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Sozialauswahl bei betriebsbedingte Kündigung

ArbG Hamburg – Az.: 3 Ca 209/12 – Urteil vom 22.08.2012

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf Euro 11.291,65 festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Kündigung und Weiterbeschäftigung.

Der Kläger ist seit dem 1. April 1998 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin, der n. b. H. B. KG (GmbH & Co.), als Fahrmischerfahrer beschäftigt. Der Kläger erhält ein durchschnittliches Bruttomonatsentgelt von EUR 2.558,33.

Die Beklagte beschäftigte im März 2012 regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer. Geschäftszweck der Beklagten ist die Spedition von Transportbeton. Es besteht ein Betriebsrat, dessen Mitglied u.a. der Kläger ist.

Die n. b. H. B. KG (GmbH & Co.) übertrug ausweislich vorgelegter Handelsregisterauszüge (Bl. 84-86 d.A.) mit Wirkung zum 1. Oktober 2009 bzw. 23. Oktober 2009 im Wege der Ausgliederung Teile ihres Vermögens auf die Beklagte und die b1 GmbH & Co. KG. Von der Beklagten wiederum wurde die b2 S. GmbH & Co. KG mit Wirkung zum 1. Juli 2010 abgespalten.

In einem Interessenausgleich vom 6. Oktober 2011 vereinbarte die Beklagte mit dem Betriebsrat u.a. die Auslagerung bzw. Einstellung der bis Ende Dezember 2011 durch die Beklagte neben dem Transport von Beton durchgeführten Herstellung von Transportbeton. In einem diesbezüglichen Sozialplan vom 6. Oktober 2011 (Bl. 29-33 d.A.) heißt es u.a., dass die Beschäftigten der Anlage 3 zum Interessenausgleich vom 6. Oktober 2011 ( – in der auch der Kläger namentlich aufgeführt ist, vgl. Bl. 28 d.A. -) für den Fall einer betriebsbedingten Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses ein Arbeitsplatzangebot der b1 GmbH & Co. KG erhalten, wenn bei jener während des Laufs der Kündigungsfrist Betonpumpenmaschinisten eingestellt werden sollen.

Lohnabrechnungen für die Beklagte sowie die anderen genannten Gesellschaften werden durch die n. b. H. B. KG (GmbH & Co.) vorgenommen.

In einem Gesellschafterbeschluss der Beklagten vom 14. März 2012 (Anlage B 7, Bl. 76 d.A.) heißt es u.a.:

„Der Geschäftsbetrieb der n. b. GmbH & Co. KG wird endgültig und dauerhaft zum 31. Oktober 2012 eingestellt.“

In einer Kaufbestätigung vom 16. April 2012 (Anlage B 1, Bl. 19 d.A.) bestätigte die K. N. GmbH gegenüber der Beklagten den Ankauf von drei MAN – Betonmischern und zweier Daimler–Benz Fahrzeuge mit Beton-Aufleger. Hinsichtlich erstgenannter Fahrzeuge („Posten 1-3“) ist eine Abholung zum 1. November 2012, hinsichtlich der letztgenannten Fahrzeuge („Posten 4 + 5“) eine Abholung sofort nach Kaufpreiszahlung vermerkt.

Mit Schreiben vom 15. März 2012 (Anlage B 2, Bl. 20-21 d.A.) hörte die Beklagte den Betriebsrat zur beabsichtigten Kündigung des Klägers an. Mit Schreiben vom 22. März 2012 (Anlage B 3, Bl. 22 d.A.) widersprach der Betriebsrat der Kündigung unter Bezugnahme auf § 102 Abs. 3 Ziff. 1 und 3 BetrVG. Wegen des Wortlautes der Stellungnahme des Betriebsrates wird auf die Anlage B 3 Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 26. März 2012 (Anlage K 1, Bl. 3 d.A.) kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 31. Oktober 2012.

Mit Schreiben vom 16. April 2012 (Anlage B 5, Bl. 33-34 d.A.) hörte die Beklagte den Betriebsrat zur beabsichtigten erneuten Kündigung des Klägers an. Mit Schreiben vom 20. April 2012 (Anlage B 6, Bl. 35 d.A.) widersprach der Betriebsrat auch dieser Kündigung unter Bezugnahme auf § 102 Abs. 3 Ziff. 1 und 3 BetrVG. Wegen des Wortlautes der Stellungnahme des Betriebsrates wird auf die Anlage B 6 Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 25. April 2012 (Anlage K 2, Bl. 9 d.A.) kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 30. November 2012.

Mit den Mitarbeitern B., S., H. sowie Be. schloss die Beklagte Aufhebungsverträge, in denen ein Ausscheiden spätestens (bezogen auf den Arbeitnehmer Be.) zum 31. Oktober 2012 vereinbart wurde. Im Übrigen wurden alle Arbeitsverhältnisse der Beklagten zum 31. Oktober 2012 bzw. bei längerer Kündigungsfrist zum 30. November 2011 gekündigt oder mit den Arbeitnehmern wurden Aufhebungsverträge geschlossen.

Mit der im Original am 16. April 2012 beim Arbeitsgericht Hamburg eingegangenen, der Beklagten am 19. April 2012 zugestellten Klage begehrt der Kläger Kündigungsschutz hinsichtlich der Kündigung vom 26. März 2012, mit Klagerweiterung vom 7. Mai 2012, zugestellt am 11. Mai 2012 hinsichtlich der Kündigung vom 25. April 2012. Ferner begehrt der Kläger Weiterbeschäftigung.

