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Betriebsbedingte Kündigung wegen Fremdvergabe von Hausmeisterdiensten

Landesarbeitsgericht Thüringen – Az.: 2 Sa 169/15 – Urteil vom 26.01.2017

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Gera vom 15.11.2011 – 2 Ca 815/11 – abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits, einschließlich der des Revisionsverfahrens, hat der Kläger zu tragen.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.

Der 1973 geborene Kläger wurde mit Arbeitsvertrag vom 30. April 1998 zum 01. April 1998 als Mitarbeiter im Behindertenfahrdienst vom A K. S. e.V. eingestellt. Er war gemäß Arbeitsvertrag vom 17. September 1999 ab 1. Oktober 1999 bei der W gGmbH beschäftigt. Der Kläger schloss mit der Beklagten am 27. Februar 2007 einen Arbeitsvertrag (Bl. 4 ff. d. A.) zum 01. April 2007 als Hausmeister für den Bereich Seniorenresidenz T mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden. Die Parteien vereinbaren u. a. die Anwendung des jeweils für den Arbeitgeber geltenden Tarifvertrags – zum Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrages der Tarifvertrag zwischen dem Arbeitgeberverband der Arbeiterwohlfahrt Thüringen und der DHV vom 01.01.2006.

Die Beklagte beschäftigt regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer. Sie betreibt mehrere Pflegeheime, Kindergärten, Kinder- und Jugendheime, ein Wohnheim und eine Schule. Neben dem Kläger sind weitere Hausmeister in anderen Einrichtungen tätig. Hierbei handelt es sich um die Arbeitnehmer M, geboren 1951, eine Unterhaltspflicht, seit 10. März 1993 beschäftigt, Wohnheim O; B, geboren am …, seit 23. Juni 2004 beschäftigt, Geschäftsstelle; P, geboren am …, seit 01. Juli 1991 beschäftigt, Kinderheim L, Kita N; B, geboren am …, seit 01. November 1992 beschäftigt, Kinderheim W; M, geboren am …, eine Unterhaltspflicht, seit 01. Januar 1991 beschäftigt, Kinderheimburg B; R, Betriebsratsmitglied, geboren am …, eine Unterhaltspflicht, seit 01. Februar 1997 beschäftigt Haus I und II.

Die Beklagte holte im März 2011 verschiedene Angebote zur Erledigung der Hausmeisterdienste für die Seniorenresidenz T ein. Die Firma D unterbreitete mit Schreiben vom 10. März 2011 ein Kostenangebot zur Durchführung des Hausmeisterdienstes im Umfang von 20 Stunden pro Woche mit einem Gesamtbetrag von 1.111,08 EUR im Monat (Bl. 35 d. A.).

Die Beklagte kündigte das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 29. Juni 2011 (Bl. 7 d. A.), dem Kläger am selben Tag zugegangen, fristgemäß betriebsbedingt wegen Wegfalls des Arbeitsplatzes zum 31. Dezember 2011. Sie schloss am 13./20. September 2011 mit der Firma D einen Vertrag zur Erledigung aller Hausmeistertätigkeiten in der Seniorenresidenz T zum 01. Januar 2012 mit einer Vergütung von 1.110,00 EUR brutto monatlich und einem Leistungsvolumen von 20 Stunden pro Woche. Andere Arbeiten, die nicht Gegenstand des Tätigkeitsverzeichnisses waren, wie Reparaturen, Reinigungen nach Bau- und Malerarbeiten, sollten nach besonderer Vereinbarung vergütet werden.

Der Kläger hat sich mit der am 14. Juli 2011 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage gegen die von der Beklagten ausgesprochene Kündigung gewandt und Weiterbeschäftigung geltend gemacht. Er hat die soziale Rechtfertigung der Kündigung (Nichtvorliegen eines betrieblichen Grundes, Fehlerhaftigkeit der Sozialauswahl), die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrates und die Nichteinhaltung der tariflichen Kündigungsfrist gerügt. Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien und der gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 77 ff. d. A.) Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, es fehle an einem dringenden betrieblichen Erfordernis, welches der Weiterbeschäftigung des Klägers entgegenstehe. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils (Bl. 79 ff. d. A.) verwiesen.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 28. November 2011 zugestellte Urteil am 27. Dezember 2011 Berufung eingelegt und die Berufung mit dem am 28. Februar 2012 eingegangenen Schriftsatz begründet, nach dem die Berufungsbegründungsfrist auf den am 30. Januar 2012 eingegangenen Antrag, bis zum 28. Februar 2012 verlängert worden war.

