Übersicht:
- Das Wichtigste: Kurz & knapp
- Gerichtsurteil klärt: Rechte bei betriebsbedingter Kündigung und Interessenausgleich
- Der Fall vor Gericht
- Arbeitnehmerschutz bei betriebsbedingter Kündigung: Landesarbeitsgericht Köln stärkt Rechte der Beschäftigten
- Dauerhafter Einsatz von Leiharbeitern als Kündigungshindernis
- Auskunftspflicht des Arbeitgebers zur Sozialauswahl
- Grobe Fehlerhaftigkeit der Sozialauswahl
- Änderungskündigung als milderes Mittel
- Bedeutung für Arbeitnehmer und Arbeitgeber
- Die Schlüsselerkenntnisse
- FAQ – Häufige Fragen
- Was bedeutet eine betriebsbedingte Kündigung und unter welchen Umständen ist sie zulässig?
- Was ist ein Interessenausgleich und welche Rolle spielt die Namensliste bei betriebsbedingten Kündigungen?
- Welche Rechte haben Arbeitnehmer bei der Sozialauswahl im Rahmen einer betriebsbedingten Kündigung?
- Wie können Arbeitnehmer gegen eine unrechtmäßige betriebsbedingte Kündigung vorgehen?
- Welche Alternativen zur Beendigungskündigung gibt es und wie können sie genutzt werden?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Das Wichtigste: Kurz & knapp
- Die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung aufgrund eines Interessenausgleichs mit einer Namensliste ist Gegenstand des Verfahrens.
- Der Kläger war seit vielen Jahren als Betriebsschlosser bei der Beklagten angestellt und wurde gekündigt, während Leiharbeitnehmer in vergleichbaren Positionen eingesetzt wurden.
- Die Beklagte stellte keine ausreichenden Angaben zu den Auswahlkriterien und sozialen Überlegungen zur Kündigung bereit, was die Kündigung angreifbar machte.
- Das Arbeitsgericht entschied zugunsten des Klägers und stellte fest, dass die Kündigung aufgrund der unzureichenden sozialen Auswahl und der dauerhaften Beschäftigung von Leiharbeitnehmern unwirksam sei.
- Die Beklagte wies die Vorwürfe zurück und war der Meinung, sie müsse keine substanzielle Stellungnahme zu den Auswahlüberlegungen abgeben.
- Der Kläger argumentierte, dass die Liste der Mitarbeiter nicht den notwendigen Auskunftsanspruch erfüllte und die soziale Auswahl fehlerhaft war.
- Die Beklagte gab während der Verhandlung zu, dass ein Leiharbeitnehmer bis zu dem Kündigungszeitpunkt als Betriebsschlosser beschäftigt war.
- Das Gericht wies die Berufung der Beklagten zur Kostenlast zurück und ließ eine Revision nicht zu.
- Das Urteil hat für den Kläger zur Folge, dass er seine Ansprüche auf Wiedereinstellung oder Abfindung geltend machen kann.
- Die Entscheidung stärkt den Schutz der Arbeitnehmerrechte im Rahmen von betriebsbedingten Kündigungen und die Pflicht zur Transparenz bei Auswahlentscheidungen.
Gerichtsurteil klärt: Rechte bei betriebsbedingter Kündigung und Interessenausgleich
Die betriebsbedingte Kündigung ist ein häufig diskutiertes Thema im Arbeitsrecht, besonders in Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheiten oder Umstrukturierungen. Wenn ein Unternehmen aus wirtschaftlichen Gründen Stellen abbauen muss, sind verschiedene rechtliche Rahmenbedingungen und Verfahren zu beachten. Eine zentrale Rolle spielt dabei der Interessenausgleich, der zwischen dem Arbeitgeber und dem Betriebsrat verhandelt wird. Ziel ist es, die Interessen beider Seiten zu wahren und sozialverträgliche Lösungen zu finden, um die negativen Auswirkungen auf die Beschäftigten zu minimieren.
Ein wichtiger Bestandteil dieses Verfahrens kann eine Namensliste sein, die die betroffenen Arbeitnehmer auflistet. Diese Liste dient dazu, Transparenz zu schaffen und betroffenen Mitarbeitern strukturiert Informationen über die geplanten Kündigungen zu geben. Die gesetzlichen Vorschriften verlangen, dass der Arbeitgeber die Betriebsvertretung umfassend informiert und mit ihr verhandelt, bevor betriebsbedingte Kündigungen ausgesprochen werden. Die Einhaltung dieser Vorgaben ist entscheidend, um mögliche rechtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden und sicherzustellen, dass die Kündigungen rechtmäßig sind.
Im Folgenden wird ein konkreter Fall vorgestellt, der diese Aspekte der betriebsbedingten Kündigung und den damit verbundenen Interessenausgleich anhand eines Gerichtsurteils näher beleuchtet.
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Der Fall vor Gericht
Arbeitnehmerschutz bei betriebsbedingter Kündigung: Landesarbeitsgericht Köln stärkt Rechte der Beschäftigten
Das Landesarbeitsgericht Köln hat in einem richtungsweisenden Urteil die Rechte von Arbeitnehmern bei betriebsbedingten Kündigungen gestärkt. Der Fall betraf einen langjährigen Betriebsschlosser, der sich gegen seine Kündigung im Rahmen eines Interessenausgleichs mit Namensliste wehrte. Die Richter gaben dem Kläger Recht und erklärten die Kündigung für unwirksam.
