habe der Kläger in der Replik umfassend vorgetragen. Der Kläger habe zudem dezidiert unter Schilderung aller Einzelheiten Möglichkeiten aufgezeigt, wie und mit welchen Tätigkeiten er in A-Stadt beschäftigt werden könne. Hierzu zählten vor allem Routinetätigkeiten für 13 Parameter und Instandsetzungsarbeiten. Das Arbeitsgericht habe auch völlig unberücksichtigt gelassen, dass ausweislich des Protokolls des Gütetermins nach Angaben der Beklagten eine Teilzeittätigkeit in A-Stadt möglich sei. Dies stehe im völligen Widerspruch zu der Behauptung, dass der Beschäftigungsbedarf für den Kläger in A-Stadt vollständig entfallen sei. Vor diesem Hintergrund habe das Arbeitsgericht den gesamten Beklagtenvortrag als unsubstantiiert ansehen müssen. Die vom Arbeitsgericht zitierte unternehmerische Entscheidungsfreiheit nach Art 14 GG, wonach die Beklagte nicht verpflichtet sei, dem Kläger von ihr nicht gewünschte Tätigkeit zu übertragen, könne vorliegend nicht greifen. Denn die Beklagte sei im Rahmen einer auf dringende betriebliche Gründe gestützten Kündigung eines einzigen Arbeitnehmers zu einer dezidierten Darlegung verpflichtet, aus welchem konkreten Grund die Zuweisung anderer Tätigkeiten, die gleichsam vom Direktionsrecht gedeckt wären, nicht infrage komme. Dass sie die Zuweisung solcher Tätigkeiten nicht wünsche, sei hierfür keinesfalls ausreichend. Zum anderen habe der Kläger mit diesem Vortrag (zumindest) konkret dargelegt, dass Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten im selben Betrieb bestehen, § 1 Abs. 2 S.1 KSchG. Zu diesen Beschäftigungsmöglichkeiten habe die Beklagte nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts konkret erwidern müssen, was sie unterlassen habe. Vor dem Hintergrund der widersprüchlichen und lückenhaften Darlegungen der Beklagten, den detaillierten Schilderungen des Klägers im Hinblick auf verbleibende Tätigkeiten und dem Umstand, dass allein dem Kläger eine betriebsbedingte Kündigung ausgesprochen wurde und daher die unternehmerische Entscheidung die Kündigung selbst darstelle, habe das Arbeitsgericht die Darlegungslast der Beklagten als nicht erfüllt ansehen müssen. Das Arbeitsgericht habe zudem verkannt, dass es sich bei der streitgegenständlichen Kündigung um eine unzulässige Wiederholungskündigung handelt. Zwar habe es einen Betriebsübergang gegeben und die Kündigung sei nach dem Übergang erfolgt. Jedoch habe die Beklagte dieselbe unternehmerische Entscheidung getroffen wie die Beklagte im Verfahren Arbeitsgericht Mainz Az. 3 Ca 204/20. Diese damalige Entscheidung habe in einen behaupteten Wegfall der Tätigkeiten des Klägers geführt und sei damit identisch zu der jetzigen unternehmerischen Entscheidung. Der von § 613a BGB normierte Übergang sämtlicher Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis müsse auch das Verbot erfassen, eine neue Kündigung auf denselben Sachverhalt zu stützen, wie eine vorangegangene Kündigung, über die bereits rechtskräftig entschieden worden ist. Zudem habe das Arbeitsgericht sich entgegen der Rüge des Klägers nach § 613a Abs. 4 BGB nicht mit der Frage befasst, ob die Kündigung wegen des Betriebsübergangs erfolgt ist, § 6 KSchG. Die aufgezeigten Rechtsfehler seien entscheidungserheblich. Das Arbeitsgericht habe der Klage wegen nicht ausreichender Darlegung des Kündigungsgrundes stattgeben müssen. Schließlich habe das Arbeitsgericht infolge einer fehlerhaften Anwendung des § 138 Abs. 3 ZPO Beklagtenvortrag teilweise zu Unrecht als unbestritten gewertet. So habe er beispielsweise bestritten, dass der Beschäftigungsbedarf für ihn aus dem Arbeitsvertrag vom 14. /16. Juni 2010 mit vertraglichem Erfüllungsort A-Stadt weggefallen sei. Ein auf Einzelheiten bezogenes Bestreiten des Klägers sei nicht erforderlich gewesen, obgleich er dies in der Folge dennoch getan habe. So habe er bestritten, dass von seinen früheren Tätigkeiten zu 40 Stunden in der Woche noch drei Stunden wöchentliche Tätigkeiten verblieben seien, die vom Zeugen F. ohne neue überobligatorische Beanspruchung mit einem Anteil von 7% seiner wöchentlichen Arbeitszeit übernommen werden können. Er habe auch bestritten, dass durch den Wegfall früherer Tätigkeiten beim Zeugen F. für die Firma J., oder aus einem anderen Anlass, wöchentlich drei Stunden freigeworden seien, die er für Tätigkeiten des Klägers verwenden könne. Zudem habe er bestritten, dass die am Gerät afe 9 am Standort A-Stadt durchgeführten Arbeiten für die Fettsäureverteilung nebst Trans-Fettsäuren und EPA/DHA sowie die Bestimmung des Milchfett-Gehaltes am Standort Z.