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Betriebsbedingte Kündigung aufgrund einer unternehmerischen Entscheidung

Landesarbeitsgericht Köln, Az.: 11 Sa 807/11, Urteil vom 05.02.2013

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 13.05.2011 – 5 Ca 940/11 – abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die am 28.01.2011 zugegangene Kündigung vom 17.01.2011 aufgelöst worden ist.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 8.300,00 EUR brutto zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.04.2011 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagte zu 7/10 und der Kläger zu 3/10.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung, die Länge der Kündigungsfrist sowie Vergütungsansprüche.

Betriebsbedingte Kündigung aufgrund einer unternehmerischen Entscheidung
Symbolfoto: Jakub Jirsak/Bigstock

Nachdem der Kläger zunächst als freier Mitarbeiter für die Beklagte tätig war, ist er seit dem 01.02.2009 auf der Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrages ohne Datum (Bl. 2 ff. d. A.) als Creative Producer (CP) beschäftigt. Die Beklagte, eine 100%ige Tochter der M AG, mit der auch ein Gewinnabführungsvertrag besteht, erstellt Fernsehproduktionen für Fernsehsender.

Nach dem schriftlichen Anstellungsvertrag erhält der Kläger eine monatliche Bruttovergütung von 8.300,00 EUR und das Arbeitsverhältnis kann gemäß § 7 Abs. 2 des Vertrages unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfristen beendet werden. Ferner ist in § 15 Abs. 4 des Arbeitsvertrages vorgesehen, dass Änderungen und Ergänzungen zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform bedürfen und dass dieses auch für die Aufhebung der Schriftform gilt.

Mit Schreiben vom 17.01.2011 hat die Beklagte das Arbeitsverhältnis „aus betrieblichen Gründen“ zum 28.02.2011 gekündigt. Gegen die ihm am 28.01.2011 zugegangene Kündigung hat der Kläger unter dem 04.02.2011 Kündigungsschutzklage erhoben und die Klage im Zuge des Verfahrens erweitert auf behauptete Vergütungsrückstände, resultierend aus einer mündlichen Zusage der Gehaltserhöhung, sowie um Ansprüche aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs.

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 23.05.2011 (Bl. 87 ff. d. A.) abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Kündigung sei aus betriebsbedingten Gründen sozial gerechtfertigt, da die Beklagte die unternehmerische Entscheidung getroffen habe, sich vom Entwicklungsbereich neuer Fernsehformate zu trennen. Aufgrund des individuell ausgehandelten Arbeitsvertrages sei die Schriftformklausel wirksam, der Kläger könne sich daher nicht auf angeblich mündlich erteilte Zusagen zur verlängerten Kündigungsfrist und zur Erhöhung des Gehaltes berufen. Wegen der weiteren Einzelheiten des streitigen und unstreitigen Vorbringens sowie der Antragstellung der Parteien erster Instanz wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Gegen das ihm am 01.07.2011 zugestellte Urteil hat der Kläger am 29.07.2011 Berufung eingelegt und diese innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 30.09.2011 begründet.