Dauerhafter Einsatz von Leiharbeitern als Kündigungshindernis
Ein zentraler Punkt des Urteils betrifft den Einsatz von Leiharbeitnehmern. Das Gericht stellte klar, dass ein dauerhaft besetzter Arbeitsplatz durch einen Leiharbeitnehmer als freier und zur Besetzung durch eigene Arbeitnehmer offener Arbeitsplatz gilt. Im konkreten Fall hatte der Kläger nachgewiesen, dass sowohl in der Position des Pförtners als auch im Bereich der Betriebsschlosser dauerhaft Leiharbeiter eingesetzt wurden. Dies widerlegte die Vermutung, dass zwingende betriebliche Gründe den Wegfall des Arbeitsplatzes des Klägers bedingten.
Auskunftspflicht des Arbeitgebers zur Sozialauswahl
Ein weiterer wichtiger Aspekt des Urteils betrifft die Auskunftspflicht des Arbeitgebers zur durchgeführten Sozialauswahl. Das Gericht stellte klar, dass auch bei einem Interessenausgleich mit Namensliste der Arbeitgeber verpflichtet bleibt, detaillierte Auskünfte über die Sozialauswahl zu erteilen. Die bloße Vorlage einer Liste aller Arbeitnehmer reicht demnach nicht aus. Der Arbeitgeber muss darlegen, welche Arbeitnehmer als vergleichbar angesehen wurden, wie die verschiedenen Sozialdaten gewichtet wurden und ob besondere Kenntnisse, Fähigkeiten oder Leistungen bei der Auswahl berücksichtigt wurden.
Grobe Fehlerhaftigkeit der Sozialauswahl
Im vorliegenden Fall stellte das Gericht eine grobe Fehlerhaftigkeit der Sozialauswahl fest. Der Vergleich mit anderen Mitarbeitern zeigte erhebliche Unterschiede in den Sozialdaten, die jede Ausgewogenheit vermissen ließen. So wurde beispielsweise ein Mitarbeiter nicht gekündigt, der acht Jahre jünger und acht Jahre kürzer bei dem Unternehmen beschäftigt war als der Kläger. Diese Diskrepanzen in den Sozialdaten führten dazu, dass das Gericht die Auswahl als grob fehlerhaft einstufte.
Änderungskündigung als milderes Mittel
Das Landesarbeitsgericht betonte zudem, dass die Kündigung auch deshalb unwirksam sei, weil der Arbeitgeber dem Kläger nicht die Möglichkeit einer Weiterbeschäftigung auf einem anderen, geringer vergüteten Arbeitsplatz angeboten hatte. Konkret hätte dem Kläger der mit einem Leiharbeitnehmer besetzte Pförtnerarbeitsplatz im Wege einer Änderungskündigung angeboten werden müssen. Das Gericht stellte klar, dass eine solche Änderungskündigung als milderes Mittel gegenüber einer Beendigungskündigung zu bevorzugen sei.
Bedeutung für Arbeitnehmer und Arbeitgeber
Das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln hat weitreichende Folgen für die Praxis betriebsbedingter Kündigungen. Es stärkt die Position von Arbeitnehmern, indem es die Anforderungen an die Begründung und Durchführung solcher Kündigungen erhöht. Arbeitgeber müssen künftig besonders sorgfältig prüfen, ob tatsächlich keine Beschäftigungsmöglichkeiten mehr bestehen und ob die Sozialauswahl fair und nachvollziehbar durchgeführt wurde. Die Entscheidung unterstreicht auch die Bedeutung einer transparenten Kommunikation zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Kündigungsprozess.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln stärkt den Arbeitnehmerschutz bei betriebsbedingten Kündigungen erheblich. Es verdeutlicht, dass der dauerhafte Einsatz von Leiharbeitern die Rechtfertigung für Kündigungen erschwert, die Auskunftspflicht des Arbeitgebers zur Sozialauswahl auch bei Interessenausgleich mit Namensliste umfassend bleibt und Änderungskündigungen als milderes Mittel zu prüfen sind. Arbeitgeber müssen künftig bei Kündigungen besonders sorgfältig vorgehen und ihre Entscheidungen transparent begründen.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Als Arbeitnehmer stärkt dieses Urteil Ihre Position bei betriebsbedingten Kündigungen erheblich. Wenn in Ihrem Unternehmen Leiharbeiter dauerhaft eingesetzt werden, könnte dies eine Kündigung unwirksam machen. Ihr Arbeitgeber muss Ihnen detailliert Auskunft über die Sozialauswahl geben, auch wenn ein Interessenausgleich mit Namensliste vorliegt. Sie haben das Recht, diese Informationen einzufordern und zu überprüfen. Zudem muss Ihr Arbeitgeber vor einer Kündigung prüfen, ob eine Weiterbeschäftigung auf einem anderen, möglicherweise geringer bezahlten Arbeitsplatz möglich ist. Dies gibt Ihnen zusätzliche Chancen, Ihren Job zu behalten oder zumindest Zeit zu gewinnen, um sich neu zu orientieren.
FAQ – Häufige Fragen
Kündigung erhalten? Arbeitnehmerrechte bei Kündigung sind ein komplexes Thema. Hier finden Sie Antworten auf die wichtigsten Fragen rund um Ihren Arbeitsplatzverlust.
Wichtige Fragen, kurz erläutert:
- Was bedeutet eine betriebsbedingte Kündigung und unter welchen Umständen ist sie zulässig?
- Was ist ein Interessenausgleich und welche Rolle spielt die Namensliste bei betriebsbedingten Kündigungen?
- Welche Rechte haben Arbeitnehmer bei der Sozialauswahl im Rahmen einer betriebsbedingten Kündigung?
