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Betriebsbedingte Kündigung eines Arbeitnehmers

Beweislast des Arbeitgebers für unternehmerische Entscheidung

ArbG Hamburg, Az.: 5 Ca 7/13

Urteil vom 09.01.2014

1. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 27. Dezember 2012, zugestellt am 29. Dezember 2012, mit Ablauf des 31. Januar 2013 endete.

2. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin zu unveränderten Vertragsbedingungen als Mediengestalterin für Digital- und Printmedien weiter zu beschäftigen.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

5. Der Wert des Streitgegenstands wird auf 10.800,00 € festgesetzt.

6. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.

Tatbestand

Betriebsbedingte Kündigung eines Arbeitnehmers
Symbolfoto: Yacobchuk/Bigstock

Die Parteien streiten um die Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin.

Die Klägerin ist seit dem 1. Dezember 2011 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin – die R. m. GmbH – als Mediengestalterin für Digital- und Printmedien beschäftigt.

Durch Gesellschaftsvertrag vom 17. April 2012 verschmolzen die R. m. GmbH und die S. M. GmbH zur jetzigen Beklagten. Die S. M. GmbH hatte ihren Sitz am A3. Dies blieb auch nach der Verschmelzung so. Die Mitarbeiter dieses Büro teilen sich die Räumlichkeiten mit den Mitarbeitern des K.-Verlages und arbeiten mit diesen zusammen.

Die Klägerin ist tätig in der Filiale A1, die sich bis September 2012 noch in der A2 befand. Neben der Klägerin arbeiten dort noch die Filialleiterin Frau E. sowie die Mitarbeiter Herr G. und Frau R.-V..

Die Beklagte bearbeitet ausschließlich für den B. Verlag Aufträge für dessen Zeitschriften im Bereich Druckvorlage. Ab November 2012 entfielen die Aufträge des Verlages für die Zeitschriften M. W., T. M. und T. P. ersatzlos.

Mit Schreiben vom 27. Dezember 2012 (Anlage K 2, Bl. 7 d.A.) kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 31. Januar 2013.

Die Klägerin meint, dringende betriebliche Erfordernisse, die ihrer Weiterbeschäftigung entgegenstünden, lägen nicht vor. Die Sozialauswahl sei fehlerhaft, denn die Beklagte hätte auch die Mitarbeiter des Büros am A3. mit einbeziehen müssen. In dem Büro am A3. seien mindestens 2 Mitarbeiterinnen tätig, die sozial weniger schutzwürdig seien. Die Beklagte könne die Klägerin auch dort einsetzen, weil sie nicht für eine bestimmte Betriebsstätte eingestellt worden sei.

Die Klägerin beantragt,

1. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 27. Dezember 2012, zugestellt am 29. Dezember 2012 mit Ablauf des 31. Januar 2013 endet.

2. Die Beklagte wird für den Fall des Obsiegens betreffend des Antrages zu 1. verurteilt, die Klägerin zu unveränderten Vertragsbedingungen als Mediengestalterin für Digital- und Printmedien in der Betriebsstätte H. weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte meint, die Kündigung sei aus dringenden betrieblichen Gründen gerechtfertigt. Mit dem Verlust der Aufträge des B. Verlages sei ein Arbeitsvolumen von 200 bis 300 Stunden monatlich weggefallen. Deswegen bestünde kein Beschäftigungsbedarf für die Klägerin. Die Klägerin sei ausschließlich für die Betriebsstätte A1 eingestellt worden, da es bei ihrer Einstellung noch kein Büro am A3 gab. Diese Sozialauswahl beschränke sich daher auf die Betriebsstätte A1. Gegenüber Herrn G. und Frau R.-V. sei die Klägerin nicht sozial schutzwürdiger. Am A3 könne die Klägerin nicht beschäftigt werden….

Entscheidungsgründe

I.

Die zulässige Klage ist begründet. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin endete nicht aufgrund der Kündigung der Beklagten vom 27. Dezember 2012 zum 31. Januar 2013. Die aus betriebsbedingten Gründen ausgesprochene Kündigung ist rechtsunwirksam. Die Klägerin ist daher als Mediengestalterin für Digital- und Printmedien weiter zu beschäftigen.

1. Das Kündigungsschutzgesetz ist auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anwendbar. Die Klägerin ist im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung länger als sechs Monate (§ 1 Abs. 1 KSchG), nämlich seit dem 1. Dezember 2011 ununterbrochen als Arbeitnehmerin im Betrieb der Beklagten angestellt, die zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von mehr als 30 Stunden ohne die zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten beschäftigte (§ 23 Abs. 1 Satz 2 und 3 KSchG).

