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Betriebsbedingte Kündigung wegen Wegfall des Arbeitsplatzes – freier Arbeitsplatz

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz – Az.: 8 Sa 369/20 – Urteil vom 14.09.2021

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 28.10.2020, Az. 3 Ca 1869/19, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit zweier betriebsbedingter Kündigungen sowie um einen Weiterbeschäftigungsanspruch.

Die Beklagte führt ein Unternehmen der Automobilteilezulieferbranche. Neben dem Unternehmenssitz in C-Stadt betreibt sie verschiedene weitere Produktionsstandorte, bis zum 30.09.2020 auch in E-Stadt. Den letztgenannten Standort legte sie zum 30.09.2020 still.

Der 1964 geborene Kläger ist seit September 1980 bei der Beklagten bzw. bei deren Rechtsvorgängerinnen beschäftigt, zuletzt zu einem Bruttomonatsgehalt von 15.317,10 EUR. Er begann seine Tätigkeit mit einer Ausbildung zum Chemikant bei einer der Rechtsvorgängerinnen und übte im Verlauf des Arbeitsverhältnisses diverse Funktionen aus.

In dem 1999 geschlossenen schriftlichen Arbeitsvertrag heißt es unter Punkt „II. Aufgabenbereich“ auszugsweise:

1.  Herr A. übernimmt ab 01. September 1999 die Verantwortung für den Bereich Supply Chain Management (Materialwirtschaft) der Werke F-Stadt und E-Stadt. (…)

2.  Der Angestellte verpflichtet sich, seine ganze Arbeitskraft seinem Aufgabenbereich in der Firma zu widmen, und zwar – soweit erforderlich- auch über die im Betrieb üblichen Arbeitszeiten hinaus. Diese Verpflichtung erstreckt sich auch darauf, den Fähigkeiten entsprechende anderweitige zumutbare Aufgaben, eventuell auch an einem anderen Ort, bei Anpassung der Vergütung an die etwaigen Lebensunterhaltskosten, mindestens jedoch bei Fortzahlung des letzten Bruttomonatsgehalts, zu übernehmen.

Der Kläger war, jedenfalls zuletzt, organisatorisch dem Standort E-Stadt „zugeteilt“, das heißt, seine Personalakte wurde dort geführt und er konnte dort einen für ihn eingerichteten Arbeitsplatz in Anspruch nehmen. Die Tätigkeit führte er jedoch zu weiten Teilen vom HomeOffice aus durch. Er führte auch Reisetätigkeiten aus.

Am Standort E-Stadt bestand ein Betriebsrat.

Ab Mai 2004 war der Kläger als Purchasing Director Europe Carpet & Acoustics tätig, 2011 leitete er verschiedene Teilbereich des Gesamtbereichs Purchasing Europe, zunächst den Teilbereich Commodities, sodann den Teilbereich Operational Procurement Europe, ab 2013 leitet der den dem Gesamtbereich Procurement Eu-rope zugeordneten Teilbereich Supplier Management. Ohne dass hiermit eine Tätigkeitsänderung verbunden gewesen wäre, erhielt er im Mai 2016 den Titel Director Operations Soft Trim & Acoustics.

Ab Januar 2017 nahm er einen befristeten Einsatz als Werksleiter in G-Stadt (Tschechien) wahr. Hierzu richtete die Rechtsvorgängerin der Beklagten, die IAC GmbH, am 15.12.2016 folgendes Anschreiben an den Kläger:

Sehr geehrter Herr A.,

wir freuen uns, dass Sie sich bereit erklären, für maximal zwei Jahre als Plant Manager an unserem Standort G-Stadt in der Tschechischen Republik tätig zu werden. Für die Zeit Ihres Einsatzes vom 01.01.2017 bis spätestens 31.12.2018 gewähren wir Ihnen eine zusätzlichen, an die Tätigkeit als Plant Manager in G-Stadt gebundenen, jährlichen Bonus von 12.000,- EUR, der jeweils mit der Dezemberabrechnung des entsprechenden Jahres zur Auszahlung kommt. Sollte IAC zwischenzeitlich die Stelle erfolgreich besetzen können und Sie die Tätigkeit in G-Stadt unterjährig beenden, wird der Bonus entsprechend pro-rata-temporis abgerechnet.

Der Titel Director Operations bleibt für die Zeit Ihres Einsatzes bestehen. (…)

Im Anschluss an die Tätigkeit in G-Stadt wird IAC eine Stelle im Bereich Operations mit multi site Verantwortung anbieten.

Der Kläger beendete die Tätigkeit in G-Stadt im Frühjahr 2018 und übernahm eine Projektaufgabe bei der Beklagten im Zuge der Implementierung der Software PLEX. Hierbei handelt es sich um eine betriebswirtschaftliche Software-Lösung zur Steuerung von Geschäftsprozessen, ein „Enterprise Resource Planning Instrument (ERP)“, wobei PLEX speziell auf die Bedürfnisse der Automobilzulieferindustrie zugeschnitten ist.

In dem Anschreiben der Beklagten vom 03.04.2018 heißt es hierzu:

Sehr geehrter Herr A.,

wir freuen uns, dass Sie sich bereit erklären als Director Operations für die Laufzeit des Projekts zur Implementierung der Plex Software in Europa tätig zu werden. Für die Zeit Ihres Einsatzes ab 07.05.2018 werden Sie an den entsprechenden Projektstandorten in Europa arbeiten. Der Reiseaufwand wird durchschnittlich 60% der Zeit betragen. Zu Zeiten, an denen es nicht notwendig ist an die Standorte zu reisen, können sie vom home office in Deutschland oder vom Standort E-Stadt aus arbeiten.

Alle anderen Regelungen in Ihrem Arbeitsvertrag bleiben unberührt.

Die Beklagte ging von einem Abschluss der Implementierung binnen zwei Jahren aus.

Ab Mai 2018 begann die eigens gegründete Projektgruppe unter Leitung des Klägers, die Software PLEX europaweit bei der Beklagten zu implementieren. Zuvor gab es bei der Beklagten in den einzelnen Betrieben verschiedene Software, was die Beklagte als Insellösung betrachtete und durch PLEX vereinheitlichen wollte. Die ursprünglich neun Personen umfassende Projektgruppe verlor durch (Eigen)- Kündigungen und Erkrankungsfälle bis Frühjahr 2019 mehrere Mitarbeiter, deren Posten nicht nachbesetzt wurden. Neben dem Kläger gab es im Kündigungszeitpunkt nur noch ein Mitglied der Gruppe, das bei der Beklagten (und nicht bei anderen Gesellschaften der AURIA-Gruppe, der Muttergesellschaft) angestellt war.

