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Betriebsrat – Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch bei Verletzung des Mitbestimmungsrechts

Landesarbeitsgericht Hamburg, Az.: 7 TaBVGa 2/09, Beschluss vom 28.01.2010

Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1 wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Hamburg vom 22. September 2009 – 17 Bv Ga 1/09 – abgeändert:

Der Beteiligten zu 2 wird aufgegeben, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,00 (i.W.: Euro zweihundertfünfzigtausend) zu unterlassen, der Mitarbeiterin Lk. eine veränderte Arbeitszeit mit einem Beginn um 14:00 Uhr zuzuweisen, solange nicht die Zustimmung des Beteiligten zu 1 hierzu vorliegt oder durch die Einigungsstelle ersetzt worden ist.

Gründe

I

Die Beteiligten streiten über einen Unterlassungsanspruch des Betriebsrats wegen Verletzung seines Mitbestimmungsrechts im Zusammenhang mit der Zuweisung eines veränderten Arbeitsbeginns gegenüber einer Arbeitnehmerin.

Am 29. August 1995 schlössen die Beteiligten eine „Betriebsvereinbarung Arbeitszeit Redakteure/innen Redaktion B. Hamburg“ (Anlage A 5, Bl. 15 d. A.). Darin ist geregelt:

„1. Für die Redakteurinnen und Redakteure der Redaktion B. Hamburg gelten die tariflichen Arbeitszeitregelungen des MTV für Redakteurinnen und Redakteure an Tageszeitungen in ihrer jeweils geltenden Fassung. Danach beträgt die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit seit dem 1. Mai 1995 36,5 Stunden.

In Dienstplänen wird sie unter Berücksichtigung der Regelungen in § 7 Abs. 2 MTV grundsätzlich auf 5 Tage pro Woche verteilt.

2. Die Dienstpläne werden monatlich durch die Redaktionsleitung oder von ihr beauftragte Mitarbeiter/innen erstellt. Für die Redaktion B. Hamburg sind ab dem 1. Mai 1995 die in Anlage 1 aufgeführten regelmäßigen Arbeitszeiten zugrunde zu legen. Die regelmäßige Pause pro Arbeitstag beträgt 30 Minuten.

Die Dienstpläne sind dem Betriebsrat auf Verlangen fünf Tage vor ihrem In-Kraft-Treten zur Verfügung zu stellen.

3. Die regelmäßige Arbeitszeit der Redakteurinnen und Redakteure in den Dienstplänen bestimmt sich grundsätzlich nach diesen Betriebszeiten. Die Redaktionsleitung kann im Einzelfall Abweichungen aus redaktionellen Gründen anordnen, nachträglich anerkennen oder auf Wunsch des/der Redakteurs/in zulassen.

4. Soweit die tarifliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit überschritten (zugewiesene oder nachträglich anerkannte Mehrarbeit gemäß § 7 des Manteltarifvertrages für die Redakteurinnen und Redakteure an Tageszeitungen) oder unterschritten wird, erfolgt ein Zeitausgleich möglichst innerhalb der folgenden zwei Wochen.

Soweit ein Mehrarbeitsausgleich geltend gemacht wird, sind der Redaktionsleitung unverzüglich die wöchentlichen Zeiterfassungsbögen (Anlage 2) zuzuleiten, damit ein möglichst zeitnaher Zeitausgleich erfolgen kann.

5. Für die Arbeit an sechs oder sieben Tagen ist der Freizeitausgleich spätestens bis zum Ablauf der folgenden drei Kalendermonate zu gewähren. Dieser Ausgleich ist bei der Erstellung der Dienstpläne zu berücksichtigen.

6. Für Teilzeitkräfte sind von der Anlage 1 abweichende Vereinbarungen möglich.

7. Diese Betriebsvereinbarung tritt am 1. September 1995 in Kraft.

Die Anlage 1 zur „Betriebsvereinbarung Arbeitszeitredakteure/innen Redaktion B. Hamburg“ sieht für die Redaktion „Text“ einen Früh-, Normal- und Spätdienst mit folgenden Arbeitszeitlagen vor: montags bis donnerstags von 09:00 Uhr bis 17:00 Uhr, 10:00 Uhr bis 18:00 Uhr sowie 14:00 Uhr bis 22:00 Uhr und freitags sowie sonntags von 09:00 Uhr bis 16:00 Uhr, 10:00 Uhr bis 17:00 Uhr sowie 15:00 Uhr bis 22:00 Uhr.