Die Beklagte hält die Kündigung für sozial gerechtfertigt. Sie behauptet, ihr Geschäftsführer habe in der 24. Kalenderwoche 2011 auf Grundlage dreier Angebote beschlossen, die dem Kläger übertragenen Hausmeistertätigkeiten ab 01. Januar 2012 fremd zu vergeben. Dies sei kostengünstiger. Die unternehmerische Entscheidung sei dem Personalleiter Z und der Heimleiterin des Pflegeheims T V in der Dienstberatung am 20. Juni 2011 bekannt gegeben worden. Der Personalleiter sei dementsprechend in der Dienstberatung beauftragt worden, in Umsetzung der unternehmerischen Entscheidung die Betriebsratsanhörung zur betriebsbedingten Kündigung des Klägers vorzubereiten und einzuleiten, da die sechsmonatige Kündigungsfrist zu beachten gewesen sei. Dementsprechend habe der Personalleiter Z. die Betriebsratsanhörung vorbereitet. Die Anhörung sei am 21. Juni 2011 gegenüber der Betriebsratsvorsitzenden S. erfolgt. Seit dem 01. Januar 2012 erbringe die Firma D entsprechend des Vertrages vollumfänglich die Arbeitstätigkeiten des Klägers als Hausmeister in der Seniorenresidenz in T. Die unternehmerische Entscheidung sei damit auch tatsächlich umgesetzt worden. Sie sei weder unsachlich, noch unvernünftig oder willkürlich. Es komme auch nicht darauf an, dass der Vertrag mit der Firma D erst im Herbst 2011 geschlossen worden sei und inhaltlich in einzelnen Punkten von dem ursprünglichen Angebot abweiche.

Die Beklagte ist der Auffassung, einer sozialen Auswahl habe es nicht bedurft. Der Kläger sei mit den Übrigen als Hausmeister beschäftigten Arbeitnehmern aufgrund der vertraglichen Festlegung seines Arbeitsortes auf T nicht vergleichbar. Zudem sei der Kläger lediglich mit 20 Stunden pro Woche und die übrigen Arbeitnehmer in Vollzeit beschäftigt. Außerdem sei der Arbeitnehmer B zusätzlich als Maler, der Arbeitnehmer P zusätzlich als Gärtner und Fahrer und der Arbeitnehmer M als Heizer tätig. Diese Arbeiten könne der Kläger nicht ausüben. Schließlich erweise sich der Kläger auch im Falle einer Vergleichbarkeit als sozial am wenigsten schutzbedürftig.

Die Beklagte behauptet hinsichtlich der Betriebsratsanhörung, ihr Geschäftsführer und der damalige Personalleiter Z hätten der Betriebsratsvorsitzenden S am 21. Juni 2011 mitgeteilt, sie beabsichtige, das Arbeitsverhältnis des 1973 geborenen und mit 20 Wochenstunden seit dem 27. Februar 2007 als Hausmeister in der Seniorenresidenz in T beschäftigten Klägers betriebsbedingt ordentlich fristgemäß zum 31.12.2011 zu kündigen, Unterhaltspflichten bestünden nicht. Ihr Geschäftsführer habe zu den betriebsbedingten Gründen der Kündigung ausgeführt, ab dem 01. Januar 2012 würden die Hausmeisterdienstleistungen des Klägers in der Seniorenresidenz in T nicht mehr durch eigenes Personal ausgeführt, sondern an eine Fremdfirma vergeben. Ihr Geschäftsführer habe hierfür den Kostenvoranschlag der Firma D aus P vorgelegt. Er habe dargelegt, ab dem 01. Januar 2012 entfielen hierdurch die 20 Wochenstunden Arbeitszeit des Klägers als Hausmeister und somit der gesamte Arbeitsplatz. Der Geschäftsführer habe die Betriebsratsvorsitzende weiter informiert, der Kläger sei als einziger Hausmeister in T und als einziger Hausmeister mit 20 Wochenstunden mit keinem anderen Arbeitnehmer vergleichbar bzw. auch im Vergleich der Sozialdaten am wenigsten schutzwürdig. Dem Betriebsrat sei hierzu die Liste mit den anderen Hausmeistern und deren Sozialdaten übergeben worden.

