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Betriebsbedingte Kündigung wegen Personalabbau

Landesarbeitsgericht Köln – Az.: 11 Sa 113/16 – Urteil vom 16.11.2016

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 12.11.2015 – 2 Ca 4064/14 – teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Unter Zurückweisung der Klage im Übrigen wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 28.10.2014 beendet worden ist.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 19 %, die Beklagte zu 81 %.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses sowie Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.

Die am 1966 geborene Klägerin ist seit dem August 1989 bei der Beklagten, die ein Möbelhaus betreibt, als kaufmännische Angestellte, Kassiererin und Infokraft mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 25,5 Stunden beschäftigt, zuletzt auf Basis des Arbeitsvertrages vom 27.12.1999 (Bl. 51 ff. d. A.).

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 28.10.2014 zum 31.05.2015. Zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung beschäftigte die Beklagte mehr als 10 Arbeitnehmer im Sinne des § 23 Abs. 1 KSchG.

Vor Ausspruch der Kündigung war der Informationsbereich/Kasse mit vier Arbeitnehmerinnen besetzt, einschließlich der Klägerin. Das Arbeitsverhältnis einer weiteren Mitarbeiterin aus diesem Bereich hat die Beklagte ebenfalls gekündigt.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 12.11.2015 (Bl. 152 ff. d. A.) die Kündigungsschutzklage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, durch Schließung der Möbel-Boutique sei ein Einsatzbereich entfallen, den die Klägerin lange Zeit wahrgenommen habe. Zudem sei der Bedarf an Kräften an der Information gesunken, da die Verkleinerung von Verkaufsflächen zu einer geringeren Kundenfrequenz führe. Der Vortrag zum geltend gemachten Entgeltfortzahlungsanspruch – rechtshängig seit 03.03.2015 – sei unschlüssig. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens und der Antragstellung der Parteien erster Instanz wird auf den Tatbestand, wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung des Arbeitsgerichts wird auf die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Gegen das ihr am 21.11.2015 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 20.01.2016 Berufung eingelegt und diese innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 21.03.2016 begründet.

Die Klägerin rügt, die Beklagte habe nicht dargetan, wann und in welcher Weise die Entscheidung zum Personalabbau getroffen worden sei. Auch fehlten konkrete Angaben zur Arbeitsmenge und zum Arbeitsanfall. Die Klägerin hätte auch im Verkauf weiterbeschäftigt werden können. Bei dem Verkauf von Möbeln in einem Möbelhaus handele es sich nicht um eine qualifizierte Tätigkeit, vielmehr betrage die Einarbeitungszeit lediglich ein bis drei Monate. Die Klägerin sei in der Vergangenheit bereits mehrfach im Verkauf eingesetzt worden. Die Sozialauswahl sei im Hinblick auf den Verkäufer L fehlerhaft. Sie hätte an den Tagen im November und Dezember 2014, für die sie Entgeltfortzahlung wegen Arbeitsunfähigkeit begehrt, jeweils 8,5 Stunden gearbeitet.

Die Klägerin beantragt,

1. das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 12.11.2015 – Aktenzeichen 2 Ca 4064/14 – aufzuheben;

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 28.10.2014 aufgelöst worden ist;

3. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 683,64 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts. Die Möbelboutique sei geschlossen und ein Räumungsverkauf durchgeführt worden. Im Jahre 2014 seien die Cafeteria geschlossen und das Hochregellager aufgegeben worden. Ferner sei eine Schließung der Schlafzimmerabteilung und Ende des Jahres 2015 der Küchenabteilung erfolgt. Weitere Personalreduzierungen im Verlaufe des Rechtsstreites seien erforderlich gewesen. Auch das Arbeitsverhältnis des zunächst weiterbeschäftigten Verkäufers L sei zwischenzeitlich gekündigt worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze der Parteien, die Sitzungsniederschrift vom 26.10.2016 sowie den übrigen Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I. Die Berufung der Klägerin ist zulässig, denn sie ist gemäß § 64 Abs. 2 b), c) ArbGG statthaft und wurde ordnungsgemäß innerhalb der Fristen des § 66 Abs. 1 ArbGG eingelegt und begründet.

II. Die Berufung ist hinsichtlich des Kündigungsschutzantrags begründet, im Übrigen blieb ihr der Erfolg versagt.

1. Die Kündigung vom 28.10.2014 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgelöst, denn sie ist nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG bedingt.

a) Dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG liegen vor, wenn die Umsetzung einer unternehmerischen (Organisations-) Entscheidung auf der betrieblichen Ebene spätestens mit Ablauf der Kündigungsfrist zu einem voraussichtlich dauerhaften Wegfall des Bedarfs an einer Beschäftigung des betroffenen Arbeitnehmers führt. Diese Prognose muss schon im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung objektiv berechtigt. Ein dringendes betriebliches Erfordernis, das einer Weiterbeschäftigung entgegensteht, ist gegeben, wenn die Arbeitskraft des Arbeitnehmers im Betrieb nicht mehr gefordert ist. Der Arbeitgeber ist grundsätzlich nicht gehalten, nicht mehr benötigte Arbeitsplätze und Arbeitskräfte weiterhin zu besetzen bzw. zu beschäftigen. Für eine beschlossene und tatsächlich durchgeführte unternehmerische Organisationsentscheidung spricht dabei die Vermutung, dass sie aus sachlichen – nicht zuletzt wirtschaftlichen – Gründen getroffen wurde und nicht auf Rechtsmissbrauch beruht. Der Beschäftigungsbedarf muss bei Zugang der Kündigung nicht schon tatsächlich entfallen sein. Für die Wirksamkeit der Kündigung genügt es, dass jedenfalls die Entwicklungen, die für den künftigen Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit maßgeblich sind, zu diesem Zeitpunkt feststehen, also abschließend geplant sind, und dass die Erwartung berechtigt ist, sie würden sich bis zum Ablauf der Kündigungsfrist realisiert haben. In diesem Sinne muss der betreffende Kausalverlauf zwar noch nicht beendet, aber bei Kündigungszugang doch bereits in Gang gesetzt worden sein (BAG, Urt. v. 31.07.2014 – 2 AZR 422/13 – m.w.N.).

