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Betriebsbedingte Kündigung – Fehlerhaftigkeit der Sozialauswahl – Darlegungslast

LAG Berlin-Brandenburg, Az.: 11 Sa 603/17, Urteil vom 15.08.2017

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 30. März 2017 – 1 Ca 13183/16 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten zuletzt – soweit für das Berufungsverfahren von Bedeutung – noch über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung sowie einen Anspruch auf vorläufige Weiterbeschäftigung.

Die am … 1963 geborene, ledige Klägerin ist mit einer anerkannten Betriebszugehörigkeit seit dem 1. November 2000 bei der Beklagten beschäftigt. Grundlage des Arbeitsverhältnisses ist der zuletzt geschlossene Arbeitsvertrag vom 28. August 2003 zwischen der Klägerin und der A. S. SE. Danach ist Klägerin als Redakteurin in der Service- und Entwicklungsredaktion (S & E Redaktion) gegen ein Bruttomonatsgehalt in Höhe von 5.230,- Euro einschließlich einer Funktionszulage in Höhe von 250,- Euro tätig. Diese Funktionszulage wird seit Oktober 2016 nicht mehr gezahlt. Die S & E Redaktion erbrachte mit ihren Redakteuren Redaktionsleistungen für von der A. S. SE verlegte Objekte, maßgeblich die Online-Portale wand&beet, MyEntdecker, Berlin 1, RedCarpet, World Luxury Guide, Einkaufsbahnhof.de, onmeda/gesund sowie die Printmedien IHK-Magazin und Print-Beilage Gesund.

Zum 13. Dezember 2013 erfolgte ein Betriebsteilübergang hinsichtlich der S & E Redaktion, die bis dato von der B. M. GmbH als auch von der A. S. SE gemeinsam betrieben wurde, auf die jetzige Beklagte, einer Tochter der A. S. SE. Die Beklagte beschäftigt regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer.

Für den Betrieb der Beklagten ist zusammen für die Berliner Betriebe des A. S. Konzern ein gemeinsamer Betriebsrat gebildet. Anlässlich der Ausgliederung der S & E-Redaktion in die Beklagte wurde eine Betriebsvereinbarung (Anlage K 5, Bl. 16 ff. d. A.) geschlossen. In einer Protokollnotiz zu dieser Betriebsvereinbarung heißt es wie folgt:

„(…)

Betriebsbedingte Kündigung – Fehlerhaftigkeit der Sozialauswahl - Darlegungslast
Symbolfoto: ilixe48/Bigstock

Die Geschäftsleitung der A. S. AG/U. GmbH und die Geschäftsleitung der AS Sy. GmbH erklären, dass die A. S. AG/U. GmbH und die AS Sy. GmbH ab dem 1. April 2013 einen gemeinsamen Betrieb führen und der Betriebsrat Berlin für die Mitarbeiter der AS Sy. GmbH zuständig ist. Die Geschäftsleitungen der A. S. AG/U. GmbH und die Geschäftsleitung der AS Sy. GmbH fühlen sich an diese Feststellung bis zum 31. März 2018 gebunden.

(…)“

Mit Schreiben vom 16. Dezember 2013 unterrichtete die Beklagte die Klägerin über den Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf die Beklagte. Im Unterrichtungsschreiben heißt es u.a. wie folgt:

„(…)

3. Rechtliche, wirtschaftliche und sozial Folgen des Übergangs

(…)

3.2

Der Betriebsteilübergang hat keine Auswirkungen auf die bisherigen betrieblichen Strukturen, die unverändert bleiben. [Die Beklagte] ist – ebenso wie die [Rechtsvorgängerin der Beklagten] – Teil des bestehenden Gemeinschaftsbetriebs in Berlin und wird dies auch künftig einschließlich des übergehenden Betriebsteils „Service- und Entwicklungsredaktion“ bleiben.

In der Folge bleibt der im Gemeinschaftsbetrieb in Berlin gewählte Betriebsrat auch bei der [Beklagten] weiterhin für Ihr Arbeitsverhältnis zuständig.

Ferner finden die im Gemeinschaftsbetrieb geltenden Betriebsvereinbarungen auch nach dem Betriebsteilübergang unverändert kollektiv-rechtlich auf Ihr Arbeitsverhältnis Anwendung. Auch die Betriebsvereinbarungen auf Konzernebene gelten für Sie unverändert kollektiv-rechtlich weiter, da auch die [Beklagte] [zur Konzernmutter] gehört und grundsätzlich unter den Geltungsbereich dieser Betriebsvereinbarungen fällt.

(…)“

Im Oktober 2015 beschloss der Vorstand der A. S. SE, die Online-Portale wand&beet, MyEntdecker, Berlin 1, Red Carpet, World Luxury Guide, onmeda/gesund sowie die Print-Beilage Gesund zum Jahresende 2015 ersatzlos einzustellen und den weiter von der Beklagten redaktionell betreuten Titel IHK-Magazin sowie das Online-Portal Einkaufsbahnhof.de künftig eigenständig zu betreuen.

Sie informierte die Geschäftsführung der Beklagten im Oktober 2015 über diese Entscheidung. Der Personalleiter Verlagshäuser der A. S. SE, Herr W., führte hierüber mit dem Betriebsrat Gespräche und erläuterte die Hintergründe dieser Entscheidung gegenüber dem Betriebsrat auch in E-Mails vom 13. November 2015 (Anlage KV 2, Bl. 103 ff. d. A.) und 28. Januar 2016 (Anlage KV 3, Bl. 107 ff. d. A.) in wir-Form.