Die Beklagte geht von einer Beschäftigungszeit des Klägers seit 01. April 2007 aus. Sie meint, weder die Beschäftigungszeit beim A K S e.V. ab 01. April 1998, noch die bei der W gGmbH ab 01. Oktober 1999 seien als Beschäftigungszeit im Sinne von § 19 des Tarifvertrages anzurechnen.

Die Beklagte beantragt, auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Gera vom 15.11.2011, Az. 2 Ca 815/11, aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Der Kläger beantragt, die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Er ist der Auffassung, die Beklagte behaupte lediglich das Vorliegen einer gestaltenden Entscheidung, ohne die erforderliche Substantiierung und Schlüssigkeit vorzunehmen. Zur Ursache der unternehmerischen Entscheidung schweige sie sich ebenfalls aus. Außerdem sei die Fremdvergabe auch nicht kostengünstiger. Die Beklagte hätte bei einer Auslagerung der Hausmeistertätigkeiten für das Objekt T bei der Erstellung ihres unternehmerischen Konzepts außerdem in Rechnung stellen müssen, dass die Fremdvergabe an einen Dritten unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten unumgänglich sei. Das habe sie jedoch gerade nicht getan.

Der Kläger geht davon aus, die Beklagte habe eine soziale Auswahl durchführen müssen. Er sei mit den Hausmeistern der anderen Einrichtungen vergleichbar und zumindest gegenüber dem Mitarbeiter B sozial schutzbedürftiger. Überdies sei von einer Beschäftigungszeit seit 01. April 1998 auszugehen.

Der Kläger bestreitet die von der Beklagten dargelegte Betriebsratsanhörung. Er macht insbesondere geltend, die Beklagte habe dem Betriebsrat nicht die soziale Gewichtung mitgeteilt. Außerdem erweise sich die Betriebsratsanhörung auch deshalb als fehlerhaft, weil die Beklagte die unzutreffende Beschäftigungszeit seit 01. April 2007 mitgeteilt habe.

Das Gericht hat Beweis erhoben, durch uneidliche Vernehmung der Betriebsratsvorsitzenden S als Zeugin. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 26. Januar 2017 Bezug genommen.

Wegen der Einzelheiten des zweitinstanzlichen Parteivorbringens wird auf den Inhalt der im Berufungsrechtszug zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen, sowie die in den Verhandlungen am 08. Dezember 2016 und 26. Januar 2017 zu Protokoll gegebenen Erklärungen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die nach dem Streitgegenstand an sich statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und damit insgesamt zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien wurde durch die Kündigung der Beklagten vom 29. Juni 2011 zum 31. Dezember 2011 aufgelöst. Das Urteil des Arbeitsgerichts Gera ist daher aufzuheben und die Klage abzuweisen.

I. Die Kündigung ist wirksam.

1. Die Kündigung erweist sich nicht als sozial ungerechtfertigt im Sinne von § 1 KSchG,

a) Die Kündigung ist durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt. Der Arbeitsplatz des Klägers ist ab 01. Januar 2012 in Wegfall geraten.