Der Kläger bestreitet eine unternehmerische Entscheidung der Beklagten, durch die sein Arbeitsplatz entfallen sei. Die Beklagte habe nicht hinreichend dargetan, dass die Tätigkeitsfelder eines CP und der Entwicklung neuer TV-Formate weggefallen seien. Die Entwicklung von Formaten, die im Jahre 2010 begonnen worden seien, sei bis ins Jahr 2011 fortgesetzt worden. Aus diesem Grund habe die Beklagte noch Mitte 2011 neue Redakteure gesucht. Die Beklagte habe bis zur Absetzung des Geschäftsführers B alles daran gesetzt, neue Programme zu entwickeln und zu vertreiben. Die beabsichtigte Fortsetzung des operativen Geschäftsbetriebs der Beklagten sei dem Geschäftsbericht 2010, veröffentlicht am 07.12.2011, der Muttergesellschaft zu entnehmen. Auch dokumentiere der Geschäftsbericht die beabsichtigte Fortsetzung des Formats „G “ sowie die geplante Fortführung weiterer Fernsehformate. Der ehemalige Geschäftsführer S habe noch im Dezember 2010 Verhandlungen mit dem Sender P S über weitere Folgen der Fernsehsendung „D „, die Konditionen des Formats „S r “ und eine Abbruchregelung der „S “ geführt. Mündlich sei der Auftrag über die Produktion von vier Folgen der Showreihe „D “ und einer Staffel aus 15 oder 18 Folgen „S r “ erfolgt. Als Kompensation für den Abbruch“S strasse“ sei der Pilot-Auftrag der Doku-Soap „H “ erteilt worden. Der Kläger behauptet, die Parteien hätten Mitte November 2010 die Vereinbarung getroffen weitere, dass der Kläger neue Arbeitsaufgaben übernehme. Dafür sei ihm vom Geschäftsführer B eine Gehaltserhöhung von monatlich 1.000,00 EUR mündlich zugesagt worden. Ferner habe die Beklagte ihn langfristig an das Unternehmen binden wollen und eine Kündigungsfrist von einem Jahr vorgeschlagen, was der Kläger auch akzeptiert habe. Der Wirksamkeit der mündlichen Abrede stehe die Schriftformklausel des schriftlichen Anstellungsvertrages nicht entgegen. Die Schriftformklausel verstoße gegen das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen und sei nicht ausgehandelt. Der Arbeitsvertrag des Klägers basiere auf einem Muster einer Anwaltskanzlei und sei ohne Änderung der formellen Klauseln stets von der Beklagten verwendet worden.

Der Kläger beantragt, unter Abänderung des angegriffenen Urteils

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung am 28.01.2011 zugegangene Kündigung vom 17.01.2011 aufgelöst wurde oder wird; hilfsweise festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 17.01.2011 erst zum 31.01.2012 aufgelöst wird;

2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 9.300,00 EUR brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.01.2011 zu zahlen, abzüglich am 31.12.2010 gezahlter 5.250,81 EUR netto;

3. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 9.300,00 EUR brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.02.2011 zu zahlen, abzüglich am 31.01.2011 gezahlter 5.250,81 EUR netto;

4. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 9.300,00 EUR brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.03.2011 zu zahlen, abzüglich am 28.02.2011 gezahlter 5.250,81 EUR netto;

5. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 9.300,00 EUR brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.04.2011 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte behauptet, sie habe die Entscheidung getroffen, sich vom gesamten Entwicklungsbereich neuer Fernsehformate zu trennen. Im Januar 2011 sei zunächst entschieden worden, den Entwicklungsbereich neuer Fernsehformate einzustellen und die schrittweise Reduzierung sämtlicher Produktionsbereiche eingeleitet worden. Hintergrund sei die fehlende Beauftragung und streitige Auseinandersetzungen mit dem Sender P S , die bereits im Herbst 2010 erkennbar gewesen seien und sich zum Jahreswechsel 2010/2011 konkretisiert hätten. Die unternehmerische Entscheidung zur Umstrukturierung ergebe sich einerseits aus der Tatsache, dass keine Entwickler neuer Fernsehformate im Unternehmen verblieben seien. Andererseits sei sie als Bestandteil des Kostensenkungsprogramms aus der Ad-hoc-Mitteilung vom 28.03.2011 (Bl. 69 d. A.) zu entnehmen. Die Beklagte habe versucht, für bestehende Formate neue Aufträge zu erlangen, soweit dies nicht – wie im Falle von „G “ – ausgeschlossen gewesen sei. Der Schwerpunkt habe auf der Erfolgssendung „S r “ gelegen. Neue Beauftragungen seien nicht erfolgt. Die Beklagte produziere seit dem Jahre 2011 keine Sendungen mehr, vermarkte nur noch Rechte und habe erhebliche Verluste zu verzeichnen. Die Beklagte bestreitet, dass es sich bei den arbeitsvertraglichen Regelungen um Allgemeine Geschäftsbedingungen handele, vielmehr sei der Anstellungsvertrag ausgehandelt worden. Die von dem Kläger behaupteten Zusagen zur Gehaltshöhe und zur verlängerten Kündigungsfrist seien nicht erteilt worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze der Parteien vom 30.09.2011, 18.11.2011, 06.01.2012, 10.01.2012 und 29.10.2012 und den übrigen Akteninhalt Bezug genommen. Das Landesarbeitsgericht hat Beweis erhoben über die vom Kläger behaupteten mündlich vereinbarten Änderungen des schriftlichen Anstellungsvertrages durch Vernehmung der Zeugen B und S . Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 30.10.2012 Bezug genommen.