Im Sommer 2019 hat der Kläger einen von der Beklagten zur Verfügung gestellten Zeit- bzw. Tätigkeitserfassungsbogen („Software Implementation Time Questionnaire“, Anlage B 32) ausgefüllt. In diesem hat der Kläger im Feld „% of time allocated to PLEX Implementation“ „100%“ angegeben. Sodann lauten die Eintragungen:

The process of data conversion from old to new systems which may include purging or cleansing of existing data, reconciliation or balancing of the old data tot he data in the new system, creation of new or additional data, and conversion of old data into the new system

………………………

Der Prozess der Datenkonvertierung von alten zu neuen Systemen, der das Bereinigen bestehender Daten, die Abstimmung oder den Abgleich der alten Daten mit den Daten mit den Daten im neuen System, Erstellung neuer oder zusätzlicher Daten und Konvertierung der alten Daten in das neue System beinhaltet

…………………….Make strategic decisions to allocate resources between alternative projects at a goven point in time

Strategische Entscheidungen zur Aufteilung von Ressourcen auf alternative Projekte zu einem bestimmten Zeitpunkt treffen

Determine the performance requirements (that is, what it ist hat they need the software to do) and systems requirements fort he computer software project it has proposed to undertake

Die Leistungsanforderungen (das heißt die Anforderungen an die Software) und die Systemanforderungen für das geplante Computersoftwareprojekt zu bestimmen

Invite vendors to perform demonstartions of how their software will fulfill an entitys needs

Anbieter einladen, um zu demonstrieren, wie ihre Software die Anforderungen einer Einrichtung erfüllt 5%    Selection of software vendor and/ or a consultant to assist in development or installation of software

Auswahl eines Softwareanbieters und/ oder eines Beraters zur Unterstützung bei der Entwicklung oder Installation von Software

Bis November 2019 war an einem Großteil der Standorte PLEX implementiert, noch nicht jedoch lückenlos europaweit. Es zeigten sich im Verlauf der Implementierung Probleme der Software. Die Muttergesellschaft der Beklagten kommunizierte Ende November 2019 einen Entschluss, laut dem vorerst an keinem noch nicht umgestellten Standort die vorhandene Software durch PLEX weiter ersetzt werden solle.

Die Beklagte entschied deswegen, den bei ihr gebildeten Teil der EU-Projektgruppe aufzulösen.

Sie kündigte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger mit Schreiben vom 09.12.2019 zum 31.07.2020. Mit Schreiben vom 27.02.2020 kündigte sie erneut zum 30.09.2020. Vor Ausspruch der ersten Kündigung hatte sie keine Betriebsratsanhörung durchgeführt.

In der schriftlichen Anhörung des Betriebsrats E-Stadt vom 19.02.2020 heißt es:

In der Wirtschaftsausschusssitzung vom 21.03.2019 informierte die Geschäftsleitung sowohl den Wirtschaftsausschuss als auch den Gesamtbetriebsrat über anstehende, aber noch nicht detaillierte geplante Umstrukturierungen in Auria weltweit. (…)

Bereits im 2. Quartal 2019 kam es in Deutschland zu Entlassungen (…). Betroffen von dem Personalabbau ist auch Herr A. aus den folgenden Gründen:

Herr A. war ab April 2018 als Director Operations für die Implementierung der Plex Software in Europa verantwortlich. Durch Beschluss der Geschäftsführung in den USA wurde die weitere Einführung in Europa Anfang Dezember 2019 vollständig gestoppt. Die entsprechende Entscheidung dazu wurde am 22. November 2019 getroffen.

Damit wurden die Aufgaben im Tätigkeitsbereich von Herrn A. vollständig aufgegeben. Seine Tätigkeiten sind vollständig weggefallen. Der Arbeitsplatz von Herrn A. entfällt dementsprechend.

Der beabsichtigten Kündigung hat der Betriebsrat E-Stadt unter Verweis auf Neubesetzungen von Arbeitsplätzen, die dem Kläger hätten angeboten werden müssen, widersprochen.

Der Kläger hat erstinstanzlich vorgetragen, die PLEX Software werde entgegen der Angaben der Beklagten weiter implementiert. Die Einführung sei nur für das Jahr 2020 ausgesetzt worden, um Stabilität und Verbesserungen bei den bereits umgestellten Standorten zu erreichen. Bei einer Mitarbeiterinformation am 13.12.2019 habe der President und CEO der Auria Gruppe, Herr Brian Pour, bekannt gegeben, dass ab 2021 erneute Launches der Software vorgenommen werden sollten. Seine Aufgaben bzw. die des Projektteams seien nicht weniger geworden. Da das Imple-mentierungs-Team mit der Stabilisierung vollständig ausgelastet gewesen sei, habe man die Neueinführungen verschoben. Einen vollständigen Stopp der PLEX-Implementierung in Europa habe es nicht gegeben.

Die Unwirksamkeit der Kündigung ergebe sich auch daraus, dass es weitere freie Arbeitsplätze, insbesondere als Werksleiter oder Einkaufsleiter gegeben habe, die dem Kläger zur Vermeidung der Kündigung hätten angeboten werden müssen. Der Betriebsrat sei unzutreffend informiert worden.

Erstinstanzlich hat der Kläger beantragt:

1.  Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 09.12.2019 nicht aufgelöst wird.

2.  Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 27.02.2020 nicht aufgelöst wird.

3.  Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss dieses Rechtsstreits zu unveränderten vertraglichen Bedingungen als Director Operations weiter zu beschäftigen.

bestehenden Betriebszugehörigkeit als Director Procurement Europe/Leiter Einkauf Europa wiedereinzustellen.

5.  hilfsweise zu Klageantrag Ziff. 2: Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger ab 01.10.2020 zu unveränderten vertraglichen Bedingungen und unter Berücksichtigung seiner seit 08.09.1980 bestehenden Betriebszugehörigkeit als Director Procurement Europe/Leiter Einkauf Europa wiedereinzustellen.

Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt, die Klage abzuweisen.

Hierzu hat sie erstinstanzlich vorgetragen, die Aufgabe des Klägers, nämlich die Leitung des Projekts der Einführung PLEX Software in Europa, sei vollständig weggefallen. Die Mitarbeiter, die zuvor im Implementierungs-Team gewesen seien, soweit sie überhaupt noch bei der Beklagten tätig sind, nunmehr mit IT-Aufgaben auf Sachbearbeiter-Ebene befasst. Die vom Kläger benannten freien Stellen seien bereits vor seiner Kündigung neu besetzt worden.