- Wie können Arbeitnehmer gegen eine unrechtmäßige betriebsbedingte Kündigung vorgehen?
- Welche Alternativen zur Beendigungskündigung gibt es und wie können sie genutzt werden?
Was bedeutet eine betriebsbedingte Kündigung und unter welchen Umständen ist sie zulässig?
Eine betriebsbedingte Kündigung liegt vor, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis aufgrund dringender betrieblicher Erfordernisse beendet, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers entgegenstehen. Sie ist eine der drei im Kündigungsschutzgesetz genannten Kündigungsgründe neben der personen- und verhaltensbedingten Kündigung.
Zulässig ist eine betriebsbedingte Kündigung nur unter bestimmten Voraussetzungen. Zentral ist das Vorliegen dringender betrieblicher Erfordernisse. Diese können sich aus inner- oder außerbetrieblichen Gründen ergeben, etwa Umsatzrückgängen, Auftragseinbrüchen oder unternehmerischen Umstrukturierungen. Der Arbeitgeber muss nachweisen, dass diese Gründe zu einem dauerhaften Wegfall des Arbeitsplatzes führen.
Eine weitere Voraussetzung ist, dass keine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit für den Arbeitnehmer im Unternehmen besteht. Der Arbeitgeber muss prüfen, ob der Mitarbeiter auf einem anderen freien Arbeitsplatz – gegebenenfalls nach zumutbarer Umschulung oder Fortbildung – weiterbeschäftigt werden kann.
Bei mehreren vergleichbaren Arbeitnehmern muss der Arbeitgeber eine Sozialauswahl treffen. Dabei sind Kriterien wie Betriebszugehörigkeit, Lebensalter, Unterhaltspflichten und Schwerbehinderung zu berücksichtigen. Ziel ist es, sozial schwächere Arbeitnehmer zu schützen.
Die unternehmerische Entscheidung, die zur Kündigung führt, unterliegt nur einer eingeschränkten gerichtlichen Überprüfung. Gerichte prüfen lediglich, ob die Entscheidung offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist.
Besonders wichtig: Eine betriebsbedingte Kündigung ist unwirksam, wenn der Arbeitgeber bei der Sozialauswahl grobe Fehler macht oder wenn im Unternehmen noch Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten bestehen. Auch die Missachtung von Formalitäten, wie die fehlende Anhörung des Betriebsrats, kann zur Unwirksamkeit führen.
In größeren Unternehmen spielt der Interessenausgleich mit Namensliste eine bedeutende Rolle. Hierbei einigen sich Arbeitgeber und Betriebsrat auf die zu kündigenden Mitarbeiter. Dies kann die Sozialauswahl ersetzen und die Rechtssicherheit für den Arbeitgeber erhöhen.
Arbeitnehmer sollten bei einer betriebsbedingten Kündigung stets prüfen, ob alle Voraussetzungen erfüllt sind. Im Zweifel empfiehlt sich die Einholung fachkundigen Rats, um die Rechtmäßigkeit der Kündigung beurteilen zu lassen.
Was ist ein Interessenausgleich und welche Rolle spielt die Namensliste bei betriebsbedingten Kündigungen?
Ein Interessenausgleich ist eine Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat bei geplanten Betriebsänderungen, die wesentliche Nachteile für die Belegschaft mit sich bringen können. Ziel ist es, die Interessen beider Seiten in Einklang zu bringen und negative Auswirkungen für die Arbeitnehmer möglichst gering zu halten. Der Interessenausgleich regelt das Ob, Wann und Wie der geplanten Maßnahmen.
Im Rahmen des Interessenausgleichs kann eine sogenannte Namensliste erstellt werden. Diese Liste enthält die Namen der Arbeitnehmer, die von betriebsbedingten Kündigungen betroffen sein sollen. Die Namensliste spielt eine entscheidende Rolle bei der rechtlichen Bewertung der Kündigungen.
Wird eine Kündigung auf Basis eines Interessenausgleichs mit Namensliste ausgesprochen, greift eine gesetzliche Vermutung zugunsten des Arbeitgebers. Es wird dann vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt ist. Zudem kann die Sozialauswahl nur noch auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Dies erschwert es gekündigten Arbeitnehmern erheblich, erfolgreich gegen die Kündigung vorzugehen.
Für Arbeitgeber bietet ein Interessenausgleich mit Namensliste somit mehr Rechtssicherheit bei der Umsetzung von Personalabbaumaßnahmen. Arbeitnehmer hingegen verlieren einen Teil ihres Kündigungsschutzes. Der Betriebsrat wird einer Namensliste daher in der Regel nur zustimmen, wenn der Arbeitgeber im Gegenzug Zugeständnisse macht, etwa in Form höherer Abfindungen.
Es ist wichtig zu betonen, dass weder Arbeitgeber noch Betriebsrat zur Erstellung einer Namensliste verpflichtet sind. Die Aufnahme einer Namensliste in den Interessenausgleich ist eine freiwillige Vereinbarung. In der Praxis kommt sie jedoch häufig vor, da sie beiden Seiten Vorteile bieten kann – dem Arbeitgeber mehr Planungssicherheit und den betroffenen Arbeitnehmern oft bessere Abfindungskonditionen.
Der Interessenausgleich mit Namensliste muss bestimmte Formvorschriften erfüllen. Er muss schriftlich niedergelegt und von beiden Parteien unterzeichnet werden. Die Namensliste muss entweder Teil des Interessenausgleichs sein oder eindeutig darauf Bezug nehmen.