Seit Beginn des Jahres 2016 wurden die fest angestellten Redakteure der Beklagten nur noch mit Abwicklungs- und Archivierungsaufgaben betraut, die am 2. September 2016 vollständig abgeschlossen waren. Die Klägerin war im April 2016 für einen Monat in der zur A. S. SE gehörenden B.Z. online Redaktion eingesetzt.

Im Juni 2016 war bei der Beklagten eine Stelle als Sales Manager Media zu besetzen, im August 2016 ferner eine Stelle im Mediastream, als Elternzeitvertretung bis zum 14. November 2017. Die Beklagte bot der Klägerin die Stelle als Sales Manager Media am 17. Juni 2016 an; die Klägerin lehnte sie ab. Die befristete Stelle im Mediastream bot sie ihr am 2. August 2016 an; eine Rückmeldung der Klägerin blieb aus.

Am 2. September 2016 beschloss die Geschäftsführung der Beklagten, die S & E Redaktion zum 30. September 2016 stillzulegen, was nachfolgend entsprechend umgesetzt wurde.

Mit Schreiben vom 14. September 2016 (Anlage KV 4, Bl. 110 ff. d. A.) wandte sich der Personalleiter Verlagshäuser, Herr W., an den Betriebsrat Berlin und informierte diesen über eine geplante Massenentlassung bei der Beklagten.

Mit weiterem Schreiben vom 16. September 2017(Anlage KV 4, Bl. 110 ff. d. A.) hörte der Personalleiter Verlagshäuser, Herr W., unter dem Namen der Beklagten den Betriebsrat Berlin zur Kündigung u. a. der Klägerin an. Nach Beteiligung des Betriebsrates und der Übermittlung einer Massenentlassungsanzeige, die ebenfalls von Mitarbeitern der Personalabteilung Verlagshäuser unter dem Namen der Beklagten gefertigt worden war, kündigte die Beklagte mit Schreiben vom 30. September 2016, der Klägerin am selben Tag zugegangen, das Arbeitsverhältnis zum 31. März 2017. Zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung waren die beiden der Klägerin angebotenen Stellen besetzt.

Dagegen hat sich die Klägerin mit ihrer am 7. Oktober 2016 beim Arbeitsgericht eingegangenen und der Beklagten am 18. Oktober 2016 zugestellten Klage gewandt und die Unwirksamkeit der Kündigung, u. a. wegen des Vorrangs einer Änderungskündigung gewandt und neben der Weiterbeschäftigung auch die Weiterzahlung der Funktionszulage verlangt. Sie hat gemeint, im Hinblick auf die zwei im Sommer 2016 zu besetzenden Stellen bei der Beklagten sei die streitgegenständliche Beendigungskündigung bereits wegen des Grundsatzes des Vorrangs der Änderungskündigung sozial ungerechtfertigt. Darüber hinaus ist sie der Auffassung, dass die Beklagte weiterhin einen Gemeinschaftsbetrieb mit der A. S. SE bzw. deren Berliner Betrieben unterhalten hätte, der durch die Stilllegung der Abteilung S&E nicht entfallen sei. Angesichts dessen erstrecke sich die Sozialauswahl in ihrem Falle auf den Gemeinschaftsbetrieb.

Die Klägerin hat zuletzt – nach Rücknahme eines zunächst angekündigten allgemeinen Feststellungsantrags – beantragt,

1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 30. September 2016 nicht aufgelöst wird;

2. festzustellen, dass der Widerruf der ihr von der Beklagten gewährten Funktionszulage in Höhe von 250,00 EUR brutto zum 30. September 2016 rechtswidrig ist und sie auch über den 30. September 2016 hinaus einen Anspruch auf Zahlung einer Funktionszulage in Höhe von 250,00 EUR brutto monatlich gegen die Beklagte hat;

3. die Beklagte zu verurteilen, an sie 250,00 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5% über dem Basiszinssatz seit dem 26. Oktober 2016 zu zahlen;

4. die Beklagte zu verurteilen, sie für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag zu 1. zu den Arbeitsbedingungen nach Maßgabe des Arbeitsvertrages vom 28. August 2003, also zu einem Bruttogehalt von derzeit 5.203,00 EUR inklusive der Funktionszulage gemäß des Antrages zu 3., bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag zu 1. weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags vorgetragen, der Vorrang der Änderungskündigung greife vorliegend nicht zu Gunsten der Klägerin. Die Klägerin habe die angebotenen Stellen abgelehnt bzw. sich nicht rückgeäußert. Unter Bezugnahme auf eine im Kammertermin übergebene Liste mit den Sozialdaten der 13 zeitgleich gekündigten Redakteure der S & E Redaktion meint sie, die Klägerin könne sich nach der Aufgabe der „Domino-Theorie“ des Bundesarbeitsgerichts auf den Vorrang einer Änderungskündigung auch nicht berufen.

