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Betriebsbedingte Kündigung – Darlegungslast

ArbG Krefeld – Az.: 5 Ca 49/11 – Urteil vom 15.05.2011

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 23.12.2010, zugegangen am 27.12.2010, nicht aufgelöst worden ist.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Der Streitwert wird auf 7.500,- EUR festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um den Bestand des Arbeitsverhältnisses des Klägers.

Der am 06.05.1970 geborene Kläger, der verheiratet ist und zwei Kinder hat, ist bei der Beklagten, die eine T. betreibt, seit dem 01.07.1998 als Berufskraftfahrer beschäftigt.

Vertragsgrundlage war zuletzt ein schriftlicher Arbeitsvertrag vom 22.04.2009. Er verdient monatlich 2.500,- EUR brutto.

Bei der Beklagten werden regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt.

Mit Schreiben vom 23.12.2010 (Kopie Bl. 8 d.A.), zugegangen am 27.12.2010, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers zum 31.05.2011.

Mit der am 23.12.2010 bei Gericht eingegangenen und der Beklagten am 18.01.2011 zugestellten Klage wendet der Kläger sich gegen diese Kündigung.

Zu Protokoll der Sitzung vom 25.01.2011 erklärte die Beklagte nach entsprechendem gerichtlichen Hinweis auf die möglicherweise fehlende örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts, sie sei bereit, vor diesem Gericht weiter zu verhandeln.

Der Kläger ist der Ansicht: Die Kündigung sei rechtsunwirksam.

Das Verfahren nach den §§ 17f KSchG sei nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden.

Die Kündigung verstoße gegen § 613a BGB, da von den bislang 281 Arbeitnehmern 160 von einer der Schwestergesellschaften der Beklagten übernommen worden seien, bzw. ein Übernahmeangebot erhalten hätten.

Sein Arbeitsplatz sei nicht entfallen. Auch nach der Kündigung führe er die bisherigen Tätigkeiten im vereinbarten Umfang weiter fort. Daneben sei er auch in anderen Bereichen der Beklagten umfassend einsetzbar.

Letztlich verweise er auf das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 31.03.2011 im Rechtsstreit 6 Ca 150/11.

Der Kläger beantragt festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 23.12.2010, zugegangen am 27.12.2010, nicht aufgelöst worden ist.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht: Die Kündigung sei rechtswirksam.

Das Verfahren nach den §§ 17f KSchG sei durch eine Entlassungsanzeige vom 20.12.2010 (Kopie Bl. 51 – 65 d.A.), eingegangen ausweislich der Eingangsbestätigung der Agentur für Arbeit vom 20.12.2010 (Kopie Bl. 66 d.A.) ordnungsgemäß durchgeführt worden.

Ein (Teil-) Betriebsübergang sei nicht erfolgt.

Inhaltlich sei die Kündigung aus betriebsbedingten Gründen sozial gerechtfertigt im Sinne des § 1 KSchG.

Wegen eines Verlustes in Höhe von rund 8 Mio. EUR habe sie zunächst per 30.09.2010 den Geschäftsbereich „O.“ eingestellt und die dort bestehenden Arbeitsverhältnisse beendet.

Nach weiterer Prüfung sei mit Wirkung zum 01.12.2010 der Geschäftsbereich „H.“ durch die M. M. H. J. GmbH übernommen worden.

In einer außerordentlichen Gesellschafterversammlung am 06.12.2010 sei ausweislich des Sitzungsprotokolls (Kopie Bl. 35 d.A.) die unternehmerische Entscheidung getroffen worden, den Geschäftsbetrieb an allen Standorten stillzulegen und zu beenden.

Mit den größten Kunden für Transporte im Bereich „H.“ habe sie Aufhebungsverträge über die Einstellung der Transporte per 31.12.2010 abschließen können. Die N. T. GmbH habe per 01.01.2011 die Durchführung der Transporte in diesem Bereich und dem Bereich „T.“ auf der Basis einer Vereinbarung vom 28.12.2010 (Kopie Bl. 36 – 50 d.A.) übernommen. Die aus der Anlage zu dieser Vereinbarung ersichtlichen Mitarbeiter seien im Wege des Betriebsübergangs auf die N. GmbH übergegangen.

Der Kläger sei zuletzt dem Bereich „M.“ in der Niederlassung N. eingesetzt gewesen.