Trotz der Namensliste bleibt die Anhörung des Betriebsrats zu jeder einzelnen Kündigung nach § 102 BetrVG erforderlich. Auch andere Kündigungsvoraussetzungen, wie die Einhaltung der Kündigungsfrist, müssen weiterhin beachtet werden.
Welche Rechte haben Arbeitnehmer bei der Sozialauswahl im Rahmen einer betriebsbedingten Kündigung?
Bei einer betriebsbedingten Kündigung müssen Arbeitgeber eine Sozialauswahl durchführen, wenn mehrere vergleichbare Arbeitnehmer für eine Kündigung in Frage kommen. Arbeitnehmer haben dabei folgende Rechte:
Arbeitnehmer haben Anspruch darauf, dass der Arbeitgeber bei der Sozialauswahl vier gesetzlich festgelegte Kriterien berücksichtigt: Betriebszugehörigkeit, Lebensalter, Unterhaltspflichten und Schwerbehinderung. Der Arbeitgeber muss alle vier Kriterien angemessen gewichten, darf aber keines völlig außer Acht lassen.
Beschäftigte können verlangen, dass der Arbeitgeber ihnen die Gründe für die getroffene Sozialauswahl mitteilt. So können sie überprüfen, ob die Auswahl ordnungsgemäß erfolgt ist.
Arbeitnehmer haben das Recht, die Sozialauswahl gerichtlich überprüfen zu lassen, wenn sie Zweifel an deren Rechtmäßigkeit haben. Sie können innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung Kündigungsschutzklage erheben.
Bei der gerichtlichen Überprüfung müssen Arbeitgeber darlegen und beweisen, dass sie die Sozialauswahl ordnungsgemäß durchgeführt haben. Die Darlegungs- und Beweislast liegt also beim Arbeitgeber.
Stellt sich heraus, dass die Sozialauswahl fehlerhaft war, können Arbeitnehmer die Unwirksamkeit der Kündigung geltend machen. Das Arbeitsgericht kann dann die Kündigung für unwirksam erklären.
Arbeitnehmer haben das Recht, dass bestimmte Gruppen nicht in die Sozialauswahl einbezogen werden. Dazu gehören etwa Auszubildende oder Arbeitnehmer mit besonderem Kündigungsschutz wie Schwangere oder Betriebsratsmitglieder.
Beschäftigte können verlangen, dass der Arbeitgeber zunächst Arbeitnehmern kündigt, die noch keinen Kündigungsschutz genießen, also in der Regel weniger als sechs Monate im Betrieb sind.
Arbeitnehmer haben Anspruch darauf, dass der Arbeitgeber vor Ausspruch der Kündigung prüft, ob eine Weiterbeschäftigung auf einem anderen freien Arbeitsplatz im Unternehmen möglich ist. Dies gilt auch für zumutbare Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen.
Bei Massenentlassungen haben Arbeitnehmer das Recht, dass der Betriebsrat an der Aufstellung von Auswahlrichtlinien beteiligt wird. Diese können die Sozialauswahl konkretisieren, etwa durch ein Punktesystem.
Wird ein Interessenausgleich mit Namensliste vereinbart, haben Arbeitnehmer nur noch eingeschränkte Überprüfungsmöglichkeiten. Sie können dann lediglich grobe Fehler bei der Auswahl geltend machen.
Arbeitnehmer haben das Recht auf Gleichbehandlung bei der Sozialauswahl. Eine Bevorzugung oder Benachteiligung einzelner Beschäftigter aus sachfremden Gründen ist unzulässig.
Bei einer fehlerhaften Sozialauswahl können Arbeitnehmer Schadensersatz- oder Entschädigungsansprüche geltend machen, etwa wenn ihnen durch die fehlerhafte Kündigung ein finanzieller Schaden entstanden ist.
Wie können Arbeitnehmer gegen eine unrechtmäßige betriebsbedingte Kündigung vorgehen?
Arbeitnehmer haben bei einer möglicherweise unrechtmäßigen betriebsbedingten Kündigung verschiedene Handlungsoptionen. Der wichtigste Schritt ist die Erhebung einer Kündigungsschutzklage beim zuständigen Arbeitsgericht. Diese muss innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung eingereicht werden. Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem die Kündigung dem Arbeitnehmer zugegangen ist, nicht mit dem Datum des Kündigungsschreibens.
Vor Einreichung der Klage sollten Arbeitnehmer alle relevanten Unterlagen zusammenstellen. Dazu gehören der Arbeitsvertrag, das Kündigungsschreiben, eventuelle Abmahnungen oder Zeugnisse sowie Dokumente, die die Unrechtmäßigkeit der Kündigung belegen könnten. Bei einer betriebsbedingten Kündigung sind insbesondere Informationen zur wirtschaftlichen Situation des Unternehmens und zur Sozialauswahl von Bedeutung.
Es ist ratsam, umgehend nach Erhalt der Kündigung fachkundige Unterstützung einzuholen. Arbeitnehmer können sich an ihre Gewerkschaft, einen Anwalt für Arbeitsrecht oder eine Rechtsberatungsstelle wenden. Diese können bei der Einschätzung der Erfolgsaussichten einer Klage helfen und bei der Formulierung der Klageschrift unterstützen.
Im Rahmen der Kündigungsschutzklage prüft das Arbeitsgericht, ob die betriebsbedingte Kündigung sozial gerechtfertigt ist. Dafür müssen dringende betriebliche Erfordernisse vorliegen, die einer Weiterbeschäftigung entgegenstehen. Der Arbeitgeber muss nachweisen, dass der Arbeitsplatz tatsächlich weggefallen ist und keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit besteht. Zudem wird geprüft, ob die Sozialauswahl ordnungsgemäß durchgeführt wurde.