Sie hätte auch mit den Berliner Betrieben der A. S. SE keinen Gemeinschaftsbetrieb im kündigungsschutzrechtlichen Sinne geführt. Jedenfalls wäre die Stilllegung der Abteilung S & E mit einer Auflösung des Gemeinschaftsbetriebs einhergegangen. Wegen der Kündigung aller Arbeitnehmer der Abteilung S & E und der mangelnden Vergleichbarkeit der bei der Beklagten in der Abteilung Lizensierung noch verbliebenen Arbeitnehmer habe eine Sozialauswahl nicht vorgenommen werden müssen.

Mit Urteil vom 30. März 2017, auf das zur weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes ergänzend Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht Berlin festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 30. September 2016 nicht aufgelöst worden ist und die Beklagte zur vorläufigen Weiterbeschäftigung der Klägerin verurteilt. Die weitergehende Klage hinsichtlich der Funktionszulage hat es abgewiesen. Im Hinblick auf den der Klage stattgebenden Teil der Entscheidung bezogen auf die Kündigung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Kündigung sei unwirksam, weil die Beklagte die zuvor ausgeschriebenen freien Stellen der Klägerin durch Ausspruch einer Änderungskündigung vorrangig vor einer Beendigungskündigung hätte anbieten müssen. Die inzwischen durchgeführte Stellenbesetzung sei eine treuwidrige Bedingungsvereitelung, die dem Vorrang der Änderungskündigung nicht entgegenstehe. Die Klägerin könne sich darauf auch berufen, obwohl sie wohl nicht sozial schutzwürdigste Arbeitnehmerin sei. Das Bundesarbeitsgericht habe zwar die sog. Domino-Theorie aufgegeben, was durchaus dafür sprechen könne, dass sich auf freie Stellen nur die schutzbedürftigsten Arbeitnehmer berufen könnten. Diese Argumentation verfange vorliegend jedoch nicht, da es anders als in dem vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall nicht um den Vollzug eines Punkteschemas gehe und die Beklagte auch kein Ranking nach den Sozialdaten vorgenommen habe. Außerdem sei die Situation denkbar, in denen anderen schutzwürdigeren Arbeitnehmern die Berufung auf die freien Stellen nach Treu und Glauben verwehrt sei. Dann könne auch die Klägerin zum Zuge kommen. Wegen der Unwirksamkeit der Kündigung sei die Beklagte auch zur vorläufigen Weiterbeschäftigung verpflichtet.

Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten.

Gegen das Beklagten am 10. April 2017 zugestellte Urteil hat sie mit dem 4. Mai 2017 eingegangenen Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten Berufung eingelegt und diese mit dem am Montag, den 12. Juni 2017 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Die Beklagte hält die angefochtene Entscheidung für teilweise unzutreffend. Sie hält die Kündigung vom 30. September 2016 für wirksam, weshalb sie auch nicht zur Weiterbeschäftigung verpflichtet sei. Das Arbeitsgericht sei fehlerhaft und ohne nähere Begründung von einer treuwidrigen Stellenbesetzung ausgegangen. Zudem habe es die Rechtsprechungsgrundsätze bei Konkurrenz um freie Arbeitsplätze verkannt und zu Unrecht den Vorrang einer Änderungskündigung angenommen. Bei richtiger Rechtsanwendung habe es die Klage abweisen müssen. Aufgrund sinkender Umsätze sei entschieden worden, verschiedene, von der S&E Redaktion betreute Verlagsobjekte der A. S. SE einzustellen, wodurch der Beschäftigungsbedarf in der S&E Redaktion entfallen sei. Daher habe die Beklagte am 2. September 2016 den Entschluss gefasst, diese Redaktion zum 30.09.2016 stillzulegen. Sie habe 14 Redakteuren gekündigt; die Klägerin sei von den Sozialdaten her am wenigsten schutzbedürftig gewesen. Anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeiten bei der Beklagten bestünden nicht. Die zwei der Klägerin angebotenen Stellen seien im Zeitpunkt der Kündigung besetzt gewesen. Dabei handele es sich nicht um treuwidrige Besetzungen; der Sachverhalt biete dafür keinerlei Anhaltspunkte. Die Besetzung dieser Stellen sei nicht treuwidrig, da diese Stellen kurzfristig hätten besetzt werden müssen. Der Entschluss zur Besetzung der Stellen sei vor der Stilllegungsentscheidung getroffen worden. Die Beklagte habe zunächst auch versucht, die betroffenen Arbeitnehmer anderweitig unterzubringen. Sie habe erst nach Abschluss der Abwicklungsarbeiten den Entschluss zur Stilllegung gefasst. Aber auch wenn die Stellen noch frei gewesen wären, bestünde kein Vorrang der Änderungskündigung. Dann wären andere sozial schutzwürdigere Arbeitnehmer und nicht die Klägerin zum Zuge gekommen. Der Klägerin wären diese in keinem Fall anzubieten gewesen. Es seien auch anders als das Arbeitsgericht meine, keine Konstellationen denkbar, in denen die Klägerin an der Reihe gewesen wäre. Die Voraussetzungen einer betriebsbedingten Kündigung lägen vor. Eine Sozialauswahl sei entbehrlich gewesen. Der Betriebsrats sei ordnungsgemäß angehört und die Kündigung daher wirksam, sodass auch der Weiterbeschäftigungsantrag abzuweisen sei.

