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Betriebsbedingte Kündigung – Betriebsbezogenheit der Sozialauswahl – Betriebsbegriff

Landesarbeitsgericht Hamm – Az.: 10 Sa 1020/11 – Urteil vom 02.03.2012

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 13.01.2011- 6 Ca 3686/10 – wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz noch um die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung der Beklagten, der ehemaligen Beklagten zu 1., vom 29.07.2010. In erster Instanz hatte der Kläger zusätzlich den Übergang des Arbeitsverhältnisses auf die ehemalige Beklagte zu 2. geltend gemacht.

Der am 15.06.1958 geborene Kläger ist verheiratet und hat ein Kind. Er ist staatlich geprüfter Techniker.

Seit dem 01.01.1991 ist er bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin, die mehr als 10 Arbeitnehmer ausschließlich der Auszubildenden beschäftigt, zuletzt als Servicetechniker im Kundendienstleistungszentrum (OES Support Engineer 2nd Level) zu einem monatlichen durchschnittlichen Bruttoverdienst von zuletzt 6.964,25 € in Vollzeit tätig. Seit Dezember 2000 übte der Kläger seine Tätigkeit vereinbarungsgemäß aufgrund einer mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten abgeschlossenen Zusatzvereinbarung (Bl. 327 d. A. 10 Sa 1086/11 Landesarbeitsgericht Hamm) in seinem Home-Office in D1 aus. Er nahm u.a. Störungsmeldungen von Kunden telefonisch entgegen und behob diese „remote“ von seinem Rechner aus. Soweit die Fehlerbehebung „remote“ nicht möglich war, gab der Kläger die Meldung an den Bereich IS Data Center/IS High-End weiter, der die Bearbeitung durch die Entsendung eines Technikers zum Kunden fortsetzte.

Das Kundendienstleistungszentrum, in dem der Kläger seine Tätigkeit neben anderen Mitarbeitern verrichtete, war dem ESC zugeordnet. Das ESC war seinerseits eine Unterabteilung von MMS, in der eine Vielzahl von Dienstleistungen im IT-Servicegeschäft gegenüber zahlreichen verschiedenen Kunden erbracht wurde. Der Bereich MMS war regional in mehreren Regionen aufgeteilt – Nord (Hamburg), Mitte (Frankfurt am Main), West (Düsseldorf) und Süd-Ost (München-Unterföhring).

Neben dem Bereich MSS bestanden bei der Beklagten zuletzt folgende Bereiche – BU: ASIC, HRE, SEB und Outsourcing. Die Bereiche ASIC, HRE und SEB waren das Ergebnis von Outsourcing-Projekten, nachdem die entsprechenden Unternehmen beschlossen hatten, keine eigenen IT-Abteilungen mehr zu unterhalten, sondern diese Tätigkeiten auszulagern. Die Beklagte hatte es übernommen, die Tätigkeiten von früher eigenen IT-Abteilungen der Kunden voll umfänglich zu übernehmen und dauerhaft zu erbringen. Der von der Beklagten betriebene Bereich Outsourcing ist seinerseits für die Phase von der Marktsondierung bis hin zum Vertragsabschluss mit einem Kunden zuständig.

Ob die genannten Bereiche – ASIC, HRE, SEB, Outsourcing und MMS – bzw. der Unterbereich MMS-West, dem der Kläger zugeordnet war, einen eigenständigen Betrieb mit eigener personeller Leitung war oder ob alle wesentlichen organisatorischen, personellen und sozialen Fragen vom Hauptsitz der Beklagten in F1 aus entschieden wurden, ist zwischen den Parteien streitig.

Das Arbeitsverhältnis des Klägers war mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der Fa. A2 begründet worden. Im Anstellungsvertrag vom 08.11.1990 (Bl. 62 ff. d. A.), der eine Versetzungsklausel enthielt, heißt es unter anderem:

„Im übrigen gelten ergänzend alle Bedingungen und Regelungen des Personalhandbuches, die Bestandteil dieses Vertrages sind.“

Die Firma A2 schloss mit ihrem Betriebsrat am 01.06.1992 eine Betriebsvereinbarung über die allgemeinen Arbeitsbedingungen (Bl. 288 f. d. A.). In dieser Betriebsvereinbarung heißt es unter anderem:

„Abschnitt H. 1. Kündigungsfristen

Das Arbeitsverhältnis von Mitarbeitern, die das 55. Lebensjahr vollendet und unserer Firma mindestens 10 Jahre angehört haben oder das 50. Lebensjahr vollendet und unserer Firma mindestens 15 Jahre angehört haben, kann nur aus wichtigem Grund gekündigt werden.“

Die Betriebsvereinbarung wurde in das Personalhandbuch der Fa. A2, einer Loseblatt-Sammlung, aufgenommen, die bei abändernden Betriebsvereinbarungen durch Nachlieferungen aktualisiert wurde.

Zum 01.07.1994 trat bei der Fa. A2 eine weitere Betriebsvereinbarung vom 11.03.1994 (Bl. 298 d. A.) in Kraft. In dieser Betriebsvereinbarung, auf deren Bestimmungen im Einzelnen Bezug genommen wird, heißt es unter anderem:

„Für alle Mitarbeiter, die vor dem 1. Juli 1994 eingetreten sind, gelten weiterhin bei Kündigung seitens des Arbeitgebers die bisherigen längeren Fristen.“

Das Arbeitsverhältnis des Klägers ging durch Betriebsübergang zum 01.04.2004 auf die Beklagte über. Zu diesem Zeitpunkt bestand bei der Beklagten eine Gesamtbetriebsvereinbarung über Betriebsordnung, Sozialordnung und Urlaubsordnung (GBV-BSU) vom 01.07.2003 (Bl. 300 ff. d. A.). In dieser Gesamtbetriebsvereinbarung ist unter Ziffer VII. 2. vereinbart:

„… Kündigungen haben grundsätzlich schriftlich zu erfolgen unter Beachtung der individuellen arbeitsvertraglichen und gesetzlichen Kündigungsfristen.

Der Arbeitgeber kann einem/r Mitarbeiter/in, der/die das 55. Lebensjahr, aber noch nicht das 65. Lebensjahr vollendet hat und dem Unternehmen mindestens seit 10. Jahren angehört, nur noch aus wichtigem Grund oder verhaltensbedingt kündigen.

Dies gilt auch bei Änderungskündigungen zum Zwecke der Entgeltminderung.

Dies gilt nicht bei allen sonstigen Änderungskündigungen und bei Betriebsänderungen, wenn ein anderer zumutbarer Arbeitsplatz nicht vorhanden ist.“

Neben der Beklagten, der ehemaligen Beklagten zu 1., die nicht tarifgebunden ist, gehört auch die ehemalige Beklagte zu 2., die Fa. F2 T1 S4 GmbH zur weltweit operierenden F2-Gruppe. Muttergesellschaft der Beklagten ist die ehemalige Beklagte zu 2., die ihrerseits tarifgebunden ist. Insoweit besteht ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag zwischen der Beklagten und der ehemaligen Beklagten zu 2..

Nach mehreren konzerninternen Umstrukturierungen bestanden zwischen Tätigkeitsfeldern der Beklagten einerseits und der Beklagten zu 2., der Muttergesellschaft, seit Anfang 2009 Schnittmengen und Überschneidungen, die zu Konkurrenzsituationen führten. Aus diesem Grund schloss die Beklagte am 18.07.2009 mit ihrem Gesamtbetriebsrat einen Interessenausgleich (Bl. 72 ff. d. A.) ab, der unter anderem im Bereich MSS einen Personalabbau von insgesamt 135 Stellen vorsah. Auf die einzelnen Bestimmungen der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 18.07.2009 (Bl. 72 ff. d. A.) wird Bezug genommen. In Ausführung der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 18.07.2009 übertrug die Beklagte wesentliche Bereiche der Tätigkeit ihres IT-Dienstleistungsunternehmens sukzessive auf die ehemalige Beklagte zu 2.. Aufgrund einer Anweisung per E-Mail des Mitarbeiters K1 vom 19.08.2009 (Bl. 426 ff. d. A.) übertrug der Kläger seine Tätigkeiten beginnend mit dem Monat August 2009 auf die ehemalige Beklagte zu 2.. Ab Oktober 2009 ordnete die Beklagte für den Kläger, der bis zum Monat Mai 2010 nachwirkenden Sonderkündigungsschutz als Ersatzmitglied des im Bereich MSS-West gebildeten Betriebsrats hatte, einen sogenannten „Hot-Standby“ an. Hiernach sollte sich der Kläger bereithalten, um notfalls etwaige Restanfragen von Kunden zu bearbeiten. Weitergehende Tätigkeiten des Klägers nahm die Beklagte seither nicht mehr in Anspruch. Tatsächlich war der Kläger seither für die Beklagten nicht mehr tätig.