-Stadt oder Y-Stadt stattfänden. Das Arbeitsgericht habe diesen Vortrag unzutreffend als unstreitig betrachtet. Der Wegfall des Beschäftigungsbedarfs sei auch nicht lediglich mit Nichtwissen bestritten worden, sondern er habe dezidiert vorgetragen, wie er vor dem Hintergrund der verbleibenden Akkreditierungen beschäftigt werden könne. Ob der Kläger in der Position eines fachtechnischen Verantwortlichen als Lebensmittelchemiker an den Geräten afe 1 bis 3 benötigt werde, habe das Arbeitsgericht nicht beurteilt. Er bestreite, dass die für die instrumentelle Analytik notwendigen Geräte bereits entsorgt oder (LC-MSMS Gerät) nach Y-Stadt verlagert worden seien. Dass sämtliche auf seine Arbeitszeit im Vorverfahren als „Projekttätigkeiten“ entfallende Tätigkeiten nicht mehr benötigt würden und dass das auch für Routinearbeiten gelte, dass er bereits im August 2020 routinemäßig nur an den entsorgten bzw. verlagerten instrumentell analytischen Gerätesystemen tätig gewesen und den Rest nur vertretungsweise gemacht habe, sowie dass er als promovierter Lebensmittelchemiker fachlich nur für die sog. MS-Geräte benötigt werde und die drei am Standort A-Stadt verbliebenen HPLC-Geräte (afe 1 – 3) durch Chemielaboranten bedient werden könnten und bedient würden. Das Arbeitsgericht habe verkannt, dass sein Vortrag, er sei in A-Stadt für Analysen eingesetzt worden, nicht bestritten worden und daher nicht verspätet gewesen sei. Betriebliche Organigramme der Niederlassungen C-Stadt und A-Stadt habe die Beklagte vorliegend (anders als im Verfahren 3 Ca 204/20) nicht zur Akte gereicht. Auch sei eine Tätigkeitsanweisung an den Zeugen F. nicht vorgelegt worden. Die Beklagte habe nach wie vor nicht substantiiert zur Auflösung seiner früheren Tätigkeiten vorgetragen
Der Kläger beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 22. November 2022 – 1 Ca 489/22 – teilweise abzuändern, soweit das Arbeitsgericht den gegen die ordentliche Kündigung vom 06. April 2022 gerichteten Klageantrag abgewiesen hat und festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 06. April 2022 auch nicht unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist aufgelöst worden ist.
Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt im Wege der Anschlussberufung, das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 22. November 2022 – 1 Ca 489/22 – teilweise dahingehend abzuändern, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist zum Ablauf des 31. August 2022 beendet worden ist.
Der Kläger beantragt, die Anschlussberufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderungsschrift vom 19. Juni 2023 (Bl. 793 ff. d. A.) und ihres Schriftsatzes vom 06. November 2023 (Bl. 854 f. d. A.), wegen deren Inhalt jeweils ergänzend auf den Akteninhalt Bezug genommen wird, unter Wiederholung, Vertiefung und Ergänzung ihres erstinstanzlichen Vortrags wie folgt:
die zulässige Anschlussberufung sei insoweit materiell gerechtfertigt, als dem erstinstanzlich erkennenden Gericht hier hinsichtlich der Bemessung der ordentlichen Kündigungsfrist offensichtlich ein Schreibfehler / Versehen unterlaufen sei. Ausweislich der erstinstanzlich eingereichten und streitbefangenen Kündigung vom 06. April 2022 sei diese hilfsweise fristgerecht zum 31. August 2022 unter unstreitiger Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist gemäß § 5 AV, § 622 BGB (hilfsweise) ausgesprochen worden und habe das Arbeitsverhältnis daher nicht erst zum 30. September 2022 beendet. Entgegen der Auffassung des Klägers sei der dringende betriebliche Grund für die hier erfolgte Änderungskündigung hinsichtlich der erfolgten Organisationsentscheidungen und des Wegfalls des entsprechenden Arbeitsvolumens / Arbeitstätigkeiten des Klägers im Rahmen insbesondere des Schriftsatzes vom 14. Juli bzw. 16. September 2022 sehr substantiiert unter Beweisantritt vorgetragen worden, insbesondere unter genauer Benennung des Wegfalls der Art der Tätigkeiten und hinsichtlich des zeitlichen Umfanges. Soweit ersichtlich, werde sich insbesondere mit den Ausführungen im letztgenannten Schriftsatz in keiner Form auseinandergesetzt, obwohl dort nochmals vertieft auf die erstinstanzlichen Ausführungen der Gegenseite eingegangen worden sei, insbesondere auch dahingehend, warum die zeitlichen Volumina, welche seinerzeit noch im Vorverfahren ausgeführt worden seien, im hiesigen Verfahren aufgrund der dargelegten anderen unternehmerischen Entscheidung infolge des unstreitigen zwischenzeitlichen Betriebsüberganges und der insoweit ergangenen neuen Organisationsentscheidungen keine Rolle mehr spielen. Die Beklagte sei etwaigem Vortrag des Klägers unter Schilderung aller Einzelheiten entgegengetreten, warum und weshalb eine Arbeitsmöglichkeit für den Kläger in A-Stadt nicht mehr bestehe und habe detailliert die entsprechenden unternehmerischen Gründe und darüber hinaus auch aufgezeigt, warum