b) Die Beklagte hat weder hinreichend dargetan und unter Beweis gestellt, welche konkrete unternehmerische Entscheidung sie zum Personalabbau getroffen hat, noch hat sie nachvollziehbar dargetan, dass bei Zugang der Kündigungserklärung die Prognose objektiv berechtigt war, spätestens bis zum Ablauf der Kündigungsfrist am 31.05.2015 werde keinerlei Bedarf an einer Beschäftigung der Klägerin mehr bestehen.

Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 06.02.2015 ohne Beweisantritt behauptet, ihre Geschäftsführer hätten beschlossen, die Küchenabteilung zu schließen. Mit Schriftsatz vom 19.03.2015 hat sie sich hinsichtlich der Schließung der Küchenabteilung auf einen Gesellschafterbeschluss bezogen, den sie trotz Ankündigung der Vorlage im Falle des Bestreitens der Klägerin nicht eingereicht hat. Es ist nicht ersichtlich, wer wann welche konkreten Entscheidungen getroffen hat. Darüber hinaus ist der Entschluss zur Schließung der Küchenabteilung im Streitfall nicht von entscheidender Relevanz, da diese erst zum Jahresende 2015 vollzogen wurde, eine planwidrige Verzögerung der Schließung dieser Abteilung nicht vorgetragen wird und die Kündigungsfrist der Klägerin bereits mit Mai 2015 ablief. Inhaltlich unklar bleibt, welche konkreten Organisationsentscheidungen die Geschäftsführung getroffen hat und welche zeitliche Planung zur Schließung von Abteilungen mit der Folge des Personallabbaus zugrunde lag. Die Beklagte hat auch nicht vorgetragen, zu welchem Zeitpunkt die Schließung der Schlafzimmerabteilung beabsichtigt war. Auf Nachfrage der Berufungskammer im Termin zur mündlichen Verhandlung ließ sich nicht einmal klären, wann überhaupt diese Abteilung geschlossen wurde. Die Planung zur Schließung von Abteilungen ist insofern von Relevanz, weil die Beklagte die Einsatzmöglichkeit der Klägerin an der Infotheke/Kasse mit dem Argument einer geringeren Kundenfrequenz aufgrund Reduzierung der Verkaufsflächen verneint. Zudem fehlt geeignetes Datenmaterial zur Feststellung, zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung sei bereits die Prognose objektiv berechtigt gewesen, das Bedürfnis an einer – auch nur teilweisen – Beschäftigung der Klägerin entfalle mit Ablauf des Monats Mai 2015. Grundsätzlich bestimmt der Arbeitgeber selbst, welchen Personalschlüssel er für sachgerecht erachtet, mithin auch wieviele Personen an der Information und der Kasse beschäftigt werden. Ist die Anzahl der Arbeitnehmer und der Arbeitsbedarf dieses Servicebereichs aber wie vorliegend an andere Verkaufsbereiche oder/und an den Umsatz angekoppelt, bedarf es auch der Darlegung der Bezugsgrößen, damit überhaupt die maßgeblichen Relationen und ihre Auswirkungen auf den Arbeitskräftebedarf auf der Basis des vom Arbeitgeber vorgegebenen Personalplans festgestellt werden können.

2. Die Berufung ist unbegründet, soweit die Klägerin von der Beklagten Differenzvergütung für den 12.11.2014, 14.11.2014, 15.11.2014, 19.11.2014, 21.11.2014, 22.11.2014, 26.11.2014, 28.11.2014, 29.11.2014, 03.12.2014, 05.12.2014, 06.12.2014, 10.12.2014, 12.12.2014, 13.12.2014, 17.12.2014, 19.12.2014 und 20.12.2014 in Höhe von 683,64 EUR brutto aus den §§ 3, 4 Abs. 1 EFZG beansprucht. Nach dem Lohnausfallprinzip ist die Beklagte verpflichtet, die Arbeitsunfähigkeitstage der Klägerin so zu vergüten, wie sie vergütet worden wären, hätte die Klägerin gearbeitet. Die Klägerin vermochte nicht plausibel darzulegen, warum an den besagten Tagen von einer für sie maßgebenden Arbeitszeit von 8,5 Stunden auszugehen ist, obwohl sie lediglich an 25,5 Stunden die Woche, die im Einzelhandel regelmäßig aus sechs Werktagen besteht, zu beschäftigen ist. Die Klägerin hat insbesondere nicht dargetan, dass sie aufgrund eines Arbeitseinsatzplans der Beklagten an den streitigen Tagen überhaupt und dann auch 8,5 Stunden gearbeitet hätte, wäre sie nicht arbeitsunfähig erkrankt.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.

IV. Die Revision wurde nicht zugelassen, da die gesetzlichen Zulassungsvoraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht vorliegen.

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