Der Kläger ist der Ansicht, die Kündigungen seien sozial nicht gerechtfertigt, insbesondere mangels Durchführung einer Sozialauswahl. Die Beklagte bilde mit der n. b. H. B. KG (GmbH & Co.), der b1 GmbH & Co. KG und der b2 S. GmbH & Co. KG am Standort A Hamburg einen gemeinsamen Betrieb. In den Geschäftsführungspositionen der Gesellschaften gebe es große Überschneidungen. Die Gesellschaften hätten dieselbe Telefon- und Faxnummer, sie würden sich eine Telekommunikationsanlage einschließlich Telefonnummern teilen, dies gelte auch für die Handys der Mitarbeiter. Zudem würden sich sämtliche vier Gesellschaften ein Sekretariat teilen. Müllcontainer, Datenmüllcontainer sowie ein Aktenvernichteter würden gemeinsam genutzt. Der gemeinsame Betrieb folge auch aus der gemeinsamen Nutzung der auf dem Betriebsgelände befindlichen Werkstatt sowie des Waschplatzes für die jeweiligen Fahrzeuge der Gesellschaften. Restbeton werde gemeinsam entsorgt. Barkassierungen würden unternehmensübergreifend abgewickelt, Stempeluhren von allen Mitarbeitern der Unternehmen zur Arbeitszeiterfassung genutzt. Auch würden die Unternehmen gemeinsam Betriebsfeiern organisieren. Die Buchhaltung habe eine gemeinsame Auszahlungsstelle. Die Mitarbeiter der Unternehmen, die vom Betriebsgelände weiter weg wohnen, würden in einem gemeinsamen von der n. b. H. B. KG (GmbH & Co.) zur Verfügung gestellten Containerdorf schlafen. Für sämtliche Mitarbeiter werde von demselben Zulieferer Essen auf das Betriebsgelände bzw. auf Baustellen geliefert. Ausgehende Korrespondenz werde von einem Unternehmen für alle abgeholt, eingehende Korrespondenz von demselben Unternehmen für alle angeliefert. Ferner ergebe sich ein Gemeinschaftsbetrieb auch aus einem gemeinsamen Archiv zur Aktenaufbewahrung. Zu reinigende Arbeitskleidung von Mitarbeitern der Unternehmen werde gemeinsam gesammelt und durch eine Fremdfirma abgeholt. Bei Engpässen würden sich die Unternehmen gegenseitig mit Arbeitnehmern aushelfen. Im Zusammenhang mit den Ausgliederungen seien verschiedene Mitarbeiterwanderungen zu verzeichnen gewesen.

Die Führungs- und Leitungskompetenz liege für die genannten Unternehmen einheitlich bei der n. b. H. B. KG (GmbH & Co.). Dies zeige sich nicht zuletzt daran, dass der Geschäftsführer der Beklagten bei Verhandlungen mit dem Betriebsrat regelmäßig auf eine bei ihm nicht vorhandene Entscheidungsbefugnis hingewiesen habe, sondern bei den Gesellschaftern, also der n. b. H. B. KG (GmbH & Co.) eine Genehmigung habe einholen müssen. Bei sämtlichen gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierungen habe sich das Einsatzgebiet der Arbeitnehmer nicht verändert, es sei allein eine rechtliche Zuordnung zu einer anderen Gesellschaft erfolgt. Es würden die Vermutungsregelungen nach § 1 Abs. 2 BetrVG greifen. Die Betriebsorganisation habe sich durch Spaltungen nicht wesentlich geändert, sämtliche Einrichtungen würden gemeinsam genutzt.

Im Rahmen einer Sozialauswahl sei der Kläger zumindest mit den Betonpumpenfahrern der b1 GmbH & Co. KG vergleichbar, insoweit sei auch in der Vergangenheit und auch zur Zeit ein Austausch miteinander erfolgt. Der Kläger sei ohne weiteres in der Lage, eine Betonpumpe zu fahren und zu bedienen.

Er, der Kläger, könne auch entsprechend Ziff. 3.6 des Sozialplanes vom 6. Oktober 2011 bei der b1 GmbH & Co. KG eingestellt werden, wo erhebliche Überstunden anfielen, so dass dort ein Arbeitsbedarf bestehe.

Der Kläger rügt die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG.

Der Kläger beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 26.03.2012 zum 31.10.2012 beendet wird, sondern fortbesteht;

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die erneute Kündigung der Beklagten vom 25.04.2012 zum 30.11.2012 beendet wird, sondern darüber hinaus fortbesteht;

3. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Fahrer/Mischbetonfahrer weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte trägt vor, die Kündigung sei aus dringenden betrieblichen Erfordernissen sozial gerechtfertigt. Durch die unternehmerische Entscheidung, den Geschäftsbetrieb der Beklagten vollständig einzustellen, seien alle Arbeitsplätze, und damit auch der des Klägers, entfallen. Mit der Veräußerung der Fahrmischerfahrzeuge und der Einstellung des Geschäftsbetriebes entfalle eine Beschäftigungsmöglichkeit für den Kläger. Aufgrund der begonnenen Veräußerung der Fahrzeuge sowie der Beendigung von Arbeitsverhältnissen habe die Beklagte auch bereits mit der Umsetzung der unternehmerischen Entscheidung begonnen. Infolge Beendigung aller Arbeitsverhältnisse sei eine Sozialauswahl nicht vorzunehmen gewesen. Eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses sei trotz der Betriebsratsmitgliedschaft des Klägers wegen Stilllegung des Betriebes zulässig. Eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit bestehe nicht.

Die Kündigung vom 25. April 2012 zum 30. November 2011 sei vorsorglich ausgesprochen worden, da das Arbeitsverhältnis des schwerbehinderten Mitarbeiters H1. erst zum 30. November 2011 habe gekündigt werden können.

Ein Einstellungsanspruch bei der b1 GmbH & Co. KG bestehe nicht, da diese Gesellschaft seit Ausspruch der betriebsbedingten Kündigung durch die Beklagte keine Betonpumpenmaschinisten eingestellt habe, was auch der Kläger nicht behauptet.

