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Betriebsbedingte Kündigung – Darlegungslast bei Auftragsrückgang

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz – Az.:1 Sa 538/15 – Urteil vom 08.07.2016

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 19.11.2015 Az.: 8 Ca 1258/15 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob das Arbeitsverhältnis des Klägers durch die auf betriebsbedingte Gründe gestützte Kündigung der Beklagten vom 27.07.2015 mit Ablauf des 30.11.2015 aufgelöst worden ist.

Der 1985 geborene, verheiratete Kläger ist bei der Beklagten, die ständig weitaus mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt und in deren Betrieb ein Betriebsrat gebildet ist, seit dem Jahre 2003 als Isoliermonteur bei einer durchschnittlichen Bruttomonatsarbeitsvergütung von 3.717,16 EUR beschäftigt. Für das Arbeitsverhältnis maßgeblich ist der Arbeitsvertrag mit Datum vom 13.07.2006 (Bl. 12 ff. d. A.). Der Kläger wurde im Rahmen der „BU L.“ eingesetzt. Diese betriebliche Einheit betreut u. a. im Umfeld befindliche Kernkraftwerke des Kunden E.. Infolge des sogenannten Atomausstiegs kam es bei dem genannten Kunden in dessen kernkrafttechnischen Anlagen P., N. und O. in den Jahren 2014 und 2015 zu einem Rückgang der erbrachten Stunden gewerblicher Arbeitnehmer mit einem Umsatzrückgang vom Jahr 2014 zum Jahr 2015 in Höhe von 978.917 EUR. Unter dem 14.07.2015 legte die Beklagte schriftlich eine „Unternehmerische Entscheidung betreffend gewerbliche Arbeitnehmer in der C., BU L.“ nieder. Wegen des Inhalts wird auf Blatt 69 ff. d. A. Bezug genommen. U. a. heißt es dort:

„Insgesamt sind in der BU L. 45 gewerbliche Arbeitnehmer tätig. Wie aus der anliegenden Berechnung (Anlage 2) ersichtlich wird, weisen die Stunden für den Einsatz unseres eigenen Personals im Verlauf von den Jahren 2012 – 2015 einen massiven Rückgang auf. Im Jahr 2012 betrugen die Stunden des Einsatzes eigenen Personals noch 51.756 Stunden, im Jahr 2014 waren es nur noch 42.688 Stunden, in der ersten Jahreshälfte 2015 sank die Stundenzahl noch einmal massiv auf 18.038 Stunden ab. Nach der weiteren Prognose wird das Jahr 2015 mit ca. 36.000 Stunden abschließen. Nach unseren internen Berechnungen haben wir somit eine Personalüberkapazität von mindestens 5 gewerblichen Arbeitnehmern.“

Mit Anhörungsschreiben vom 17. Juli 2015 hörte die Beklagte den bei ihr bestehenden Betriebsrat zu einer beabsichtigten ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers an. Hinsichtlich der Einzelheiten des Anhörungsschreibens wird auf Bl. 74 ff. d. A. Bezug genommen. Der Betriebsrat widersprach der beabsichtigten Kündigung mit Schreiben vom 23.07.2015 (Bl. 80 ff. d. A.).

Die Beklagte kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis mit der streitgegenständlichen ordentlichen Kündigung vom 27.07.2015 zum 30.11.2015.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des wechselseitigen Vorbringens der Parteien erster Instanz wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 19.11.2015 – 8 Ca 1258/15 – (Bl. 129 ff. d. A.).

Durch das genannte Urteil hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 27.07.2015 nicht zum 30.11.2015 beendet wird und die Beklagte verurteilt, den Kläger bis zur rechtskräftigen Beendigung des Kündigungsschutzverfahrens zu den bisherigen Bedingungen als Isoliermonteur weiter zu beschäftigten.

Zur Begründung hat das Arbeitsgericht – zusammengefasst – ausgeführt:

Die Beklagte habe betriebsbedingte Gründe im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG nicht ausreichend dargelegt. Ein Arbeitsplatzüberhang von fünf Arbeitsplätzen für gewerbliche Arbeitnehmer lasse sich ihrem Sachvortrag nicht nachvollziehbar entnehmen. Die Beklagte habe zum einen nur Angaben zum zurückgegangenen Personalbedarf für den Kunden E. gemacht. Da sie – unstreitig – weitere Kunden betreue, hätte die Beklagte bezüglich aller bei ihr beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer darlegen müssen, in welchen Aufträgen diese bis jetzt eingesetzt gewesen seien und welche Aufträge hiervon zu welchem Zeitpunkt in Wegfall geraten seien bzw. welche Stunden in bestimmten Rahmenaufträgen nicht mehr abgerufen würden. Ohne diese Angaben sei der von der Beklagten festgestellte Personalüberhang nicht nachvollziehbar. Die in der „Unternehmerischen Entscheidung“ vom 14.07.2015 in Bezug genommenen internen Berechnungen, die einen solchen Arbeitskräfteüberhang ergeben sollen, seien nicht offen gelegt worden.