Unter dem 16.09.2009 erteilte die Beklagte dem Kläger ein Zwischenzeugnis (Bl. 892 f. d. A.), auf dessen Inhalt Bezug genommen wird.

Im Zuge der aufgrund des Interessenausgleichs vom 18.07.2009 getroffenen Maßnahmen wechselte ein Arbeitskollege des Klägers, Herr M4, der ebenfalls im Bereich ESC tätig gewesen ist, zum 01.10.2009 in den Bereich ASIC, nachdem die Bereiche ESC und IS Data Center/IS High-End bereits zum 01.10.2009 ganz bzw. teilweise geschlossen worden waren.

Aufgrund eines zwischen der Beklagten und dem Gesamtbetriebsrat abgeschlossenen Interessenausgleichs vom 02.06.2010 (Bl. 64 ff. d. A.) wurde die BU MSS vollständig geschlossen. Diese Schließung erfolgte nach § 2 des Interessenausgleichs vom 02.06.2010 in zwei Stufen:

„- Ausgliederung der Bereiche MSS-CS Deskside-Generali-NDR, MSS-CS-AS (Application Services), MSS-SD-R1 und HR auf die F2 T1 S4 GmbH (F2 GmbH) und

– anschließende Schließung der verbliebenen Bereiche der BU MSS.“

In § 11 des Interessenausgleichs vom 02.06.2010 waren alternative Beschäftigungsmöglichkeiten für betroffene Mitarbeiter im Unternehmen geregelt. In der Anlage 5 zu § 11 des Interessenausgleichs vom 02.06.2010 waren insgesamt fünf im Unternehmen freie Stellen wie folgt niedergelegt:

„HRE / Service Operation / EMOS-Software 1 Ressource

ASIC / Hardware Engineering / Brainforce 1 Ressource

ASIC/Unix Schnittstellen/SW-Versorgungsverfahren/GFT 1 Ressource

ASIC/HW/Client Engineering EPD 01/03/S8 GmbH 2 Ressourcen“

Auf die weiteren Bestimmungen des Interessenausgleichs vom 02.06.2010 wird Bezug genommen.

Im Beschluss der damaligen Gesellschafter der Beklagten vom 09.06.2010 (Bl. 691 d. A.) ist ausgeführt:

„Vor dem Hintergrund der anhaltend schlechten wirtschaftlichen Situation der Gesellschaft soll die Gesellschaft weiter reorganisiert und die Fokussierung auf den Geschäftszweck „Outsourcing“ weiter vorangetrieben werden.

Hierzu hat die Geschäftsführung der Gesellschaft folgende Umsetzungsmaßnahmen vorgeschlagen: Die Business Unit MSS (Managed Services & Solutions) mit ihren vier Betrieben wird geschlossen. Von diesem Bereich bisher erfüllte Aufgaben und Kundenverträge werden beendet, nicht verlängert oder auf die F2 T1 S4 GmbH übertragen. Für die Bereiche/Kundenverträge NDR, AMB Generali, Human Resources, Application Services und R1 soll die Übertragung der Verträge und Ausgliederung der jeweiligen Bereiche einschließlich der Mitarbeiter im Wege eines Betriebsübergangs gemäß § 613 a BGB auf die F2 T1 S4 GmbH erfolgen.

Diesem Vorschlag wird zugestimmt.“

Mit Schreiben vom 26.02.2010 (Bl. 692 d. A.) hatte die Beklagte dem Mitarbeiter K1 mit Wirkung ab 01.02.2010 die Betriebsleitung für den Betrieb West und Süd-Ost übertragen. Hinsichtlich der Aufgaben der Betriebsleitung ist im Schreiben vom 26.02.2010 auf die „Ausführung der Funktion der Betriebsleitung“ von Februar 2010 (Bl. 962 f. d. A.) Bezug genommen worden. Mit gleichlautendem Schreiben vom 26.02.2010 (Bl. 693 d. A.) wurde dem Mitarbeiter K2 mit Wirkung zum 01.07.2010 die Betriebsleitung für den Betrieb Süd-Ost übertragen.

Mit Schreiben vom 22.07.2010 (Bl. 694 d. A.) übertrug die Beklagte dem Mitarbeiter J1 mit Wirkung ab 01.07.2010 die Betriebsleitung für den Betrieb Süd-Ost.

Mit Wirkung zum 01.07.2010 übertrug die Beklagte die Personalverwaltung/HR auf die ehemalige Beklagte zu 2..

Ebenfalls mit Schreiben vom 01.07.2010 informierte die Beklagte die Bundesanstalt für Arbeit, Agentur D2, über eine geplante Personalmaßnahme. Die Agentur für Arbeit teilte der Beklagten mit Schreiben vom 02.08.2010 (Bl. 346 d. A.) mit, dass keine Anzeigepflicht bestehe, weil im Betrieb West nur 13 von 18 Arbeitnehmern gekündigt würden.

Der Kläger bewarb sich auf zwei ihm von der Beklagten angebotenen im Interessenausgleich vom 02.06.2010 – Anlage 5 – vorgesehenen Stellen (ASIC/Hardware Engineering/Brainforce und ASIC/UNIX Schnittstellen/SW-Versorgungsverfahren/GFT).

Am 05.07.2010 fand insoweit ein Vorstellungsgespräch des Klägers in M3 statt. Der Kläger erhielt eine Absage per E-Mail, die ihm zuging, bevor er seine Heimfahrt von M3 aus mit dem Zug antrat. Die weiteren unbesetzten Stellen nach der Anlage 5 zu § 11 des Interessenausgleichs vom 02.06.2010 wurden dem Kläger nicht angeboten.

Die Beklagte beabsichtigte daraufhin, das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zu beenden. Mit Schreiben ohne Datum (Bl. 340 ff. d. A.) hörte die Beklagte den Betriebsrat MSS-West zur beabsichtigten Kündigung des Klägers an. Auf den Inhalt des Anhörungsschreibens o. D. (Bl. 340 ff. d. A.) wird Bezug genommen. Ob das Anhörungsschreiben dem Betriebsrat am 21.07.2010 nebst Anlagen übergeben worden ist, ist zwischen den Parteien streitig.

Der Betriebsrat widersprach der beabsichtigten Kündigung mit Schreiben vom 21.07.2010 (Bl. 5 ff. d. A.).

Mit Schreiben vom 29.07.2010 (Bl. 4 d. A.), dem Kläger zugegangen am gleichen Tage, kündigte die Beklagte das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis ordentlich betriebsbedingt zum 28.02.2011, hilfsweise zum nächstmöglichen Zeitpunkt sowie weiterhin hilfsweise außerordentlich mit sozialer Auslauffrist unter Einhaltung einer ordentlichen Kündigungsfrist bis zum 31.03.2011, hilfsweise zum nächstmöglichen Termin.

Mit weiterem Schreiben vom 29.07.2010 (Bl. 10 d. A.) wurde der Kläger mit Wirkung zum 01.08.2010 unwiderruflich von der Erbringung seiner Arbeitsleistung freigestellt.

Mit der am 16.08.2010 beim Arbeitsgericht eingegangenen Kündigungsschutzklage machte der Kläger die Unwirksamkeit der Kündigung vom 29.07.2010 geltend und verlangte ferner die Unwirksamkeit der Freistellung sowie den Fortbestand seines Arbeitsverhältnisses mit der ehemaligen Beklagten zu 2..

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er sei aufgrund seiner Seniorität (über 50 Jahre und länger als 15 Jahre Betriebszugehörigkeit) ordentlich unkündbar, ein wichtiger Grund für die Kündigung vom 29.07.2010 liege nicht vor. Seine Unkündbarkeit ergebe sich aus den allgemeinen Arbeitsbedingungen, die Bestandteil des Personalhandbuchs der Rechtsvorgängerin der Beklagten gewesen sei. Diese Regelung habe bereits mit Vertragsschluss des Klägers gegolten. Sie sei in den allgemeinen Arbeitsbedingungen durch zahlreiche Nachträge bestätigt worden. Die in der Betriebsvereinbarung vom 01.06.1992 geregelte Unkündbarkeit sei auch durch die Betriebsvereinbarung der Fa. A2 vom 11.03.1994 nicht abgeändert worden. In dieser Betriebsvereinbarung sei nur die Länge der Kündigungsfristen geändert worden. Aufgrund der Regelung im Arbeitsvertrag sei damit die Unkündbarkeit einzelvertraglich vereinbart worden.