Neben der Kündigungsschutzklage können Arbeitnehmer auch versuchen, mit dem Arbeitgeber eine einvernehmliche Lösung zu finden. Dies kann beispielsweise ein Aufhebungsvertrag mit einer Abfindungsregelung sein. Solche Verhandlungen können parallel zur Klageerhebung geführt werden, um die Klagefrist nicht zu versäumen.
In Betrieben mit Betriebsrat haben Arbeitnehmer die Möglichkeit, innerhalb einer Woche nach Zugang der Kündigung Einspruch beim Betriebsrat einzulegen. Der Betriebsrat kann dann die Kündigung prüfen und gegebenenfalls Bedenken gegenüber dem Arbeitgeber äußern. Dies kann die Position des Arbeitnehmers in einem möglichen Kündigungsschutzprozess stärken.
Bei einer betriebsbedingten Kündigung im Rahmen einer Betriebsänderung mit Interessenausgleich und Namensliste gelten besondere Regelungen. In diesem Fall wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt ist. Der Arbeitnehmer muss dann darlegen und beweisen, dass die Kündigung aus anderen Gründen sozial ungerechtfertigt ist.
Wichtig ist, dass Arbeitnehmer während des laufenden Kündigungsschutzverfahrens ihre arbeitsvertraglichen Pflichten weiterhin erfüllen. Sie müssen ihre Arbeitsleistung anbieten und gegebenenfalls auch tatsächlich erbringen, sofern der Arbeitgeber dies verlangt. Nur so können sie im Falle eines Obsiegens vor Gericht Anspruch auf Weiterbeschäftigung und Vergütung geltend machen.
Welche Alternativen zur Beendigungskündigung gibt es und wie können sie genutzt werden?
Als Alternativen zur Beendigungskündigung kommen insbesondere die Änderungskündigung und die Versetzung in Betracht.
Bei der Änderungskündigung kündigt der Arbeitgeber das bestehende Arbeitsverhältnis und bietet gleichzeitig dessen Fortsetzung zu geänderten Bedingungen an. Der Arbeitnehmer kann das Angebot annehmen oder ablehnen. Nimmt er es unter Vorbehalt an, kann er die Änderung der Arbeitsbedingungen gerichtlich überprüfen lassen. Die Änderungskündigung ermöglicht es, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen und gleichzeitig notwendige Anpassungen vorzunehmen.
Die Änderungskündigung unterliegt denselben Voraussetzungen wie eine Beendigungskündigung. Sie muss sozial gerechtfertigt sein, d.h. es müssen dringende betriebliche Erfordernisse vorliegen. Der Arbeitgeber muss zudem prüfen, ob eine Weiterbeschäftigung zu unveränderten Bedingungen möglich ist. Die angebotenen Änderungen müssen verhältnismäßig und für den Arbeitnehmer zumutbar sein.
Eine Versetzung ist die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs innerhalb desselben Betriebs oder Unternehmens. Sie kann auf dem Direktionsrecht des Arbeitgebers beruhen oder vertraglich vereinbart werden. Der Arbeitgeber darf Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit dies nicht durch Vertrag, Betriebsvereinbarung, Tarifvertrag oder Gesetz festgelegt ist. Die Grenzen des Direktionsrechts ergeben sich aus dem Arbeitsvertrag und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
Bei einer Versetzung muss der Arbeitgeber die Interessen des Arbeitnehmers berücksichtigen. Faktoren wie Entfernung zum Wohnort, familiäre Verpflichtungen oder gesundheitliche Einschränkungen sind zu beachten. Eine wesentliche Verschlechterung der Arbeitsbedingungen ist in der Regel unzulässig.
Sowohl Änderungskündigung als auch Versetzung können dazu dienen, betriebliche Umstrukturierungen umzusetzen oder wirtschaftliche Schwierigkeiten zu bewältigen, ohne Arbeitsplätze abbauen zu müssen. Sie ermöglichen eine flexiblere Anpassung an veränderte Bedingungen.
Der Arbeitgeber muss vor Ausspruch einer Beendigungskündigung stets prüfen, ob mildere Mittel wie Änderungskündigung oder Versetzung möglich sind. Dies folgt aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Nur wenn diese Alternativen nicht in Betracht kommen, ist eine Beendigungskündigung gerechtfertigt.
Für Arbeitnehmer bieten diese Alternativen die Chance, den Arbeitsplatz zu behalten, auch wenn sich die Bedingungen ändern. Sie sollten die angebotenen Änderungen sorgfältig prüfen und gegebenenfalls rechtlichen Rat einholen. Bei einer Änderungskündigung ist besonders auf die Drei-Wochen-Frist für eine eventuelle Klage zu achten.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Betriebsbedingte Kündigung: Eine Kündigung, die nicht aus Gründen in der Person des Arbeitnehmers, sondern aufgrund wirtschaftlicher oder organisatorischer Veränderungen im Unternehmen erfolgt. Beispiel: Ein Unternehmen muss aufgrund sinkender Nachfrage Personal abbauen.
- Interessenausgleich: Ein Verfahren, bei dem Arbeitgeber und Betriebsrat versuchen, sich bei geplanten Betriebsänderungen auf sozialverträgliche Maßnahmen zu einigen. Beispiel: Bei einer Standortschließung wird über Abfindungen oder Transfermöglichkeiten für die betroffenen Mitarbeiter verhandelt.