Das Arbeitsgericht Ludwigshafen hat mit Urteil vom 28.10.2020 der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat das Gericht ausgeführt, ein dauerhaft entfallener Beschäftigungsbedarf sei nicht dargelegt. Mitglieder des Implementierungsteams würden weiterbeschäftigt und die PLEX Software sei nicht als solche in Frage gestellt, sondern sollte weiterverwendet werden. Aus den Mitteilungen der Muttergesellschaft an die Mitarbeiter in Deutschland lasse sich nur ableiten, dass bei der Implementierung andere Schwerpunkte gesetzt werden sollten, zu Gunsten einer Stabilisierung. Auch dies falle aber unter den Begriff der Implementierung. Die Beklagte habe nicht dargelegt, welche Aufgaben der Kläger hatte und dass diese entfallen seien. Auch die Dauerhaftigkeit eines Wegfalls sei nicht erkennbar, da lediglich Änderungen im Zeitplan vorgetragen seien.

Wegen der Einzelheiten der erstinstanzlichen Begründung wird ergänzend auf die Entscheidungsgründe des Urteils des Arbeitsgerichts Bezug genommen.

Das Urteil wurde der Beklagten am 12.11.2020 zugestellt. Die Beklagte hat hiergegen mit einem am 09.12.2020 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schrift-satz vom gleichen Tag Berufung eingelegt und diese innerhalb der durch Beschluss vom 29.12.2020 bis einschließlich 01.03.2021 verlängerten Berufungsbegründungsfrist mit am 26.02.2021 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz vom gleichen Tag begründet

Zur Begründung der Berufung macht die Beklagte unter ergänzender Bezugnahme auf ihr erstinstanzliches Vorbringen zusammengefasst geltend, die Implementierung von PLEX sei vollständig gestoppt. Hierunter verstehe man -allein- die Installation, Integration bzw. die Neueinführung der Software, nicht aber deren Support.

Die Aufgaben des Klägers haben darin gelegen, die Koordination, Steuerung und Abstimmung aller an der Implementierung beteiligter Stellen vorzunehmen. Auch habe er regelmäßig über den Projektstatus in die USA berichten müssen und sei zudem für die logistischen Aufgaben im PLEX-Projekt zuständig gewesen. Nach dem (unstreitig) durch den Kläger selbst aufgefüllten „Software Implementation Time Questionnaire 2019“, den die Beklagte als Anlage B 32 vorgelegt hat, habe er sich zu 100% mit der Implementierung von PLEX befasst.

Durch die unternehmerische Entscheidung der Beklagten, die bei ihr gebildete Projektgruppe aufzulösen, seien diese Aufgaben des Klägers vollständig entfallen. Da die Gruppe aufgelöst sei, sei ihre Leitung nicht mehr erforderlich. Neueinführungen seien im Kündigungszeitpunkt nicht mehr geplant gewesen, die verbleibenden Aufgaben im Zusammenhang mit PLEX seien an IT-Mitarbeiter übertragen worden. Zwar sollte ein Werk in Südafrika 2020 noch implementiert werden, und auch die Implementierung in Belgien sei noch offen gewesen, jedoch sei die Einführung von PLEX in diesen beiden Werken auch ohne standortübergreifende Projektorganisation möglich.

Der Kläger müsse keine Implementierungen mehr koordinieren. Seine Hauptaufgabe, die Abstimmung aller an der Implementierung beteiligten Stellen, sei ebenso entfallen wie der Berichtsbedarf an die amerikanische Muttergesellschaft. Auch an Projektbesprechungen müsse der Kläger nicht mehr teilnehmen. Solange die AURIA-Gruppe noch entschieden hatte, eine Projektorganisation außerhalb der Linienorganisation vorzuhalten, habe auch die Stabilisierung der Software zu den Aufgaben des Klägers gehört. Nach Auflösung dieser Projektgruppe jedoch sei dies gerade nicht mehr Aufgabe der Gruppe gewesen, sondern Aufgabe der IT-Fachkräfte vor Ort. Auch die Reisetätigkeiten des Klägers seien nicht mehr nötig. Es sei Aufgabe der Projektgruppe gewesen, die Software nur bis zum „Go Live“ zu implementieren. Danach sollten die Aufgaben der Problemlösung, Stabilisierung und Fehlerbehebung des eingeführten Systems bei der IT-Linienorganisation verbleiben.

Der Aufgabenbereich des Klägers werde auch nicht durch einen anderen Mitarbeiter weiter fortgeführt, insbesondere, entgegen der Ansicht des Klägers, nicht durch H. H.. Herr H. sei als Manager European IT Applications Teil der IT-Organisation, er sei aber nicht operativ in das Projekt PLEX eingebunden gewesen. Er befasse sich mit den Anwenderwünschen der einzelnen Werke zu diversen IT-Anwendungen.

In IT-Teams habe der Kläger nicht weiterbeschäftigt werden können, da er die nötigen besonderen IT-Kenntnisse nicht innehabe. Werkleiterpositionen seien im Kündigungszeitpunkt nicht vakant gewesen, auch sei der Kläger hierzu fachlich nicht geeignet gewesen. Ihm fehlende es an den hierzu benötigten Produktionskennt-nissen. Die Beklagte verlange für diesen Posten zudem ein Ingenieurstudium.

Die Beklagte hat zweitinstanzlich beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 28.10.2020, 3 Ca 1869/19, abzuändern und die Klage ebenso wie den Weiterbeschäftigungs-antrag abzuweisen.

Der Kläger hat in zweiter Instanz beantragt, die Berufung zurückweisen.

Zur Verteidigung des Urteils trägt er vor, das Projekt „Einführung der PLEX Soft-ware“ werde bis zum heutigen Tage fortgeführt. Die Projektaufgabe habe sich nur insofern vorübergehend geändert, als dass der Fokus auf die Stabilisierung und Verbesserung anstatt auf Neueinführungen gelegt worden sei. In diesem Sinne sei auch von Seiten der amerikanischen Unternehmensführung nur von einem Pausieren sowie von weiter geplanten Neueinführungen gesprochen worden. Auch seien die mit der Software verbundenen Probleme nicht im Bereich der Programmierung zu verorten, sondern sie bestünden in der Verzahnung der Geschäftsprozesse mit PLEX. Dies könne nicht durch IT-Spezialisten, sondern nur durch Spezialisten aus den einzelnen Geschäftsbereichen gelöst werden.