Transportbeton habe – und dies nur bis zum 31. Dezember 2012 – ausschließlich die Beklagte, nicht aber eines der sonstigen vom Kläger angeführten Unternehmen hergestellt. Die Geschäftszwecke der vom Kläger angeführten Unternehmen seien unterschiedlich. Die Beklagte transportiere ausschließlich Transportbeton. Die b1 GmbH & Co. KG vermiete Betonpumpen und die b2 S. GmbH & Co. KG betreibe ein Beton- und Baustofflabor für verschiedene Kunden. Die n. b. H. B. KG (GmbH & Co.) biete Finanz-, Buchhaltungs-, Entsorgungs-und Werkstattleistungen für die Beklagte, die b1 GmbH & Co. KG, die b2 S. GmbH & Co. KG sowie für dritte Unternehmen an. Die n. b. H. B. KG (GmbH & Co.) verfüge weder über eine beherrschende Stellung noch über Geschäftsführerstellungsrechte bei den vom Kläger genannten übrigen Unternehmen, es handele sich um reine Finanzbeteiligungen. Auch erteile die n. b. H. B. KG (GmbH & Co.) der Beklagten, der b1 GmbH & Co. KG und der b2 S. GmbH & Co. KG keine Weisungen, ebenso seien keine Führungsvereinbarungen getroffen worden.

Die Telefonnummern der Unternehmen seien unterschiedlich. Ein Sekretariat unterhalte lediglich die n. b. H. B. KG (GmbH & Co.).

Auch würden nicht sämtliche Einrichtungen auf dem Gelände im A gemeinsam genutzt, sondern die Beklagte habe von der n. b. H. B. KG (GmbH & Co.) Fläche gemietet, auf der sie ihre noch verbliebenen Fahrzeuge abstelle, außerdem habe sie Büro- und Sanitärräume gemietet. Dabei handele es sich um andere Flächen und Räumlichkeiten, als von der b1 GmbH & Co. KG und der b2 S. GmbH & Co. KG genutzt. Die Nutzung des Waschplatzes und Wasserentnahme seien für die Beklagte entgeltpflichtig, auch müsse die Beklagte Entsorgungskosten für Restbeton zahlen. Für Müllentsorgung werde ebenfalls abgerechnet. Die Mitarbeiter bei der der Beklagten hätten eine eigene Stempeluhr. Betriebsfeiern seien nicht unternehmensübergreifend durchgeführt worden. Akten würden seit dem 1. Oktober 2009 von dem jeweiligen Unternehmen separat in von der n. b. H. B. KG (GmbH & Co.) gemieteten Räumen verwahrt.

Die Beklagte habe auch nicht Arbeitnehmer der n. b. H. B. KG (GmbH & Co.), der b1 GmbH & Co. KG oder der b2 S. GmbH eingesetzt, noch ihre Mitarbeiter in diesen Unternehmen eingesetzt. Aushilfen und Austausche habe es nicht gegeben. Im Zusammenhang mit den Abspaltungen in den Jahren 2009 und 2010 seien vereinzelt Aufhebungsverträge und neue Anstellungsverträge geschlossen worden.

Eine einheitliche Führungs- und Leitungskompetenz der n. b. H. B. KG (GmbH & Co.) liege nicht vor. Die betrieblichen Abläufe seien nach den Aufspaltungen neu organisiert worden. Es seien eigene Bereiche „Betriebstechnik“ gegründet worden, die Urlaubsplanung werde nicht mehr zentral vorgenommen. Einstellungsgespräche würden seit der Ausgliederung nicht mehr von einem Mitarbeiter des ehemaligen Bereichs Betriebstechnik, sondern vom Geschäftsführer durchgeführt. Auch sei es nach den Ausgliederungen – anders als zuvor – nicht mehr zu Urlaubs- oder Krankheitsvertretungen oder zu Einsätzen zum Abfangen von Arbeitsspitzen gekommen. Auch bestehe nicht mehr eine einheitliche Disposition für Fahrmischer- und Betonpumpenfahrzeuge. Die Beklagte halte überhaupt keine Disposition mehr vor. Einen Bereich „Verkauf“ bzw. „Faktura“ gebe es bei der Beklagten nicht mehr. Die Abrechnung der Speditionsleistungen nehme der Geschäftsführer der Beklagten selbst vor. Die räumliche Unterbringung der Mitarbeiter der Beklagten, der b1 GmbH & Co. KG und der b2 S. GmbH Erfolge zwar in demselben Gebäudekomplex, jedoch räumlich voneinander getrennt. Gegen das Bestehen eines Gemeinschaftsbetriebes spreche auch das bestehen verschiedener Betriebsratsgremien bei der Beklagten und der b1 GmbH & Co. KG.

Wegen des weitergehenden Sachvortrages der Parteien sowie ihrer Rechtsansichten wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist überwiegend zulässig, aber unbegründet.

Die Erwägungen, auf denen die Entscheidung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht beruht, werden wie folgt kurz zusammengefasst (§ 313 Abs. 3 ZPO):

I. Die Klage ist überwiegend zulässig.

Die Voraussetzungen des § 256 ZPO sind hinsichtlich der Klaganträge zu 1) und 2) nur zum Teil erfüllt. Das für die Zulässigkeit dieser Klaganträge erforderliche Feststellungsinteresse ist gegeben, soweit der Kläger die Feststellung begehrt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht infolge der Kündigungen vom 26. März 2012 und 25. April 2012 aufgelöst ist. Diesbezüglich folgt das Feststellungsinteresse aus §§ 4, 7 KSchG, nach denen auch eine sozial ungerechtfertigte Kündigung wirksam wird, wenn sie nicht rechtzeitig mit einer Feststellungsklage angegriffen wird.