etwaige denkbare Restarbeiten ohne überobligatorische Tätigkeit der anderen Mitarbeiter (insbesondere Zeugen F., H. und G. bzw. durch Tätigkeiten der Chemielaboranten) durchgeführt würden. Soweit die Berufung erneut auf eine noch mögliche Teilzeittätigkeit an den HPLC – Geräten in A-Stadt und die diesbezüglich missverständlichen Ausführungen des Terminsvertreters der Beklagten im Gütetermin abstelle, sei auch insoweit bereits klargestellt worden, wie sich die verbliebenen Tätigkeiten zwischen den Chemielaboranten und dem Zeugen F. aufteilten. Es habe seitens des Arbeitsgerichts – jedenfalls ohne Beweisaufnahme – keinerlei Veranlassung bestanden, den Vortrag der Beklagten als unsubstantiiert zu betrachten. Angesichts des pauschalen Bestreitens des Klägers gelte der Vortrag der Beklagten als zugestanden. Zur klägerischen Behauptung einer „unzulässigen Wiederholungskündigung“ sei ebenfalls bereits vorgetragen. Die vom Kläger behauptete fiktive Möglichkeit der Verrichtung seiner früher ausgeübten Tätigkeiten infolge vorhandener Akkreditierung am Standort A-Stadt bestehe nicht, was sich bereits aus den nur für die Standorte C-Stadt, Y-Stadt und Z.-Stadt bestehenden Akkreditierungsurkunden vom 29. März 2022 ergebe (Bl. 576 ff. d. A., 612 ff. d. A., 641 ff. d. A.) und auch im Übrigen umfangreich dargelegt worden sei, ohne dass der Kläger dem substantiiert entgegengetreten sei. Das nunmehrige Bestreiten des Klägers auf den Seiten 7 und 8 werde als verspätet zurückgewiesen und unter Wiederholung des bisherigen Sachvortrages unter Beweis gestellt durch Zeugnis G., H., b. b., Parteivernahme Dr. T., hilfsweise dessen informatorische Anhörung gem. § 141 ZPO. Der Kläger sei – entgegen seiner Behauptung im Kammertermin vor dem Arbeitsgericht – bereits vor dem Betriebsübergang nahezu vollständig im Bereich der Rückstandsanalytik tätig gewesen. Der frühere Arbeitsbereich des Klägers habe in der instrumentellen Analytik gelegen, die seit dem Betriebsübergang bis auf die dargelegten Resttätigkeiten der Zeugen G., H. und F. (afe1 – afe 3) nicht mehr in A-Stadt durchgeführt werde. Wie bereits dargelegt, seien fünf instrumentell – analytische Gerätesysteme (inkl. HPLC-MS und GC-MS) zur Bestimmung von Pflanzenschutzmitteln, Kontaminanten, Schadstoffen und Inhaltsstoffen in Lebensmitteln von vormals insgesamt acht am Standort A-Stadt befindlichen Geräten seit August 2020 nicht mehr vorhanden.
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes im Berufungsverfahren wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf die Sitzungsniederschriften vom 07. November 2023 und 14. Mai 2024 Bezug genommen.
Die Berufungskammer hat aufgrund Beschlusses vom 07. November 2023 (Bl. 861 f. d. A.) idF. vom 14. Mai 2024 (Bl. 882 d. A.) Beweis erhoben zur Behauptung der Beklagten, zum bzw. seit dem Zeitpunkt des Ausspruchs der vom 06. April 2022 datierenden Änderungskündigung seien die von der Beklagten benannten Analysegeräte entsorgt bzw. verlagert gewesen und würden die Analysen anderweitig vergeben, sowie würden die in A-Stadt verbliebenen Teilzeittätigkeiten an den restlichen Analysegeräten von den Chemielaboranten H. und G., sowie vom Laborleiter F. ohne überobligatorische Mehrarbeit vollzogen durch Vernehmung der Zeugen E., F., G. und H.. Wegen der Formulierung des Beweisbeschlusses wird auf den Akteninhalt verwiesen. Im Hinblick auf das Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 14. Mai 2024 (Bl. 882 ff. d. A.) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
A
Die zulässige Berufung des Klägers ist in der Sache nicht erfolgreich. Die Anschlussberufung der Beklagten ist zulässig und begründet.
I. Es bestehen keine Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit von Berufung und Anschlussberufung.
1. Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist statthaft (§ 64 Abs. 2 Buchstabe c ArbGG), wurde nach Zustellung des erstinstanzlichen Urteils am 14. Februar 2023 mit am 09. März 2023 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz vom gleichen Tag form- und fristgerecht eingelegt (§ 66 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 64 Abs. 6 ArbGG iVm. § 519 ZPO) und mit Schriftsatz vom 12. Mai 2024, eingegangen bei Gericht innerhalb verlängerter Berufungsbegründungsfrist am gleichen Tag, rechtzeitig und ordnungsgemäß begründet (§ 66 Abs. 1 Satz 1, 2, § 64 Abs. 6 ArbGG, § 520 ZPO).
2. Die Anschlussberufung der Beklagten ist zulässig. Die Beklagte hat ihre Anschlussberufung gemäß § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO iVm. § 64 Abs. 6 ArbGG fristgerecht vor Ablauf der Berufungserwiderungsfrist bei Gericht eingelegt und sie zugleich begründet (§ 524 Abs. 3 Satz 1 ZPO iVm. § 64 Abs. 6 ArbGG).