Die Beklagte habe aber auch hinsichtlich des Kunden E. einen Rückgang des Arbeitskräftebedarfs nicht ausreichend dargelegt, da sie keine Angaben dazu gemacht habe, mit wie vielen Arbeitnehmern sie in den einzelnen Jahren bei diesem Kunden tätig geworden sei.

Nicht nachvollziehbar sei auch, weshalb eine Reduzierung des Personals allein in der niedrigsten Lohngruppe, welcher der Kläger zugehörig ist, erfolgen solle. Hinweise der Beklagten darauf, dass die Arbeitnehmer der höheren Lohngruppe insbesondere zur Führung und Kontrolle der Nachunternehmer erforderlich seien und dass die Beauftragung von Nachunternehmen erweitert werden müsse, sprächen dafür, dass Grundlage für die unternehmerische Entscheidung nicht nur ein Auftragsrückgang, sondern vielmehr auch eine Outsourcing-Entscheidung der Beklagten gewesen sei. Hierzu fehlten nachvollziehbare Erklärungen.

Das genannte Urteil ist der Beklagten am 27.November 2015 zugestellt worden. Sie hat hiergegen mit einem am 11. Dezember 2015 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese innerhalb der mit Beschluss vom 12. Januar 2016 bis zum 29.02.2016 verlängerten Berufungsbegründungsfrist mit Schriftsatz vom 29. Februar 2016, beim Landesarbeitsgericht am gleichen Tag eingegangen, begründet.

Mit dem genannten Schriftsatz, auf den ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 163 ff. d. A.) macht die Beklagte zur Begründung ihrer Berufung im Wesentlichen geltend:

Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts sei es ausreichend gewesen, den Vortrag zum Rückgang des Personalbedarfs auf den Kunden E. zu beschränken. Fast ausschließlich bei diesem Kunden sei der extreme Auftragsrückgang bzw. Rückgang des Stundenabrufs zu verzeichnen gewesen, während die übrigen von der BU L. betreuten Kunden hätten gehalten werden können. Dies ergebe sich aus der Übersicht über den Personaleinsatz der Jahre 2014 und 2015 (Bl. 171 ff. d. A.). Ausweislich dieser Aufstellung habe sich der Personaleinsatz schrittweise von 46 gewerblichen Arbeitnehmern im Januar 2014 bis auf nur noch 30 gewerbliche Arbeitnehmer im Dezember 2015 reduziert. Insgesamt seien von Beginn des Jahres 2014 bis zum Ende des Jahres 2015 14 Mitarbeiter ausgeschieden. Aus der genannten Anlage ergebe sich, dass im Jahre 2014 beim Kunden E. insgesamt durchschnittlich 21,7 Mitarbeiter tätig gewesen seien, während sich dies im Jahre 2015 auf einen durchschnittlichen Personaleinsatz von 16,7 Mitarbeitern reduziert habe. Darauf basiere die unternehmerische Entscheidung, nach der ein Personalüberhang von 5 Arbeitnehmern bestanden habe. Dieser Arbeitsplatzüberhang lasse sich auch aus dem bereits erstinstanzlich dargestellten Umsatzrückgang entnehmen. Der Umsatzrückgang im Vergleich der Jahre 2015 und 2014 in Höhe von 978.917,60 EUR sei fast ausschließlich durch den Auftragsrückgang beim Kunden E. entstanden. Wie den vorgelegten Aufstellungen entnehmbar sei, habe sich der Stundenabruf des Kunden E. erheblich reduziert.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 19.11.2015 – 8 Ca 1258/15 – abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe seiner Berufungserwiderung mit Schriftsatz vom 07.04.2016, auf den Bezug genommen wird (Bl. 222 ff. d. A.), als zutreffend. Er ist insbesondere der Auffassung, die Berufung sei mangels ausreichender Begründung unzulässig. Auch unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens habe die Beklagte einen Rückgang der Arbeitsmenge und einen damit einhergehenden Rückgang des Personalbedarfs nicht ausreichend dargelegt.