Soweit der Kläger aber die Feststellung begehrt, dass das Arbeitsverhältnis „fortbesteht“, wird damit nicht ein bestimmter Beendigungstatbestand in den Prozess eingeführt, sondern nur eine allgemeine Feststellung begehrt bzw. die Rechtsfolge der Unwirksamkeit konkreter Kündigungen angeführt. Insoweit bestand kein Bedürfnis an gesonderter Feststellung, d.h. kein Feststellungsinteresse i.S.d. § 256 ZPO. Soweit die begehrte Feststellung „sondern fortbesteht“ als allgemeiner Feststellungsantrag gedacht war, um den Kläger für den Fall des Auftretens weiterer Kündigungen die Möglichkeit zu geben, diese unbeschadet der Frist des § 4 KSchG in den Prozess einzuführen (sog. Schleppnetzantrag), hat der Kläger jedenfalls im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung nicht dargetan, dass weitere Beendigungstatbestände vorlägen und auch seitens der Beklagten war nicht ersichtlich, dass diese sich auf andere Beendigungstatbestände außer den explizit angegriffenen Kündigungen stützen wollte.

II. Im Übrigen ist die Klage unbegründet.

Die Feststellungsanträge waren, soweit sie zulässig waren, unbegründet, da die dem Kläger gegenüber ausgesprochene Kündigung vom 26. März 2012 das Arbeitsverhältnis der Parteien beendet. Die Beklagte war auch nicht zur Weiterbeschäftigung des Klägers verpflichtet.

Im Einzelnen:

1. Das Arbeitsverhältnis der Parteien wird durch Kündigung der Beklagten vom 26. März 2012 mit Wirkung zum 31. Oktober 2012 beendet.

a) Zwar gilt diese Kündigung nicht bereits nach §§ 4 Satz 1, 7 KSchG als sozial gerechtfertigt gilt und damit rechtswirksam, weil gegen die dem Kläger zugegangenen Kündigung innerhalb der Drei-Wochen-Frist gemäß §§ 4, 7 KSchG Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht Hamburg eingegangen und der Beklagten „demnächst“ zugestellt worden ist, so dass sie als rechtzeitig erhoben gilt.

b) Die Kündigung vom 26. März 2012 ist auch aufgrund dringender betrieblicher Erfordernisse sozial gerechtfertigt i.S.d. § 1 Abs. 2 KSchG. Diese Vorschrift ist auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anwendbar, da die Beklagte im Zeitpunkt der Kündigung regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigte (§ 23 KSchG) und das Arbeitsverhältnis länger als sechs Monate bestand, § 1 Abs. 1 KSchG.

aa) Der Wegfall des Beschäftigungsbedürfnisses zu den bisherigen Bedingungen kann auf einer unternehmerischen Entscheidung zur Umstrukturierung des gesamten oder von Teilen des Betriebs beruhen. Eine Kündigung ist u.a. durch dringende betriebliche Erfordernisse i.S. von § 1 Abs.2 KSchG bedingt, wenn sich der Arbeitgeber zu einer organisatorischen Maßnahme entschließt, bei deren innerbetrieblicher Umsetzung das Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb überhaupt oder unter Zugrundelegung des Vertragsinhalts zu den bisherigen Arbeitsbedingungen entfällt (BAG, Urteil vom 21.02.2002 – 2 AZR 556/00 –, EzA § 2 KSchG Nr. 45). Dies gilt auch, wenn der Arbeitgeber die unternehmerische Entscheidung getroffen hat, einen Betrieb stillzulegen. Eine solche Organisationsentscheidung unterliegt im Kündigungsschutzprozess nur der Missbrauchskontrolle, d.h. der Überprüfung, ob sie offenbar unvernünftig oder willkürlich ist und ob sie ursächlich für den vom Arbeitgeber geltend gemachten Änderungsbedarf ist.

bb) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze entfällt durch die beschlossene und auch bereits begonnene umgesetzte Schließung gesamten Betriebes der Beschäftigungsbedarf für den dort angestellten Kläger. Die Beklagte hat nachvollziehbar und unter Vorlage der Anlage B 7 die getroffene Entscheidung zur Betriebseinstellung zum 31. Oktober 2012 dargelegt. Auch wurde mit der Umsetzung bereits – jedenfalls durch den Verkauf von Fahrzeugen und die Beendigung sämtlicher Arbeitsverhältnisse – begonnen. Zweifel, dass die Entscheidung zur Betriebseinstellung nicht ernsthaft oder nicht endgültig wäre, ergaben sich nicht. Umstände, die die Entscheidung zur Stilllegung des Betriebes als offensichtlich unsachlich oder willkürlich erscheinen lassen, sind nicht ersichtlich und auch nicht vorgetragen.

cc) Die Kündigung der Beklagten vom 26. März 2012 ist auch nicht wegen einer nicht ausreichenden sozialen Auswahl nach § 2 Satz 1 i.V.m. § 1 Abs. 3KSchG unwirksam.

Wegen der Schließung des gesamten Betriebes und Beendigung sämtlicher Arbeitsverhältnisse bedurfte es keiner Sozialauswahl.

Die Beklagte bildet mit der n. b. H. B. KG (GmbH & Co.), der b1 GmbH & Co. KG und der b2 S. GmbH & Co. KG auf dem Gelände A auch keinen Gemeinschaftsbetrieb. Es fehlt an einer Führungs- und Leitungsvereinbarung zwischen diesen. In den mitbestimmungsrelevanten Bereichen fehlt es an einer Zentralisierung der Arbeitgeberfunktion. Das Gericht folgt insoweit den Ausführungen der 27. Kammer des Arbeitsgerichts Hamburg (Beschluss vom 23.05.2012 – 27 BV 20/11).