Der Kläger hat ferner die Auffassung vertreten, der Betrieb MSS-West sei kein Betrieb im kündigungsschutzrechtlichen Sinne. Eine eigenständige Betriebsleitung habe es zu keinem Zeitpunkt im Bereich MSS-West gegeben. Zwar sei für diesen Bereich ein Betriebsrat gewählt worden, weil D2 vom Hauptsitz der Beklagten in F1 räumlich weit entfernt sei. Im Bereich MSS-West habe es aber keine einheitliche Organisation mit einem eigenen Leitungsapparat, der die wesentlichen Entscheidungen in personellen und sozialen Angelegenheiten selbständig getroffen habe, gegeben. Die angeblichen Betriebsleiter K2 und J1 seien weder dem Kläger noch den anderen Mitarbeitern des Standorts als Betriebsleiter oder Ansprechpartner in Sozial- oder Personalangelegenheiten bekannt gemacht worden. Tatsächlicher Vorgesetzter des Klägers sei zuletzt der am Standort M3 tätige Herr F4 B1 gewesen. Alle Organisations-, Personal- und Sozialfragen seien in F1 durch die dortige Geschäftsleitung sowie durch die dortige Personalverwaltung getroffen worden. Dies gelte zum Beispiel für seine Kündigung vom 29.07.2010 und für die Freistellung vom 29.07.2010.

Der Kläger hat ferner behauptet, der Standort in D2 – der Bereich MSS-West – sei nicht geschlossen worden. Die dortigen Geschäftsräume seien auch nach dem 31.12.2010 weiter unterhalten worden.

Der Kläger hat ferner behauptet, er könne auf freien Arbeitsplätzen nach § 11 des Interessenausgleichs vom 02.06.2010 weiterbeschäftigt werden. Er besitze die für die in der Anlage 5 zu § 11 des Interessenausgleichs vom 02.06.2010 aufgeführten Stellen erforderlichen Kenntnisse. Auch die Beklagte sei offenbar von der Eignung des Klägers für die genannten Arbeitsplätze ausgegangen, weil sie ihn zu einem Vorstellungsgespräch nach M3 eingeladen habe. Hinsichtlich der weiteren Stellen halte die Beklagte die Stellenbeschreibungen zurück, sie müsse deshalb im Einzelnen darlegen und unter Beweis stellen, welche Qualifikationen erforderlich seien und warum der Kläger diese nicht besitze oder nicht in einem zumutbaren Zeitrahmen erwerben könne.

Der Kläger hat ferner die Auffassung vertreten, die von der Beklagten getroffene Sozialauswahl sei unzutreffend. Die Beklagte müsse insbesondere mitteilen, mit welchen anderen Mitarbeitern sie ihn verglichen habe.

Als Servicetechniker sei er vergleichbar mit Herrn M4, Herrn D3, Herrn K3, Herrn B2, Herrn B6, Herrn S11, Herrn S12, Herrn B3, Herrn B4, Herrn P1 und Herrn M5. Insbesondere sei er mit dem Mitarbeiter M4 vergleichbar, da er und Herr M4 im Bereich ESC vergleichbare Tätigkeiten ausgeübt hätten.

Der Kläger hat ferner die Auffassung vertreten, die Massenentlassungsanzeige sei nicht ordnungsgemäß. Die in den vorgelegten Schreiben genannten Zahlen seien widersprüchlich. Die Beklagte habe nicht dargelegt, mit welchem Inhalt sie die Massenentlassungsanzeige erstattet habe.

Der Kläger hat ferner die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats bestritten und insoweit behauptet, die Unterzeichner des Anhörungsschreibens seien zum Zeitpunkt der Erstellung des Anhörungsschreibens bereits Mitarbeiter der ehemaligen Beklagten zu 2. gewesen. Weiterhin seien dem Betriebsrat die Sozialdaten der vergleichbaren Arbeitnehmer nicht vorgelegt worden, die Beklagte habe fehlerhaft auf dem Bereich MSS-West als eigenständigen Betrieb abgestellt. Schließlich sei dem Betriebsrat das Schreiben ohne Datum nicht am 21.07.2010 zugegangen.

Die am 29.07.2010 erfolgte Freistellung sei aus formalen Gründen unwirksam. Die Unterzeichnerinnen des Freistellungsschreibens vom 29.07.2010 seien zu diesem Zeitpunkt bereits Mitarbeiterinnen der ehemaligen Beklagten zu 2. gewesen und hätten die Beklagte nicht mehr als Handlungsbevollmächtigte vertreten können. Gründe für eine Freistellung seien nicht gegeben.

Schließlich hat der Kläger die Auffassung vertreten, dass bereits vor der Kündigung vom 29.07.2010 spätestens am 01.07.2010 ein Betriebsübergang von der Beklagten auf die ehemalige Beklagte zu 2. stattgefunden habe, durch welchen auch sein Arbeitsverhältnis auf die ehemalige Beklagte zu 2. übergegangen sei. Das Unternehmen der Beklagten führe nur einen einheitlichen Betrieb unter Leitung der Geschäftsführung in F1. Zum 01.07.2010 sei das Hauptauftragsvolumen der Beklagten auf die Beklagte zu 2. übergegangen.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers nicht durch das Schreiben der Beklagten zu 1. vom 29.07.2010, dem Kläger am selben Tag zugegangen, ausgesprochene ordentliche betriebsbedingte Kündigung beendet werden wird,

2. hilfsweise – für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. – festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers auch nicht durch die vorsorgliche außerordentliche betriebsbedingte Kündigung der Beklagten zu 1. vom selben Tag beendet werden wird,

3. festzustellen, dass die von der Beklagten zu 1. mit Schreiben vom 29.07.2010 ausgesprochene unwiderrufliche Freistellung ab 01.08.2010 unwirksam ist,

4. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der Beklagten zu 2. zu unveränderten Bedingungen seit dem 01.07.2010 fortbesteht.

Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Kündigung vom 29.07.2010 sei aus betriebsbedingten Gründen sozial gerechtfertigt.

Die Kündigung beende das Arbeitsverhältnis mit Wirkung zum 28.02.2011. Der Kläger sei nämlich nicht ordentlich unkündbar. Die Regelung aus der Betriebsvereinbarung vom 01.06.1992 sei mindestens durch die Betriebsvereinbarung vom 11.03.1994 abgelöst worden. In dieser Betriebsvereinbarung sei eine Unkündbarkeitsregelung nicht mehr enthalten. Spätestens aber habe die Gesamtbetriebsvereinbarung der Beklagten vom 01.07.2003 die Vorgängerbetriebsvereinbarungen der Fa. A2 abgelöst. Eine vertragliche Unkündbarkeitsregelung liege nicht vor, weil die Aufnahme der Betriebsvereinbarungen der Fa. A2 in das Personalhandbuch lediglich deklaratorische Bedeutung habe.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, der Kläger sei dem Bereich MSS zuzuordnen, in dem sie eine Vielzahl von größeren und kleineren Dienstleistungen im IT-Servicegeschäft gegenüber einer Vielzahl von Kunden erbracht habe. Der Bereich MSS habe einen gänzlich anderen arbeitstechnischen Zweck verfolgt, als die weiteren Business Units ASIC, HRE, SEB und Outsourcing. Sämtliche Bereiche stellten einen eigenständigen Betrieb dar und verfügten über eine eigene Leitung. Die Leitung des Betriebes MSS habe der Mitarbeiter K2 gehabt. In allen Bereichen seien eigene Betriebsräte gewählt worden. Alle Betriebsleiter der MSS-Betriebe hätten die Befugnis gehabt, Abmahnungen auszusprechen und Entscheidungen über personenbedingte oder verhaltensbedingte Kündigungen zu treffen. Die zentrale Personalverwaltung der Beklagten in F1 habe den Betriebsleitungen lediglich beratend zur Seite gestanden.

Der Betrieb, dem der Kläger angehört habe, habe mehrere Unterbereiche gehabt, die zum Teil bereits aufgrund des Interessenausgleichs vom 18.07.2009, teilweise durch Betriebsübergänge auf die ehemalige Beklagte zu 2. übergegangen sei. Der Unterbereich ESC, dem der Kläger angehört habe, sei aufgrund des Interessenausgleichs vom 02.06.2010 endgültig zum 31.12.2010 geschlossen worden. Diese geplante Maßnahme sei auch umgesetzt worden. Die Räume des Betriebes MSS-West seien geräumt, sämtlichen Arbeitnehmern sei gekündigt worden, der Betrieb werde bis auf geringe Restarbeiten, zum 31.12.2010 geschlossen. Auch die Produktionsgemeinschaften der anderen drei MSS-Betriebe seien zum 31.12.2010 aufgelöst worden. Der Bereich, in dem der Kläger tätig gewesen sei, sei bereits aufgrund des Interessenausgleichs vom 18.07.2009 weggefallen. In der Abteilung ESC sei in der Anlage 1 zum Interessenausgleich vom 18.07.2009 eine Reduzierung der Arbeitnehmerzahl von 15 auf 0 vorgesehen. Der Arbeitsplatz des Klägers sei bereits danach aufgrund des Interessenausgleichs vom 18.07.2009 weggefallen. Folgerichtig sei der Kläger bereits mit dem 3. Quartal 2009 nicht mehr im ESC beschäftigt worden. Dass es dem Kläger bei der Umsetzung des Interessenausgleichs vom 18.07.2009 noch keine Kündigung ausgesprochen sei, sei allein darauf zurückzuführen, dass seinerzeit der Betrieb noch nicht vollständig geschlossen worden sei und der Kläger als Ersatzmitglied des Betriebsrats nachwirkenden Sonderkündigungsschutz gehabt habe.