- Namensliste: Eine Liste, die im Rahmen eines Interessenausgleichs erstellt wird und die Namen der konkret von einer Kündigung betroffenen Arbeitnehmer enthält. Diese Liste dient der Transparenz und gibt den betroffenen Mitarbeitern frühzeitig Klarheit über ihre Situation.
- Sozialauswahl: Ein Verfahren, bei dem der Arbeitgeber im Rahmen einer betriebsbedingten Kündigung entscheiden muss, welche Mitarbeiter gekündigt werden. Dabei müssen soziale Kriterien wie Alter, Betriebszugehörigkeit, Unterhaltspflichten und Schwerbehinderung berücksichtigt werden.
- Grobe Fehlerhaftigkeit: Ein Begriff aus dem Arbeitsrecht, der beschreibt, dass ein Arbeitgeber bei der Sozialauswahl schwerwiegende Fehler gemacht hat, die zur Unwirksamkeit einer Kündigung führen können. Beispiel: Ein junger, lediger Mitarbeiter ohne Kinder wird gekündigt, während ein älterer Kollege mit Familie und langer Betriebszugehörigkeit seinen Arbeitsplatz behält.
- Änderungskündigung: Eine Kündigung, die mit dem Angebot verbunden ist, das Arbeitsverhältnis unter veränderten Bedingungen fortzusetzen, zum Beispiel mit einer anderen Tätigkeit oder einem geringeren Gehalt. Eine Änderungskündigung ist milder als eine Beendigungskündigung und soll dem Arbeitnehmer eine Weiterbeschäftigung ermöglichen.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 1 Abs. 5 KSchG (Kündigungsschutzgesetz): Dieses Gesetz regelt den Kündigungsschutz für Arbeitnehmer in Deutschland. § 1 Abs. 5 KSchG besagt, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt ist, wenn sie nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt ist, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers im Betrieb entgegenstehen. Im vorliegenden Fall prüfte das Gericht, ob die betriebsbedingte Kündigung des Klägers durch solche dringenden betrieblichen Erfordernisse gerechtfertigt war.
- § 111 BetrVG (Betriebsverfassungsgesetz): Dieses Gesetz regelt die Mitbestimmung des Betriebsrats bei personellen, sozialen und wirtschaftlichen Angelegenheiten im Betrieb. § 111 BetrVG legt fest, dass bei Betriebsänderungen, die erhebliche Nachteile für die Arbeitnehmer zur Folge haben können, ein Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat angestrebt werden muss. Im vorliegenden Fall wurde ein solcher Interessenausgleich mit Namensliste durchgeführt, was bedeutet, dass die zu kündigenden Arbeitnehmer namentlich festgelegt wurden.
- § 1 Abs. 2 KSchG: Dieser Paragraph besagt, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt ist, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder im Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung im Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Im vorliegenden Fall prüfte das Gericht, ob die Kündigung des Klägers durch dringende betriebliche Erfordernisse gerechtfertigt war und ob diese Erfordernisse einer Weiterbeschäftigung im Betrieb entgegenstanden.
- § 93 BetrVG: Dieser Paragraph regelt das Recht des Betriebsrats auf Unterrichtung und Beratung bei Kündigungen. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, den Betriebsrat vor jeder Kündigung zu unterrichten und ihm die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Der Betriebsrat hat das Recht, zu der Kündigung Stellung zu nehmen. Im vorliegenden Fall wurde der Betriebsrat im Rahmen des Interessenausgleichs mit Namensliste über die geplanten Kündigungen unterrichtet und beteiligt.
- § 102 BetrVG: Dieser Paragraph regelt die Möglichkeit des Arbeitgebers, eine Änderungskündigung auszusprechen, wenn dringende betriebliche Erfordernisse eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zu den bisherigen Bedingungen nicht zulassen. Eine Änderungskündigung beinhaltet das Angebot, das Arbeitsverhältnis unter geänderten Bedingungen fortzusetzen. Im vorliegenden Fall hätte der Arbeitgeber dem Kläger möglicherweise eine Änderungskündigung anbieten müssen, um ihm eine Weiterbeschäftigung auf einem anderen Arbeitsplatz zu ermöglichen.
Das vorliegende Urteil
Landesarbeitsgericht Köln – Az.: 2 Sa 185/15 – Urteil vom 20.07.2015
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Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 16.12.2014 – 4 Ca 2384/14 – wird auf deren Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung aufgrund Interessenausgleichs mit Namensliste.
Der am geborene, geschiedene Kläger, Vater von vier Kindern, von denen er noch zweien gegenüber zum Unterhalt verpflichtet ist, ist seit dem 09.06.1980 bei der Beklagten als Betriebsschlosser zu einer monatlichen Bruttovergütung von ca. 3.500 EUR beschäftigt. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 25.06.2014 zum 31.03.2015. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat die Kündigungsschutzklage aus zwei Gründen für begründet erachtet. Es hat ausgeführt, dass die Vermutungswirkung des § 1 Abs. 5 S. 1 KSchG deshalb widerlegt sei, weil der Kläger substantiiert dargestellt habe, dass Arbeitsplätze für die Tätigkeit als Betriebsschlosser dauerhaft mit Leiharbeitnehmern besetzt seien. Die Beklagte habe diesen Vortrag des Klägers nicht hinreichend substantiiert bestritten.
Zudem sei die Beklagte verpflichtet gewesen, dem Kläger Auskunft über die Auswahlüberlegungen zur sozialen Auswahl zu geben. Da eine solche nicht erteilt wurde, sei auch die grobe Fehlerhaftigkeit der Sozialauswahl gegeben.