Dass die vom Kläger zuvor ausgeübten Tätigkeiten weiter im Unternehmen anfallen, zeige der Aufgabenbereich von H.H., der diese übernommen habe. Herr H. sei für die Koordination und das Management zwischen dem jeweiligen Werk der Beklagten, dem PLEX-Team, der Mitarbeiterin und ehemaligen Vorgesetzen des Klägers Frau I. sowie der Firma PLEX als externem Dienstleister verantwortlich. Der Kläger hätte auf anderen Arbeitsplätzen weiterbeschäftigt werden können. Die Stelle des Director Procurement sei im Mai und im August 2020 neu besetzt worden, ebenso in zeitlich engem Zusammenhang zu den streitgegenständlichen Kündigungen zwei Werksleiterpositionen in Celle und Hamburg. Schließlich erweise sich die Betriebsratsanhörung als unzureichend. Die PLEX-Einführung sei, entgegen der Mitteilung gegenüber dem Betriebsrat, nicht vollständig gestoppt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird ergänzend auf die Gerichtsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

I. Die nach § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie erweist sich auch sonst als zulässig.

II. Die Berufung ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht und mit zutreffender Begründung festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die beiden streitgegenständlichen Kündigungen beendet worden ist. Die Kündigungen sind sozial ungerechtfertigt im Sinne von § 1 Abs. 1, 2 KSchG, insbesondere sind sie nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne dieser Vorschrift bedingt.

Eine Kündigung ist durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt, wenn der Bedarf für eine Weiterbeschäftigung des gekündigten Arbeitnehmers im Betrieb dauerhaft entfallen ist. Solche dringenden betriebliche Erfordernisse für eine Kündigung können sich aus innerbetrieblichen oder aus außerbetrieblichen Umständen ergeben. Ein Rückgang des Arbeitskräftebedarfs kann sich auch daraus ergeben, dass der Arbeitgeber sich zu einer organisatorischen Maßnahme entschließt, deren Umsetzung das Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung eines oder mehrerer Arbeitnehmer dauerhaft entfallen lässt. Eine solche unternehmerische Entscheidung ist gerichtlich nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder ihre Zweckmäßigkeit hin zu überprüfen, sondern nur darauf, ob sie offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist (BAG, Urteil vom 20. Februar 2014 – 2 AZR 346/12; Urteil vom 20. Dezember 2012 – 2 AZR 867/11; LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 02.10.2019, 7 Sa 2/19).

Ohne Einschränkung nachzuprüfen ist hingegen, ob die fragliche Entscheidung faktisch umgesetzt wurde und dadurch das Beschäftigungsbedürfnis für einzelne Arbeitnehmer wirklich entfallen ist (BAG, Urteil vom 20. Februar 2014 – 2 AZR 346/12; Urteil vom 24. Mai 2012 – 2 AZR 124/11). Da der Arbeitgeber gemäß § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG die Tatsachen zu beweisen hat, die die Kündigung bedingen, hat er die tatsächlichen Grundlagen für die Berechtigung der Prognose, bis spätestens zum Ablauf der Kündigungsfrist werde ein Beschäftigungsbedarf entfallen sein, von sich aus schlüssig vorzutragen (BAG, Urteil vom 20. November 2014 – 2 AZR 512/13 –, Rn. 17, zitiert nach juris, ebenso bezüglich der Randnummerangaben im Folgenden; LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 18.06.2021 -1 Sa 356/20 -, Rn. 41).

Dabei muss durch die unternehmerische Organisationsentscheidung nicht ein bestimmter Arbeitsplatz entfallen sein, das heißt, es muss nicht notwendigerweise exakt die zuletzt durch den Kläger wahrgenommene Stelle des Leiters der Projektgruppe PLEX weggefallen sein. Ausreichend ist, dass durch den innerbetrieblichen Grund ein Überhang an Arbeitskräften entstanden ist, durch den unmittelbar oder mittelbar das Bedürfnis zur Weiterbeschäftigung eines oder mehrerer Arbeitnehmer entfällt. Die betrieblich umgesetzte unternehmerische Organisationsentscheidung muss sich auf die Einsatzmöglichkeit des gekündigten Arbeitnehmers auswirken (BAG, Urteil vom 24. Juni 2004 – 2 AZR 326/03 –, Rn. 23).

An diesen Voraussetzungen fehlt es im Streitfall.

a. Mit der Beklagten kann davon ausgegangen werden, dass diese die unternehmerische Entscheidung getroffen hat, die Projektgruppe PLEX aufzulösen. Der Kläger stellt nicht in Abrede, dass die Projektgruppe im Sinne einer Organisationsstruktur oder einer, wie die Beklagte es formuliert, „besonderen Projektorganisation“, aufgelöst wurde.

Die Beklagte trägt weiter vor, über die Auflösung der reinen formalen Organisationsstruktur hinausgehend, sei es auch Teil der Unternehmerentscheidung im November 2019 gewesen, die Neueinführung der Software PLEX in europäischen Standorten dauerhaft zu beenden.

b. Beide Aspekte dieser Unternehmerentscheidung führen nach den substantiierten Darlegungen der Parteien nicht zu einem für das Gericht feststellbaren, im Zeitpunkt der beiden Kündigungen voraussichtlich dauerhaften Wegfall des Beschäftigungsbedarfs.

aa. Dass die formale Struktur der Projektgruppe entfallen ist, bedeutet keinen Wegfall des Beschäftigungsbedarfs im Umfang einer Vollzeitstelle. Es ist unstreitig, dass der Kläger Leiter der Projektgruppe war. Die Beklagte argumentiert dahingehend, dass, wenn es kein zu leitendes Projektteam gäbe, man auch keinen Teamleiter benötige. Aus den von der Beklagten dargelegten Aufgaben des Klägers ergibt sich aber nicht, dass der Kläger vollumfänglich damit beschäftigt war, eine reine Gruppenorganisation durchzuführen. Der Kläger hat vielmehr unstreitig auch fachliche Aufgaben im Zuge der PLEX-Einführung wahrgenommen, wenn auch keine spezifischen IT-Aufgaben. Nach dem Aufgabenkatalog, den die Beklagte benennt, hat er die an der Implementierung beteiligten Teammitarbeiter, Dienstleister, Lieferanten und Lizenzgeber „abgestimmt“, koordiniert und gesteuert. Die termingerechte Installation und Integration der Software sollte von ihm koordiniert werden. Im Vorfeld der Unternehmerentscheidung soll er auch mit der Stabilisierung, Fehlerbehebung und Verbesserung der Software befasst gewesen sein (Bl. 284 d.A.).