II. Die Berufung ist nicht begründet. Die zuletzt allein noch streitgegenständliche ordentliche Änderungskündigung vom 06. April 20022, die die Beklagte auf betriebsbedingte Gründe gestützt hat, ist sozial gerechtfertigt iSd. §§ 2, 1 Abs. 1, Abs. 2 KSchG und auch nicht aus sonstigen Gründen unwirksam. Nachdem der Kläger die mit der Änderungskündigung angetragenen geänderten Arbeitsbedingungen nicht, auch nicht unter Vorbehalt angenommen hat, hat die Kündigung das Arbeitsverhältnis der Parteien unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist beendet. Da die Kündigungsfrist gemäß § 622 Abs. 2 Nr. 4 BGB vier Monate beträgt, hat das Arbeitsverhältnis zum 31. August 2022 sein Ende gefunden. Insoweit hat die Anschlussberufung der Beklagten, die sich gegen die Entscheidung des Arbeitsgerichts richtet, das Arbeitsverhältnis ende zum 30. September 2022, in der Sache Erfolg.
1. Der Kläger hat die streitgegenständliche Kündigung, die ihm am 04. April 2022 zugegangen ist, mit am 21. April 2022 beim Arbeitsgericht eingehender Kündigungsschutzklage fristgerecht gemäß § 4 Satz 2 KSchG angegriffen. Die Änderungskündigung galt nicht entsprechend § 4 Satz 2, § 7 KSchG als von Anfang an rechtswirksam und war daher auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen. Nach seinem betrieblichen Geltungsbereich gemäß § 23 Abs. 1 KSchG fand im Zeitpunkt der Änderungskündigung auf das Arbeitsverhältnis der Parteien das KSchG Anwendung.
2. Die Änderungskündigung erweist sich nicht unter dem Gesichtspunkt einer Wiederholungskündigung als unwirksam.
2.1. Eine Kündigung kann nicht erfolgreich auf Gründe gestützt werden, die der Arbeitgeber schon zur Begründung einer vorhergehenden Kündigung vorgebracht hat und die in dem über diese geführten Prozess mit dem Ergebnis materiell geprüft worden sind, dass sie eine solche Kündigung nicht tragen. Mit einer Wiederholung der früheren Kündigung ist der Arbeitgeber in diesem Fall ausgeschlossen. Eine Präklusionswirkung entfaltet die Entscheidung über die frühere Kündigung allerdings nur bei identischem Kündigungssachverhalt. Hat sich dieser wesentlich geändert, darf der Arbeitgeber ein weiteres Mal kündigen (BAG 27. April 2021 – 2 AZR 357/20 – Rn. 36; 20. März 2014 – 2 AZR 840/12 – Rn. 13; 11. Juli 2013 – 2 AZR 994/12 – Rn. 37; 20. Dezember 2012 – 2 AZR 867/11 – Rn. 26, jeweils zitiert nach juris). Die Präklusionswirkung tritt ferner dann nicht ein, wenn die frühere Kündigung bereits aus formellen Gründen, also etwa wegen der nicht ordnungsgemäßen Beteiligung der Mitarbeitervertretung für unwirksam erklärt worden ist (BAG 27. April 2021 – 2 AZR 357/20 – Rn. 36,20. März 2014 – 2 AZR 840/12 – Rn. 13, 20. Dezember 2012 – 2 AZR 867/11 – Rn. 26; aaO).
2.2. Nach diesen Grundsätzen ist die Beklagte in Bezug auf die streitgegenständliche Kündigung nicht bereits wegen der Entscheidung der 7. Kammer des Landesarbeitsgerichts vom 12. Januar 2022 – 7 Sa 228/20 – zu der von der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der A. GmbH, unter dem 31. Januar 2020 ausgesprochenen Kündigung präkludiert. Die Kündigung vom 06. April 2022 stellt sich nicht als Wiederholungskündigung im dargestellten Sinne dar, da bereits kein identischer Sachverhalt gegeben ist. Die Kündigungen wurden von unterschiedlichen juristischen Personen ausgesprochen und bei vorliegender Kündigung handelt es sich um eine Änderungskündigung, während die vorangegangene Kündigung eine Beendigungskündigung war. Schließlich betreffend die Kündigungen unterschiedliche Unternehmerentscheidungen. Während die Ausgangskündigung von der A. GmbH auf die Zusammenlegung verschiedener Bereiche ihrer betrieblichen Betätigung ua. infolge eines Auftragsrückgangs gestützt worden ist, macht die Beklagte vorliegend geltend, die Unternehmensentscheidung getroffen zu haben, die instrumentelle Analytik nur an den Standorten C-Stadt, Y-Stadt und Z.-Stadt durchzuführen und deshalb Analysegeräte zum Teil entsorgt, zum Teil an andere Standorte verlagert zu haben und Aufträge fremdzuvergeben.
3. Die Änderungskündigung ist auch nicht deshalb unwirksam, weil sie unter einer unzulässigen Bedingung ausgesprochen worden wäre.
3.1. Eine Änderungskündigung besteht aus zwei Elementen: der Kündigung des Arbeitsvertrags und dem Angebot, das Arbeitsverhältnis zu geänderten Arbeitsbedingungen fortzusetzen. Die Kündigung und das Änderungsangebot können auf verschiedene Weise miteinander verknüpft werden. Der Arbeitgeber kann eine unbedingte Kündigung erklären und daneben die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Bedingungen anbieten. Er kann auch eine bedingte Kündigung aussprechen, wobei die Bedingung in der Ablehnung des Änderungsangebots durch den Arbeitnehmer liegt. Der Zulässigkeit einer solchen bedingten Kündigung steht nicht entgegen, dass die Kündigung als einseitiges Rechtsgeschäft grundsätzlich bedingungsfeindlich ist. Eine Kündigung kann ausnahmsweise unter einer Bedingung ausgesprochen werden, wenn der Eintritt der Bedingung ausschließlich vom Willen des Kündigungsempfängers abhängt (sog. Potestativbedingung). In einem solchen Fall hat es der Kündigungsempfänger in der Hand, die Bedingung anzunehmen oder abzulehnen und so für sich selbst alle Zweifel darüber zu beseitigen, ob das Arbeitsverhältnis endet oder nicht (vgl. BAG 27. September 2001 – 6 AZR 404/00 – Rn. 21, zitiert nach juris).