(1) Ein Betrieb im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes ist nach der ständigen Rechtsprechung des BAG die organisatorische Einheit, innerhalb derer ein Arbeitgeber allein oder mit seinen Arbeitnehmern mit Hilfe technischer und immaterieller Mittel bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt (vgl. BAG, Beschluss vom 31.05.2000 -7 ABR 78/98 -, AP Nr. 12 zu § 1 BetrVG 1972 Gemeinsamer Betrieb). Von einem gemeinsamen Betrieb mehrerer Unternehmen ist nach der bisherigen ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auszugehen, wenn die in einer Betriebsstätte vorhandenen materiellen und immateriellen Betriebsmittel für einen einheitlichen arbeitstechnischen Zweck zusammengefasst, geordnet und gezielt eingesetzt werden und der Einsatz der menschlichen Arbeitskraft von einem einheitlichen Leitungsapparat gesteuert wird. Die beteiligten Unternehmen müssen sich zumindest stillschweigend zu einer gemeinsamen Führung rechtlich verbunden haben. Die einheitliche Leitung muss sich auf die wesentlichen Funktionen des Arbeitgebers in personellen und sozialen Angelegenheiten erstrecken. Eine lediglich unternehmerische Zusammenarbeit genügt nicht. Vielmehr müssen die Funktionen des Arbeitgebers institutionell einheitlich für die beteiligten Unternehmen wahrgenommen werden (BAG, Beschluss vom 22.06.2005 – 7 ABR 57/04 -, AP Nr. 23 zu § 1 BetrVG 1972 Gemeinsamer Betrieb m.w.N.). Für die Frage, ob der Kern der Arbeitgeberfunktionen in sozialen und personellen Angelegenheiten von derselben institutionalisierten Leitung ausgeübt wird, ist vor allem entscheidend, ob ein arbeitgeberübergreifender Personaleinsatz praktiziert wird, der charakteristisch für den normalen Betriebsablauf ist (BAG vom 22.06.2005 a.a.O.). An den vom Bundesarbeitsgericht entwickelten Voraussetzungen für einen Gemeinschaftsbetrieb ändert die Vermutung des § 1 Abs. 2 Nr. 2 BetrVG nichts. Nach § 1 Abs. 2 Nr. 2 BetrVG wird ein gemeinsamer Betrieb vermutet, wenn die Spaltung eines Unternehmens zur Folge hat, dass von einem Betrieb ein oder mehrere Betriebsteile einem an der Spaltung beteiligten anderen Unternehmen zugeordnet werden, ohne dass sich dabei die Organisation des betroffenen Betriebs wesentlich ändert. Die Spaltung erfasst nach der Begründung des Regierungsentwurfs auch die Aufspaltung, Abspaltung und Ausgliederung (BT-Drucks. 14/5741, S. 33). Allerdings ist die Vermutung widerlegt, wenn der Nachweis geführt wird, dass kein einheitlicher Leitungsapparat besteht (Richardi, in: ders., BetrVG, 13. Aufl. 2012, § 1 Rn.77).

(2) Die Vermutungswirkung des § 1 Abs. 2 Nr. 2 BetrVG ist widerlegt beziehungsweise greift nicht ein. Im Zuge der Ausgliederung der Beklagten, der b1 GmbH & Co. KG und der b2 S. GmbH & Co. KG. wurde die betriebliche Organisation wesentlich geändert, sodass die Vermutungswirkung des § 1 Abs. 2 Nr. 2 BetrVG nicht eingreift. Im Übrigen besteht kein einheitlicher Leitungsapparat. Jedenfalls seit der Ausgliederung fehlt es an einen gemeinsamen Einsatz von Arbeitnehmern der unterschiedlichen Unternehmensbereiche, der für eine stillschweigende Leitungs- und Führungsvereinbarung sprechen könnte. Die Mitarbeiter werden ausschließlich für ihre jeweiligen Vertragsunternehmen tätig. Ein gemeinsamer Einsatz der Mitarbeiter findet nicht statt. Es gibt keine gemeinsamen Vorgesetzten. Im Einzelnen:

Soweit der Kläger auf den Wechsel von Arbeitnehmern abstellt, sprechen die Umstände gegen eine unternehmensübergreifende Zusammenarbeit. Die Arbeitnehmer haben in diesen Fällen neue Arbeitsverträge erhalten, zudem erfolgten solche Wechsel in den Jahren 2009 und 2010. Im Übrigen ergibt sich aus dem Vortrag des Klägers nicht, dass der Wechsel der Arbeitnehmer charakteristisch für den normalen Betriebsablauf ist. Vielmehr handelt es sich nach Auffassung der Kammer lediglich um Einzelfälle. Dass die Arbeitszeiten der Arbeitnehmer aufeinander abgestimmt werden, es gemeinsame unternehmensübergreifenden Dienstpläne gebe, was für einen gemeinsamen Einsatz der Arbeitnehmer sprechen würde, oder eine gemeinsame Urlaubsplanung oder Krankheitsvertretungsregelungen geben würde, war nicht ersichtlich. Gerade ein einheitliches Arbeitszeitregime ist einer der wesentlichen Merkmale des unternehmensübergreifenden Personaleinsatzes. Die gemeinsame Nutzung – nach dem Vortrag der Beklagten für diese entgeltlich – von Einrichtungen auf dem Betriebsgelände wie z.B. die Werkstatt, führt nicht dazu, dass eine Zusammenarbeit der Mitarbeiter stattfindet. Insofern liegt allenfalls eine unternehmerische Zusammenarbeit, bei der die Arbeitnehmer nur von ihren Vertragsarbeitgebern eingesetzt werden, sodass dies nicht für eine einheitliche Leitung spricht (vgl. BAG, Beschluss vom 13.08.2008 – 7 ABR 21/07 -, NZA-RR 2009, 255). Eine bloße unternehmerische Zusammenarbeit der Unternehmen reicht nicht aus. Dass der Arbeitseinsatz der Arbeitnehmer gemeinsam geplant wird, war nicht ersichtlich.