Besonders deutlich zeigt sich der über die Teamleitung hinausgehende Aufgabenbereich aus dem oben zitierten Time Questionnaire, den der Kläger ausgefüllt und den sich die Beklagte zu eigen gemacht hat. Es wird hieraus ersichtlich, dass der Kläger Trainings und Tests durchgeführt hat, Daten konvertiert hat, Konfigurationen vorgenommen hat, Leistungsanforderungen an die Software festgelegt hat und alternative Software-Anbieter ausgewählt und eingeladen hat. Diese Tätigkeiten stellen allesamt keine rein administrative Teamleitungstätigkeit dar. Durch den bloßen Wegfall der Projektgruppe als solcher ist daher keine zuvor durchgeführte Tätigkeit des Klägers in Wegfall geraten. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass sich die Gruppe bereits seit ihrer Initiierung kontinuierlich verkleinert hat und am Ende nur noch aus vier (oder fünf, divergierender Sachvortrag) Mitgliedern, davon neben dem Kläger nur ein weiteres aus dem Mitarbeiterkreis der Beklagten, bestand.

bb. Aber auch der weitere von der Beklagten genannte Teil der Unternehmerentscheidung, die gesamte Neueinführung von PLEX -vorerst- zu stoppen, führt in Anbetracht der durch den Kläger vorgenommenen Tätigkeiten, wie die Beklagte sie schildert, nicht zu deren vollständigen Wegfall. Wie sich aus dem zitierten Aufgabenkatalog ergibt, stehen zahlreiche Aufgaben des Klägers weder in einem unmittelbaren noch in einem mittelbaren Zusammenhang von weiteren PLEX-Neueinführungen bzw. hängen von diesen nicht ab. Insbesondere der mit 30% der Zeitaufwendungen beschriebene Punkt „Strategische Entscheidungen zur Aufteilung von Ressourcen auf alternative Projekte zu einem bestimmten Zeitpunkt treffen“ ist hinsichtlich seines Kausalzusammengangs zu PLEX-Launches völlig unnachvollziehbar. Auch die beiden im Time Questionnaire letztgenannten Aufgabenbereiche des Klägers („Einladen von Anbietern“ und „Auswahl von Softwareanbietern“) dürften bereits denknotwendig vom Anbieter PLEX unabhängig stattfinden.

Die Beklagte hat zudem ausgeführt, dass der Kläger vor der Unternehmerentscheidung, also bis November 2019, auch mit Systemstabilisierungen und Verbesserungen befasst war. Diese fallen unstreitig weiter an. Auch wenn die Beklagte erläutert hat, dass diese Punkte nunmehr von Mitarbeitern der „IT-Linienstruktur“ wahrgenommen würden, so ist nicht erkennbar, dass dies ohne deren überobligatorische Inanspruchnahme gelingen könnte. Läuft die unternehmerische Entscheidung auf den Abbau einer Hierarchieebene oder die Streichung eines einzelnen Arbeitsplatzes hinaus verbunden mit einer Umverteilung der dem betroffenen Arbeitnehmer bisher zugewiesenen Aufgaben, muss der Arbeitgeber konkret erläutern, in welchem Umfang und aufgrund welcher Maßnahmen die bisher vom gekündigten Arbeitnehmer ausgeübten Tätigkeiten für diesen zukünftig entfallen. Der Arbeitgeber muss die Auswirkungen seiner unternehmerischen Vorgaben und Planungen auf das erwartete Arbeitsvolumen anhand einer schlüssigen Prognose im Einzelnen darstellen und angeben, wie die anfallenden Arbeiten vom verbliebenen Personal ohne überobligationsmäßige Leistungen, das heißt im Rahmen ihrer vertraglich geschuldeten regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit erledigt werden können (BAG, Urteil vom 24. Mai 2012 – 2 AZR 124/11 –, Rn. 23; Urteil vom 23. Februar 2012 -2 AZR 548/1- , Rn. 18). Daran fehlt es vorliegend. Zu berücksichtigen ist dabei auch, dass die Beklagte vermehrten Verbesserungs- Anpassungs- und Stabilisierungsbedarf der Software PLEX schildert, keine vereinfachte und damit schnellere Gestaltung des gesamten Implementierungsprozesses.

Insgesamt ist nicht feststellbar, dass der Kläger ausschließlich Tätigkeiten vorgenommen hat, die nur dann nötig sind, wenn die PLEX-Software in einem Betrieb der Beklagten neu eingeführt wird. Insofern trägt die Unternehmerentscheidung den vollständigen Wegfall der Tätigkeiten des Klägers nicht.

cc. Hinzukommt, dass die Dauerhaftigkeit eines behaupteten Bedarfswegfalls im Kündigungszeitpunkt offenstand. Die hat das Arbeitsgericht ebenfalls zutreffend ausgeführt. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen darzulegen, aus denen sich ergeben soll, dass zukünftig auf Dauer mit einem reduzierten Arbeitsvolumen und Beschäftigungsbedarf zu rechnen ist. Der Arbeitgeber hat den dauerhaften Rückgang des Arbeitsvolumens nachvollziehbar darzustellen (BAG, Urteil vom 23. Februar 2012 – 2 AZR 548/10 –, Rn. 20; Urteil vom 18. Mai 2006 – 2 AZR 412/05). Die Beklagte hat einen Sachverhalt geschildert, bei dem im Zeitpunkt beider Kündigungen offen war, ob die PLEX-Einführung tatsächlich endgültig beendet, ob mit den vorhandenen Insellösungen gearbeitet oder ob- wie es im späteren Verlauf mit MACH2 geschah, eine weitere Software implementiert werden sollte. Ein Werk in Südafrika (wohin trotz des Standorts außerhalb von Europa der Kläger als Projektleiter Europa zuvor und später Herr H. reiste) sollte noch auf PLEX umgestellt werden, ebenfalls aus der zeitlichen Perspektive der Kündigungen heraus auch noch ein Werk in Belgien. Selbst wenn somit die Projektgruppe als formale Organisation endgültig aufgelöst worden war, wäre der Wegfall des Bedarfs nicht hinsichtlich seiner Dauerhaftigkeit feststellbar.