3.2. Die Voraussetzungen einer zulässigen Potestativbedingung sind gegeben. Die Beklagte hat den Kläger im mit „Versetzung/ vorsorglich Änderungskündigung Arbeitsverhältnis“ betitelten Schreiben vom 06. April 2022 (Bl. 4 f. d. A.) mit sofortiger Wirkung an seine damalige Arbeitsstätte der Prozessbeschäftigung in C-Stadt versetzt, die vorliegend streitgegenständliche Kündigung „höchst vorsorglich“ ordentlich zum 31. August 2022 erklärt und gleichzeitig vorsorglich angeboten das Arbeitsverhältnis unverändert im Betrieb C-Stadt fortzusetzen. Damit hat die Beklagte dem Kläger als Kündigungsempfänger es – bezüglich der Versetzung und der Änderungskündigung – zweifach in die Hand gegeben, die Bedingungen anzunehmen und alle Zweifel zu beseitigen, ob das Arbeitsverhältnis endet oder nicht.
4. Die Änderungskündigung ist auch im Übrigen sozial gerechtfertigt nach § 2 Abs. 1 iVm. 1 Abs. 2 KSchG.
4.1. Eine betriebsbedingte Änderungskündigung ist sozial gerechtfertigt iSd. § 1 Abs. 2 Satz 1 iVm. § 2 KSchG, wenn das Beschäftigungsbedürfnis für den Arbeitnehmer zu den bisherigen Vertragsbedingungen entfallen ist und der Arbeitgeber sich darauf beschränkt hat, solche Änderungen vorzuschlagen, die der Arbeitnehmer billigerweise hinnehmen muss. Ob der Arbeitnehmer eine ihm vorgeschlagene Änderung billigerweise hinnehmen muss, ist nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu ermitteln. Die Änderungen müssen geeignet und erforderlich sein, um den Inhalt des Arbeitsvertrags an die verbliebenen Beschäftigungsmöglichkeiten anzupassen. Die angebotenen Änderungen dürfen sich nicht weiter vom bisherigen Inhalt des Arbeitsverhältnisses entfernen, als dies zur Erreichung des angestrebten Ziels erforderlich ist (BAG 18. Mai 20217 – 2 AZR 606/16 – Rn. 11, 24. September 2015 – 2 AZR 680/14 – Rn. 13, BAGE 153, 9; 29. September 2011 – 2 AZR 523/10 – Rn. 28, jeweils zitiert nach juris).
4.2. Die Änderungskündigung vom 06. April 2022 ist durch dringende betriebliche Bedürfnisse bedingt.
a) Eine Änderungskündigung ist durch dringende betriebliche Erfordernisse iSv. § 1 Abs. 2 KSchG bedingt, wenn sich der Arbeitgeber zu einer organisatorischen Maßnahme entschlossen hat, bei deren innerbetrieblicher Umsetzung das Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers entweder ganz oder jedenfalls zu den bisherigen Vertragsbedingungen entfällt (BAG 24. Mai 2012 – 2 AZR 163/11 – Rn. 14, mwN, aaO). Es gehört zum Kern der unternehmerischen Freiheit, die betriebliche Organisation zu gestalten und festzulegen, an welchem Standort welche arbeitstechnischen Zwecke und Ziele verfolgt werden sollen. Der gesetzliche Kündigungsschutz verpflichtet den Arbeitgeber nicht, eine bestimmte betriebliche Organisationsstruktur oder einen konkreten Standort beizubehalten. Zu diesem Entscheidungsspielraum des Arbeitgebers zählt grundsätzlich auch die Befugnis, den Inhalt der Arbeitsaufgaben und damit das Anforderungsprofil des Arbeitsplatzes zu bestimmen. Außerdem unterliegt es seiner freien Entscheidung, die Zahl der Arbeitskräfte zu bestimmen, mit denen eine Arbeitsaufgabe – zukünftig – erledigt werden soll. Solche unternehmerischen Entscheidungen können von den Gerichten für Arbeitssachen nur daraufhin überprüft werden, ob sie offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich sind (BAG 24. Mai 2012 – 2 AZR 163/11 – Rn. 18, mwN, zitiert nach juris).
b) In Anwendung dieser Grundsätze ist das Bedürfnis für die Beschäftigung des Klägers zu den bisherigen Arbeitsbedingungen jedenfalls mit Ablauf der Kündigungsfrist entfallen, da die Beklagte entschieden hat, – ua. im bisherigen Aufgabenbereich des Klägers als Lebensmittelchemiker – die instrumentelle Analytik nur an den Standorten C-Stadt, Y-Stadt und Z.-Stadt durchzuführen und deshalb Analysegeräte teilweise zu entsorgen, teilweise Analyseaufträge fremdzuvergeben, restliche Analysen den Chemielaboranten G. und H. (ohne überobligatorische Mehrarbeit) zu übertragen und diese Entscheidungen auch umgesetzt hat.