Anderweitige Beschäftigungsmöglichkeiten habe die Beklagte geprüft, sie bestünden jedoch nicht. Insbesondere komme der Kläger nicht für eine der in der Anlage 5 des Interessenausgleichs vom 02.06.2010 genannten Stellen in Betracht. Im Vorstellungsgespräch vom 05.07.2010 habe die Beklagte festgestellt, dass der Kläger, der in seinem bisherigen Tätigkeitsgebiet gut qualifiziert sei, für die freien Stellen nicht geeignet gewesen sei. Der Kläger sei spezialisiert auf Betriebssysteme und Software des Herstellers Sun und Solaris. Er sei im Großrechnerbereich tätig gewesen. Die ausgeschriebenen Stellen erforderten dagegen Fähigkeiten und Kenntnisse im Bereich Windows-Netzwerke einschließlich vertiefter Entwicklerkenntnisse sowie Kenntnisse in Programmiersprachen. Zwischen Großrechnern und Windows-Netzwerken bestünden gravierende Unterschiede. Es sei auch nicht möglich, den Kläger innerhalb einer zumutbaren Zeit auf den erforderlichen Stand zu bringen.

Die Beklagte hat ferner die Auffassung vertreten, sie sei auch nicht verpflichtet gewesen, dem Kläger die weiteren Stellen gemäß der Anlage 5 zu § 11 des Interessenausgleichs vom 02.06.2010 anzubieten. Nach dem Interessenausgleich habe die Beklagte anhand der Qualifikation zu prüfen, welche Mitarbeiter hierfür in Frage kämen. Der Abgleich der für die Stellen notwendigen Qualifikationen mit den Qualifikationen des Klägers habe ergeben, dass er hierfür von vornherein nicht in Betracht komme. Der Kläger wisse auch selbst, dass er beispielsweise keine Kenntnisse und Erfahrungen mit EMOS-Software habe.

Die getroffene Sozialauswahl sei ordnungsgemäß. Der Kläger sei nicht mit den von ihm benannten Mitarbeitern vergleichbar. Die vom Kläger genannten Mitarbeiter hätten nämlich sämtlichst – mit Ausnahme von Herrn M4 – Sonderkündigungsschutz aufgrund der Gesamtbetriebsvereinbarung SCOPE vom 31.05.2007 (Bl. 372 ff. d. A.), die im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang von der A3 auf die Beklagte geschlossen worden sei. Die vom Kläger genannten Mitarbeiter seien durch diesen Betriebsübergang zu Mitarbeitern der Beklagten geworden und im Bereich ASIC tätig.

Auch mit dem Mitarbeiter M4 sei der Kläger nicht vergleichbar, weil dieser schon im Rahmen der Personalabbaumaßnahme aufgrund des Interessenausgleichs vom 18.07.2009 in den Bereich ASIC versetzt worden sei. Bei diesem Bereich handele es sich um einen anderen Betrieb im kündigungsschutzrechtlichen Sinne.

Die Beklagte hat schließlich die Auffassung vertreten, der Betriebsrat sei ordnungsgemäß zur beabsichtigten Kündigung des Klägers angehört worden. Insoweit hat sie behauptet, das Anhörungsschreiben sei dem Betriebsrat am 21.07.2010 übergeben worden.

Die ehemalige Beklagte zu 2. hat die Auffassung vertreten, es sei kein Betrieb oder Betriebsteil, dem der Kläger zuzuordnen sei, auf sie übergegangen. Hierzu hat sie weiteren Vortrag gehalten.

Durch Urteil vom 13.01.2011 hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der Beklagten durch die Kündigung vom 29.07.2010 nicht aufgelöst worden ist und die Klage im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung der stattgebenden Klage hat das Arbeitsgericht ausgeführt, die Kündigung vom 29.07.2010 sei sozial ungerechtfertigt, weil sie das ultima-ratio-Prinzip verletze. Die Beklagte habe als milderes Mittel eine Änderungskündigung aussprechen und dem Kläger eine Weiterbeschäftigung auf einem der unstreitig nach dem Interessenausgleich vom 02.06.2010 freien Arbeitsplätze anbieten müssen. Die Weiterbeschäftigung des Klägers auf einem der freien Arbeitsplätze sei der Beklagten möglich und zumutbar. Seit der Freistellung des Klägers und den vorangegangenen acht Monaten der Nichtbeschäftigung des Klägers ab Herbst 2009 hätte die Beklagte dem Kläger konkrete Vorgaben machen können, welche konkreten Kenntnisse er sich aneignen müsse, um im Betrieb der Beklagten weiterbeschäftigt werden zu können.

Gegen das der Beklagten am 06.06.2011 zugestellte Urteil, auf dessen Gründe ergänzend Bezug genommen wird, hat die Beklagte am 28.06.2011 Berufung zum Landesarbeitsgericht eingelegt und diese mit einem am Montag, den 08.08.2011 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.

Der Kläger, dem das erstinstanzliche Urteil ebenfalls am 06.06.2011 zugestellt worden ist, hat seinerseits gegenüber der ehemaligen Beklagten zu 2. am 06.07.2011 Berufung zum Landesarbeitsgericht eingelegt, diese aber nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 17.10.2011 mit Schriftsatz vom 06.09.2011 zurückgenommen.

Nach Verkündung des erstinstanzlichen Urteils hat der Kläger mit der am 13.01.2011 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage – 6 Ca 192/11 Arbeitsgericht Dortmund – seine Weiterbeschäftigung bei der Beklagten zu unveränderten Arbeitsbedingungen geltend gemacht.

Unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Sachvortrags ist die Beklagte weiter der Auffassung, die Kündigung vom 29.07.2010 sei durch dringende betriebliche Erfordernisse sozial gerechtfertigt.

Insbesondere könne dem Arbeitsgericht nicht darin gefolgt werden, dass eine Weiterbeschäftigung auf einem der in Anlage 5 zu § 11 des Interessenausgleichs vom 02.06.2010 genannten Arbeitsplätzen möglich und zumutbar gewesen sei. Der Kläger verfüge nicht über die für diese Stellen erforderlichen Kenntnisse und Qualifikationen.

Hierzu behauptet sie, bei der ersten Stelle – HRE/Service Operation/EMOS-Software – gehe es um die Position eines Systemadministrators VSE. Der Kläger verfüge nicht über die sich aus der Stellenbeschreibung (Bl. 627 f. d. A.) ergebenden fachlichen Anforderungen. Diese Stelle befinde sich bei der HRE, der Kläger könne keinerlei Erfahrungen mit bankspezifischen IT-Systemen aufweisen. Bei der Stelle eines Systemadministrators VSE handele es sich um eine Schlüsselposition, die für das Funktionieren des gesamten IT-Systems der HRE am Standort S6 verantwortlich sei. Hierzu seien zahlreiche im Einzelnen aufgeführte Anforderungen erforderlich, über die der Kläger nicht verfüge. Der Umfang der fehlenden fachlichen Kompetenzen sei so groß, dass eine Einarbeitung in einem Zeitraum auch von nur acht Monaten nicht zu gewährleisten sei.

Die zweite Stelle der Anlage 5 zu § 11 des Interessenausgleichs vom 02.06.2010 – ASIC/Hardware Engineering/Brainforce – sei bereits im Juli 2010 dem Mitarbeiter S7 angeboten worden, der aufgrund seiner Schwerbehinderung sozial schutzwürdiger sei als der Kläger und für den die Stelle bereitzuhalten gewesen sei. Wegen des Ausspruches einer Änderungskündigung sei insoweit die Zustimmung des Integrationsamtes erforderlich gewesen, das Zustimmungsverfahren habe mehr als acht Monate in Anspruch genommen. Die Beklagte habe davon ausgehen müssen, dass Herr S7 diese Stelle annehmen würde. Diese Umstände seien auch der Prozessbevollmächtigten des Klägers bekannt gewesen, da sie auch Herrn S7 im Verfahren vor dem Integrationsamt in M3 vertreten habe.