Soweit der Kläger darüber hinaus ausführt, es erfolge ein „arbeitsteiliger“ Einsatz bzw. die Fahrer der Beklagten und der b1 GmbH & Co. KG seien in der Vergangenheit und auch zur Zeit jeweils miteinander ausgetauscht worden, ist dieser Vortrag nicht hinreichend substantiiert. Es ist nicht erkennbar, wann zuletzt auf wessen Veranlassung ein „Austausch“ welcher Fahrer erfolgt wäre.

(3) Auch die weiteren vom Kläger vorgetragenen Indizien lassen keinen Schluss auf eine stillschweigende Leitungs- und Führungsvereinbarung zu. Die Unterbringung in von der n. b. H. B. KG (GmbH & Co.) gemieteten Räumen auf einem einheitlichen Gelände reicht vorliegend nicht aus, um hieraus weitergehende Schlüsse zu ziehen. Die gemeinsame räumliche Unterbringung kann zwar ein Indiz für die Annahme eines von einer einheitlichen Organisation getragenen Betriebs sein (BAG vom 24.01.1996 – 7 ABR 10/95 -, AP Nr. 8 zu § 1 BetrVG 1972). Vorliegend nutzen die Beteiligten jedoch eigene Bereiche der Gebäude auf dem Gelände A. Die einzelnen Räume und Flächen werden ausweislich der von der Beklagten vorgelegten Lagepläne hingegen nicht unternehmensübergreifend genutzt. Insofern besteht weiterhin eine räumliche Trennung der Arbeitnehmer der einzelnen Beteiligten und der jeweiligen Arbeitsabläufe.

Dass gemeinsame Telefonnummern unternehmensübergreifend genutzt werden, war nach den von der Beklagten vorgetragenen Telefonnummern im Einzelnen (vgl. Schriftsatz vom 10. August 2012, dort Seite 7) nicht ersichtlich. Insofern kann hierin nicht die gemeinsame Nutzung von Betriebsmitteln gesehen werden.

Auch aus dem Umstand, dass nach dem Vortrag Klägers die Geschäftsführung der Beklagten in Einzelfällen unternehmerische Entscheidungen mit ihrer Gesellschafterin, der n. b. H. B. KG (GmbH & Co.) abzustimmen gehabt habe, kann nicht auf eine Leitungs- und Führungsvereinbarung geschlossen werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der sich die Kammer anschließt, genügt die mit einem Konzernverhältnis verbundene Beherrschung eines Unternehmens durch ein anderes nicht für das Vorliegen eines gemeinsamen Betriebs. Dies gilt auch, wenn das herrschende Unternehmen dem beherrschten Unternehmen Weisungen erteilt. Das herrschende Unternehmen wird dadurch nicht zusammen mit dem beherrschten Unternehmen Inhaber eines gemeinsamen Betriebs. Es fehlt an der hierzu erforderlichen Einbringung von Betriebsmitteln und Arbeitnehmern (BAG, Urteil vom 11.12.2007 – 1 AZR 824/06 -, NZA-RR 2008, 298).

Soweit von der n. b. H. B. KG (GmbH & Co.) weitere Dienstleistungen erbracht werden wie z.B. das Führen einer Kasse oder das Erstellen von Lohnabrechnungen, kann ebenfalls nicht auf eine Leitungs- und Führungsvereinbarung geschlossen werden. Selbst das Vorhandensein einer gemeinsamen Personalabteilung reicht nach der Rechtsprechung des BAG nicht dafür aus, auf eine Leitungsvereinbarung zu schließen. Das Vorhandensein einer gemeinsamen Personalabteilung kann demnach zwar ein wesentliches Indiz für einen gemeinsamen Leitungsapparat darstellen, wenn die für sie handelnden Personen zur Wahrnehmung der personellen Arbeitgeberfunktionen bevollmächtigt sind bzw. sie von einer Person geleitet wird, die für beide Unternehmen die Entscheidungen in wesentlichen personellen und sozialen Angelegenheiten trifft. Eine solche Indizwirkung besteht aber nicht, wenn es sich bei der (gemeinsamen) Personalabteilung um eine Einheit handelt, die selbst keine Entscheidungen in mitbestimmungsrechtlich relevanten Angelegenheiten trifft, sondern sich im Wesentlichen auf Beratungs- und Unterstützungsleistungen beschränkt (BAG, Beschluss vom 13.08.2008 – 7 ABR 21/07 -, NZA-RR 2009, 255). So verhält es sich hier. Das bloße Führen einer Kasse und das Erstellen der Lohnabrechnungen durch die n. b. H. B. KG (GmbH & Co.) geht nicht mit Entscheidungen in mitbestimmungsrechtlich relevanten Angelegenheiten einher. Weder wird der Einsatz der Arbeitnehmer geplant noch besteht eine Weisungsbefugnis von Mitarbeitern der n. b. H. B. KG (GmbH & Co.) gegenüber Mitarbeitern der Beklagten.

c) Die Kündigung war auch nicht wegen der Regelung in Ziff. 3.6 des Sozialplanes vom 6. Oktober 2011 unwirksam. Diese Regelung verbietet nicht eine betriebsbedingte Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Unabhängig davon, dass – da auch kein Gemeinschaftsbetrieb vorliegt – die b1 GmbH & Co. KG nicht aus einem Sozialplan der Beklagten und deren Betriebsrat vertraglich verpflichtet werden kann, würde sich aus Ziff. 3.6 des Sozialplanes allenfalls ein Einstellungsanspruch, d.h. ein Anspruch auf Abschluss eines Arbeitsvertrages ergeben. Einen solchen Anspruch macht der Kläger nicht klagweise geltend.

d) Die Kündigung vom 26. März 2012 war nicht nach § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG unzulässig bzw. unwirksam. Nach dieser Vorschrift ist die Kündigung eines Mitgliedes des Betriebsrats nur aus wichtigem Grund zulässig. Allerdings war vorliegend gemäß § 15 Abs. 4 KSchG eine ordentliche Kündigung des Klägers trotz dessen Betriebsratsmitgliedschaft zulässig. Nach dieser Vorschrift ist eine Kündigung im Falle der Betriebsstilllegung frühestens zum Zeitpunkt der Stilllegung zulässig, es sei denn, dass die Kündigung zu einem früheren Zeitpunkt durch zwingende betriebliche Erfordernisse bedingt ist.