aa) Nach dem Vortrag der Beklagten (vgl. Schriftsätze vom 14. Juli 2022 (Bl. 38 ff. d. A.), und vom 16. September 2022 (Bl. 513 ff. d. A.), vgl. Anlage B 24 zum Schriftsatz vom 16. September 2022, Bl. 551 d. A.) war der Kläger zuletzt – vor der Aufnahme der Prozessbeschäftigung in C-Stadt – im Jahr 2019 im Bereich instrumentelle Analytik wöchentlich zu 16 Stunden mit Projekttätigkeiten im Bereich Wiedererlangung von Akkreditierungen befasst, verrichtete im Übrigen ca. 20 Stunden Arbeiten an den Geräten GF afe 9, HPLC afe 1, LC-MSMS und HPLC afe 5 (Parameter Aflatoxine und Ochratoxin A: 1,0 h; Fettsäureverteilung: 3 h, t-Fettsäuren: 3 h, Milchfett: 3 h, Fettsäuren DHA/EPA: 1 h, Cumarin: 3 h, Acrylamid: 4 h, Vanillin (LM): 2 h) und war wöchentlich ca. vier Stunden mit Troubleshooting betraut. Weitere Analyseaufgaben hat der Kläger nach Angaben der Beklagten nur vertretungsweise verrichtet. Dass diese Darstellung der Ausgangstätigkeiten des Klägers unzutreffend ist, hat der Kläger nicht substantiiert in Abrede gestellt. Soweit er vorgetragen hat, die Beklagte habe im Vorprozess – nach seiner Auffassung: abweichend – 16 Stunden Projekttätigkeiten, 20 Stunden Routinetätigkeiten und vier Stunden Troubleshooting behauptet, entspricht dies zum einen – summiert – im Wesentlichen ohnehin den nunmehrigen Angaben der Beklagten. Zum anderen hätte die reine Berufung auf den Vortrag der Beklagten im Vorprozess eigenen Sachvortrag des Klägers zu seinen Tätigkeiten nicht ersetzen können. Wenn der Kläger sich unter Hinweis auf das Qualitätsmanagement Handbuch der A. GmbH darauf stützt, ihm seien bis 31. Januar 2020 insgesamt neun Tätigkeiten zugewiesen gewesen, von denen zwei nicht neu vergeben worden seien, übersieht er, dass seine Angaben aus dem Organigramm gültig ab 20. August 2014 (Bl. 107 d. A. im Verfahren 3 Ca 204/20 = 7 Sa 228/20) stammen, während vorliegend das Organigramm gültig ab 09. August 2019 relevant ist, welches lediglich noch drei Aufgaben des Klägers aufführt (Bl. 111 d. A. im Verfahren 3 Ca 204/20 = 7 Sa 228/20), die mit dem Vortrag der Beklagten überein zu bringen sind. Soweit der Kläger geltend gemacht hat, es müsse Methodenpflege in Höhe von 15 Minuten wöchentlich für die Aufrechterhaltung der Akkreditierung aller (13) Parameter Berücksichtigung finden, handelt es sich bei dieser geringfügigen Tätigkeit nicht um eine Aufgabe, die zusätzlich zu den vom Kläger zuletzt verrichteten Akkreditierungsaufgaben eigenständig anzusetzen wäre. Damit gilt der Vortrag der Beklagten zu den Ausgangstätigkeiten des Klägers nach §§ 138 Abs. 2, 3 ZPO als zugestanden.
bb) Die Beschäftigungsmöglichkeit des Klägers zu diesen bisherigen Arbeitsbedingungen ist spätestens mit Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist am 31. August 2022 entfallen. Dies steht unter Berücksichtigung des gesamten Inhaltes der Verhandlungen und des Ergebnisses der durchgeführten Beweisaufnahme durch Vernehmung der Zeugen E., F., G. und H. für die Berufungskammer zur freien Überzeugung gemäß § 286 Abs. 1 ZPO fest. Damit ist die Beklagte der ihr gemäß § 1 Abs. 3 Satz 4 KSchG obliegenden Beweislast nachgekommen, nachdem der Kläger – bereits erstinstanzlich – die Entsorgung von Geräten, die Fremdvergabe von Analysen und – im Berufungsverfahren – die Verlagerung von Aufgaben ohne überobligatorische Mehrarbeit auf Chemielaboranten bzw. den Laborleiter bestritten hatte.