Im Übrigen meint sie – unter Wiederholung des erstinstanzlichen Vortrags – es bestehe auch kein Gemeinschaftsbetrieb; jedenfalls sei ein etwaiger Gemeinschaftsbetrieb durch die Schließung der S & E Redaktion als einzig verbindendes Element aufgelöst.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 30. März 2017 – 1 Ca 13183/16 – abzuändern die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vortrags nach Maßgabe der Berufungsbeantwortung vom 17. Juli 2017 nebst Anlagen (Bl. 382 – 424 d. A.) als richtig und meint, die Beschäftigungsmöglichkeiten seien nicht entfallen. Die Beklagte habe nicht den gesamten Betrieb stillgelegt und betreibe nach wie vor die Lizensierungsabteilung. Die Beklagte habe die Auftragslage selbst verbessern können, wenn sie auf der Einhaltung der Betriebsvereinbarung bestanden hätte. Die Kündigung sei zudem unverhältnismäßig, weil die Klägerin auf einem anderen freien Arbeitsplatz zu geänderten Bedingungen weiterbeschäftigt hätte werden können. Die inzwischen besetzten Stellen hätten ihr per Änderungskündigung angeboten werden müssen. Diese Stellenbesetzungen seien im zeitlichen Zusammenhang mit der Kündigung zu sehen, weil klar gewesen sei, dass die S&E Redaktion geschlossen würde. Die Beklagte habe keine Sozialauswahl durchgeführt, kein Punkteschema angewandt oder Vortrag zu einem Ranking gehalten. Schließlich sei die Kündigung unwirksam wegen fehlerhafter Sozialauswahl. Die Beklagte führe mit der A. S. SE einen Gemeinschaftsbetrieb, welcher nicht aufgelöst sei. Deshalb sei die Sozialauswahl auf den Gemeinschaftsbetrieb zu erstrecken. Dort seien mindestens 225 Redakteure, die jünger und kürzer beschäftigt seien, beschäftigt und mit der Klägerin vergleichbar. Die Beklagte habe diesbezüglich keine Sozialdaten mitgeteilt und sei ihrer Darlegungslast nicht nachgekommen. Darüber hinaus hätte auch eine Sozialauswahl mit den bei der Beklagten verbleibenden 46 Arbeitnehmern erfolgen müssen. Diese arbeiteten auf vergleichbaren Arbeitsplätze; die Beklagte habe sie der Klägerin ja auch angeboten. Jedenfalls bestehe ein krasser Widerspruch zu früherem Verhalten, wenn die Beklagte jetzt einen Gemeinschaftsbetrieb abstreite.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Parteien wird ergänzend auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze der Parteien, die – soweit entscheidungserheblich – Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, aber nicht begründet.

I.

Sie ist nach §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 und 2 Buchstabe c ArbGG statthaft sowie form- und fristgerecht im Sinne der §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 Satz 1, 2 und 5 ArbGG i. V. m. §§ 519, 520 Abs. 1 und 3 ZPO eingelegt und begründet worden.

Die Berufung der Beklagten ist unbegründet und war daher zurückzuweisen. Die Beklagte wendet sich gegen die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigungen 30. September 2017 nicht beendet worden ist. Das Arbeitsgericht hat im Ergebnis zu Recht auf die Unwirksamkeit dieser Kündigungen erkannt. Die Kammer folgt zwar nicht der Auffassung des Arbeitsgerichts, dass die Beklagte im Hinblick auf die im Juni und August 2016 ausgeschriebenen Stellen vorrangig eine Änderungskündigung hätte aussprechen müssen. Denn diese Stellen waren im Kündigungszeitpunkt besetzt. Dabei kann offenbleiben, ob allein aus der Stellenbesetzung schon der Vorwurf einer Bedingungsvereitelung hergeleitet werden kann. Denn nach der Aufgabe der Domino-Theorie (BAG, Urteil vom 9. November 2006 – 2 AZR 812/05 – BAGE 120, 137-146 = AP Nr. 87 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl = NZA 2007, 549) könnten sich darauf nur die sozial schutzwürdigsten Arbeitnehmer berufen. Dies ist aber nicht die Klägerin. Allerdings erweist sich das angefochtene Urteil aus anderen Gründen als richtig, sodass die Berufung der Beklagten zurückzuweisen war.

II.

Die Kündigung der Beklagten vom 30. September 2016 hat das Arbeitsgericht im Ergebnis zu Recht als rechtsunwirksam angesehen.

1.

Die Kündigung vom 30. September 2017 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht zu beenden vermocht. Die zulässige und rechtzeitig innerhalb der materiellen Ausschlussfrist der §§ 4, 7 KSchG gegen diese Kündigung erhobenen Kündigungsschutzklage der Klägerin ist begründet.

Die Kündigung ist vorliegend auch am Maßstab des § 1 Abs. 2 KSchG zu messen. Das KSchG findet auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung. Die Beklagte besitzt im Zeitpunkt des Kündigungszugangs die nach § 23 Abs. 1 KSchG erforderliche Betriebsgröße, denn sie beschäftigte unstreitig mehr als zehn Arbeitnehmer. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin hat im Betrieb der Beklagten auch länger als sechs Monate, nämlich unter Berücksichtigung der bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten zurückgelegten Beschäftigungszeit fast 16 Jahre bestanden. Die Unwirksamkeit der Kündigung ist auch innerhalb der materiellen Ausschlussfrist von drei Wochen nach § 4 KSchG i. v. m. § 167 ZPO durch Erhebung der Kündigungsschutzklage rechtzeitig geltend gemacht.