Die Beklagte hat „den Betrieb“ stillgelegt bzw. eine Stilllegung erfolgt zum 31. Oktober 2012.

aa) Der Betrieb ist die organisatorische Einheit, innerhalb derer der Arbeitgeber mit seinen Arbeitnehmern durch Einsatz technischer und immaterieller Mittel bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt, die sich nicht in der Befriedigung von Eigenbedarf erschöpfen (BAG, Urteil vom 15.03.2001 – 2 AZR 151/00 –, EzA § 23 KSchG Nr. 23). Unter Betriebsstilllegung ist die Auflösung der zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestehenden Betriebs- und Produktionsgemeinschaft zu verstehen, die ihre Veranlassung und ihren unmittelbaren Ausdruck darin findet, dass der Unternehmer die bisherige wirtschaftliche Betätigung in der ernstlichen Absicht einstellt, die Verfolgung des bisherigen Betriebszwecks dauernd oder für eine ihrer Dauer nach unbestimmte, wirtschaftlich nicht unerhebliche Zeitspanne nicht weiter zu verfolgen (BAG, Urteil vom 18.01.2001 – 2 AZR 514/99 –, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 115).

bb) Nach dem Gesellschafterbeschluss der Beklagten erfolgt eine vollständige Einstellung des Betriebes der Beklagten zum 31. Oktober 2012. Dass eine Weiterbeschäftigung des Klägers nach diesem Zeitpunkt – etwa in einer anderen Betriebsabteilung – möglich wäre, war nicht ersichtlich. Der Zeitpunkt der geplanten Betriebsstilllegung ist grundsätzlich der früheste Termin, zu dem der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis nach § 15 Abs. 4 KSchG kündigen kann.

Ferner ist zu beachten, dass die Annahme einer Betriebsstilllegung nicht die Weiterbeschäftigung einiger weniger Arbeitnehmer mit Abwicklungs-oder Aufräumungsarbeiten für kurze Zeit entgegensteht. Werden also alle Arbeitnehmer bis auf einige wenige, die noch für einige Wochen Aufräumarbeiten leisten sollen, zu einem bestimmten Zeitpunkt entlassen, können auch die durch § 15 KSchG geschützten Personen zu diesem Zeitpunkt entlassen werden und nicht ihre Weiterbeschäftigung mit Aufräumungsarbeiten verlangen, sofern die Auswahlentscheidung des Arbeitgebers bezüglich der weiterzubeschäftigen den Arbeitnehmer nicht billigem Ermessen widerspricht (KR – Etzel, 9. Aufl., § 15 KSchG Rn 101 u. 103).

Vorliegend war demnach eine Kündigung des Klägers zum 31. Oktober 2012 wirksam. Es bedurfte nicht der weiteren, unter dem 25. April 2012 ausgesprochenen vorsorglichen Kündigung. Zwar hat die Beklagte vorgetragen, dass insoweit das Arbeitsverhältnis eines anderen Arbeitnehmers aufgrund dessen Schwerbehinderung unter Berücksichtigung der maßgeblichen Kündigungsfrist erst zum 30. November 2012 beendet werden kann. Dass dieser Arbeitnehmer aber im Monat November 2012 überhaupt noch beschäftigt und mit Arbeiten betraut wird, bzw. nicht von einer vollständigen Betriebsstilllegung zum 31. Oktober 2012 auszugehen wäre, war nicht ersichtlich. Selbst wenn die Beklagte hinsichtlich dieses Arbeitnehmers im Monat November 2012 noch Gebrauch von der Inanspruchnahme der Arbeitsleistung zu Aufräumarbeiten machen würde, würde dies nach obigen Grundsätzen nicht einer Kündigung des Klägers als Betriebsratsmitglied bereits zum 31. Oktober 2012 entgegenstehen.

e) Die Kündigung vom 26. März 2012 ist auch nicht nach § 102 BetrVG unwirksam.

Gemäß § 102 Abs. 1 BetrVG ist der Betriebsrat vor jeder Kündigung zu hören, wobei der Arbeitgeber dem Betriebsrat die Gründe für die Kündigung mitzuteilen hat. Ein ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung ist unwirksam. Gleiches gilt, wenn die Anhörung gegenüber dem Betriebsrat zwar durchgeführt ist, aber inhaltlich mangelhaft war. Ferner ist eine Kündigung gemäß § 102 BetrVG unwirksam, wenn der Arbeitgeber nach erfolgter Betriebsratsanhörung vor Ablauf der einwöchigen Stellungnahmefrist des Betriebsrates gemäß § 102 Abs. 2 BetrVG die Kündigung ausspricht, ohne dass bereits zuvor eine abschließende Stellungnahme des Betriebsrates vorliegt. Inhaltlich sind im Rahmen der gemäß § 102 BetrVG vorzunehmenden Betriebsratsanhörung dem Betriebsrat u. a. die Personalien des Arbeitnehmers, ferner die Kündigungsgründe im Einzelnen anzugeben. Werturteile oder stichwortartige Angaben genügen insoweit nicht, es sind konkrete Tatsachen anzugeben (BAG vom 15.03.2001, AP Nr. 46 zu § 4 KSchG 1969). Weiter ist die Art der Kündigung mitzuteilen, ebenso Kündigungsfrist und Kündigungstermin.