Auch im Übrigen wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I. Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Das Rechtsmittel ist an sich statthaft. Die Berufung wurde auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet. Entgegen der Auffassung des Klägers genügt die Berufungsbegründung auch inhaltlich den nach § 64 Abs. 6 ArbGG, § 520 Abs. 3 Nr. 2 ZPO zu stellenden Anforderungen. Die Berufungsbegründung setzt sich mit den tragenden Erwägungen der angefochtenen Entscheidung ausreichend inhaltlich auseinander. Das Arbeitsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen damit begründet, die Beklagte habe nur Angaben zum zurückgegangenen Personalbedarf hinsichtlich des Kunden E. gemacht, ohne auch den Bedarf für die weiteren Kunden offenzulegen. Ihre internen Berechnungen zum Personalbedarf seien nicht offengelegt worden. Auch bezüglich des Personalbedarfs für den Kunden E. sei dieser nicht ausreichend konkret dargelegt worden. Schließlich sei nicht ersichtlich, weshalb eine Personalreduzierung allein bei Arbeitnehmern der niedrigsten Lohngruppe erfolgen solle.

Auf diese tragenden Erwägungen geht die Berufungsbegründung der Beklagten jeweils ein.

II. In der Sache hat das Rechtsmittel keinen Erfolg. Die streitgegenständliche Kündigung ist mangels sozialer Rechtfertigung nach § 1 Abs. 1 KSchG rechtsunwirksam. Die Rechtsunwirksamkeit folgt ferner aus § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG. Damit besteht auch ein Anspruch des Klägers auf tatsächliche Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzrechtsstreits.

1. Die streitgegenständliche Kündigung ist nicht durch hier allein in Betracht kommende dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG bedingt.

a) Ausweislich der „Unternehmerischen Entscheidung betreffend gewerbliche Arbeitnehmer“ vom 14.07.2015 bestand diese Entscheidung darin, den Personalbestand an den aus Sicht der Beklagten infolge eines Auftragsrückgangs rückläufigen Personalbedarf anzupassen.

Eine Kündigung ist iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt, wenn der Bedarf für eine Weiterbeschäftigung des gekündigten Arbeitnehmers im Betrieb voraussichtlich dauerhaft entfallen ist. Dazu müssen im Tätigkeitsbereich des Gekündigten mehr Arbeitnehmer beschäftigt sein, als zur Erledigung der zukünftig anfallenden Arbeiten benötigt werden. Regelmäßig entsteht ein Überhang an Arbeitskräften nicht allein und unmittelbar durch bestimmte wirtschaftliche Entwicklungen (Produktions- oder Umsatzrückgang etc.), sondern aufgrund einer – häufig durch diese Entwicklungen veranlassten – unternehmerischen (Organisations-)Entscheidung des Arbeitgebers. Betriebliche Erfordernisse, die eine Kündigung bedingen, können sich aus außerbetrieblichen Umständen ergeben. Passt der Arbeitgeber im Fall eines Auftragsverlustes oder eines reduzierten Auftragsbestands die Anzahl der benötigten Arbeitnehmer an die verbliebene Arbeitsmenge an, kann sich daraus ein dringendes betriebliches Erfordernis zur Kündigung ergeben, wenn der Arbeitsanfall – dauerhaft – so zurückgegangen ist, dass zukünftig für einen oder mehrere Arbeitnehmer kein Bedürfnis für eine Beschäftigung mehr besteht.Dabei reicht ein Verweis des Arbeitgebers auf auslaufende Aufträge und das Fehlen von Anschlussaufträgen regelmäßig nicht aus, um einen nachhaltigen Rückgang zu begründen. Der Arbeitgeber, den im Kündigungsschutzprozess nach § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen von Gründen iSv. § 1 Abs. 2 KSchG trifft, muss vielmehr anhand seiner Auftrags- und Personalplanung im Einzelnen darstellen, wie sich der Auftragsrückgang auf die Anzahl der benötigten Arbeitnehmer auswirkt.