aa) Dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG liegen vor, wenn die Umsetzung einer unternehmerischen (Organisations-) Entscheidung auf der betrieblichen Ebene spätestens mit Ablauf der Kündigungsfrist zu einem voraussichtlichen dauerhaften Wegfall des Bedarfs an einer Beschäftigung des betroffenen Arbeitnehmers führt. Der Arbeitgeber ist grundsätzlich nicht gehalten, nicht mehr benötigte Arbeitsplätze weiterhin zu besetzen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die dem Wegfall des Beschäftigungsbedürfnisses zu Grunde liegende unternehmerische Entscheidung ihrerseits – etwa aus wirtschaftlichen Gründen – „dringend“ war oder die Existenz des Unternehmens, auch ohne sie, nicht gefährdet gewesen wäre. In diesem Sinne ist die unternehmerische Entscheidung zur Umorganisation bis zur Grenze der offensichtlichen Unsachlichkeit, Unvernunft oder Willkür frei. Für eine beschlossene und tatsächlich durchgeführte unternehmerische- Organisationsentscheidung spricht dabei die Vermutung, dass sie aus sachlichen – nicht zuletzt wirtschaftlichen – Gründen getroffen wurde und nicht auf Rechtsmissbrauch beruht. Hängt der Wegfall des Beschäftigungsbedarfs von einer solchen unternehmerisch-organisatorischen Maßnahme des Arbeitgebers ab, braucht diese bei Kündigungszugang noch nicht tatsächlich umgesetzt zu sein. Es genügt, dass sie sich konkret und greifbar abzeichnet. Dazu müssen – soweit die Kündigung ihren Grund in einer Änderung der betrieblichen Organisation hat – zumindest die Absicht und der Wille des Arbeitgebers, die fraglichen Maßnahmen vorzunehmen, schon vorhanden und abschließend gebildet worden seien (BAG 20. November 2014 – 2 AZR 512/13 – juris mwN).

bb) Das ist hier der Fall. Der Beschäftigungsbedarf des Klägers als Hausmeister im Umfang von 20 Wochenstunden entfiel aufgrund der Fremdvergabe der Hausmeisterdienste zum 01. Januar 2012 mit Ablauf der Kündigungsfrist des Klägers. Hiervon konnte die Beklagte bereits zum Kündigungszeitpunkt auszugehen. Die beabsichtigte Fremdvergabe der Hausmeisterdienste in der Seniorenresidenz T hatte zu diesem Zeitpunkt greifbare Formen angenommen. Der Geschäftsführer der Beklagten fasste in der Zeit zwischen dem 13. und 19. Juni 2011 und damit vor Ausspruch der Kündigung den ernsthaften und endgültigen Entschluss, die bisher dem Kläger übertragenen Hausmeisterdienste ab dem 01. Januar 2012 durch einen externen Dienstleister erledigen zu lassen. Hiervon ist das Gericht im Ergebnis der Verhandlungen und der Beweisaufnahme überzeugt. Hierfür spricht zunächst die Einholung dreier Angebote zur Fremdvergabe der Hausmeisterdienste im März 2011 durch die Beklagte. Ein weiteres Indiz ist die Offenbarung der fraglichen Entscheidung gegenüber dem Personalleiter Z und der Heimleiterin V in der Dienstberatung am 20. Juni 2011. Diese Indiztatsachen sind als unstreitig anzusehen. Der Kläger ist diesem Vorbringen nicht ausreichend entgegengetreten.

Darüber hinaus informierte die Beklagte den Betriebsrat am 21. Juni 2011, die Hausmeisterdienstleistungen in der Seniorenresidenz in T würden ab dem 01. Januar 2012 nicht mehr durch eigenes Personal ausgeführt, sondern an eine Fremdfirma vergeben. Der Geschäftsführer legte dem Betriebsrat zudem den Kostenvoranschlag der Firma D aus P vor. Diese, von der Überzeugung des Gerichts getragenen Feststellungen fußen auf den Aussagen der Zeugin S.

Es kommt in diesem Zusammenhang nicht darauf an, ob die Fremdvergabe der Hausmeisterdienste zu einer Kostenersparnis führte, denn es ist nicht Sache des Gerichts, der Beklagten eine „bessere“ oder „richtigere“ betriebliche Organisation vorzuschreiben, Sachfremde Erwägungen lässt die vorliegende unternehmerische Entscheidung jedenfalls nicht erkennen.

b) Die Kündigung erweist sich auch nicht deshalb als sozial ungerechtfertigt, weil soziale Gesichtspunkte nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt wurden.