dd. Die Beklagte hat sich zur Begründung des Wegfalls des Beschäftigungsbedarfs alleine auf den Wegfall der vollständigen Stelle des Klägers berufen. Andere Gründe, aus denen sich ein rechnerischer Überschuss an Arbeitnehmern im Vergleich zu der dem Kläger zuweisbaren Aufgabenmenge ergibt, hat sie nicht genannt. Zur Begründung der Kündigung wäre es nicht erforderlich, dass der konkrete Arbeitsplatz des betroffenen Arbeitnehmers aufgegeben wird, sondern nur, dass durch die unternehmerische Entscheidung rechnerisch ein Überhang an Arbeitskräften entstanden ist, durch den unmittelbar oder mittelbar das Bedürfnis zur Weiterbeschäftigung eines oder mehrerer Arbeitnehmer entfallen ist. Entscheidend ist, zu welcher Arbeit der Arbeitnehmer nach dem Inhalt seines Arbeitsvertrages verpflichtet ist, auf welche Arbeitsplätze er also vom Arbeitgeber im Wege des Direktionsrechts ohne Vertragsänderung versetzt werden kann. Eine Beschäftigungsmöglichkeit entfällt dementsprechend, wenn der Arbeitnehmer aufgrund betrieblicher Umstände nicht mehr vertragsgerecht eingesetzt werden kann (BeckOK ArbR/Rolfs, 60. Ed. 1.6.2021, KSchG § 1 Rn. 368 m.w.N.). Dabei ist vorliegend zu beachten, dass sich die zuweisbare Tätigkeit des Klägers durch das gegengezeichnete Schreiben aus April 2018 gerade nicht auf das PLEX-Projekt reduziert hat. In dem Schreiben heißt es ausdrücklich, dass die Bedingungen des Arbeitsvertrages im Übrigen beibehalten werden sollen. Dazu gehört auch die arbeitsvertragliche Versetzungsklausel. Dies entspricht auch dem Parteiwillen zum Zeitpunkt der Vereinbarung, da für die Parteien von Anfang an absehbar war, dass die PLEX – Implementierung befristet sein sollte. Gewollt war nicht eine Vereinbarung, nach der der Kläger dauerhaft nur für die PLEX-Implementierung zuständig und sein Arbeitsverhältnis mit Projektende enden sollte.

Damit fehlt es an dem Erfordernis des Wegfalls des Beschäftigungsbedarfs.

c. Hinzukommt, ohne dass es hierauf rechtlich noch ankäme, dass die Beklagte sich auch nicht auf das Fehlen eines freien Arbeitsplatzes berufen kann.

aa. Eine ordentliche Beendigungskündigung ist ausgeschlossen, wenn die Möglichkeit besteht, den Arbeitnehmer auf einem anderen freien und geeigneten Arbeitsplatz gegebenenfalls auch zu geänderten (schlechteren) Arbeitsbedingungen weiterzubeschäftigen. Eine Weiterbeschäftigung hat auch dann vorrangig zu erfolgen, wenn sie erst nach einer Einarbeitung des Arbeitnehmers auf einer freien Stelle, gegebenenfalls erst nach einer dem Arbeitnehmer anzubietenden zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahme möglich ist (BAG, Urteil vom 05. Juni 2008 – 2 AZR 107/07 –, Rn. 15; Urteil vom 24. Mai 2012 – 2 AZR 62/11 –, Rn. 26).

bb. Die Weiterbeschäftigungsmöglichkeit auf einem anderen Arbeitsplatz im obengenannten Sinne muss für den Arbeitnehmer geeignet sein. Dies setzt voraus, dass ein freier vergleichbarer (gleichwertiger) Arbeitsplatz oder ein freier Arbeitsplatz zu geänderten (schlechteren) Arbeitsbedingungen vorhanden ist und der Arbeitnehmer über die hierfür erforderlichen Fähigkeiten und Kenntnisse verfügt. Der Arbeitnehmer muss unter Berücksichtigung angemessener Einarbeitungszeiten den Anforderungen des neuen Arbeitsplatzes entsprechen (BAG, Urteil vom 05. Juni 2008 – 2 AZR 107/07). Anderweitige Beschäftigungsmöglichkeiten sind dabei unternehmensbezogen zu prüfen (BAG, Urteil vom 29. August 2013 – 2 AZR 809/12; Ascheid/Preis/Schmidt/Kiel, 6. Aufl. 2021, KSchG § 1 Rn. 548).

Für das Fehlen einer anderweitigen Weiterbeschäftigungsmöglichkeit ist gem. § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG der Arbeitgeber darlegungs- und beweispflichtig. Dabei gilt eine abgestufte Darlegungslast. Bestreitet der Arbeitnehmer lediglich den Wegfall seines bisherigen Arbeitsplatzes, genügt der Vortrag des Arbeitgebers, wegen der betrieblichen Notwendigkeiten sei eine Weiterbeschäftigung zu den gleichen Bedingungen nicht möglich. Macht der Arbeitnehmer geltend, es sei eine Beschäftigung an anderer Stelle möglich, obliegt es ihm darzulegen, wie er sich seine anderweitige Beschäftigung vorstellt. Erst daraufhin muss der Arbeitgeber eingehend erläutern, aus welchen Gründen eine solche Beschäftigung nicht möglich war (BAG, Urteil vom 29. August 2013 – 2 AZR 721/12 –, Rn. 19; Urteil vom 25. Oktober 2012 – 2 AZR 552/11 – Rn. 30; Urteil vom 24. Mai 2012 – 2 AZR 62/11 – Rn. 28).

cc.  Gemessen an diesen Grundsätzen liegen auch diese Voraussetzungen für die Wirksamkeit der Kündigung im Streitfall nicht vor.

Der Kläger hat vier Arbeitsplätze genannt, die er hätte ausfüllen können: Die im Jahr 2020 zweifach neu besetzte Stelle des Einkaufsleiters Herrn J., die Stelle als Key Account Manager im Vertrieb sowie die beiden auch vom Betriebsrat in seinem Widerspruchsschreiben genannten Werksleiterstellen in Celle und Hamburg.

Die Beklagte hat sowohl hinsichtlich der Eignung des Klägers für diese Stellen als auch der freien Besetzbarkeit der Stellen im Kündigungszeitpunkt Einwände vorgetragen.