2.

Es ist nach dem insoweit übereinstimmenden Vortrag der Parteien davon auszugehen, dass die Beklagte die Schließung der S & E Redaktion beschlossen und diese tatsächlich geschlossen hat. Die damit einhergehende Betriebsteilstillegung ist grundsätzlich als betriebsbedingter Grund für eine Kündigung im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG geeignet. Es ist anerkannt, dass zu den dringenden betrieblichen Erfordernissen, die nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG einen Grund zur sozialen Rechtfertigung der Kündigung abgeben können, die Stilllegung des gesamten Betriebes, einer Betriebsabteilung oder eines Betriebsteiles durch den Arbeitgeber gehören (BAG, Urteil vom 27. November 2003 – 2 AZR 48/03 – AP Nr. 64 zu § 1 KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl). Gleichwohl liegt kein betriebsbedingter Kündigungsgrund vor. Voraussetzung für die Betriebsbedingtheit einer Kündigung ist nicht der Wegfall des konkreten Arbeitsplatzes, sondern die Verringerung des Beschäftigungsbedarfs für bestimmte Tätigkeiten. Bei einer Teilbetriebsstilllegung handelt es sich nur um eine Einschränkung des Betriebes, bei der zwar objektiv Beschäftigungsmöglichkeiten entfallen, die Beschäftigungsmöglichkeiten im verbleibenden Betriebsteil aber erhalten bleiben. Der Beschäftigungsbedarf im Bereich S & E Redaktion, in dem die Klägerin tätig war, ist durch die Schließung dieser Redaktion entfallen. Die Frage, welchem Arbeitnehmer zu kündigen ist, ist demgegenüber aber eine Frage der Sozialauswahl.

3.

Diese Kündigung ist sozial ungerechtfertigt im Sinne des § 1 Abs. 3 KSchG und damit nach § 1 Abs. 1 KSchG unwirksam.

Wegen eines Fehlers in der sozialen Auswahl ist eine Kündigung dann sozial ungerechtfertigt, wenn die Arbeitgeberin bei der Auswahl des gekündigten Arbeitnehmers soziale Gesichtspunkte nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat. Die soziale Auswahl erstreckt sich nur auf solche Beschäftigten, die miteinander verglichen werden können. Die Vergleichbarkeit richtet sich in erster Linie nach arbeitsplatzbezogenen Merkmalen. Zunächst ist festzustellen, welche Arbeitsplätze fortgefallen sind bzw. fortfallen werden. Anschließend ist zu prüfen, ob im Betrieb Arbeitsplätze mit identischen oder vergleichbaren Aufgabenbereichen vorhanden sind. Vergleichbar sind dabei nur die Beschäftigten, deren Funktion von den Beschäftigten, deren Arbeitsplatz weggefallen ist, wahrgenommen werden kann. Entscheidend sind dabei die Aufgabenbereiche der Arbeitnehmer, ihre Stellung in der Betriebshierarchie und die arbeitsvertraglichen Grenzen für eine anderweitige Beschäftigung. Bei Vorliegen eines gemeinsamen Betriebes zweier Unternehmen hat die Sozialauswahl unternehmensübergreifend zu erfolgen.

a)

Hier sprechen schon gewichtige Indizien für das Vorliegen eines Gemeinschaftsbetriebes.

aa)

Ein Gemeinschaftsbetrieb mehrerer rechtlich selbständiger Unternehmen liegt vor, wenn die beteiligten Unternehmen einen einheitlichen Leitungsapparat zur Erfüllung in der organisatorischen Einheit zu verfolgender arbeitstechnischer Zwecke geschaffen haben. Diese einheitliche Leitung muss sich auf die wesentlichen Arbeitgeberfunktionen in den sozialen und personellen Angelegenheiten erstrecken. Sie braucht nicht in einer einheitlichen vertraglichen Vereinbarung der beteiligten Unternehmen geregelt zu sein. Vielmehr genügt es, dass sich ihre Existenz aus den tatsächlichen Umständen herleiten lässt. Ergeben die Umstände des Einzelfalles, dass der Kern der Arbeitgeberfunktionen im sozialen und personellen Bereich von derselben institutionellen Leitung ausgeübt wird, führt dies regelmäßig zu dem Schluss, dass eine konkludente Führungsvereinbarung vorliegt (BAG, Urteil vom 15. Dezember 2012 – 8 AZR 692/10 – NZA-RR 2012, 570). Die Annahme einer solchen Führungsvereinbarung ist allerdings nicht schon dann gerechtfertigt, wenn mehrere Unternehmen etwa auf der Grundlage von Organ- oder Beherrschungsverträgen lediglich unternehmerisch zusammenarbeiten (BAG, Urteil vom 18. Januar 1990 – 2 AZR 355/89 – AP Nr. 9 zu § 23 KSchG 1969). Auch eine rein konzernrechtliche Befugnis begründet noch keinen einheitlichen betrieblichen Leitungsapparat in diesem Sinn (BAG, Urteil vom 29. April 1999 – 2 AZR 352/98 – juris). Indizien für einen Gemeinschaftsbetrieb können die gemeinsame Nutzung von Betriebsmitteln, eine gemeinsame Personalabteilung (BAG, Beschluss vom 13. August 2008 – 7 ABR 21/07 – NZA-RR 2009,255), der arbeitgeberübergreifende Personaleinsatz etc. sein.