Nach dem Verhandlungstermin am 30.10.2012 hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 13.11.2012 hilfsweise beantragt, festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers bei der Beklagten zum 31.03.2012 geendet hat. Hintergrund ist eine von der Beklagten im Februar 2012 ausgesprochene weitere vorsorgliche Kündigung zum 31.03.2012, die der Kläger gerichtlich nicht angegriffen hat.

Entscheidungsgründe

I. Die Berufung des Klägers ist zulässig, denn sie ist gemäß § 64 Abs. 2 b), c) ArbGG statthaft und wurde ordnungsgemäß innerhalb der Fristen des § 66 Abs. 1 ArbGG eingelegt und begründet.

II. Die Berufung des Klägers ist teilweise begründet.

1. Die Kündigung der Beklagten vom 17.01.2011 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgelöst.

a) Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden unstreitig die besonderen Kündigungsschutzbedingungen des KSchG aufgrund der Betriebsgröße und der Dauer der Beschäftigung des Klägers gemäß §§ 1 Abs. 1, 23 Abs. 1 KSchG Anwendung. Die Kündigungsschutzklage wurde fristgerecht im Sinne des § 4 Satz 1 KSchG erhoben.

b) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses ist sozial ungerechtfertigt nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG, denn es lagen zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung keine dringenden betrieblichen Erfordernisse vor, die einer Weiterbeschäftigung des Klägers im Betrieb der Beklagten entgegen standen.

aa) Betriebliche Erfordernisse, die eine Kündigung bedingen, können sich aus außerbetrieblichen Umständen ergeben. Passt der Arbeitgeber im Fall eines Auftragsverlustes oder eines reduzierten Auftragsbestands die Anzahl der benötigten Arbeitnehmer unmittelbar an die verbliebene Arbeitsmenge an, kann sich daraus ein dringendes betriebliches Erfordernis zur Kündigung ergeben, wenn der Arbeitsanfall – dauerhaft – so zurückgegangen ist, dass zukünftig für einen oder mehrere Arbeitnehmer kein Bedürfnis für eine Weiterbeschäftigung mehr besteht. Ein Rückgang des Arbeitskräftebedarfs kann sich auch daraus ergeben, dass sich eine im Betrieb tatsächlich umgesetzte unternehmerische Organisationsentscheidung auf die Anzahl der verbliebenen Arbeitsplätze auswirkt. Unternehmerische Entscheidungen sind von den Gerichten nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder Zweckmäßigkeit hin zu überprüfen, sondern nur darauf, ob sie offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich sind. Nachzuprüfen ist aber, ob die fragliche Entscheidung tatsächlich umgesetzt wurde und dadurch das Beschäftigungsbedürfnis für einzelne Arbeitnehmer entfallen ist. Der Arbeitgeber muss konkret erläutern, in welchem Umfang und aufgrund welcher Maßnahmen die bisher vom gekündigten Arbeitnehmer ausgeübten Tätigkeiten für diesen zukünftig entfallen. Wird die Kündigung auf eine zu erwartende künftige Entwicklung der betrieblichen Verhältnisse gestützt, braucht diese bei Kündigungsausspruch noch nicht tatsächlich eingetreten zu sein. Es genügt, dass sie sich konkret und greifbar abzeichnet. Das ist der Fall, wenn im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung die auf Tatsachen gestützte, vernünftige betriebswirtschaftliche Prognose gerechtfertigt ist, mit Ablauf der Kündigungsfrist werde mit einiger Sicherheit ein die Entlassung erforderlich machender betrieblicher Grund vorliegen. Dabei muss eine der entsprechenden Prognose zugrunde liegende eigene unternehmerische Entscheidung des Arbeitgebers aber bereits im Kündigungszeitpunkt endgültig getroffen worden sein. Andernfalls kann eine zum Wegfall des Arbeitsplatzes führende Entscheidung nicht sicher prognostiziert werden (BAG, Urteil vom 23.02.2012- 2 AZR 548/10 – m. w. N.).