Im Übrigen sei der Kläger auch für diese Stelle nicht genügend fachlich qualifiziert. Nach der Stellenbeschreibung (Bl. 628 f. d. A.) fehle es dem Kläger an den erforderlichen guten Kenntnissen im Incident, Problem und Change Management. Auch für die weiteren in der Stellenbeschreibung niedergelegten Anforderungen fehle es dem Kläger an den erforderlichen Kenntnissen. Eine Einarbeitung innerhalb einer Zeit von bis zu acht Monaten sei aufgrund der fehlenden Kenntnisse nicht möglich gewesen.

Auch für die Stelle 3 der Anlage 5 zu § 11 des Interessenausgleichs vom 02.06.2010 – ASIC/UNIX Schnittstellen/SW Versorgungsverfahren/GFT – habe der Kläger keine einschlägigen Kenntnisse. Die Aufgaben und die erforderlichen Kenntnisse des Stelleninhabers ergäben sich aus der Stellenbeschreibung (Bl. 632 f. d. A.). Der Kläger sei lediglich als Techniker tätig gewesen, der Störungsmeldungen entgegengenommen und behandelt habe. Bei der Stelle 3 handelte es sich um eine Stelle eines Designers und Entwickler von Software-Lösungen. Hierbei handele es sich um eine völlig anders geartete Tätigkeit, die mit der Tätigkeit als Techniker in keiner Weise vergleichbar sei. Insbesondere verfüge der Kläger nicht über Kenntnisse als Programmierer und Entwickler.

Auch für die 4. Stelle – ASIC/HW/Client Engineering EPD 01/03/S8 GmbH – fehle es dem Kläger an einschlägigen Kenntnissen und Erfahrungen gemäß den Anforderungen der Stellenbeschreibung (Bl. 635 f. d. A.). Insbesondere verfüge der Kläger nicht über die erforderliche fünfjährige Berufserfahrung in der Softwareentwicklung. Auch die übrigen erforderlichen Kenntnisse und Erfahrungen könne der Kläger nicht aufweisen. Dies ergebe sich insbesondere aus der Stelleneignungsprüfung, die die Beklagte entsprechend dem Interessenausgleich vom 02.06.2010 vorgenommen habe. Aufgrund der bestehenden Kenntnisse des Klägers sei es nicht möglich gewesen, den Kläger innerhalb eines Zeitraums von bis zu sechs Monaten einzuarbeiten.

Das Gleiche gelte für die Stelle 5 der Anlage 5 zum Interessenausgleich vom 02.06.2010 – ASIC/HW/Client Engineering EPD 01/03/ S8 GmbH – . Auch für diese Stelle verfüge der Kläger nicht über die sich aus der Stellenbeschreibung (Bl. 637 f. d. A.) erforderlichen einschlägigen Kenntnisse und Erfahrungen. Insbesondere könne der Kläger nicht die erforderliche fünfjährige Berufserfahrung in der Softwareentwicklung aufweisen.

Die Beklagte ist weiter der Auffassung, dass eine ordentliche Kündigung aus betriebsbedingten Gründen nicht ausgeschlossen sei, der Kläger sei nicht unkündbar. Die Verweisung in seinem Arbeitsvertrag auf das Personalhandbuch und die bei der Fa. A2 abgeschlossenen Betriebsvereinbarungen hätten lediglich deklaratorische Bedeutung. Darüber hinaus sei die Betriebsvereinbarung vom 01.06.1992 schon wegen eines Verstoßes gegen § 77 Abs. 3 BetrVG unwirksam. Die Kündigungsfristen seien nämlich im einheitlichen Manteltarifvertrag für die Metallindustrie abschließend geregelt. Die Beklagte falle in den persönlichen Anwendungsbereich dieses Tarifvertrages, dies ergebe sich aus dem in der Satzung der Beklagten festgehaltenen Unternehmensgegenstand (Bl. 642 f. d. A.). Die fehlende Tarifbindung der Beklagten stehe einer Anwendung des § 77 Abs. 3 BetrVG nicht entgegen. Mindestens gelte auch für das Arbeitsverhältnis der Parteien die im Betrieb der Beklagten abgeschlossene Gesamtbetriebsvereinbarung vom 01.07.2003.

Die Beklagte ist weiter der Auffassung, dass die Kündigung vom 29.07.2010 durch dringende betriebliche Erfordernisse sozial gerechtfertigt sei. Dies ergebe sich aus dem Interessenausgleich vom 02.06.2010, wonach der Betrieb MSS vollständig geschlossen sei. Diese Maßnahme sei auch inzwischen umgesetzt worden. Hierzu behauptet sie, die Räumlichkeiten des Betriebes MSS-West in D2 seien inzwischen untervermietet (Bl. 689, 960 d. A.).

Die Beklagte ist weiter der Auffassung, bei dem Betrieb MSS-West, dem der Kläger zugeordnet gewesen sei, handele es sich um einen eigenständigen Betrieb im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes. Der Bereich MSS habe neben den Bereichen ASIC, HRE, SEB und Outsourcing einen eigenständigen arbeitstechnischen Zweck verfolgt, wobei der Bereich MSS die Erbringung von IT-Dienstleistungen zur Aufgabe gehabt habe. Sämtliche Bereiche seien auch eigenständig organisiert gewesen. Hierzu behauptet die Beklagte, die betrieblichen Strukturen seien in ihrem Betrieb Anfang 2010 angepasst worden. Hintergrund sei eine deutliche Veränderung der Gesamtstruktur der Beklagten gewesen. Den Bereich HRE habe es erst seit dem 01.11.2009 gegeben. Der Bereich SEB sei zum 01.03.2010 gebildet worden, ebenso wie der Bereich Outsourcing.

In diesem Zusammenhang seien auch die Leitungsebenen der MSS- Betriebe angepasst worden. Dabei sei an die unstreitig bestehende betriebsverfassungsrechtliche Aufteilung in die Betriebe Nord, West, Mitte und Süd-Ost angeknüpft worden, weil insoweit bereits ein hoher Grad an organisatorischer Eigenständigkeit vorgelegen habe. Es seien Betriebsleiter eingesetzt und mit allen Befugnissen ausgestattet worden, die erforderlich gewesen seien, um die personellen und sozialen Angelegenheiten auf betrieblicher Ebene regeln und zu entscheiden. Die Einsetzung von Herrn K1 als Betriebsleiter MSS-West sei zum 01.02.2010 erfolgt. Parallel dazu seien auch die Betriebsleiter der übrigen MSS-Betriebe eingesetzt worden. Im Betrieb MSS-West sei es zum 01.07.2010 zu einem Wechsel in der Betriebsleitung gekommen, als neue Betriebsleiter seien Herr K2 und Herr J1 eingesetzt worden. Der Wechsel der Betriebsleitung MSS-West sei auf eine Anweisung von Frau K5 vom 30.06.2010 bereits am 01.07.2010 im Intranet bekannt gegeben worden. Aufgrund einer grundlegenden Überarbeitung des Intranets könnten allerdings die damaligen Inhalte nicht mehr in Papierform vorgelegt werden.

Dass es in der Folgezeit in den MSS-Betrieben nur in überschaubarem Umfang zu personellen Maßnahmen gekommen sei, ändere nichts daran, dass es sich bei dem Bereich MSS-West um einen Betrieb im kündigungsschutzrechtlichen Sinne gehandelt habe. Insoweit komme es allein auf den Umfang der Leitungsmacht an. Die Betriebsleitung habe insoweit im Betrieb MSS-West aus Herrn K2 und Herrn J1 bestanden. Dass innerhalb des Konzerns in der Größenordnung des F2-Konzerns die operative Betriebsleitung durch fachlich entsprechend qualifizierte Mitarbeiter der Personalabteilung unterstützt worden seien, stehe der Annahme eines Betriebes nicht entgegen.

Ende Januar 2011 habe beispielsweise Herr K2 dem Mitarbeiter H2, der dem Betrieb MSS-West zugeordnet gewesen sei, eine schriftliche Abmahnung erteilt (Bl. 964 d. A.). Betriebsratsmitglieder der einzelnen MSS-Betriebe hätten sich an die jeweilige Betriebsleiter gewandt (Bl. 695 d. A.).

Am 22.06.2010 seien sämtliche Betriebsleiter angewiesen worden, die Mitarbeiter durch einen Aushang über das Ergebnis der Wahl des Aufsichtsrates der ehemaligen Beklagten zu 2. zu unterrichten.

Herr W, Betriebsleiter MSS-Nord, habe sich im März 2010 persönlich um die Rückgabe von Firmenfahrzeugen von ausscheidenden Mitarbeitern gekümmert (Bl. 697 d. A.).

Im September 2010 seien alle Betriebsleiter zu einer Schulung mit dem Gegenstand der Arbeitssicherung und betriebsärztlichen Versorgung eingeladen worden (Bl. 698 d. A.).

Herr K1 habe als Betriebsleiter Süd-Ost eine Begehung des Betriebes M3 am 20.04.2010 durchgeführt (Bl. 699 d. A.).