Mit der Berufung vertritt die Beklagte erneut ihre Rechtsansicht, sie müsse zu dem Vortrag des Klägers hinsichtlich des namentlich benannten Leiharbeitnehmers und dessen Einsatz auf einem dauerhaft zu besetzenden Arbeitsplatz nicht substantiiert Stellung nehmen. Der Einsatz von Leiharbeitnehmern zur Abdeckung von Auftragsspitzen sei erlaubt. Weiterhin vertritt die Beklagte die Ansicht, sie müsse im Falle der Kündigung aufgrund Interessenausgleich mit Namensliste keine Auskünfte zur Sozialauswahl geben, insbesondere dem Kläger gegenüber nicht darstellen, welche Arbeitnehmer sie für vergleichbar gehalten habe und welche Kriterien mit welchem Gewicht sie zu Grunde gelegt habe, die zur Auswahl gerade des Klägers geführt haben. Die Beklagte legt ihrer Berufungsbegründung unkommentiert eine Liste sämtlicher Arbeitnehmer, die bei Kündigungsausspruch im Arbeitsverhältnis zur Beklagten standen, bei. Diese Liste enthält u.a. das Geburtsdatum, den Familienstand, die auf der Steuerkarte eingetragene Kinderfreibeträge sowie den Beginn des Arbeitsverhältnisses und gegebenenfalls einen vorhandenen Grad der Behinderung in Prozent.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 16.12.2014 -Az. 4 Ca 2384/14- abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Mit der Berufungserwiderung trägt der Kläger vor, dass die Beklagte in der Zwischenzeit entschieden hat, den Produktionsstandort zum 31.03.2016 vollständig einzustellen und sie deshalb dem Kläger unter dem 06.05.2015 den Abschluss eines Abwicklungsvertrages zum 28.02.2016 angeboten hat. Eine weitere Kündigung wurde bisher nicht ausgesprochen.
Weiter trägt der Kläger vor, dass die Beklagte den Betriebsschlosser B , der als Leiharbeitnehmer dauerhaft eingesetzt wurde, auch über den 31.03.2015 hinaus weiterbeschäftigt. Der Kläger rügt weiterhin, dass die überreichte Liste mit den Sozialdaten und Namen sämtlicher Mitarbeiter nicht den Auskunftsanspruch des Klägers erfülle. Die Betriebsschlosser P und U seien jedenfalls erheblich weniger schutzwürdig als er. Weiterhin bleibe es dabei, dass die unstreitig gegebene Besetzung der Pförtnerposition mit Leiharbeitnehmern die Kündigung des Klägers unwirksam mache, da die Beklagte eine Änderungskündigung hätte aussprechen müssen.
In der mündlichen Verhandlung hat die Beklagte eingeräumt, dass vom Ausspruch der Kündigung bis zum 31.03.2015 unstreitig ein Leiharbeitnehmer dauerhaft als Betriebsschlosser eingesetzt war. Dies sei wegen der zunächst beabsichtigten teilweisen Verlagerung von Maschinen erforderlich gewesen. Es sei ursprünglich beabsichtigt gewesen, die Tätigkeit dieses Leiharbeitnehmers mit Verlagerung der Maschinen zum 31.03.2015 zu beenden. Richtig sei, dass der Leiharbeitnehmer weiterbeschäftigt worden sei, da aufgrund der neuen unternehmerischen Entscheidung, den Betrieb vollständig stillzulegen, nunmehr weiterer Schlosserbedarf für diese Tätigkeiten bis zur endgültigen Stilllegung gegeben sei. Alle Arbeitnehmer der Beklagten erhielten ein Versetzungsangebot, da die Produktion lediglich in andere Betriebsstätten verlagert werde.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird gemäß § 313 ZPO auf den Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige und fristgerechte Berufung der Beklagten ist nicht begründet.
Die Kündigung vom 25.06.2014 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgrund § 1 Abs. 5 KSchG wegen einer Betriebsänderung mit Interessenausgleich und Namensliste beendet.
Die Kündigung ist aus den beiden bereits erstinstanzlich dargelegten Gründen unwirksam. Zwar wird vermutet, dass dringende betriebliche Erfordernisse zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorliegen, wenn aufgrund einer Betriebsänderung nach § 111 BetrVG ein Interessenausgleich mit Namensliste zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat zu Stande kommt. Dies enthebt einen Arbeitgeber aber nicht von seinen substantiierten Darlegungspflichten im Kündigungsschutzprozess.
Vorliegend hat der Kläger mit der substantiierten Darstellung, dass sowohl auf der Pförtnerposition als auch im Bereich der Betriebsschlosser jeweils mindestens ein Arbeitnehmer dauerhaft zum Einsatz kommt, der aufgrund eines Leiharbeitsvertrages eingesetzt wird, die Vermutung widerlegt, dass zwingende betriebliche Gründe den Wegfall des Arbeitsplatzes des Klägers bedingen. Der Kläger hat diesen Sachverhalt, der einen freien und unbesetzten, bei der Kündigungsentscheidung übersehenen Arbeitsplatz darlegt, ausreichend substantiiert dargestellt. Damit hat der Kläger Tatsachenvortrag in den Prozess eingeführt, der die Vermutungswirkung des §§ 1 Abs. 5 KSchG entfallen lässt. Damit ist die Kündigung an § 1 Abs. 1 KSchG zu messen.