Ein Rückgang des Arbeitskräftebedarfs kann sich auch daraus ergeben, dass der Arbeitgeber sich zu einer organisatorischen Maßnahme entschließt, deren Umsetzung das Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung eines oder mehrerer Arbeitnehmer dauerhaft entfallen lässt. Eine solche unternehmerische Entscheidung ist gerichtlich nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder ihre Zweckmäßigkeit hin zu überprüfen, sondern nur daraufhin, ob sie offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist.In Fällen, in denen die Organisationsentscheidung des Arbeitgebers und sein Kündigungsentschluss praktisch deckungsgleich sind, muss der Arbeitgeber seine Entscheidung hinsichtlich ihrer organisatorischen Durchführbarkeit und zeitlichen Nachhaltigkeit verdeutlichen (BAG 20.02.2014 – 2 AZR 346/12-, juris, Rz. 12 ff.; 17.06.1999 -2 AZR 141/99-, juris, Rz. 23 ff.).

b) Diesen Anforderungen wird der Sachvortrag der Beklagten auch unter Berücksichtigung ihres Berufungsvorbringens nicht gerecht.

Ausweislich ihrer Berufungsbegründung stützt die Beklagte ihre Annahme eines dauerhaft um 5 Arbeitskräfte reduzierten Personalbedarfs im gewerblichen Bereich auf den behaupteten Rückgang des Personalbedarfs hinsichtlich des Kunden E.. Nach den Übersichten „Personaleinsatz“ der Jahre 2014 und 2015 (Bl. 171 f. d.A.) hat sich dieser von durchschnittlich 21,7 bei E. eingesetzten Mitarbeitern im Jahr 2014 auf durchschnittlich 16,7 Mitarbeiter im Jahr 2015 reduziert, so dass sich ein Überhang von 5 Arbeitskräften ergebe.

Dies stellt keine ausreichende Darstellung der Personal- und Auftragsplanung im Sinne der eingangs zitierten Rechtsprechung dar. Aus den Aufstellungen ergibt sich, dass die Zahl der eingesetzten Mitarbeiter in den einzelnen Monaten bei den Aufträgen E. P. und E. O. nicht nur unerheblichen Schwankungen unterliegt, so bei E. P. zwischen 6 und 14 Mitarbeitern im Jahr 2015 und bei E. O. zwischen 3 und 6 Mitarbeitern. Wenn die Beklagte den Personalüberhang von 5 Mitarbeitern auf die oben dargestellte Durchschnittsberechnung stützt, bleibt offen, wie sie in Monaten, in denen ein erhöhter Personalbedarf besteht, diesen decken kann. Sie hat nicht dargelegt, dass die durchzuführenden Arbeiten in zeitlicher Hinsicht so „gestreckt“ werden können, dass sie auch in Zeiträumen und Situationen, in denen es bisher zu einem verstärkten Personaleinsatz kam, künftig mit einer sich an Durchschnittswerten orientierenden Anzahl von Arbeitnehmern erledigt werden können. Offen bleibt auch, ob von der Art der durchzuführenden Arbeiten diese bei einem verringerten Personalbestand durchführbar sind. So sind Arbeiten denkbar, die nicht nur ein Nebeneinander von Arbeitskräften erfordern, sondern das gleichzeitige und aufeinander abgestimmte Zusammenarbeiten mehrerer Arbeitnehmer. Die Beklagte weist in ihrer Berufungsbegründung ausdrücklich darauf hin, dass der Personalbedarf bei den übrigen von der BU L. betreuten Kunden unverändert geblieben ist. Damit ist nicht ersichtlich, dass in Zeiträumen eines erhöhten Personalbedarfs beim Kunden E. dieser dann durch den Einsatz von bei anderen Kunden eingesetzten Mitarbeitern gedeckt werden kann. Auch andere organisatorische Maßnahmen, die dem monatlich schwankenden Personalbedarf bei reduzierter Belegschaftsstärke Rechnung tragen und die Durchführung der anfallenden Arbeiten als möglich erscheinen lassen, zeigt die Beklagte nicht auf.

Von einer unmittelbaren Relation zwischen zu leistenden Stunden und Personalbedarf geht offensichtlich auch die Beklagte selbst nicht aus. Nach der „Unternehmerischen Entscheidung betreffend gewerbliche Arbeitnehmer“ vom 14.7.2015 wurden in der BU L. 2012 noch 51.756 Stunden geleistet, während für 2015 noch 36.000 Stunden erwartet wurden, was einem Rückgang von 30,44 % entspricht. Demgegenüber soll der Personalabbau im Umfang von 5 Arbeitnehmern bei einer Gesamtbelegschaftsstärke von 45 Arbeitnehmern erfolgen, also im Umfang von 11,11 % erfolgen.