Ferner habe Herr K1 im Juni 2010 Gespräche mit den zu kündigenden Mitarbeitern des Betriebes MSS Süd-Ost geführt (Bl. 701 d. A.).

Herr K1 habe ferner Einspruch gegen die am 30.03.2010 ausgehängte Wählerliste anlässlich der Betriebsratswahl im Betrieb MSS Süd-Ost erhoben (Bl. 702 d. A.).

Herr S10, der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende des Betriebes MSS-Mitte, habe sich an Herrn K2 als den für ihn zuständigen Ansprechpartner gewandt, um nach Verkündung eines erstinstanzlichen Urteils die Fragen der Weiterbeschäftigung zu klären (Bl. 704 d. A.).

Im Februar 2011 habe schließlich Herr K2 als Betriebsleiter des Betriebes MSS Süd-Ost gegenüber einem Arbeitnehmer einen Tag Urlaub gewährt (Bl. 705 d. A.).

Die Beklagte vertritt auch im Berufungsverfahren weiter die Ansicht, die getroffene Sozialauswahl sei nicht fehlerhaft. Sie habe den auswahlrelevanten Personenkreis nicht verkannt, sondern die Sozialauswahl zutreffend auf den Betrieb MSS-West beschränkt. Da sämtlichen Arbeitnehmern des Betriebes MSS-West gekündigt worden sei, sei eine Sozialauswahl nicht vorzunehmen gewesen.

Selbst wenn der Bereich MSS-West keinen eigenständigen Betrieb darstellen sollte, wäre die nächsthöhere organisatorische Einheit, der Bereich MSS, als kündigungsschutzrechtlicher Betrieb anzusehen. Auch in diesem Fall wäre eine Sozialauswahl nicht durchzuführen gewesen, da alle nach dem 1. Juli 2010 verbliebenen Mitarbeiter von Kündigungen betroffen gewesen seien.

Eine Erstreckung der Sozialauswahl auf das gesamte Unternehmen hätte nicht zu anderen Ergebnissen geführt, weil es keine vergleichbaren und sozial schutzwürdigeren Mitarbeiter gegeben habe. Die vom Kläger erstinstanzlich benannten Mitarbeiter seien mit dem Kläger – ausgenommen Herrn M4 – nicht vergleichbar gewesen, weil sie Sonderkündigungsschutz nach der Gesamtbetriebsvereinbarung SCOPE genossen hätten.

An der Vergleichbarkeit des Klägers mit Herrn M4 fehle es schon deshalb, weil er nicht wie der Kläger, den Betrieb MSS-Mitte, sondern dem Betrieb ASIC angehört habe. Im Übrigen sei Herr M4 schutzwürdiger als der Kläger. Nach den Sozialauswahlkriterien (Bl. 749, 791, 1022 d. A.) habe der Kläger 89,07 Sozialpunkte, Herr M4 hingegen 91,57 Sozialpunkte. Herr M4 sei danach sozial schutzwürdiger als der Kläger.

Schließlich sei auch die Betriebsratsanhörung ordnungsgemäß erfolgt. Die Beklagte behauptet in diesem Zusammenhang erneut, dass das Anhörungsschreiben dem Betriebsrat am 21.07.2010 übergeben worden sei. Sie behauptet ferner, dass die Mitarbeiterinnen K5 und B5 aufgrund ordnungsgemäßer Bevollmächtigung für die Beklagte das Anhörungsverfahren eingeleitet hätten. Beide Mitarbeiterinnen der Beklagten seien ordnungsgemäß bevollmächtigt gewesen (Bl. 792 d. A.).

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 13.01.2011 – 6 Ca 3686/10 – abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil und ist der Auffassung, die Beklagte habe den Kläger aufgrund seiner Kenntnisse und Erfahrungen mindestens auf den Stellen der Anlage 5 zu § 11 des Interessenausgleichs vom 02.06.2010, auf die er sich beworben habe, weiterbeschäftigen müssen. Für diese Stellen sei er nämlich geeignet gewesen, mindestens nach zumutbarer Einarbeitungszeit. Zwischen den Stellenausschreibungen und dem Austrittstermin hätten neun Monate gelegen, in denen der Kläger sich etwaige fehlende Kenntnisse noch hätte aneignen können. Dem Kläger hätten seinerzeit auch nicht die vollständigen Stellenbeschreibungen vorgelegen. Für sämtliche ausgeschriebenen Stellen sei er fachlich geeignet gewesen und würde über die geforderten Anforderungen verfügen, mindestens nach einer entsprechenden Einarbeitungszeit von etwa sechs Monaten.

Der Kläger ist ferner weiterhin der Auffassung, er sei aufgrund der bei der Fa. A2 abgeschlossenen Betriebsvereinbarung vom 01.06.1992 unkündbar. Diese Betriebsvereinbarung sei Bestandteil des Personalhandbuchs gewesen, das seinerseits Bestandteil seines Arbeitsvertrages gewesen sei. Die Senioritätsregelung sei auch nach dem Betriebsübergang auf die Beklagte zum 01.04.2004 in einem Parallelverfahren ausdrücklich angewandt worden.

Die Kündigung vom 29.07.2010 sei sozial ungerechtfertigt, weil eine Betriebsschließung zum 31.12.2010 nicht vorliege.

Abgesehen davon, dass die Beklagte nicht nachgewiesen habe, dass eine Schließung des Bereichs MSS-West zum 31.12.2010 tatsächlich vorliege und die Schließung des Betriebes nach wie vor bestritten werden müsse, verkenne die Beklagte den unterschiedlichen Betriebsbegriff im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes und den Betriebsbegriff im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes. Beide Betriebsbegriffe seien nicht identisch. Die tatsächliche Bestellung von Herrn K1 ab 01.02.2010 bzw. von Herrn K2 und Herrn J1 ab 01.07.2010 zu Betriebsleitern im Bereich MSS-West werde nach wie vor bestritten. Zum Kündigungszeitpunkt habe es keine aktiven Betriebsleiter für den maßgeblichen Bereich MSS-West gegeben. Es habe auch keine einzige wesentliche Entscheidung in personellen und sozialen Angelegenheiten durch die angeblichen Betriebsleiter K2 und J1, die diese selbständig im Bereich MSS-West getroffen hätten, gegeben. Die von der Beklagten im Berufungsverfahren vorgetragenen Indiztatsachen könnten nicht belegen, dass es zum Kündigungszeitpunkt einen Betrieb im kündigungsschutzrechtlichen Sinne des Bereichs MSS-West mit einem zur Entscheidung in personellen und sozialen Angelegenheiten befugten Betriebsleiter gegeben habe, weil die von der Beklagten vorgetragenen Indiztatsachen entweder nach dem Kündigungsausspruch des Klägers gelegen hätten oder andere Bereiche betroffen hätten. Es widerspreche jeglicher Realität, dass in der Zeit vom 01.02.2010 bis zum 29.07.2010 für den Bereich MSS-West Betriebsleiter bestellt worden sein sollen, diese aber zu keinem Zeitpunkt für diesen Bereich in wesentlichen personalen oder sozialen Fragen gegenüber der Belegschaft tätig geworden seien. Die maßgeblichen Entscheidungen in personeller und sozialer Hinsicht seien immer von der Geschäftsleitung in F1 aus getroffen worden. Selbst die angeblichen Bestellschreiben vom 01.02.2010 und 01.07.2010 seien unwirksam, weil Frau K5 die Beklagte zu den genannten Zeitpunkten nicht mehr hätte rechtswirksam vertreten können.

Im Übrigen bleibt der Kläger bei seiner Auffassung, die Sozialauswahl sei fehlerhaft, sie sei zu Unrecht auf den Bereich MSS-West beschränkt worden.

Die von ihm erstinstanzlich genannten Mitarbeiter genössen auch keinen Sonderkündigungsschutz nach der Betriebsvereinbarung SCOPE, sie seien bei der Frage der Sozialauswahl zu berücksichtigen.

Im Übrigen sei er mit dem Mitarbeiter M4 vergleichbar, auch wenn der inzwischen seine Tätigkeit im Bereich ASIC verrichte. Die Ausführungen der Beklagten zu den Sozialpunkten und deren Ermittlung seien nicht nachprüfbar.

Der Berufungskammer lagen auch die Akten 6 Ca 192/11 Arbeitsgericht Dortmund = 10 Sa 1086/11 Landesarbeitsgericht Hamm vor. Auf den Inhalt dieser Akten wird ebenso Bezug genommen wie auf den weiteren Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet.

I. Der allein in der Berufungsinstanz noch anhängige zulässige Feststellungsantrag des Klägers ist begründet.

Zu Recht hat das Arbeitsgericht mit dem angefochtenen Urteil festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung vom 29.07.2010 weder ordentlich noch außerordentlich aufgelöst worden ist.