Ein dauerhaft eingesetzter Leiharbeitnehmer bedeutet aus Sicht des Kündigungsschutzrechts, dass ein freier und zur Besetzung durch eigene Arbeitnehmer offener Arbeitsplatz gegeben ist. Da dieser Arbeitsplatz im Interessenausgleich nicht behandelt wird und die Beklagte auch nicht substantiiert da zu Stellung genommen hat, welche Planungen zu diesem freien Arbeitsplatz vorgenommen wurden, ob und wann dieser endgültig entfällt, ist die Vermutungswirkung des §§ 1 Abs. 5 KSchG widerlegt.
Der Umfang der Darlegungslast im Prozess ändert sich durch die Vermutungswirkung des §§ 1 Abs. 5 KSchG nicht. Nach substantiiertem Klägervortrag wäre es Sache der Beklagten gewesen, durch Darstellung der konkreten Einsatzzeiten der Leiharbeitnehmer entweder darzulegen, dass diese nur bei Auftragsspitzen eingesetzt wurden und es damit gar keinen dauerhaft freien und zur Besetzung durch eigene Arbeitnehmer geeigneten Arbeitsplatz gibt, oder darzustellen, welche Planungen hinsichtlich der Leiharbeitnehmer bestehen, insbesondere, dass die Tätigkeit der Leiharbeitnehmer spätestens mit dem Ende der Kündigungsfrist des Klägers ebenfalls beendet wird. Insbesondere hinsichtlich der Einsatzzeiten in der Vergangenheit hat allein die Beklagte Zugriff auf die Daten, die eine konkrete Einsatzdarstellung ermöglichen. Die erstmals in der mündlichen Verhandlung aufgestellte Behauptung, der als Leiharbeitnehmer dauerhaft eingesetzte Betriebsschlosser habe seine Tätigkeit ebenfalls mit der ursprünglich beabsichtigten teilweisen Verlagerung der Produktionsmittel einstellen sollen, ist grob nachlässig verspätet und deshalb zurück zu weisen. Er widerspricht auch dem bisherigen, unsubstantiierten Vortrag, Leiharbeitnehmer dürften zur Abdeckung von Auftragsspitzen eingesetzt werden. Zu Recht hat das Arbeitsgericht Aachen deshalb den Arbeitsplatz des Mitarbeiters B als freien Arbeitsplatz angesehen, der dauerhaft eingerichtet ist und vom Kläger ausgefüllt werden könnte.
Das arbeitsgerichtliche Urteil ist auch insoweit zutreffend, als zu unterstellen ist, dass die soziale Auswahl grob fehlerhaft ist, weil die Beklagte den Auskunftsanspruch des Klägers nicht erfüllt hat. Der Interessenausgleich mit Namensliste führt nicht dazu, dass sich der Umfang der Auskunftspflichten des Arbeitgebers über die durchgeführte Sozialauswahl, die zu Grunde gelegten Kriterien und deren Gewichtung in irgendeiner Weise verändern würden. Sie sind gleich hoch wie die Auskunftspflichten aus § 1 Abs. 3 KSchG (vergleiche Henssler Willemsen Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, 5. Auflage § 1 KSchG Rn. 442 bis 445). Die unkommentierte Vorlage der Liste aller Arbeitnehmer erfüllt den Auskunftsanspruch des Klägers immer noch nicht.
Danach musste die Beklagte substantiiert Ausführungen dazu machen, welche Arbeitnehmer sie konkret als mit dem Kläger vergleichbar angesehen hat, welche Gewichtung sie den unterschiedlichen Sozialdaten zugemessen hat und ob Überlegungen im Sinne des § 1 Abs. 3 S. 2 KSchG (besondere Kenntnisse, Fähigkeiten oder Leistungen) bei der sozialen Auswahl eine Rolle gespielt haben. Die Beklagte irrt, wenn sie meint, im Rahmen des Interessenausgleichs mit Namensliste bräuchte sie keine Auskunft erteilen, der Arbeitnehmer müsse sich seine Informationen selber zusammensuchen.
Unabhängig davon, dass mangels nachvollziehbarer Darlegungen zur Sozialauswahl die grobe Fehlerhaftigkeit der Auswahl bereits unterstellt werden kann, ergibt sich eine grobe Fehlerhaftigkeit der Sozialauswahl aber auch im Vergleich mit dem Mitarbeiter F D , der acht Jahre jünger, acht Jahre kürzer bei der Beklagten beschäftigt, verheiratet ist und ebenfalls keine Kinderfreibeträge auf der Steuerkarte eingetragen hat. Weiterhin grob fehlerhaft ist die Sozialauswahl im Bezug zu dem Mitarbeiter B P , der bei ansonsten gleichen Sozialdaten 13 Jahre kürzer als der Kläger beschäftigt ist und im Bezug zu dem Mitarbeiter R G , der fünf Jahre jünger, elf Jahre kürzer beschäftigt ist als der Kläger, verheiratet ist und nur ein Kind auf der Steuerkarte eingetragen hat. Die Unterschiede in den Sozialdaten lassen jede Ausgewogenheit vermissen.
Die Kündigung ist darüber hinaus auch unwirksam, da der unstreitig mit einem Leiharbeitnehmer dauerhaft besetzte Pförtnerarbeitsplatz ein freier Arbeitsplatz ist, der dem Kläger durch Änderungskündigung hätte angeboten werden müssen. Die Beschäftigung auf einem geringer vergüteten, freien Arbeitsplatz ist das mildere Mittel zur Beendigungskündigung.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Revision wurde mangels allgemeiner Bedeutung des Rechtsstreits nicht zugelassen. Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 72 a ArbGG wird hingewiesen.