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Betriebsbedingte Kündigung in Kleinbetrieb wegen Krankheit

LAG Berlin-Brandenburg – Az.: 2 Sa 1390/20 – Urteil vom 12.03.2021

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 10.09.2020 – 1 Ca 16095/19 – wird auf ihre Kosten bei unverändertem Streitwert zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer Kündigung in einem Kleinbetrieb im Sinne von § 23 Abs. 1 KSchG, in dem das Kündigungsschutzgesetz nicht gilt.

Die Klägerin war bei der Beklagten, die regelmäßig nicht mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt, seit dem 15.03.2019 zuletzt als Hörakustikmeisterin bei einer monatlichen Bruttovergütung von 3.500,00 EUR aufgrund des Arbeitsvertrages vom 30.01.2019 (vgl. die Kopie des Vertrages Bl. 14 ff d. A.) beschäftigt.

Nach der Behauptung der Klägerin meldete sie sich am 05.12.2019 krank. Nach der von der A, der Krankenkasse der Klägerin, zu den Akten gereichten und den Parteien übersandten Überleitungsanzeige vom 04.03.2020 war die Klägerin vom 09.12.2019 bis über den 04.03.2020 laufend arbeitsunfähig krank (vgl. das Schreiben vom 04.03.2020 in Kopie Bl. 49 d. A.).

Mit Schreiben vom 06.12.2019, welches die Klägerin nach ihrer Behauptung in der Klageschrift am 07.12.2019 „im Briefkasten vorfand“, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis „fristgerecht zum 15.01.2020 aus betriebsbedingten Gründen“. In der unteren Zeile des Kündigungsschreibens war Raum für die Unterschrift der Klägerin vorgesehen. Diese fehlt, hinter der Zeile „Kündigung erhalten“ befindet sich handschriftlich das Datum 12.12.2019 (vgl. das Kündigungsschreiben in Kopie Bl. 20 d. A.).

Die Klägerin hat gemeint, dass die Kündigung als Maßregelkündigung gem. § 612 a BGB unwirksam und die Kündigungsfrist nicht eingehalten worden sei.

Die Klägerin hat im Rahmen ihrer rechtzeitig eingereichten Kündigungsschutzklage beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 06.12.2019 nicht aufgelöst wurde;

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien fortbesteht und auch nicht durch andere Beendigungsgründe aufgelöst wird.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat bestritten, dass die Klägerin wegen ihrer Krankheit gekündigt worden sei. Allein der Umstand, dass sie zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung erkrankt gewesen sei, könne nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung herangezogen werden. Die Kündigungsentscheidung sei allein aus betriebsbedingten Gründen getroffen worden, die Beklagte habe ihr Hörgerätegeschäft inzwischen aufgeben müssen – insofern unstreitig.

Das Arbeitsgericht Berlin hat mit Urteil vom 10.09.2020 die Klage – hinsichtlich des Antrages zu 2) als unzulässig – abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass die zulässige Kündigungsschutzklage unbegründet sei, weil die Kündigung das Arbeitsverhältnis der Parteien fristgemäß zum 15.01.2020 beendet habe. Die Kündigung verstieße auch nicht gegen das Maßregelungsverbot des § 612 a BGB. Gegen das Maßregelungsverbot werde nicht verstoßen, wenn eine Arbeitnehmerin, für die das Kündigungsschutzgesetz nicht gelte, während oder wegen einer Erkrankung gekündigt werde.

Wegen der weiteren konkreten Ausführungen des Arbeitsgerichts Berlin und des Vortrags der Parteien erster Instanz wird auf das Urteil vom 10.09.2020 (Bl. 94 – 99 d. A.) verwiesen.

Gegen dieses ihr am 05.10.2020 zugestellte Urteil richtet sich die am 02.11.2020 beim Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg eingegangene und am 07.01.2021 nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 07.01.2021 begründete Berufung der Klägerin.

Sie wiederholt und vertieft ihren Vortrag erster Instanz, behauptet allerdings nunmehr, dass sie sich nicht nur am 05.12.2019 krankgemeldet habe, sondern auch die Kündigung ausweislich der Unterschriftszeile auf dem Kündigungsschreiben am 12.12.2019 erhalten habe, ohne dies näher auszuführen. Sie rügt weiterhin die Nichteinhaltung der Kündigungsfrist und hält die Kündigung nicht für gerechtfertigt. Die Kündigung sei als unmittelbare Reaktion auf die Krankmeldung der Klägerin vom 05.12.2019 am 06.12.2019 erfolgt.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Arbeitsgericht Berlin vom 10.09.2020 – 1 Ca 16095/19 – aufzuheben und festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 06.12.2019 aufgelöst wurde.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil und bestreitet, dass die Kündigung im Zusammenhang mit der Arbeitsunfähigkeit der Klägerin stehe. Die Klägerin habe sich in ihrer Berufung auch nicht damit auseinandergesetzt, dass die Beklagte ihren Betrieb aus betriebsbedingten Gründen aus betriebsbedingter Notwendigkeit habe schließen müssen.

Wegen des weiteren konkreten Vortrags der Parteien in der zweiten Instanz wird auf die Schriftsätze der Klägerin vom 07.01.2021 (Bl. 116 ff. d. A.) und der Beklagten vom 12.02.2021 (Bl. 137 d. A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.