2. Die dreiwöchige Klagefrist ist eingehalten (§ 4 Satz 1 KSchG), so dass die Kündigung nicht bereits nach §§ 4, 7 KSchG wirksam sind. Die Klage gegen die Kündigung vom 27. Dezember 2012 ging innerhalb der Frist des § 4 KSchG, nämlich am 4. Januar 2012 bei Gericht ein und wurde der Beklagten am 11. Januar 2013 zugestellt.

3. Die Kündigung ist jedoch sozial ungerechtfertigt, weil sie nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt ist, die einer Weiterbeschäftigung der Klägerin im Betrieb der Beklagten über den 31. Januar 2013 hinaus entgegenstehen (§ 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG). Andere Kündigungsgründe haben die Parteien nicht vorgetragen.

Dringende betriebliche Erfordernisse für eine Kündigung im Sinne der Vorschrift des § 1 Abs. 2 KSchG können sich aus innerbetrieblichen oder außerbetrieblichen Gründen ergeben.

a. Eine Kündigung ist aus innerbetrieblichen Gründen gerechtfertigt, wenn sich der Arbeitgeber im Unternehmensbereich zu einer organisatorischen Maßnahme entschließt, bei deren innerbetrieblicher Umsetzung das Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung eines oder mehrerer Arbeitnehmer entfällt (BAG, Urteil vom 17. Juni 1999 – 2 AZR 522/98 –, AP Nr. 102 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung, zu II 1 a der Gründe, st. Rspr.).

Von den Arbeitsgerichten ist voll nachzuprüfen, ob eine derartige unternehmerische Entscheidung tatsächlich vorliegt und durch ihre Umsetzung das Beschäftigungsbedürfnis für einzelne Arbeitnehmer entfallen ist. Dagegen ist die unternehmerische Entscheidung nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder ihre Zweckmäßigkeit zu überprüfen, sondern nur darauf, ob sie offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist (BAG, Urteil vom 17. Juni 1999 – 2 AZR 522/98 –, AP Nr. 102 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung, zu II 1 a der Gründe, stRspr).

b. Dem gegenüber sind unter außerbetrieblichen Gründen von der Betriebsgestaltung und Betriebsführung unabhängige Umstände zu verstehen, die einen konkreten Bezug zu dem Betrieb des Arbeitgebers haben und sich speziell auf bestimmte Arbeitsplätze auswirken, z.B. Auftragsmangel, Rohstoffmangel, Umsatzrückgang. Liegt ein außerbetrieblicher Grund vor, ist er nur dann als betriebsbedingter Kündigungsgrund geeignet, wenn durch ihn ein Überhang an Arbeitskräften herbeigeführt wird, durch den mittelbar oder unmittelbar das Bedürfnis zur Weiterbeschäftigung eines oder mehrerer Arbeitnehmer entfällt, (BAG, Urteil v. 30. Mai 1985, EzA Nr. 36 zu § 1 KSchG betriebsbedingter Kündigung). Soweit sich der Arbeitgeber auf diesen außerbetrieblichen Grund beruft, beruft er sich auf eine unmittelbare Kausalkette zwischen außerbetrieblichem Grund und Wegfall des Bedürfnisses zur Beschäftigung einer bestimmten Anzahl von Arbeitnehmern und muss sich daran messen lassen, (vgl. BAG, Urteil v. 15. Juni 1989, AP Nr. 45 zu § 1 KSchG betriebsbedingte Kündigung).

c. Gemessen an diesen Grundsätzen liegen die Voraussetzungen für eine wirksame betriebsbedingte Kündigung im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG nicht vor.