aa) Nach § 1 Abs. 3 S. 1 KSchG ist die Kündigung trotz dringender betrieblicher Erfordernisse sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat. Der Gesetzgeber räumt keinem der vier sozialen Grunddaten einen Vorrang ein. Eine objektive Gewichtung der Kriterien ist unmöglich; dem Arbeitgeber können daher keine abstrakten Vorgaben hinsichtlich der Gewichtung der Kriterien gemacht werden (vgl. BAG 05.12.2002 – 2 AZR 549/01 – EzA § 1 KSchG soziale Auswahl Nr. 49). Der Arbeitgeber hat bei dem unter den vergleichbaren Arbeitnehmern durchzuführenden Vergleich der Sozialindikatoren vielmehr einen Wertungsspielraum (BAG 05. Juni 2008 – 2 AZR 907/06 – NZA 2008, 1120 – 1124 mwN). Die Auswahlentscheidung muss nur vertretbar sein und nicht unbedingt der Entscheidung entsprechen, die das Gericht getroffen hätte, wenn es eigenverantwortlich soziale Erwägungen hätte anstellen müssen. Der dem Arbeitgeber vom Gesetz eingeräumte Wertungsspielraum führt dazu, dass nur deutlich schutzwürdigere Arbeitnehmer mit Erfolg die Fehlerhaftigkeit der Sozialauswahl rügen können (BAG 05.12.2002 – 2 AZR 907/06 – aaO mwN).

bb) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze erweist sich die Sozialauswahl nicht als fehlerhaft. Es kann dahinstehen, ob der Kläger mit dem Beschäftigungsumfang von 20 Stunden pro Woche mit den übrigen vollzeitbeschäftigten Hausmeistern vergleichbar ist. Es kommt auch nicht darauf an, ob die zusätzlichen Tätigkeiten anderer Hausmeister als Maler, Gärtner, Fahrer oder Heizer einer Vergleichbarkeit mit dem Kläger entgegenstehen. Selbst zu Gunsten des Klägers eine Vergleichbarkeit unterstellt, erweist sich der Kläger als am wenigsten schutzbedürftig. Die übrigen Hausmeister sind, bis auf Herrn B, aufgrund ihrer sozialen Grunddaten deutlich schutzwürdiger als der Kläger. In Betracht käme daher allenfalls eine Auswahl zwischen dem Kläger und Herrn B. Herr B hat, wie der Kläger, keine Unterhaltspflichten. Er ist mehr als 16 Jahre älter als der Kläger und seit 23. Juni 2004 bei der Beklagten beschäftigt. Es bedarf keiner Entscheidung, ob die Beschäftigungszeit des Klägers erst, wie die Beklagte meint, ab 01. April 2007, oder, wie der Kläger meint, bereits seit 01. April 1998, anzurechnen ist. Selbst bei einer Beschäftigungszeit des Klägers seit 01. April 1998 und damit einer sechs Jahre längeren Betriebszugehörigkeit als Herr B hält sich die Auswahl des Klägers als sozial weniger schutzbedürftig im Rahmen des der Beklagten eingeräumten Beurteilungsspielraums.

2. Die Kündigung erweist sich nicht wegen fehlerhafter Anhörung des Betriebsrates als unwirksam.

a) Gemäß § 102 Abs. 1 BetrVG hat der Arbeitgeber den Betriebsrat vor jeder Kündigung anzuhören. Eine ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrates erfordert, dass der Arbeitgeber die betreffende Person des zu kündigenden Arbeitnehmers bezeichnet. Hierzu gehören neben dem Namen auch die maßgebenden Sozialdaten des Arbeitnehmers (Dauer der Betriebszugehörigkeit, Lebensalter, Unterhaltspflichten und eine Schwerbehinderung oder Mutterschutz). Außerdem ist anzugeben, um welche Art von Kündigung es sich handelt. Überdies muss der Arbeitgeber den Zeitpunkt der beabsichtigten Beendigung des Arbeitsverhältnisses und die Kündigungsgründe mitteilen.