1. Die Wirksamkeit der Kündigung vom 29.07.2010 war nicht nach § 15 Abs. 4 und 5 KSchG zu überprüfen, da der Kläger lediglich bis Mai 2010 nachwirkenden Sonderkündigungsschutz als Ersatzmitglied des Betriebsrats gehabt hat.

2. Die Kündigung vom 29.07.2010 ist jedoch nach § 1 Abs. 3 KSchG sozial ungerechtfertigt, weil die Beklagte die hiernach vorzunehmende Sozialauswahl nicht ordnungsgemäß durchgeführt hat.

a) Nach § 1 Abs. 2 KSchG ist eine Kündigung dann sozial ungerechtfertigt, wenn sie durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt ist, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers im Betrieb entgegenstehen.

Zu den dringenden betrieblichen Erfordernissen, die nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG einen Grund zur sozialen Rechtfertigung einer Kündigung abgeben können, gehört nach ganz allgemeiner Meinung die Stilllegung des gesamten Betriebes oder auch die Stilllegung eines Betriebsteils (BAG 12.04.2002 – 2 AZR 256/01 – AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 120; BAG 13.02.2008 – 2 AZR 543/06 – AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 175; BAG 28.05.2009 – 8 AZR 273/08 – AP BGB § 613 a Nr. 370; BAG 23.02.2010 – 2 AZR 268/08 – AP KSchG 1969 § 18 Nr. 5; ErfK/Oetker, 12. Aufl., § 1 KSchG Rn. 226, 232, 277, 280 m.w.N.).

Unter Betriebsstilllegung ist insoweit die Auflösung der zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestehenden Betriebs- und Produktionsgemeinschaft zu verstehen, die ihre Veranlassung und zugleich ihren unmittelbaren Ausdruck darin findet, dass der Unternehmer die bisherige wirtschaftliche Betätigung in der ernstlichen Absicht einstellt, die Weiterverfolgung des bisherigen Betriebszwecks dauerhaft oder für ihrer Natur nach unbestimmte, wirtschaftlich nicht unerhebliche Zeitspanne aufzugeben. Ein Arbeitgeber ist nicht gehalten, eine Kündigung erst nach Durchführung der Stilllegung auszusprechen. Wird die Kündigung auf eine künftige Entwicklung der betrieblichen Verhältnisse gestützt, so kann sie bereits dann ausgesprochen werden, wenn die betrieblichen Umstände greifbare Formen angenommen haben und eine vernünftige betriebswirtschaftliche Betrachtung die Prognose rechtfertigt, dass bis zum Auslaufen der einzuhaltenden Kündigungsfrist eine geplante Maßnahme durchgeführt und der Arbeitnehmer entbehrt werden kann.

b) Im vorliegenden Fall kann dahinstehen, ob die Kündigung tatsächlich durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt ist, die einer Weiterbeschäftigung des Klägers entgegenstehen. Ob der Bereich MSS-West, dem der Kläger bislang zugeordnet gewesen war, tatsächlich stillgelegt worden ist und ob Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten für den Kläger an freien Arbeitsplätzen bestanden haben, konnte offen bleiben, weil die Beklagte jedenfalls die danach notwendige Sozialauswahl nicht ordnungsgemäß vorgenommen hat. Der Kreis der in die Sozialauswahl einzubeziehenden Arbeitnehmer ist falsch bestimmt worden.

aa) Nach der Konzeption des § 1 Abs. 3 KSchG ist die Sozialauswahl betriebsbezogen durchzuführen. Regelmäßig sind deshalb alle vergleichbaren Arbeitnehmer in die Auswahlentscheidung einzubeziehen, die in demselben Betrieb wie der unmittelbar kündigungsbedrohte Arbeitnehmer beschäftigt sind. Die Sozialauswahl kann nicht auf Betriebsteile oder Betriebsabteilungen beschränkt werden (BAG 03.06.2004 – 2 AZR 577/03 – AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 141; BAG 31.05.2007 – 2 AZR 276/06 – AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 94; BAG 05.06.2008 – 2 AZR 907/06 – AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 179 Rn. 23; ErfK/Oetker, 12. Aufl., § 1 KSchG Rn. 319; APS/Kiel, 3. Aufl., § 1 KSchG Rn. 668; KR/Griebeling, 10. Aufl. § 1 KSchG Rn. 608 m.w.N.). Dies gilt selbst dann, wenn sich der Arbeitgeber ein betriebsübergreifendes Versetzungsrecht vorbehalten hat (BAG 02.06.2005 – 2 AZR 158/04 – AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 73), und auch dann, wenn ein Betriebsteil stillgelegt und der andere Betriebsteil auf einen Erwerber übertragen werden soll (BAG 28.10.2004 – 8 AZR 391/03 – AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 69).

Aus der Betriebsbezogenheit der Sozialauswahl folgt, dass sie nicht auf Betriebsteile oder einzelne Bereiche beschränkt werden kann, insbesondere steht der Notwendigkeit einer betriebsbezogenen Sozialauswahl nicht schon die räumliche Entfernung einzelner Filialen eines Bezirks entgegen. Auch ein Hauptbetrieb und eine räumliche weit entfernte Betriebsstätte im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG können deshalb einen Betrieb im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes bilden. Die betriebsverfassungsrechtliche Eigenständigkeit einzelner Betriebsteile steht danach einer betriebsteilübergreifenden und betriebsbezogenen Sozialauswahl nicht entgegen. Für die Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG ist insoweit der Betriebsbegriff des § 23 KSchG, nicht der des § 4 BetrVG maßgebend (BAG 03.06.2004 – 2 AZR 577/03 – AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 141; BAG 31.05.2007 – 2 AZR 276/06 – AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 94, Rn. 18 m.w.N.).

Die Notwendigkeit einer Sozialauswahl entfällt lediglich dann, wenn allen Arbeitnehmern des Betriebs gekündigt werden soll (BAG 04.05.2006 – 8 AZR 299/05 – AP BGB § 613 a Nr. 304, Rn. 24).

bb) Der Begriff des Betriebes in § 23 KSchG ist gesetzlich nicht definiert. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts liegt aber den Bestimmungen des Kündigungsschutzgesetzes der allgemeine arbeitsrechtliche Betriebsbegriff zu Grunde. Danach ist unter einem Betrieb die organisatorische Einheit zu verstehen, innerhalb derer der Arbeitgeber allein oder in Gemeinschaft mit seinen Mitarbeitern mit Hilfe von sächlichen und immateriellen Mitteln bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt, die sich nicht in der Befriedigung von Eigenbedarf erschöpfen (BAG 03.06.2004 – 2 AZR 386/03 – AP KSchG 1969 § 23 Nr. 33; BAG 31.05.2007 – 2 AZR 276/06 – AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 94, Rn. 19 m.w.N.). Ob es sich im Einzelfall um einen selbständigen Betrieb oder nur um unselbständige Teile eines einheitlichen Betriebs handelt, richtet sich nach der Einheit der auf die Verfolgung der arbeitstechnischen Zwecke gerichteten Organisation, die die Einheit des Betriebes und damit diesen selbst bestimmt. Die Einheit der Organisation ist dann zu bejahen, wenn ein einheitlicher Leitungsapparat vorhanden ist, der die Gesamtheit der für die Erreichung des arbeitstechnischen Gesamtzwecks eingesetzten Mittel lenkt. Die den Betrieb konstituierende Leitungsmacht wird dadurch bestimmt, dass der Kern der Arbeitgeberfunktionen in personellen und sozialen Angelegenheiten von derselben institutionalisierten Leitung im Wesentlichen selbständig ausgeübt wird, wo mithin über Arbeitsbedingungen und Organisationsfragen entschieden wird und in welcher Weise Einstellungen, Entlassungen und Versetzungen vorgenommen werden (BAG 03.06.2004 – 2 AZR 386/03 – AP KSchG 1969 § 23 Nr. 33; BAG 3.07.2004 – 2 AZR 276/06 – AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 94, Rn. 20; BAG 28.10.2010 – 2 AZR 392/08 – AP KSchG 1969 § 23 Nr. 48 Rn. 15 ff. m.w.N.).

c) Bei Anwendung dieser Grundsätze stellt der Bereich MSS-West keinen eigenständigen Betrieb im kündigungsschutzrechtlichen Sinne dar. Der Bereich MSS-West verfügte auch nach dem Vorbringen der Beklagten zum Zeitpunkt des Ausspruches der streitgegenständlichen Kündigung vom 29.07.2010 nicht über einen einheitlichen Leitungsapparat, der die Gesamtheit der für die Erreichung des arbeitstechnischen Gesamtzweckes eingesetzten Mittel, insbesondere in personellen und sozialen Angelegenheiten lenkte.