bb) Die Beklagte hat bereits nicht hinreichend dargetan, auf welcher prognostischen Grundlage sie im Januar 2011 wegen der von ihr in unzureichender allgemeiner Form behaupteten Entscheidung der Einstellung des Entwicklungsbereichs neuer Fernsehformate sowie der sukzessiven Reduzierung sämtlicher Produktionsbereiche sie von einem kompletten Wegfall des Beschäftigungsbedürfnisses des Klägers ab März 2011 ausgehen konnte. Es bleibt offen, welche konkrete Maßnahmen – außer der Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers – sie in welchen zeitlichen Schritten auf welcher planerischen Grundlage zum Zwecke der Umstrukturierung ergriffen hat. Der Kläger war nicht ausschließlich mit der Entwicklung neuer Fernsehformate betraut, sondern auch mit der Produktionsbetreuung bestehender und weiterzuentwickelnder Formate. Inwieweit sich die sukzessive Reduzierung der Produktionsbereiche auf die Beschäftigungsmöglichkeit des Klägers ausgewirkt hat, ist dem Vorbringen der Beklagten nicht zu entnehmen. Soweit die Beklagte auf die Ad-hoc-Mitteilung der Muttergesellschaft M AG vom 28.03.2011 (Bl. 69 f. d. A.) Bezug nimmt, ist dem nur zu entnehmen, dass in Phase I des Sanierungskonzeptes ein striktes Kostensenkungsprogramm mit Personalanpassungen durchgeführt wurde, das im Zeitraum Juni 2010 bis März 2011 zu einer 50prozentigen Kostensenkung geführt haben soll. Aussagen zur unternehmerischen Planung und betrieblichen Umsetzung enthält die Mitteilung nicht. Die Auswirkung auf bereits im Jahre 2010 akquirierte aber in der Entwicklung noch nicht abgeschlossene Formate ist nicht dargetan. Die Beklagte hat selbst eingeräumt, dass sie noch im Jahre 2011 versucht hat, für bestehende Formate neue Aufträge zu erlangen. Dies entspricht auch dem vom Kläger unwidersprochen zitierten Geschäftsbericht 2010 der Muttergesellschaft, wonach die Beklagte ihr operatives Geschäft vorantreiben und fortwährend neue Formate entwickelt werden sollen. Aus welchem Grund es im Januar 2011 ausgeschlossen war, dass die Beklagte Mitte des Jahres 2011 Folgeaufträge für die Reihe „G “ erhalten wird, bleibt unklar. Der Kläger hat ohne Widerspruch der Beklagten vorgetragen, dass die Beklagte noch im Mai 2011 neue Redakteure für einen Zeitraum von 10 Monaten gesucht hat. Ebenso unwidersprochen ist die Darlegung des Klägers geblieben, die Beklagte habe im Dezember 2010 vom Sender P S mündlich die Beauftragung für Folgen von „D „, „S r “ und „H “ erhalten. Aufgrund der dargelegten Tatsachen kann nicht davon ausgegangen werden, im Januar 2011 sei eine vernünftige betriebswirtschaftlicher Prognose gerechtfertigt gewesen, die Beschäftigungsmöglichkeit des Klägers werde mit Ablauf des Monats Februar 2011 in vollem Umfang entfallen.

2) Über den mit Schriftsatz vom 13.11.2012 hilfsweise angekündigten Feststellungantrag der Beklagten war nicht zu entscheiden, da er nicht Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, sondern erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung anhängig geworden ist. Mit Anberaumung des Verkündungstermins von Amts wegen war die mündliche Verhandlung geschlossen. Ein Grund zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nach § 156 ZPO bestand nicht.

3) Der Kläger hat gegen die Beklagte aus den §§ 615, 293, 296 BGB einen Anspruch auf Zahlung des Gehalts März 2011 in Höhe von 8.300,00 EUR brutto, da die Beklagte ihn für diesen Monat trotz Fortbestands des Arbeitsverhältnisses nicht beschäftigt hat. Der Zinsanspruch folgt aus den §§ 286 Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 1 BGB.

Nach einer unwirksamen Kündigung muss der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Arbeit wieder zuweisen, wenn er nicht in Annahmeverzug geraten will (vgl. z. B.: BAG, Urteil vom 05.06.2008 – 2 AZR 107/07 – m. w. N.).