bb)

Hier stellt schon die Protokollnotiz zur Betriebsvereinbarung vom 19. Dezember 2013 ein Indiz dafür dar, dass beabsichtigt war, zusammen mit der Beklagten nach der Ausgliederung der S & E Redaktion (weiterhin) einen Gemeinschaftsbetrieb zu führen und eine entsprechende Führungsvereinbarung zumindest konkludent geschlossen werden sollte. Dem entspricht es, dass für die Berliner Betriebe des Konzerns ein gemeinsamer Betriebsrat gebildet ist und diesem in den wesentlichen sozialen und personellen Angelegenheiten stets dieselbe Ansprechperson als Arbeitgebervertreter, nämlich die Personalabteilung Verlagshäuser durch den Personalleiter Verlagshäuser, Herr W., entgegengetreten ist. Dieser hat mit dem Betriebsrat Gespräche geführt, hat den Betriebsrat über die Massenentlassungen informiert (Anlagen KV 2 und 3, Bl. 103 ff. d. A. und KV 5, Bl. 230 ff. d. Al.), hat den Betriebsrat zu den Kündigungen (Anlage KV 4, Bl. 110 ff. d. A.) angehört und auch die Entscheidung zur Stilllegung gegenüber dem Betriebsrat erläutert. Dabei hat er immer wieder von „wir“ gesprochen, was impliziert, dass die Personalabteilung Verlagshäuser bzw. Herr W. als deren Leiter maßgeblich an der Entscheidung beteiligt war. Her W. hat auch gegenüber der Bundesagentur für Arbeit zur Stellungnahme des Betriebsrates zur Massenentlassungsanzeige geantwortet (Anlage KV 7, Bl. 267 ff. d. A.) und eine eidesstattliche Versicherung abgegeben (Bl. 271 d. A.). Diese Personalabteilung Verlagshäuser war auch in andere arbeitsrechtliche Angelegenheiten involviert. So hat z. B. eine Mitarbeiterin dieser Personalabteilung, Frau Sch., den Widerruf der Funktionszulage mitgezeichnet (Anlage K 7, Bl. 44 d. A.) und im Namen der Beklagten die Massenentlassungsanzeige erstattet (Anlage KV 8, Bl. 272 ff. d. A.) sowie das der Klägerin erteilte Zwischenzeugnis (Anlage K 10, Bl. 153 d. A.) mitgezeichnet und der Klägerin einen Aufhebungsvertrag angeboten (Anlage K 11, Bl. 155 d. A.). Auch die Stellenangebote wurden der Klägerin von Frau Sch. unterbreitet (Anlage k 14, Bl. 158 d. A.). Soweit die Beklagte behauptet, diese Tätigkeiten seien eines Dienstleistungsvertrages ausgeführt worden, geht dieser Vortrag über eine bloße Behauptung nicht hinaus. Substanz hat dieser Vortrag nicht und auch ein entsprechender Vertrag wurde nicht vorgelegt. Im Übrigen dürfte dagegen sprechen, dass Herr W. nicht im eigenen Namen, sondern unter dem Namen der Beklagten nach außen, z.B. gegenüber der Bundesagentur aufgetreten ist. Dies ist für Dienstleister eher unüblich. Für eine eigene Personalabteilung der Beklagten ist nichts ersichtlich.

b)

Aber auch wenn die Beklagte mit der A. S. SE keinen Gemeinschaftsbetrieb bilden würde, ergäbe sich nichts anderes. Die Beklagte müsste sich dann jedenfalls nach Treu und Glauben so behandeln lassen, als ob sie einen Gemeinschaftsbetrieb unterhielte; sie hat nämlich einen entsprechenden Rechtsschein gesetzt und muss sich daran festhalten lassen (BAG, Urteil vom 18. Oktober 2000 – 2 AZR 494/99 – BAGR 96, 78 = AP Nr. 49 zu § 15 KSchG 1969 = NZA 2001, 321).

aa)

Dabei lässt die Kammer mangels Entscheidungsrelevanz offen, ob die Beklagte mit dem Abstreiten eines Gemeinschaftsbetriebes überhaupt gehört werden kann. Immerhin hat sie in der Protokollnotiz vom 19. Dezember 2013 zur Betriebsvereinbarung zur Ausgliederung der S & E Redaktion ausdrücklich erklärt, mit der A. S. SE einen Gemeinschaftsbetrieb zu bilden und an diese Feststellung bis zum 31. März 2018 gebunden zu sein.

bb)

Jedenfalls hat sie gegenüber der Klägerin und ihren anderen Arbeitnehmern den Anschein eines Gemeinschaftsbetriebes begründet und muss sich deshalb nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) kündigungsrechtlich so behandeln lassen, als ob ein Gemeinschaftsbetrieb vorläge. Das Bundesarbeitsgericht (BAG, Urteil vom 18. Oktober 2000 – 2 AZR 494/99 – BAGR 96, 78 = AP Nr. 49 zu § 15 KSchG 1969 = NZA 2001, 321) hat bereits angenommen, dass auch ein Rechtsschein für einen Gemeinschaftsbetrieb erweckt werden kann und sich der diesen Anschein erweckende Arbeitgeber dann so behandeln lassen muss, als ob ein Gemeinschaftsbetrieb bestünde, unabhängig davon, ob dies tatsächlich der Fall ist. Denn die Ausübung von Rechten könne unzulässig sein, wenn sie zum früheren Verhalten der Parteien im Widerspruch stehe (venire contra factum proprium). Bei der Beanspruchung von Rechtspositionen sei gegenüber anderen Teilnehmern am Rechtsleben eine gewisse Konsistenz zu verlangen. Wer durch eine Erklärung oder sein Verhalten bewusst oder unbewusst eine Sach- oder Rechtslage geschaffen habe, auf die sich der andere Teil verlassen dürfe und verlassen habe, dürfe den anderen Teil in seinem Vertrauen nicht enttäuschen.