bb) Der Sachvortrag der Beklagten ist auch hinsichtlich der Angaben zum Gesamtpersonalbedarf der BU L. teilweise widersprüchlich. Während in der „Unternehmerischen Entscheidung“ vom 14.7.2015 ausgeführt wird, ausgehend von einem Gesamtbestand von 45 gewerblichen Arbeitnehmern bestehe eine Reduzierungsnotwendigkeit hinsichtlich 5 Arbeitnehmern, führt die Berufungsbegründung (Seite 4) aus, der Personaleinsatz habe sich von 46 gewerblichen Arbeitnehmern im Januar 2014 auf nur noch 30 gewerbliche Arbeitnehmer im Dezember 2015 reduziert. Die Reduktion beruht nach Darstellung der Beklagten gem. Anlage 2 zur Berufungsbegründung hinsichtlich von 11 Personen auf Ausscheidenstatbeständen im Jahr 2014 und 2015 bis zum Zugang der Kündigung. Weshalb die Beklagte bei der unternehmerischen Entscheidung, die kurz vor Ausspruch der Kündigung datiert, demgegenüber immer noch von 45 gewerblichen Arbeitnehmern ausgeht, bleibt offen. Deshalb ist schon die Ausgangsannahme der Beklagten (Reduzierungsbedarf von 5 ausgehend von 45 gewerblichen Arbeitnehmern) nicht nachvollziehbar.

c) Soweit die unternehmerische Entscheidung der Beklagten dahingehend zu verstehen sein sollte, sie habe sich zur Kostensenkung und Ergebnisverbesserung dauerhaft zu einer um 5 Arbeitnehmer reduzierten Personalausstattung im gewerblichen Bereich entschlossen, ergibt sich keine andere rechtliche Beurteilung. Zwar unterliegt auch die Entscheidung über die Belegschaftsstärke der nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbaren unternehmerischen Entscheidungsfreiheit. Da bei einer Entscheidung, die Personalstärke dauerhaft zu reduzieren, aber diese Entscheidung und der Kündigungsentschluss praktisch deckungsgleich sind, wäre es erforderlich gewesen, die Entscheidung in ihrer organisatorischen Durchführbarkeit und zeitlichen Nachhaltigkeit zu verdeutlichen (BAG 17.06.1999 -2 AZR 141/99-, juris, Rz. 23 ff.). An der Darlegung der organisatorischen Durchführbarkeit fehlt es aber vorliegend aus den unter II 1 b dargelegten Gründen.

2. Die Kündigung ist auch nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG rechtsunwirksam.

Nicht nur das gänzliche Fehlen einer Anhörung, sondern auch eine fehlerhafte Anhörung des Betriebsrats führt zur Unwirksamkeit der Kündigung nach § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG. Die Anhörung ist fehlerhaft, wenn der Arbeitgeber seine Mitteilungspflicht gegenüber dem Betriebsrat nicht ausreichend erfüllt. Der Arbeitgeber muss dem Betriebsrat die Gründe mitteilen, die nach seiner subjektiven Sicht die Kündigung rechtfertigen und für seinen Kündigungsentschluss maßgeblich sind. Diesen Kündigungsentschluss hat er regelmäßig unter Angabe von Tatsachen so zu beschreiben, dass der Betriebsrat ohne zusätzliche eigene Nachforschungen die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe prüfen kann (z.B. BAG 23.02.2012 -2 AZR 773/10, juris, Rz. 30).

Ausweislich der Darstellung der Kündigungsgründe im Rahmen der Betriebsratsanhörung gemäß der Anlage zum Anhörungsschreiben vom 17.07.2015 (Bl. 77 ff. d.A.) stützt die Beklagte die Kündigung auf eine Personalüberkapazität von mindestens 5 gewerblichen Arbeitnehmern. Sie verweist insoweit (S. 2 der Anlage) auf ihre „internen Berechnungen“. Um welche Art der Berechnung es sich handelt und welchen Inhalt diese hat, wurde dem Betriebsrat nicht mitgeteilt. Da diese Berechnung aber wesentlich für den Umfang des behaupteten Personalreduzierungsbedarfs ist, war es dem Betriebsrat ohne Kenntnis der internen Berechnungen nicht möglich, ohne zusätzliche eigene Nachforschungen die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe zu prüfen.

III. Die Berufung der Beklagten war daher mit der sich aus § 97 ZPO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen. Ein Revisionszulassungsgrund nach § 72 Abs. 2 ArbGG besteht nicht.

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