(1) Es ist nicht erkennbar, inwiefern die Werksleiterpositionen für den Kläger ungeeignet waren. Die Beklagte hat hierzu vorgetragen, sie verlange für diesen Posten Erfahrungen mit der Produktion und ein Ingenieurstudium. Jedoch hat sie den Kläger in G-Stadtbereits als Werkleiter eingesetzt. Zudem werden die Werksleiter bei der Beklagten als Plant Manager geführt, wobei die Manager-Ebene nach Darstellung der Beklagten als eine niedrigere Ebene als die des Director zu verstehen ist. In diesem Sinne hat die Beklagte bei der Zuweisung des Klägers im Dezember 2016 nach G-Stadt zugesichert, dass er trotz der Wahrnehmung der Aufgabe eines Plant Managers den Titel Director fortführen darf. Somit ist die Tätigkeit des Klägers innerbetrieblich als höherwertig angesehen als die eines Werkleiters. Zudem hat er diese Tätigkeit bereits auf Wunsch der Beklagten über einen nicht vernachlässigbaren Zeitraum von etwa eineinhalb Jahren tatsächlich wahrgenommen. Die Werkleitertätigkeit wurde auch nicht deswegen beendet, weil der Kläger ihr nicht genügt hätte. Hinzukommt, dass die Beklagte bzw. ihre Rechtsvorgängerin dem Kläger im Schreiben vom 15.12.2016 sogar eine noch höhere Verantwortung im Unternehmen nach Rückkehr aus G-Stadt zugesagt hat, bei Beibehaltung des Director-Titels eine hinzukommende multi-site-Verantwortung. Damit hat sie seine Kompetenz betont. Dass der Kläger, der vierzig Jahre im Unternehmen auf diversen Posten tätig war, als Chemikant und somit im für die Produktion relevanten Bereich begann, der eben diese Tätigkeit als Werkleiter bereits wahrgenommen hat, dem eine sogar darüberhinausgehende Verantwortung zugetraut und zugesichert wurde, der für die Implementierung der Software gerade weniger IT-Kenntnisse sondern vielmehr Kenntnisse über die Abläufe im Betreib bzw. im Unternehmen haben musste, die niedriger dotierte Aufgabe als Werkleiter fachlich nach einer Einarbeitungszeit nicht (erneut) hätte wahrnehmen können, erschloss sich nicht. Auch nach eigenem Vortrag wich die Beklagte jedenfalls im Sonderfall des Herrn K. ebenfalls von der Anforderung des Ingenieurstudiums ab. Inwiefern das praktische Wissen über Produktionsabläufe trotz bereits erfolgter Wahrnehmung der Aufgabe fehlte und nicht in angemessener Zeitdauer in ausreichendem Maße aneignungsbar war, blieb unklar. Der Kläger war bereits als Anlagenführer, Industriemeister und Technischer Betriebswirt eingesetzt. Dass er in G-Stadt nur das operative Tagesgeschäft des Werks geleitet haben soll und keine „strategischen Entscheidungen zur Neuausrichtung der Produktion“ getroffen haben soll, bedeutet nicht zwangsläufig, dass er dies nicht könne.

(2) Hinsichtlich der ebenfalls vom Kläger genannten Tätigkeit des Einkaufsleiters hat die Beklagte zunächst vorgetragen, der Kläger verdiene mehr als Herr L., zugleich hätte es aber einer Beförderung entsprochen, wenn er die Stelle von Herrn L. übernommen hätte. Der Kläger sei nur für einen Teilbereich des Einkaufs zuständig gewesen. Nach den Angaben im Zwischenzeugnis vom 30.09.2010 hatte er hingegen als Purchasing Director Commodities and Indirects Europe Verantwortung für die europäischen Standorte. Mit dem Angebot einer Director-Tätigkeit mit Multi-Site Verantwortung Ende 2016 hat die Beklagte um Ausdruck gebracht, dass sie ihm eine standortübergreifende Verantwortlichkeit zutraut. Weswegen der Kläger den Posten Key Account Manager aufgrund fehlender Eignung nicht wahrnehmen konnte, hat die Beklagte nicht näher ausgeführt. Auf die Eignung bezüglich der beiden letztgenannten Positionen kam es jedoch nicht an, da jedenfalls die Werksleiterpositionen hätten angeboten werden können.

(3) In zeitlicher Hinsicht steht diesem Ergebnis nicht entgegen, dass die beiden Posten bereits im September 2019 neu besetzt wurden (wobei eine der beiden Stellen zum 30.03.2020 nachbesetzt wurde). Die Beklagte trägt zutreffend vor, dass aufgrund der Besetzung im September 2019 (zur Nachbesetzung wurde kein Datum der Besetzungsentscheidung genannt) die Stellen im Zeitpunkt der beiden Kündigungen nicht vakant waren.

(3.1) Ist im Zeitpunkt des Kündigungszugangs eine Beschäftigungsmöglichkeit nicht mehr vorhanden, wurde also ein freier Arbeitsplatz vor dem Zugang der Kündigung besetzt, so ist es dem Arbeitgeber gleichwohl nach dem Rechtsgedanken des § 162 BGB verwehrt, sich auf den Wegfall von Beschäftigungsmöglichkeiten im Kündigungszeitpunkt zu berufen, wenn dieser Wegfall treuwidrig herbeigeführt wurde. Der Arbeitgeber hat es nicht in der Hand, den Kündigungsschutz dadurch leerlaufen zu lassen, dass er zunächst einen freien Arbeitsplatz besetzt und erst später eine Beendigungskündigung wegen einer fehlenden Weiterbeschäftigungsmöglichkeit ausspricht (BAG, Urteil vom Senat 24. November 2005 – 2 AZR 514/04).

(3.2) Auf Grund der Besonderheiten des Einzelfalls nahm die Kammer eine solche Treuwidrigkeit des Einwands der fehlenden alternativen Beschäftigungsmöglichkeit vorliegend an. Dies liegt daran, dass die Beklagte von Beginn des Projekts an wusste, dass dieses nach einer gewissen Dauer ausläuft und der Kläger dann hiermit nicht mehr betraut werden kann. Nach den eigenen Angaben der Beklagten rechnete diese initial mit einer Laufzeit von etwa zwei Jahren, somit ab April 2018 bis etwa März/ April 2020. Die Unternehmerentscheidung, weitere Implementierungen zu stoppen, fiel Ende November 2019, somit nur wenige Monate vor dem ursprünglich angedachten Projektende (welches bei einem besonders erfolgreichen Verlauf ebenfalls früher hätte liegen können).