Die gemäß §§ 8 Abs. 1; 64 Abs. 1, Abs. 2 Buchstabe c, Abs. 6; 66 Abs. 1 Satz 1 und Satz 5 ArbGG; §§ 519; 520 Abs. 1 und Abs. 3 ZPO zulässige Berufung ist insbesondere formgerecht und fristgemäß eingelegt und begründet worden.

II.

In der Sache hat die Berufung der Klägerin jedoch keinen Erfolg. Die Kündigung vom 06.12.2019 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien fristgemäß zum 15.01.2020 aufgelöst, so dass die Kündigungsschutzklage ab- und die Berufung zurückzuweisen war.

1. Für die Prüfung einer etwaigen Unwirksamkeit der Kündigung war nicht das Kündigungsschutzgesetz heranzuziehen, da das Kündigungsschutzgesetz gem. § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG für den Betrieb der Beklagten keine Anwendung findet.

2. Die Kündigung war auch nicht gemäß § 612 a BGB i.V.m. § 134 BGB nichtig.

a) Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Kündigung aus krankheitsbedingten Gründen geeignet wäre, möglicherweise als Maßregelung i.S.v. § 612 a BGB angesehen zu werden (dazu unten unter b). Denn nach dem Vortrag der Parteien und der Mitteilung der Krankenkasse der Klägerin vom 04.03.2020 hat die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien am 06.12.2019 gekündigt. Dieses Schreiben hat die Klägerin nach ihrer Darlegung in der Klageschrift am 07.12.2019 „im Briefkasten“ vorgefunden. Erst am 09.12.2019 erfolgte die Krankschreibung der Klägerin, wie die Krankenkasse der Klägerin mit Schreiben vom 04.03.2020 mitteilte. Da die Beklagte sowohl im Kündigungsschreiben auf die betriebsbedingten Gründe verwiesen hat als auch unstreitig ist, dass der Hörgerätebetrieb der Beklagten geschlossen wurde, geht die Kammer – wie in der mündlichen Verhandlung vom 12.03.2021 erörtert – nicht von einer krankheitsbedingten, sondern von einer betriebsbedingten Kündigung aus, was eine Maßregelung der Klägerin i.S.v. § 612 a BGB nicht erkennen lässt.

Dagegen spricht kein nunmehr in der Berufung im Gegensatz zur Klageschrift von der Klägerin behaupteter Zugang am 12.12.2019. Das von der Klägerin nicht unterschriebene Kündigungsscheiben trägt zwar die handschriftliche (von wem?) ausgefüllte Zeile 12.12.2019, warum dies allerdings der Zugang sein sollte, wenn die Klägerin doch die Kündigung am 07.12.2019 im Briefkasten vorgefunden haben will, wird weder von der Klägerin noch von der Beklagten erklärt. Entgegen der Meinung des Klägerinvertreters in der mündlichen Verhandlung vom 12.03.2021 ist es auch nicht unstreitig, dass die Klägerin sich am 05.12.2019 krankgemeldet habe. „Unstreitig“, da nicht bestritten, aber im Gegensatz zum Schreiben der Krankenkasse der Klägerin, ist, dass die Klägerin am 05.12.2019 arbeitsunfähig krank war (vgl. den Schriftsatz der Beklagten vom 10.09.2020 Bl. 92 d. A.). Die Beklagte hat ausdrücklich bestritten, dass sie wegen der Krankheit der Klägerin gekündigt habe.

b) Selbst wenn man aber entgegen dem sich aus der Akte ergebenden chronologischen Ablauf der Geschehnisse davon ausginge, dass die Beklagte der Klägerin krankheitsbedingt gekündigt hätte, wäre diese Kündigung nicht als Maßregelung i.S.v. § 612 a BGB anzusehen und daher auch nicht nichtig i.S.v. § 134 BGB.

Insofern folgt die Kammer der zutreffenden Argumentation der ersten Instanz, verweist nicht nur auf die Rechtsprechungszitate des Arbeitsgerichts sowohl im Urteil als auch im richterlichen Hinweis vor dem Kammertermin vom 03.03.2020 (Bl. 40 ff. unter II 2 des Beschlusses), sondern auch auf die letzte einschlägige Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg vom 07.10.2010 – 25 Sa 1435/10 – sowie des LAG Baden-Württemberg vom 30.10.2020 – 12 Sa 33/20 – jeweils zitiert nach juris: Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses wegen des Arbeitsausfalls infolge einer Arbeitsunfähigkeit stellt keine unzulässige Maßregelung i.S.v. § 612 a BGB dar (vgl. nur LAG Baden-Württemberg, a.a.O., unter Rz. 107 ff. m.w.N. in Rz. 115).

3. Die Kündigung vom 06.12.2019 hat das Arbeitsverhältnis auch fristgemäß zum 15.01.2020 aufgelöst. Selbst wenn man von einem Zugang am 12.12.2019 ausginge, wäre die Kündigung gem. § 622 Abs. 1 BGB innerhalb der Frist von 4 Wochen zum 15. eines Monats fristgemäß erfolgt. Der Arbeitsvertrag der Klägerin weicht nicht zu ihren Gunsten von der gesetzlichen Regelung ab, sondern übernimmt die Regelung in § 11 Abs. 1 des Arbeitsvertrages.

III.

Die Berufung der Klägerin war daher auf ihre Kosten bei unverändertem Streitwert zurückzuweisen.

IV.

Für eine Zulassung der Revision bestand kein Anlass.

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