Zwar hat die Beklagte mit Schreiben vom 26.02.2010 dem Mitarbeiter K1 mitgeteilt, dass er ab dem 01.02.2010 der Betriebsleitung für den Betrieb West und Süd-Ost angehöre (Bl. 692 d. A.). Mit inhaltlich gleichlautenden Schreiben vom 26.02.2010 (Bl. 693 d. A.) und vom 22.07.2010 ist den Mitarbeitern K2 und J1 mitgeteilt worden, dass sie ab dem 01.07.2010 der Betriebsleitung für den Betrieb Süd-Ost angehörten. Dass zum 01.07.2010 als neue Betriebsleiter des Betriebes MSS-West Herr K2 und Herr J1 eingesetzt worden seien, wie die Beklagte mit der Berufungsbegründung vorgetragen hat, geht aus den an die Mitarbeiter K2 und J1 gerichteten Schreiben vom 26.02.2010 bzw. 22.07.2010 (Bl. 693 f. d. A.) schon nicht hervor. Nach diesen Schreiben sind die Mitarbeiter K2 und J1 lediglich für den Bereich MSS Süd-Ost als Betriebsleiter eingesetzt worden. Aus den genannten Schreiben geht darüber hinaus ebenso wenig wie aus den Schreiben über die „Ausübung der Funktion Betriebsleitung“ (Bl. 962 f. d. A.) hervor, dass der Kern der Arbeitgeberfunktionen in personellen und sozialen Angelegenheiten von der Betriebsleitung im Wesentlichen selbständig ausgeübt worden ist. Der von der Beklagten jeweils bestellten Betriebsleitung oblag keine Entscheidungsbefugnis über Arbeitsbedingungen und Organisationsfragen des jeweiligen Betriebes, ebenso wenig sind von der Betriebsleitung Einstellungen, Entlassungen und Versetzungen vorgenommen worden. Auch nach dem Schreiben der Beklagten über die „Ausübung der Funktion Betriebsleitung“ aus Februar 2010 oblag der jeweiligen Betriebsleitung keine Entscheidungsbefugnis hinsichtlich Einstellungen, Entlassungen und Versetzungen. Zwar heißt es in diesem Schreiben, dass die Betriebsleitung für alle örtlichen Unternehmenseinheiten des Standortes/Betriebes in personellen und sozialen Angelegenheiten verhandlungs- und entscheidungsbefugt sein müsse. Diese Verhandlungs- und Entscheidungsbefugnis bezieht sich aber im Wesentlichen auf Verhandlungen mit den an den jeweiligen Standorten gewählten Betriebsräten. Tatsächlich sind derartige Entscheidungen in personeller Hinsicht von den eingesetzten Betriebsleitern auch nicht getroffen worden. Die Kündigung des Klägers vom 29.07.2010 ist von den seinerzeitigen Geschäftsführern unterzeichnet worden. Die Freistellung des Klägers, die mit Schreiben vom 27.07.2010 ausgesprochen worden ist, ist von Mitarbeitern der Personalverwaltung der Beklagten in F1 unterschrieben worden. Ebenso ist auch die Erteilung der Handlungsvollmacht für die in der Personalabteilung der Beklagten in F1 tätige Mitarbeiterin K5 gemäß Schreiben vom 01.07.2010 (Bl. 966 d. A.) von dem seinerzeitigen Geschäftsführer W3 und von dem Mitarbeiter K2 als „Mitglied der Geschäftsleitung“ unterzeichnet worden. Bereits hieraus ergibt sich, dass die wesentlichen Entscheidungen in personeller Hinsicht nicht von der jeweiligen Betriebsleitung, sondern von der Geschäftsführung bzw. der Personalabteilung der Beklagten in F1 getroffen worden sind.

Auch die von der Beklagten mit der Berufung vorgetragenen Indizien können nicht belegen, dass der Kern der Arbeitgeberfunktionen in personellen und sozialen Angelegenheiten von der Betriebsleitung MSS-West selbständig ausgeübt worden sind. Diese in der Berufungsbegründung im Einzelnen dargestellten Indizien betrafen lediglich Entscheidungen von untergeordneter Bedeutung. Im Übrigen betrafen sie im Wesentlichen nicht den Bereich MSS-West und sind darüber hinaus überwiegend auch zeitlich nach dem Ausspruch der Kündigung gegenüber dem Kläger vom 29.07.2010 getroffen worden. Jedenfalls zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung gegenüber dem Kläger kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Bereich MSS-West über eine eigenständige Betriebsleitung mit entsprechenden Befugnissen in sozialen und personellen Angelegenheiten verfügte. Vom Bestehen einer Betriebsleitung im kündigungsschutzrechtlichen Sinne kann erst dann ausgegangen werden, wenn die betreffenden Befugnisse nicht nur auf dem Papier bestehen, sondern auch konkret gelebt und ausgeübt werden (BAG 25.03.2009 – 7 ABR 2/08 – AP BetrVG 1972 § 5 Nr. 73).

d) Da der Bereich MSS-West keinen eigenständigen Betrieb im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes dargestellt hat, war die Beschränkung der Sozialauswahl auf die – noch – im Bereich MSS-West tätigen Mitarbeiter durch die Beklagte fehlerhaft.

Dass die Sozialauswahl auf den Bereich MSS-West beschränkt worden ist, ist zwischen den Parteien unstreitig. Gegenüber dem Betriebsrat ist ausdrücklich mitgeteilt worden, dass eine Sozialauswahl nicht vorzunehmen gewesen sei, weil der gesamte Betrieb West der BU MSS geschlossen worden sei. Auch erstinstanzlich hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 15.12.2010 ausdrücklich vorgetragen, dass keine Sozialauswahl vorzunehmen gewesen sei, weil sämtlichen verbliebenen Arbeitnehmern des Betriebes MSS-West betriebsbedingte Kündigungen ausgesprochen worden seien. Mindestens hätten die übrigen vom Interessenausgleich vom 02.06.2010 betroffenen Mitarbeiter, die zu der ehemaligen Beklagten zu 2. gewechselt sind, in die Sozialauswahl einbezogen werden müssen. Das ist unstreitig nicht geschehen.

Die unstreitige Beschränkung der Sozialauswahl auf den Bereich MSS-West hat zur Folge, dass eine vom Arbeitgeber auszuräumende tatsächliche Vermutung dafür spricht, dass auch die Auswahlentscheidung objektiv fehlerhaft und damit die Kündigung sozialwidrig ist (BAG 24.05.2005 – 8 AZR 398/04 – AP BGB § 613 a Nr. 284; BAG 31.05.2007 – 2 AZR 276/06 – AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 94, Rn. 34 m.w.N.).

Diese Vermutung der fehlerhaften Sozialauswahl hat die Beklagte auch in der Berufungsinstanz nicht widerlegt. Ihr Vorbringen in der Berufungsbegründung ist insoweit unsubstantiiert. Die Beklagte hat nämlich insoweit lediglich vorgetragen, dass aus dem Bereich MSS in seiner Gesamtheit keine Sozialauswahl durchzuführen gewesen sei, da alle nach dem 1. Juli 2010 verbliebenen Mitarbeiter von Kündigungen betroffen gewesen seien. Dies ist unzutreffend, weil zahlreiche Mitarbeiter, die ebenfalls vom Interessenausgleich vom 02.06.2010 betroffen gewesen sind, zu der ehemaligen Beklagten zu 2. gewechselt sind. Auch diese Mitarbeiter hätten in die Sozialauswahl einbezogen werden müssen. Die Beklagte hat nicht näher dargelegt, dass trotz Durchführung eines gegen § 1 Abs. 3 KSchG verstoßenden Auswahlverfahrens gleichwohl der Kläger nach dem Maßstab des § 1 Abs. 3 KSchG nicht fehlerhaft ausgewählt worden ist.

3. Nach alledem kam es auf die Frage, ob der Kläger im Betrieb der Beklagten auf einem freien Arbeitsplatz hätte weiterbeschäftigt werden können oder ob der Kläger unkündbar oder mit welcher Kündigungsfrist zu kündigen gewesen ist, nicht mehr an. Entscheidungserheblich war auch nicht, ob die Kündigung vom 29.07.2010 nach § 102 BetrVG oder § 17 KSchG unwirksam gewesen ist.

II. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Beklagte hat die Kosten des erfolglos gebliebenen Rechtsmittels zu tragen.

Der Streitwert hat sich in der Berufungsinstanz geändert und war auf 20.892,75 € festzusetzen, § 63 GKG. Er entspricht dem Wert des dreifachen Monatsverdienstes des Klägers, § 42 Abs. 3 Satz 1 GKG.

Für die Zulassung der Revision zum Bundesarbeitsgericht bestand nach § 72 Abs. 2 ArbGG keine Veranlassung.

 

 

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