So liegt der Fall hier. Die Beklagte hat nicht nur mit ihrem Unterrichtungsschreiben an die Klägerin anlässlich des Betriebsübergangs, sondern auch in der Betriebsvereinbarung vom 19. Dezember 2013 anlässlich dieses Betriebsübergangs ausdrücklich erklärt, die Beklagte und die A. S. SE führten einen gemeinsamen Betrieb. In der Folgezeit wurde auch für die Berliner Betriebe der A. S. SE und dem Betrieb der Beklagten ein gemeinsamer Betriebsrat gebildet. Die Beklagte trat sie gegenüber dem Betriebsrat und der Belegschaft so auf, als ob sie einen Gemeinschaftsbetrieb mit der A. S. SE unterhält, indem sie sämtliche Personalmaßnahmen unternehmensübergreifend durch den Personalleiter Verlagshäuser bzw. einer der in dieser Personalabteilung beschäftigten Arbeitnehmer ausführen ließ und diesen zum Ansprechpartner des Betriebsrats machten. Nach diesen Umständen konnte die Klägerin daher darauf vertrauen, dass ihre kündigungsrechtliche Absicherung dem in einem Gemeinschaftsbetrieb entspricht. Jedenfalls so lange niemand dagegen Vorbehalte äußerte, durfte die Klägerin nach dem Grundsatz von Treu und Glauben davon ausgehen, dass sich auch kündigungsrechtlich im Hinblick auf die Anwendung des KSchG nach der Ausgliederung nichts ändern würde. Dass die Beklagte dies nicht gegen sich gelten lassen will, ist daher ein unzulässiges widersprüchliches Verhalten. Wer wie die Beklagte gegenüber dem Betriebsrat und der Belegschaft so auftritt, als betreibe er zusammen mit anderen Unternehmen einen Gemeinschaftsbetrieb, muss sich so behandeln lassen, als bestehe ein Gemeinschaftsbetrieb (BAG, Urteil vom 18. Oktober 2000 – 2 AZR 494/99 – BAGR 96, 78 = AP Nr. 49 zu § 15 KSchG 1969 = NZA 2001, 321).

c)

Der Gemeinschaftsbetrieb ist auch entgegen der Auffassung der Beklagten allein durch die Teilbetriebsstillegung der S & E Redaktion nicht aufgelöst. Dass der Gemeinschaftsbetrieb bei Kündigungsausspruch noch bestand wird schon dadurch dokumentiert, dass die maßgeblichen Arbeitgeberfunktionen in personellen/sozialen Angelegenheiten noch vom Personalleiter Verlagshäuser der A. S. SE wahrgenommen wurden. Angesichts des bei der Beklagten fortbestehenden Betriebsteils Lizensierung führt die Stilllegung des Betriebsteils S & E Redaktion auch nicht zwingend zur Beendigung des Gemeinschaftsbetriebs mit der A. S. SE. Selbst im Fall einer (kompletten) Betriebsstilllegung ist zu prüfen, ob nicht die einheitliche personelle Leitung und damit die “gemeinsame Klammer”, durch die die unternehmensübergreifende Sozialauswahl ermöglicht wird, trotz der Betriebsstilllegung tatsächlich erhalten geblieben ist (BAG, Urteil vom 24. Februar 2005 – 2 AZR 214/04 – AP Nr. 4 zu § 1 KSchG 1969 Gemeinschaftsbetrieb). Dass die gemeinsame Führungsvereinbarung mit der Stilllegung des Betriebsteils insgesamt aufgehoben worden ist, hat die Beklagte nur behauptet. Hierzu ist auch der Betriebsratsanhörung vom 16. September 2016 nichts zu entnehmen. Regelmäßig wird aber nur mit der kompletten Stilllegung eines der einen Gemeinschaftsbetriebe bildenden Betriebe der Gemeinschaftsbetrieb aufgelöst. Dies ist hier aber nicht der Fall; die Beklagte hat nur einen Teil ihres Betriebes stillgelegt und führt den Betrieb mit der Lizensierungsabteilung weiter. Im Übrigen dürfte eine etwaige Auflösung des Gemeinschaftsbetriebes jedenfalls keine Rolle spielen, soweit sich die Beklagte nach Treu und Glauben so behandeln lassen muss, als ob sie einen Gemeinschaftsbetrieb bildet.

d)