Insofern wusste die Beklagte bereits im September 2019, dass die Arbeitskraft des Klägers für sie alsbald wieder neu verfügbar werden wird und diesem ein neues Aufgabengebiet zugeteilt werden muss. Ähnlich wäre die Situation gewesen, wenn der Kläger im April 2018 nach der Rückkehr aus G-Stadt nicht das PLEX-Projekt übernommen hätte. Auch hier endete der befristete Projekteinsatz in G-Stadt und der Kläger wurde für die Beklagte wieder verfügbar. Hier gelang es der Beklagten bereits im Dezember 2016, für den etwa zwei Jahre entfernten, vom genauen Datum her allerdings noch völlig ungewissen Zeitpunkt eine Stelle mit multi-site-Verantwortung zuzusichern. Sie sah sich damals somit in der Lage, einen Arbeitsplatz passgenau bezogen auf die Person des Klägers, das Datum der Beendigung in G-Stadt und auf das Maß der Verantwortung anzubieten bzw. zu kreieren. Dies steht nach Ansicht der Kammer der Möglichkeit, sich eineinhalb Jahre später ohne besondere Neuerungen in der Sachverhaltslage auf eine fehlende Beschäftigungsmöglichkeit trotz vorausgegangener frei gewordener Stellen berufen zu können, entgegen. Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund, dass die Beklagte mit Interims-Besetzungen arbeitet und eine fehlende zeitliche Passgenauigkeit des Freiwerdens eins Postens mit der Besetzung durch den Kläger so hätte überbrückt werden können.

c. Ebenso kam es bereits aufgrund des fehlenden Arbeitsbedarfswegfalls nicht mehr auf die Rechtmäßigkeit der Betriebsratsanhörung an. Diese hat der Kläger mit substantiiertem Sachvortrag gerügt.

aa.  Im Vorfeld der ersten ausgesprochenen Kündigung fehlte eine Betriebsratsanhörung gänzlich. Eine solche war allerdings nicht entbehrlich. Der Betriebsrat E-Stadt hätte angehört werden müssen. Für das Mitwirkungsverfahren bei Kündigungen ist grundsätzlich der Betriebsrat des Betriebs zuständig, dem der Arbeitnehmer angehört (BAG, Urteil vom 26. Mai 2021, 7 ABR 17/20; Urteil vom 12. Mai 2005 – 2 AZR 149/04). Maßgeblich ist der Betrieb, in den der Arbeitnehmer zum Kündigungszeitpunkt eingegliedert ist (Ascheid/Preis/Schmidt/Koch, 6. Aufl. 2021 Rn. 69, BetrVG § 102 Rn. 69). Für die Eingliederung ist nicht erforderlich, dass der Arbeitnehmer seine Arbeit auf dem Betriebsgelände verrichtet, es kommt es nicht darauf an, ob die Arbeitnehmer im Betrieb oder im Außendienst beschäftigt werden (BAG, Urteil vom 05. Dezember 2012 – 7 ABR 48/11; Ascheid/Preis/Schmidt/Koch, 6. Aufl. 2021, BetrVG § 102 Rn. 7).

Der Kläger konnte die Infrastruktur der Betriebsstätte E-Stadt in Anspruch nehmen, auch wurde seine Personalakte dort geführt. Damit war er dieser Betriebsstätte „zuzuordnen“.

Insofern steht der Wirksamkeit der ersten Kündigung auch § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG entgegen.

bb. Zur beabsichtigten zweiten Kündigung wurde der Betriebsrat E-Stadt angehört. Jedoch erweist sich die Anhörung als unzureichend. Beruht die Kündigung auf innerbetrieblichen Gründen und hat der Arbeitgeber eine sogenannte gestaltende Unternehmerentscheidung getroffen, sind dem Betriebsrat der zukünftige Arbeitsablauf und dessen Auswirkungen auf die Arbeitsplätze darzustellen. Dies gilt insbesondere in den Fällen der Leistungsverdichtung und bei Veränderungen des Arbeitsablaufs aufgrund Rationalisierungsmaßnahmen. Nicht ausreichend ist der bloße Hinweis auf eine getroffene Unternehmerentscheidung, allerdings muss die Mitteilung gegenüber dem Betriebsrat nicht die Qualität eines schlüssigen Vortrags im Kündigungsschutzprozess erreichen. Die Art der getroffenen Unternehmerentscheidung und der geänderte (tatsächliche) Betriebsablauf müssen für den Betriebsrat erkennbar werden (Ascheid/Preis/Schmidt/Koch, 6. Aufl. 2021, BetrVG § 102 Rn. 109a). Die Anhörung des Betriebsrats soll diesem nicht die selbstständige Überprüfung der Wirksamkeit der beabsichtigten Kündigung, sondern eine Einflussnahme auf die Willensbildung des Arbeitgebers ermöglichen. Sinn und Zweck des § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG ist es, den Betriebsrat in die Lage zu versetzen, sachgerecht auf den Arbeitgeber einzuwirken, das heißt, die Stichhaltigkeit und Gewichtigkeit der Kündigungsgründe zu überprüfen und sich über sie eine eigene Meinung zu bilden. Den Kündigungsgrund hat der Arbeitgeber daher regelmäßig unter Angabe von Tatsachen so zu beschreiben, dass der Betriebsrat ohne zusätzliche eigene Nachforschungen die Stichhaltigkeit prüfen kann (BAG, Urteil vom 26. März 2015, 2 AZR 417/14).

Die Beklagte hat dem Betriebsrat im Wege einer knappen Darstellung mitgeteilt, dass die weitere Einführung von PLEX vollständig gestoppt werde, der Kläger für die Implementierung von PLEX zuständig sei und hierdurch der Arbeitsplatz des Klägers vollständig wegfalle. Weder wurde der Begriff der Implementierung erläutert (der, wie auch das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, nicht selbstverständlich nur auf die Neueinführung beschränkt ist, sondern begrifflich durchaus auch notwendige Begleittätigkeiten wie etwa das Anpassen von Software und Prozessen, die Verbesserung, die Schaffung einer Stabilität, den Mitarbeiter-Support umfassen kann, welche weiterhin anfallen). Noch wurde die Aufgabe des Klägers genau dargestellt. Dem Betriebsrat konnte es daher nicht gelingen, sich auf dieser Basis ein Bild davon zu machen, was mit dem „Stopp der Implementierung PLEX“ gemeint sein konnte und was dies für die Tätigkeit des Klägers bedeuten würde.

Auch im Hinblick auf § 102 BetrVG erweisen sich daher beide Kündigungen als rechtsunwirksam.

Hinsichtlich des Weiterbeschäftigungsantrags wird auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts gem. § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben und die Berufung war deswegen zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO: Für die Zulassung der Revision bestand angesichts der Kriterien des § 72 ArbGG kein Anlass.

 

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