Für die Mitteilung der Kündigungsgründe gilt der Grundsatz der „subjektiven Determinierung“. Der Arbeitgeber muss dem Betriebsrat die Umstände mitteilen, die seinen Kündigungsentschluss tatsächlich bestimmt haben. Dem kommt er dann nicht nach, wenn er dem Betriebsrat einen schon aus seiner eigenen Sicht unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt darstellt. Die Mitteilungspflicht des Arbeitgebers im Rahmen von § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG reicht aber nicht so weit, wie seine Darlegungslast im Prozess. Die Anhörung des Betriebsrates soll diesem nicht die selbständige Überprüfung der Wirksamkeit der beabsichtigten Kündigung, sondern eine Einflussnahme auf die Willensbildung des Arbeitgebers ermöglichen. Sinn und Zweck ist es, den Betriebsrat in die Lage zu versetzen, sachgerecht auf den Arbeitgeber einzuwirken, d.h., die Stichhaltigkeit und Gewichtigkeit der Kündigungsgründe zu überprüfen und sich über sie eine eigene Meinung zu bilden (BAG 23. Oktober 2014 – 2 AZR 736/13 – EzA § 102 BetrVG 2001 Nr. 31 mwN). Bei einer betriebsbedingten Kündigung sind, sofern der Arbeitgeber eine Sozialauswahl vorgenommen hat, dem Betriebsrat die in seine Auswahl einbezogenen Arbeitnehmer, deren Sozialdaten, die Auswahlkriterien und sein Bewertungsmaßstab mitzuteilen. Nicht ausreichend sind pauschale, schlag- oder stichwortartige Angaben. Der Arbeitgeber genügt seiner Mitteilungspflicht nur, wenn er die für ihn subjektiv erheblichen Auswahlüberlegungen dartut (BAG 12. August 2010 – 2 AZR 104/09 – juris mwN). Einer Begründung der Auswahlentscheidung bedarf es jedoch nicht, wenn die vom Arbeitgeber vorgenommene Gewichtung angesichts der Sozialdaten auf der Hand liegt (KR- Etzel/Rinck 11. Aufl., § 102 BetrVG Rn. 87 mwN).

b) Der Betriebsrat wurde ordnungsgemäß angehört.

aa) Im Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Beklagte den Betriebsrat zur beabsichtigten Kündigung des Klägers unter Mitteilung dessen persönlicher Daten, der Kündigungsart, des Kündigungstermins, der Kündigungsgründe und der Sozialdaten der vergleichbaren Arbeitnehmer angehört hat. Nach den Bekundungen der als Zeugin vernommenen Betriebsratsvorsitzenden S, hat der Geschäftsführer der Beklagten sie am 21. Juni 2011 über die beabsichtigte Kündigung informiert. Die Zeugin hat ausgesagt, er habe ihr die Personalakte einschließlich des Stammdatenblattes, der Arbeitsverträge und der Lohnänderungen zur Verfügung gestellt. Sie habe Einsicht genommen und aus der Personalakte eine Betriebszugehörigkeit des Klägers seit 01. April 2007, dessen Geburtsdatum, dessen Anschrift und, keine Unterhaltspflichten, entnommen. Die Zeugin hat erklärt, der Geschäftsführer habe sie informiert, die Kündigung solle zum 31. Dezember 2011 ausgesprochen werden, weil die Hausmeisterdienste in der Einrichtung outgesourct werden sollten. Der Geschäftsführer habe ein Kostenangebot der Firma D übergeben. Die Zeugin hat weiter ausgeführt, der Geschäftsführer habe auch den Grund erläutert, weshalb er die 20 Stunden dort heraus nehme. Es sei kostengünstiger und außerdem sei der Kläger dort Alleinstreiter und wenn er wegen Krankheit oder ähnlichem ausgefallen sei, habe jemand aus einer anderen Einrichtung dort aushelfen müssen. Der Geschäftsführer hat nach Aussage der Zeugin eine Aufstellung mit den Sozialdaten aller im Unternehmen beschäftigter Hausmeister, auf die sich der Kläger im Rahmen der Vergleichbarkeit beruft, und deren Sozialdaten (Einrichtung in der sie beschäftigt sind, Tätigkeit, Geburtsdatum, Unterhaltspflichten, Betriebszugehörigkeit, Schwerbehinderung) übergeben. Darüber hinaus hat die Zeugin ausgesagt, der Geschäftsführer habe erläutert, wieso der Kläger betroffen sei und nicht die anderen. Er habe gesagt, der Kläger sei der sozial am wenigsten Schutzbedürftige. Sie seien die Sozialdaten durchgegangen und hätten darüber gesprochen. Die Zeugin konnte sich allerdings nicht an Einzelheiten erinnern.