Folge eines Gemeinschaftsbetriebes ist, dass die Sozialauswahl auf den Gemeinschaftsbetrieb zu erstrecken ist (BAG, Urteil vom 24. Februar 2005 – 2 AZR 214/04 – AP Nr. 4 zu § 1 KSchG 1969 Gemeinschaftsbetrieb = NZA 2005, 867). Auch nach dem Vortrag der Beklagten werden bei der A. S. SE Redakteure beschäftigt. D. h. sämtliche Redakteure wären als vergleichbar in eine Sozialauswahl einzubeziehen gewesen. Eine solche Sozialauswahl hat die Beklagte unstreitig nicht durchgeführt und eine solche als entbehrlich angesehen. Die Unterlassung einer sozialen Auswahl bei der Kündigung der Klägerin wäre damit nach § 1 Abs. 3 KSchG nur dann nicht zu beanstanden, wenn auf Grund des im Prozess nachgeholten und berücksichtigungsfähigen Vorbringens der Beklagten angesichts der Sozialdaten eine ausreichende Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte festzustellen war. Diesbezüglich hat die Klägerin bereits in der Klageschrift den ihr zustehenden Auskunftsanspruch nach § 1 Abs. 3 Satz 1, 2 HS KSchG geltend gemacht und auch während des Prozesses mehrfach darauf hingewiesen, dass es vergleichbare und in eine Sozialauswahl einzubeziehende Redakteure gibt, deren Sozialdaten sie nicht kennt und die deshalb von der Beklagten vorzutragen sind. Die Beklagte hat gleichwohl die Sozialdaten dieser Redakteure nicht mitgeteilt. Damit ist die Sozialwidrigkeit bzw. eine fehlerhafte Sozialauswahl als zugestanden anzusehen. Zwar trifft die Darlegungs- und Beweislast für die Tatsachen, aus denen sich die Fehlerhaftigkeit der Sozialauswahl ergibt, grundsätzlich den Arbeitnehmer. Aber auch sie ist abgestuft. Es ist zunächst Sache des Arbeitnehmers, die Fehlerhaftigkeit der Sozialauswahl darzulegen, sofern er über die erforderlichen Informationen verfügt. Soweit er hierzu nicht in der Lage ist und deswegen den Arbeitgeber zur Mitteilung der Gründe auffordert, die ihn zu der Auswahl veranlasst haben, hat dieser als Folge seiner materiellen Auskunftspflicht gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 2. HS KSchG auch im Prozess substantiiert vorzutragen. Die Auskunftspflicht wird dann durch die prozessuale Erklärungspflicht nach § 138 ZPO ergänzt. Gibt der Arbeitgeber – wie hier die Beklagte – keine oder keine vollständige Auskunft, so kann der Arbeitnehmer beim Fehlen eigener Kenntnis seiner Substantiierungspflicht, die Namen sozial stärkerer Arbeitnehmer zu nennen, nicht genügen. In diesen Fällen ist sein Vortrag, es seien sozial stärkere Arbeitnehmer als er vorhanden, schlüssig und ausreichend (BAG, Urteil vom 18. Januar 2007 – 2 AZR 796/05 – AP Nr. 89 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl) und als unstreitig anzusehen (BAG, Urteil vom 27. September 2012 – 2 AZR 516/11 – BAGE 143, 177 = AP Nr. 24 zu § 1 KSchG 1969 Namensliste = NZA 2013, 559).

Ob die Kündigung daneben noch sozialwidrig ist, weil auch eine auf den Betrieb der Beklagten bzw. die Lizensierung bezogene Sozialauswahl fehlerhaft ist, ist nach dem Vorstehenden ebenso wenig entscheidungserheblich wie die weiteren geltend gemachten Unwirksamkeitsgründe.

III.

Die Klägerin hat auch einen Anspruch auf vorläufige Weiterbeschäftigung zu den bisherigen Bedingungen als Redakteurin bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreits. Auch diesbezüglich hat die Berufung der Beklagten keinen Erfolg. Denn das Arbeitsgericht hat die Beklagte zu Recht zur vorläufigen Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreits verurteilt. Auch insoweit ist die Klage zulässig und begründet. Die Klägerin kann ihren Anspruch – wegen des Widerspruchs des Betriebsrats gegen die Kündigung – sowohl auf § 102 Abs. 5 Abs. 1 BetrVG, als auch auf die Grundsätze stützen, die das Bundesarbeitsgericht zur Weiterbeschäftigung gekündigter Arbeitnehmer entwickelt hat (BAG – Großer Senat -, Beschluss vom 27. Februar 1985 – GS 1/84 – BAGE 48, 122 = AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht = NZA 1985, 702).

Mit der vorliegenden Entscheidung wird dem Kündigungsschutzbegehren der Klägerin entsprochen. Umstände, die gegen die Weiterbeschäftigung sprechen, hat die Beklagte nicht vorgetragen. So sind keine besonderen Umstände ersichtlich sind, die ein überwiegendes Interesse der Beklagten begründen könnten, die Klägerin nicht weiter zu beschäftigen. Insbesondere wird der Beklagten nichts Unmögliches abverlangt. Sie kann die Klägerin entweder bei sich selbst oder den konzernangehörigen Betrieben – so wie bereits im April 2016 praktiziert – weiterbeschäftigen.

Insgesamt war daher die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts zurückzuweisen.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 64 Abs. 6 i. V. m. § 97 Abs. 1 ZPO. Danach waren der Beklagten die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels aufzuerlegen.

V.

Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Die Kammer folgte bei der Entscheidung des grundsätzliche Bedeutung nicht aufweisenden und unter Berücksichtigung der Einzelfallumstände entschiedenen Rechtsstreits den in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts entwickelten Grundsätzen.

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