(1) Die vom Kläger benutzten Analysegeräte GC afe 9 und LC-MSMS waren bei Ablauf der Kündigungsfrist bei gleichzeitiger Fremdvergabe der entsprechenden Beprobungen entsorgt und die Beprobungen von Cumarin – ohne Geräteentsorgung – fremdvergeben. Dies hat die Beweisaufnahme durch Vernehmung der Zeugen E. und F. ergeben. Der Zeuge E., der ehemalige Geschäftsführer der A. GmbH und nunmehrige Standortleiter A-Stadt der Beklagten, hat glaubhaft ausgesagt, dass das – vom Kläger wöchentlich insgesamt 10 Stunden für die Analyse von Fettsäureverteilung, t-Fettsäuren, Milchfett und Fettsäuren DHA/EPA bediente – Gerät GC afe 9, seiner Erinnerung nach im Frühjahr/Sommer 2022 entsorgt wurde und die entsprechenden Analysen nunmehr im Labor Y-Stadt gemacht werden. Auch der damalige Laborleiter F., der zwischenzeitlich bei der Beklagten ausgeschieden ist, hat angegeben, dass dieses Gerät entsorgt worden ist, weil es alt war und dass er die entsprechenden Proben in der Folge zur Bearbeitung nach Y-Stadt gesandt hat. Auch wenn der Zeuge F. die Entsorgung auf Nachfrage terminlich Ende 2021 vermutet hat, steht dies der Glaubhaftigkeit seiner Aussage nicht entgegen, da er zugleich klargestellt hat, in zeitlichen Einteilungen nicht gut zu sein. Hinsichtlich der vom Kläger wöchentlich mit ca. drei Stunden verrichteten Analysen von Cumarin (HPLC afe 1) haben beide Zeugen übereinstimmend ausgesagt, dass dieser Stoff bei der Beklagten nicht mehr beprobt wird, wobei der Standortleiter E. im Einzelnen angeben konnte, dass Cumarin – wie Kreatinin – bereits seit 2020 nicht mehr in A-Stadt analysiert wird, sondern die Analyse an das IFP-Labor in S.-Stadt fremdvergeben wird. Dass der Zeuge F. zu diesen Punkten keine Einzelheiten kannte, war für die Berufungskammer folgerichtig, hat er doch ausgesagt, dass die Analyse von Kreatinin und Cumarin nicht sein Bereich gewesen sei und er auch keine Entscheidung zur Fremdvergabe getroffen habe. Zum Gerät LC-MSMS, mit dem der Kläger mit vier Wochenstunden Acrylamid-Analysen gemacht hat, hat der Zeuge E. unter Zuhilfenahme seiner Aufzeichnungen vor dem Beweisaufnahmetermin angegeben, dass er das Gerät am 09. Juli 2021 persönlich in das Labor der Beklagten nach Y-Stadt verbracht hat. Weiter hat er ausgesagt, dass in Y-Stadt bereits seit 2020 die entsprechenden Analysen gemacht worden sind, obwohl das Gerät noch in A-Stadt stand, da ursprünglich geplant gewesen sei, die Analysen für Pestizide damit zu machen, welche nunmehr jedoch schwerpunktmäßig in C-Stadt und in Z.-Stadt gemacht werden. Auch der Zeuge F. hat sich – wenn auch erneut ohne nähere zeitliche Einordnung – an die Verbringung des Gerätes gemeinsam mit dem Zeugen E. in dessen Kofferraum erinnern können, damit dieser es nach Y-Stadt bringen konnte. Beide Zeugen, hinsichtlich deren Glaubwürdigkeit die Berufungskammer keine Veranlassung zu Zweifeln hatte, haben auch im Übrigen im Wesentlichen übereinstimmende Sachverhalte geschildert, auch wenn der Zeuge F. aufgrund der Tatsache, dass einige Beweisfragen nicht seinen Bereich betroffen haben, weniger Einzelheiten darlegen konnte.
(2) Die Beweisaufnahme hat auch ergeben, dass die vom Kläger zuvor an den verbleibenden Analysegeräten HPLC afe 2 und 1 durchgeführten Beprobungen jedenfalls zum Zeitpunkt des Ablaufs der Kündigungsfrist von den Zeugen G. und H. übernommen waren, ohne dass diese deswegen hätten Mehrarbeit leisten müssen. Der Zeuge E. hat als Standortleiter der Beklagten ausgesagt, mit den drei am Standort A-Stadt verbliebenen HPLC-Geräten (afe 1 bis 3) würden Zuckeranalysen, organische Säuren und Mykotoxine beprobt und zwar von zwei Laboranten in Teilzeit, bis Ende September 2023 von der Zeugin G. und dem Zeugen H. (bis Ende November 2022), ohne dass im Rahmen der elektronischen Erfassung Überstunden angefallen wären. Zu letzter Frage hat der Zeuge auf Nachfrage ergänzend angegeben, dass er Überstunden als Standortleiter kontrolliere und – mit Ausnahme von krankheitsbedingten Ausfällen oder Engpässen wegen Kündigungen – keine Überstunden anfielen, weil man das am Standort „eigentlich ganz gut im Griff“ habe. Der Zeuge hat auch erläutert, dass er bei den derzeit tätigen Teilzeitkräften I. und H. – bei wechselndem Anfall von zu bearbeitenden Parametern – insgesamt ca. von 15 bis 20 Wochenstunden und 16 Wochenstunden Arbeitsvolumen ausgeht. Auch der damalige Laborleiter F. konnte bezeugen, dass die damals bei der Beklagten beschäftigten Chemielaboranten H. und G. innerhalb ihrer Teilzeit-Arbeitszeit die Tätigkeiten an den in Rede stehenden Analysegeräten verrichtet haben. Diese Angaben haben auch die unmittelbar betroffenen Zeugen G. und H., die für die Berufungskammer uneingeschränkt glaubwürdig wirkten, bestätigt. Die Zeugin G. hat ausgesagt, dass sie „keine großen“ Überstunden im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit in der Analytik (Zuckeranalysen und organische Säuren) und hat klargestellt, dass dies weder vor April 2022, noch danach der Fall war. Auch der Zeuge H. hat angegeben, dass in seinem Tätigkeitsfeld – Mykotoxine – „das mit der Arbeitszeit immer ganz gut hingehauen“ hat, außer, wenn es manchmal Probleme, wie zB einen Aufschub an der Maschine gab. Auch diese beiden Zeugen haben detailreich glaubhaft im Zusammenhang ausgesagt, ohne dass sich ihre Aussagen widersprochen hätten, so dass die Berufungskammer keine Veranlassung zu Zweifeln an ihren Angaben hatte.