Das Gericht hat keine Bedenken, der Zeugin zu folgen. Sie hat den Hergang und den Verlauf der streitigen Ereignisse anschaulich und nachvollziehbar geschildert. Die Darstellung der fast sechs Jahre zurückliegenden Ereignisse ist glaubhaft. Sie beruht auf der handschriftlichen Aktennotiz, die die Zeugin am 21. Juni 2011 angefertigt und dem Gericht in der Verhandlung übergeben hat. Die Zeugin hat auf Nachfrage den Grund für ihre schriftlichen Notizen nachvollziehbar geschildert. Die Zeugin selbst ist auch glaubwürdig. Die Tatsache, dass sie in einem Arbeitsverhältnis zur Beklagten steht, zwingt zu keiner anderen Beurteilung. Es bestehen auch keine Zweifel an der objektiven und individuellen Wahrnehmungsfähigkeit der Zeugin.

bb) Die Betriebsratsanhörung genügt den gesetzlichen Anforderungen. Entgegen der Auffassung des Klägers, unterrichtete die Beklagte den Betriebsrat ausreichend über die persönlichen Daten des Klägers, indem der Geschäftsführer der Betriebsratsvorsitzenden in seinem Beisein die Personalakte des Klägers nebst Stammdatenblatt, Arbeitsverträgen, Lohnabrechnungen zur Verfügung stellte, aus der sich die zutreffenden Daten ergaben. Außerdem stand der Geschäftsführer für Rückfragen zur Verfügung. Die Betriebsratsvorsitzende ging zutreffend von einem Eintrittsdatum des Klägers bei der Beklagten am 01. April 2007 aus. Zu diesem Zeitpunkt wurde das Arbeitsverhältnis zur Beklagten begründet. Der Kläger war zuvor bei der W gGmbH beschäftigt. Es handelt sich hierbei um eine eigenständige juristische Person und damit um einen anderen Arbeitgeber. Ob die Beschäftigungszeit des Klägers bei dem A K S e.V. ab 01. April 1998 bis zum Eintritt bei der W gGmbH am 01. Oktober 1999 nach § 19 des zwischen dem Arbeitgeberverband der Arbeiterwohlfahrt Thüringen e.V. und dem DHV – Die Berufsgewerkschaft – (TV-AWO-Thüringen) abgeschlossenen Tarifvertrages anzurechnen ist, kann dahinstehen. Selbst bei unrichtigen Angaben der Beklagten gegenüber dem Betriebsrat über die anrechenbare Beschäftigungszeit des Klägers erweist sich die Betriebsratsanhörung nicht als fehlerhaft. Zunächst ist festzustellen, dass die Beklagte dem Betriebsrat eine tariflich anrechenbare Beschäftigungszeit nicht explizit mitteilte. Die tarifliche Anrechnung von Vorbeschäftigungszeiten war nicht Gegenstand der Anhörung. Darüber hinaus benötigte der Betriebsrat diese Angaben nicht, um die Kündigungsabsicht sachgerecht zu prüfen. Eine längere Betriebszugehörigkeit hätte darauf keine Auswirkungen. Die zutreffende Kündigungsfrist bliebe gleich. Der Angabe der längeren Betriebszugehörigkeit bedurfte es nach dem Grundsatz der subjektiven Determination auch im Hinblick auf die Sozialauswahl nicht. Die Beklagte ging von einer Betriebszugehörigkeit des Klägers seit 01. April 2007 aus.

Entgegen der Auffassung des Klägers bedurfte es keiner weiteren Erläuterung der Gewichtung der Sozialdaten. Die geringste soziale Schutzwürdigkeit ergab sich für die Betriebsratsvorsitzende aus den Sozialdaten selbst.

Der Geschäftsführer der Beklagten unterrichtete zutreffend die Betriebsratsvorsitzende. Sie war Adressat der Anhörung. Einer Unterrichtung des gesamten Gremiums bedurfte es nicht.

II. Das Arbeitsverhältnis wurde unter Einhaltung der Kündigungsfrist von sechs Monaten zum 31. Dezember 2011 aufgelöst. Über die zutreffende Kündigungsfrist besteht zwischen den Parteien kein Streit mehr. Weitere Ausführungen sind daher entbehrlich.

III. Die Abweisung des Weiterbeschäftigungsantrages beruht auf der Abweisung der Kündigungsschutzklage.

Die Kosten des gesamten Rechtsstreits hat gemäß § 91 Abs. 1 ZPO der Kläger zu tragen.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.

 

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