Die Verträge mit den diesem Bereich zugewiesenen Kunden seien innerhalb der Kündigungsfristen der betroffenen Arbeitnehmer beendet worden. Hierzu verweise sie auf die – jeweils in Kopie vorgelegten Bestätigungen der Firma L. G. GmbH vom 17.01.2011 (Bl. 186 d.A.), der Firma L. C. vom 30.03.2011 (Bl. 187 d.A.), der Firma J. vom 28.03.2011 (Bl. 188 d.A.), sowie der des Kündigungsschreibens an die Firma L. vom 03.03.2011 (Bl. 189 d.A.).

Seit dem 31.03.2011 sei der Kläger bis zum Ablauf der Kündigungsfrist von der Arbeit freigestellt.

Aufträge führe sie in N. nicht mehr durch. Sie habe die Räumlichkeiten in N. gekündigt.

Letztlich sei auch die Sozialauswahl fehlerfrei erfolgt.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen vorgetragenen Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

1. Die Klage ist zulässig.

a. Die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts folgt aus den §§ 46 ArbGG, 495, 504, 39 ZPO.

Die Beklagte hat sich nach entsprechendem Hinweis bereit erklärt, trotz möglicherweise fehlender örtlicher Zuständigkeit vor dem angerufenen Gericht weiter zu verhandeln.

b. Die Klagefrist des § 4 KSchG wurde gewahrt.

c. Sonstige Bedenken gegen die Zulässigkeit des Klagebegehrens bestehen nicht.

2. Inhaltlich ist die Klage begründet.

Die streitbefangene Kündigung ist nicht durch dringende betriebliche Gründe im Sinne des § 1 KSchG, dessen allgemeine Voraussetzungen erfüllt sind (§§ 1, 23 KSchG) sozial gerechtfertigt.

Die Kammer folgt zur Vermeidung von Wiederholungen den zutreffenden Ausführungen des ArbG Düsseldorf im Urteil vom 31.03.2011 im Rechtsstreit 6 Ca 150/11.

Es fehlt an einer in sich schlüssigen unternehmerischen Entscheidung auf der Basis des Gesellschafterbeschlusses vom 06.12.2010.

Zwar ist grundsätzlich im Kündigungsschutzprozess eine derartige unternehmerische Entscheidung im Hinblick auf die unternehmerische Entscheidungsfreiheit nicht auf ihre Notwendigkeit oder Zweckmäßigkeit durch die Arbeitsgerichte überprüfbar. Überprüfbar ist dagegen, ob diese Entscheidung die Basis dafür bietet, dass im Rahmen ihrer Umsetzung im Zeitpunkt des Zugangs der streitbefangenen Kündigung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit feststeht, dass das Beschäftigungsinteresse des betroffenen Arbeitnehmers bei Ablauf der Kündigungsfrist gegenüber dem Beendigungsinteresse des gekündigten Arbeitnehmers überwiegt.

Damit hätte eine in sich schlüssige unternehmerische Entscheidung nachvollziehbare Darstellungen der Beklagten erfordert, dass sie – im Zeitpunkt der Kündigung bereits feststehend – die bestehenden Kundenverträge einseitig spätestens zum Ablauf der Kündigungsfrist des Klägers einseitig beenden konnte, bzw. dass mit diesen Kunden bereits in diesem Zeitpunkt eine vorzeitige einverständliche Beendigung der vertraglichen Beziehungen vereinbart worden sei. Derartiger Vortrag, der insbesondere die Vorlage der entsprechenden vertraglichen Regelungen erfordert hätte, fehlt jedoch.

Im Gegenteil deuten die von der Beklagten vorgelegten Schreiben (Kopien Bl. 186 – 189 d.A.) eher darauf hin, dass die Beklagte zunächst die Kündigungen der besprochenen Arbeitnehmer ausgesprochen und sich erst dann um eine – im Zweifel vorzeitige – Aufhebung der vertraglichen Regelungen mit ihren Kunden bemüht hat.

Damit könnte möglicherweise eine – noch auszusprechende – weitere fristgerechte Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers im Sinne des § 1 KSchG sozial gerechtfertigt sein. Für die streitbefangene Kündigung gilt dies jedoch nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 46 ArbGG, 91 ZPO; die Streitwertfestsetzung auf den §§ 61 Abs. 1 ArbGG, 42, 63 GKG, 3 ZPO.

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