(3) Die Beweisaufnahme durch Vernehmung der Zeugen E., F., G. und H. hat ebenfalls ergeben, dass der damalige Laborleiter F. die Tätigkeiten im Troubleshooting ohne überobligatorische Mehrarbeit übernommen hat. Dies haben sämtliche Zeugen übereinstimmend angegeben. Die Zeugen E. und F. haben ausgesagt, es habe sich um eine Tätigkeit von ca. drei Stunden wöchentlich gehandelt, wobei auch diese Zeugen – wie die Zeugen E. und F. – klargestellt haben, dass es sich hierbei um einen angenommenen Mittelwert handelt und insbesondere die Zeugen G. und H., bei deren „Schwierigkeiten“ der Zeuge F. zum Einsatz kam, betont haben, dass es eher seltener vorkam, dass der Laborleiter eingreifen musste. Vom Anfall von Mehrarbeit durch die Übernahme der Tätigkeit vermochte die Berufungskammer daher nicht auszugehen.
(4) Die vom Kläger in der Vergangenheit mit 16 Wochenstunden durchgeführten Projekttätigkeiten im Zusammenhang mit der Wiedererlangung von Akkreditierungen sind aufgrund der vom Kläger nicht in Abrede gestellten unternehmerischen Entscheidung der Beklagten, diese Akkreditierungen nicht länger zu verfolgen, entfallen. Es bestehen – wie auch beim übrigen Vorgehen der Beklagten – keinerlei Anhaltspunkte, dass diese Unternehmerentscheidung der Beklagten offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist. Einen Anspruch auf Fortführung der Akkreditierungsbemühungen oder gar Schaffung eines Arbeitsplatzes nach Wunsch durch Nutzung noch bestehender Akkreditierungen hat der Kläger – wie bereits das Arbeitsgericht zutreffend entschieden hat – nicht.
4.3. Das dem Kläger unterbreitete Änderungsangebot war auch verhältnismäßig, weil sich die vorgeschlagenen Änderungen nicht weiter vom bisherigen Inhalt des Arbeitsverhältnisses entfernten, als erforderlich und nötig. Die dem Kläger angetragene Aufgabe als Lebensmittelchemiker in C-Stadt hat dieser im Rahmen der Prozessbeschäftigung bereits erledigt. Da es sich um eine Vollzeitstelle handelte, war die Beklagte auch berechtigt, dem Kläger vorrangig diese Stelle mit einer dem vorherigen Arbeitszeitumfang entsprechenden wöchentlichen Regelarbeitszeit anzutragen, statt ihm an den Geräten afe 1 bis 3 verbliebene Teilzeittätigkeiten anzubieten. Soweit der Kläger angegeben hat, wöchentlich habe er 15 Minuten Methodenpflege pro akkreditiertem Parameter betrieben, handelte es sich bei diesem geringfügigen Arbeitszeitumfang um keinen eigenständigen Arbeitsplatz, den die Beklagte dem Kläger hätte anbieten müssen, zumal keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass diese Tätigkeiten bei den verbliebenen Parametern nicht durch die Zeugen G. und H. bzw. den ebenfalls als Lebenschemiker ausgebildeten Zeugen F. miterledigt werden können.
4.4. Die Beklagte war auch nicht verpflichtet, eine Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG vorzunehmen, die zugunsten des Klägers ausgegangen wäre. Der Kläger ist weder mit dem hierarchisch über ihm angesiedelten Laborleiter F. vergleichbar, noch mit den Chemielaboranten G. und H., die von Qualifikation und Tätigkeit hierarchisch unterhalb des Klägers als Lebensmittelchemiker stehen. Ungeachtet dessen hat das Arbeitsgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass der verheiratete und gegenüber seiner Ehefrau und zwei Kindern unterhaltsverpflichtete Zeuge F., der seit 11. Februar 2006 und damit länger als der Kläger im Betrieb tätig war, sozial schutzwürdiger war als der Kläger.
5. Entgegen der Ansicht der Berufung ist die Kündigung auch nicht nach § 613a Abs. 4 BGB unwirksam, weil sie wegen eines Betriebsübergangs erfolgt wäre. Nach § 613a Abs. 4 BGB ist die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Arbeitnehmers durch den bisherigen Arbeitgeber oder durch den neuen Inhaber wegen des Übergangs eines Betriebs oder eines Betriebsteils unwirksam. Das Recht zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus anderen Gründen bleibt unberührt. Diese Bestimmung dient der Umsetzung von Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2001/23/EG, wonach der Übergang eines Unternehmens, Betriebs oder Unternehmens- bzw. Betriebsteils als solcher für den Veräußerer oder den Erwerber keinen Grund zur Kündigung darstellt. Etwaige Kündigungen aus wirtschaftlichen, technischen oder organisatorischen Gründen, die Änderungen im Bereich der Beschäftigung mit sich bringen, sind davon ausgenommen (vgl. BAG 27. Februar 2020 – 8 AZR 215/19 – Rn. 90, mwN, zitiert nach juris). Ist der Betriebsübergang zwar äußerlicher Anlass, aber nicht tragender Grund, weil es einen sachlichen Grund gibt, der die Kündigung zu rechtfertigen vermag, ist die Kündigung nicht nach § 613a Abs. 4 BGB unwirksam (vgl. BAG 20. September 2006 – 6 AZR 249/05 – Rn. 28, mwN, zitiert nach juris). Dies ist vorliegend der Fall. Die Beklagte hat wie dargestellt entschieden, verschiedene Analysetätigkeiten in ihre bestehende Unternehmensstruktur einzubinden und deshalb die geschilderten Verlagerungs- und Fremdvergabemaßnahmen durchgeführt. Dass die Übernahme des Betriebs der A. GmbH hierbei tragender Grund gewesen wäre, vermochte die Berufungskammer nicht zu erkennen.
B
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne des § 72 Abs. 2 ArbGG sind nicht gegeben.