Diesen Anforderungen genügt die Anhörung des Betriebsrates vom 15. März 2012 (Anlage B 2). Auch hat die Beklagte die Kündigung erst nach Stellungnahme des Betriebsrates und unter Wahrung der Wochenfrist des § 102 Abs. 2 Satz 1 BetrVG ausgesprochen.

f) Die Kündigung vom 26. März 2012 beendet das Arbeitsverhältnis mithin unter Berücksichtigung der gesetzlichen Kündigungsfrist gemäß § 622 Abs. 2 BGB mit Wirkung zum 31. Oktober 2012.

2. Der Klagantrag zu 2) war unbegründet und daher abzuweisen, da das Arbeitsverhältnis bereits durch die Kündigung vom 26. März 2012 zum 31. Oktober 2012 beendet wird.

3. Der Klagantrag auf Weiterbeschäftigung (Antrag zu 3) war ebenfalls unbegründet.

a) Ein Anspruch auf Weiterbeschäftigung des Klägers ergibt sich nicht aus der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch, wonach ein Arbeitnehmer im Falle des Obsiegens in einem Kündigungsrechtsstreit in erster Instanz einen vertraglichen Anspruch auf Weiterbeschäftigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Kündigungsrechtsstreits hat (vgl. BAG GS, Beschluss vom 27. Februar 1985, EzA § 611 BGB Beschäftigungspflicht Nr. 9). Ein entsprechendes Obsiegen mit den Feststellungsanträgen lag aber gerade nicht vor.

b) Zudem ergab sich ein Anspruch auf Weiterbeschäftigung auch nicht aus § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG.

Zwar hat der Betriebsrat den Kündigungen jeweils unter Bezugnahme auf § 102 Abs. 3 Ziff. 1 und 3 BetrVG widersprochen. Ein ordnungsgemäßer Widerspruch, der eine Pflicht zur Weiterbeschäftigung auslösen könnte, lag aber nicht vor:

aa) Macht der Betriebsrat mit seinem Widerspruch nach § 102 Abs. 3 Nr. 1 BetrVG geltend, der Arbeitgeber habe zu Unrecht Arbeitnehmer nicht in die soziale Auswahl einbezogen, müssen diese Arbeitnehmer vom Betriebsrat entweder konkret benannt oder anhand abstrakter Merkmale bestimmbar sein (BAG, Urteil vom 09.07.2003 – 5 AZR 305/02 -, AP Nr. 14 zu § 102 BetrVG 1972 Weiterbeschäftigung).

An einer solchen Bezeichnung oder konkreten Beschreibung, welche Arbeitnehmer im Rahmen einer etwaigen Sozialauswahl sozial weniger schützenswert als der Kläger wären, fehlt es hier.

bb) Für das Vorliegen eines Widerspruchsgrundes nach § 102 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG wäre das Vorliegen eines freien Arbeitsplatzes Voraussetzung. Ein freier Arbeitsplatz unmittelbar bei der Beklagten war jedoch nicht ersichtlich. Da auch kein Gemeinschaftsbetrieb zwischen der Beklagten und der B1 GmbH & Co. KG besteht (s.o.), hat der Betriebsrat in seinem Widerspruch zu Unrecht auf etwaige Beschäftigungsmöglichkeiten bei der b1 GmbH & Co. KG als „Fahrer/Betonmaschinist“ abgestellt. Selbst wenn man gleichwohl den Betrieb der b1 GmbH & Co. KG in die Betrachtung für Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten nach § 102 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG einbeziehen wollte, war ein freier Arbeitsplatz nicht ersichtlich. Die Möglichkeit einer anderweitigen Beschäftigung setzt das Vorhandensein eines freien Arbeitsplatzes voraus. Als „frei“ ist ein Arbeitsplatz anzusehen, der zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung unbesetzt ist oder bis zum Ablauf der

Kündigungsfrist, zum Beispiel aufgrund des Ausscheidens eines anderen Arbeitnehmers, zur Verfügung stehen wird (Thüsing in: Richardi, BetrVG13. Aufl., § 102 Rn 167). Dass bei der b1 GmbH & Co. KG ein Arbeitsplatz frei war, war nicht ersichtlich. Die bloße Erwartung, dass diese Gesellschaft dringend zusätzliche Fahrer einstellen müsse, ist nicht mit einem freien Arbeitsplatz gleichzusetzen. Dass die b1 GmbH & Co. KG entsprechend einen zu besetzenden Arbeitsplatz ausgeschrieben hätte, war weder in den Widerspruchschreiben des Betriebsrates, noch im vorliegenden Verfahren substantiiert vorgetragen worden.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1 ZPO, 46 Abs. 2 ArbGG.

Bei der gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG vorzunehmenden Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes war für die Anträge zu 1) und 2) gemäß § 42 Abs. 3 GKG ein Betrag von bis zu einem Vierteljahresverdienst anzusetzen. Wegen des engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhangs der beiden Kündigungen wurde für den Antrag zu 1) ein Quartalsverdienst zugrundegelegt, für den Antrag zu 2) aber nur ein Wert in Höhe eines weiteren Bruttomonatsverdienstes angesetzt. Das Interesse des Klägers auf Weiterbeschäftigung war mit einem Bruttomonatsverdienst zu bewerten. Irrtümlich hat das Gericht dabei jeweils einen durchschnittlichen Bruttomonatsverdienst von EUR 2.258,33 (statt – wie unstreitig tatsächlich – EUR 2.558,33). Dieser Umstand mag aber bei etwaigen Anträgen nach § 33 Abs. 1 RVG Berücksichtigung finden.

 

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