4) Der Kläger hat gegen die Beklagte weder aus § 611 Abs. 1 BGB noch aus sonstigem Rechtsgrund einen Anspruch auf Zahlung einer Gehaltserhöhung ab Dezember 2010 in Höhe von monatlich 1.000,00 EUR brutto nebst Verzugszinsen.

Der Kläger vermochte nicht den Beweis zu führen, dass er sich im November 2010 mündlich in rechtsverbindlicher Art und Weise mit der Beklagten geeinigt hat, dass er ab Dezember 2010 ein monatlich um 1.000,00 EUR brutto erhöhtes Gehalt erhalten solle. Zwar hat der Zeuge S detailliert bekundet, die Beklagte habe den Kläger an das Unternehmen mit der zusätzlichen Aufgabe als Programmdirektor für den Bereich Vertrieb und Entwicklung als seriöse Bezugsperson binden wollen und der Kläger habe sich hierauf mit dem Zeugen B , dem ehemaligen Mitgeschäftsführer der Beklagten, per Handschlag u.a. gegen Zahlung des erhöhten Gehalts eingelassen. Jedoch steht die Aussage des Zeugen S in einem unauflösbaren Widerspruch zu der ebenfalls sehr detailreichen Bekundung des Zeugen B , der lediglich zu bestätigen vermochte, dass über veränderte Vertragskonditionen im Zusammenhang mit der fachlichen Ausrichtung und der angedachten Aufgabenübertragung als Ansprechpartner Redaktion gesprochen worden sei. Der Zeuge S habe als Gegenleistung 1.000,00 EUR Mehrvergütung vorgeschlagen, somit mehr als die 700,00 EUR, die der Zeuge B habe zahlen wollen, jedoch sei eine finanzielle Einigung nicht endgültig zustande gekommen. Er – der Zeuge B – habe ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er dies nicht alleine entscheiden könne, er vielmehr den zweiten Geschäftsführer R fragen müsse. Man habe sich zum Abschluss zwar die Hand gegeben, aber nicht im Sinne der Bestätigung einer Vereinbarung. Die Kammer hatte keinen Grund der Aussage des Zeugen S mehr zu glauben als jener des Zeugen B , wonach keine rechtsverbindliche Einigung über die Höhe des Gehalts in der Besprechung im November 2010 getroffen wurde. Beide Zeugen haben plausibel und im Einzelnen ihre Wahrnehmungen von dem entscheidenden Gespräch dargetan. Die jeweiligen konträren Aussagen sind in sich schlüssig und wirken glaubhaft. Das Aussageverhalten ließ keinen Rückschluss darauf zu, welche Bekundung näher an der Wahrheit liegt. Die rechtlichen Vertretungsverhältnisse bei der Beklagten sprechen eher für die Version des Zeugen B . Dieser war nicht alleinvertretungsberechtigt. Die Vertretung konnte nur gemeinschaftlich erfolgen, § 35 Abs. 2 GmbHG. Die Parteien selbst hatten darüber hinaus in § 15 Abs. 4 des Anstellungsvertrages vereinbart, dass Änderungen und Ergänzungen, einschließlich der Aufhebung der Schriftformklausel, der Schriftform bedürfen, was bei vertragskonformen Verhalten indiziell eher gegen eine mündlich vereinbarte Gehaltserhöhung spricht. Auch der weitere Tatsachenverlauf lässt eine verbindliche Einigung der Parteien über die Gehaltshöhe zweifelhaft erscheinen. Die avisierte schriftliche Vertragsänderung ist nicht zustande gekommen nachdem sich der mittlerweile unterrichtete Mitgeschäftsführer R der Sache angenommen hatte. Zusammenfassend ist daher festzustellen, dass nach der durchgeführten Beweisaufnahme erhebliche, nicht auszuräumende Zweifel daran bestehen, dass sich die Parteien im November 2010 mündlich auf die vom Kläger behauptete Gehaltserhöhung ab dem Dezember 2010 verständigt haben.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.

IV. Die Revision wurde nicht zugelassen, da die gesetzlichen Zulassungsvoraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht gegeben sind.

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