Die Beklagte beruft sich zunächst auf außerbetriebliche Gründe. Denn sie behauptet, die Aufträge des B. Verlages, die weggefallen sind, hätten ein Stundenvolumen von 200 bis 300 Stunden monatlich ausgemacht. Dies sei mehr als eine Vollzeitkraft. Dementsprechend sei der Arbeitsplatz der Klägerin entfallen. Aus dem Vortrag der Beklagten ergibt sich jedoch nicht, dass der Arbeitsplatz der Klägerin weggefallen ist. Die Beklagte hat den Wegfall des Beschäftigungsbedürfnisses der Klägerin trotz gerichtlicher Auflage nicht schlüssig und nachvollziehbar dargelegt. So lässt sich dem Vortrag der Beklagten bereits nicht entnehmen, wann und in welcher Form wer bei der Beklagten eine unternehmerische Entscheidung getroffen hat, die zum Wegfall des Beschäftigungsbedürfnisses der Klägerin geführt haben soll. Die Beklagte hat lediglich ausgeführt, dass die verlorenen Aufträge ein Arbeitsvolumen von 200 bis 300 Stunden monatlich ausgemacht hätten. Angesichts der Tatsache, dass die Klägerin dies bestritten hat, hätte die Beklagte zunächst weiter darlegen müssen, aufgrund welcher Tatsachen, Zahlen etc. sich ein entsprechender Rückgang der Arbeitsmenge ergeben soll. Da entsprechender Vortrag der Beklagten fehlt, konnte auch die von ihr benannte Zeugin Frau E. nicht vernommen werden, da dies einen unzulässigen Ausforschungsbeweis dargestellt hätte. Die Beklagte hätte außerdem erläutern müssen, wie sich dieser Rückgang der Arbeitsmenge auf die Tätigkeit der Klägerin ausgewirkt hat. Hierzu fehlt – trotz gerichtlicher Auflage – jeglicher Vortrag der Beklagten. Die insofern von der Beklagten behaupteten Zahlen sind allein ohnehin nicht geeignet, erkennen zu lassen, warum gerade in dem Bereich, in dem die Klägerin eingesetzt ist, die benötigte Arbeitskapazität genau in solchem Umfang gesunken sein soll, dass der Arbeitsplatz der Klägerin entfällt. Warum damit gleichzeitig der Beschäftigungsbedarf für die Klägerin entfallen soll, erläutert die Beklagte ebenfalls nicht. Weitere Ausführungen der Beklagten zu diesem Punkt wären aber erforderlich gewesen.

Daher war die von der Beklagten ausgesprochene Kündigung vom 27. Dezember 2012 mangels ausreichender Darlegung eines betriebsbedingten Kündigungsgrundes unwirksam. Es konnte daher dahingestellt bleiben, ob die von der Beklagten durchgeführte Sozialauswahl ordnungsgemäß war und ob eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit im Büro am Gänsemarkt bestand.

4. Da das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung nicht beendet wurde, sondern fortbesteht, kann die Klägerin von der Beklagten auch ihre Weiterbeschäftigung als Mediengestalterin verlangen. Der Anspruch eines Arbeitnehmers auf vertragsgemäße Beschäftigung folgt aus §§ 611 und 613 BGB i.V.m. § 242 BGB unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen der Artikel 1 und 2 GG über den Persönlichkeitsschutz des Arbeitnehmers und der sich daraus ergebenden arbeitsvertraglichen Förderungspflicht der Beschäftigungsinteressen des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber (BAG, Beschluss des Großen Senats vom 27.2.1985, AP BGB § 611 Beschäftigungspflicht Nr. 14). Besondere Umstände, die ausnahmsweise das Interesse der Beklagten, die Klägerin nicht weiter zu beschäftigen, gegenüber dem Beschäftigungsinteresse der Klägerin überwiegen könnten, hat die Beklagte nicht vorgetragen und sind auch sonst nicht ersichtlich.

5. Die Klägerin hat allerdings keinen Anspruch auf ihre konkrete Beschäftigung in der Betriebsstätte H.. Insoweit war die Klage unbegründet und daher abzuweisen. Zwischen den Parteien ist nicht streitig, dass Arbeitsort der Klägerin H. ist. Die Klägerin trägt demgegenüber nicht vor, ob sich die Formulierung „Betriebsstätte H.“ auf ein bestimmtes Büro der Beklagten oder nur den Arbeitsort H. bezieht. Angesichts dessen konnte die Kammer nicht erkennen, dass die Klägerin einen entsprechenden Anspruch auf Beschäftigung „in der Betriebsstätte H.“ hat.

II.

Die Entscheidung über die Tragung der Kosten des Rechtsstreits beruht auf §§ 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG. Danach hat die Beklagte als ganz überwiegend unterliegende Partei des Rechtsstreits die Kosten zu tragen. Der in der mündlichen Verhandlung vom 9. Januar 2014 zurückgenommene allgemeine Feststellungsantrag hat keine höheren Kosten veranlasst, weil ihm kein eigener Streitwert beizumessen ist.

Der gemäß § 61 ArbGG im Urteil festzusetzende Wert des Streitgegenstandes beträgt demgegenüber für den Feststellungsantrag das Dreifache des von der Klägerin bezifferten Bruttomonatsgehalts, der Weiterbeschäftigungsantrag ist mit einem Bruttomonatsgehalt bewertet worden.

Die Voraussetzung für eine gesonderte Zulassung der Berufung gemäß § 64 Abs. 3 ArbGG liegen nicht vor. Die Möglichkeit der Berufung gemäß § 64 Abs. 2 Buchst. c ArbGG bleibt davon unberührt.

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