Seit einigen Jahren wird bei der Beteiligten zu 2 die Einteilung der Arbeitszeit dahin gehandhabt, dass sich Früh- und Normaldienst dahingehend egalisiert haben, dass auch der Normaldienst regelmäßig um 09:00 Uhr beginnt. Eine ausdrückliche Einteilung der Arbeitnehmer in Früh- oder Normaldienst findet nicht statt. Im Spätdienst, der vorwiegend die Schlussredaktion beinhaltet, sind wenige Arbeitnehmer tätig. Ein regelmäßiger Wechsel von Arbeitnehmern zwischen Normal-und Spätdienst findet nicht statt.

Seit dem 1. Oktober 1995 ist Frau Lk. bei der Beteiligten zu 2, zuletzt als Redakteurin in der Redaktion B. Regional Hamburg beschäftigt (letzter Redakteurvertrag vom 11. Januar 1999 (Anlage A 1, Bl. 8 d. A.). Frau K. ist Mitglied des Betriebsrats. Sie ist alleinerziehende Mutter eines am 19. Februar 2007 geborenen Kindes. Danach befand sie sich in Elternzeit bis zum 18. Februar 2008. Im Anschluss daran machte die Beteiligte zu 2 Frau K. ein Aufhebungsangebot, das diese jedoch ablehnte. Daraufhin wurde sie bis April 2009 freigestellt. Im Anschluss an die Freistellung war sie arbeitsunfähig erkrankt bis zum 31. August 2009.

Am 3. September 2009 führte der Redaktionsleiter der Beteiligten zu 2, Herr Mo., mit Frau K. ein Gespräch und teilte ihr mit, dass sie künftig regelmäßig im Spätdienst ab 13:30 Uhr tätig werden solle. Ob Frau K. vor ihrer Freistellung regelmäßig im Normaldienst mit einem Schichtbeginn jeweils um 09:00 Uhr tätig war, ist zwischen den Beteiligten streitig. Auf den Einwand von Frau K., dass sie als alleinerziehende Mutter dazu nicht in der Lage sei, weil sie abends nicht über Kinderbetreuungsmöglichkeiten verfüge, erklärte der Redaktionsleiter, dass es nicht das Verschulden der Arbeitgeberin sei, dass Frau K. ein Kind habe und alleinerziehend sei und dass sie das dann eben organisieren müsse.

Mit Schreiben vom 3. September 2009 (Anlage A 2, Bl. 11 d. A.) wies die Beteiligte zu 2 mit Wirkung vom 7. September 2009 Frau K. eine Tätigkeit im redaktionellen Spätdienst zu mit einem Arbeitszeitbeginn um 13:30 Uhr.

Die Beteiligte zu 2 begründete diese Maßnahme damit, dass die Polizeiredaktion wegen der besonderen Nacht- und Wochenendeinsätze für Frau K. nicht zumutbar sei, der Reporterpool in der Lokalredaktion, der Gesellschaftsredaktion, im Politikressort und in der Wirtschaftsredaktion jeweils gut besetzt seien und Erweiterungsbedarf nicht bestehe. Dagegen sei der redaktionelle Spätdienst schwach besetzt und der dort tätige Herr Rp. bedürfe unerlässlich der Unterstützung, da der bisher dort tätige Herr Bp. altersbedingt Ende April 2009 ausgeschieden sei (eidesstattliche Versicherung des Redaktionsleiters vom 10. September 2009, Bl. 39 d. A.).

Mit Schreiben vom 4. September 2009 (Anlage A 3, Bl. 12 d. A.) forderte der Beteiligte zu 1 die Beteiligte zu 2 unter Fristsetzung auf, die Änderung der Arbeitszeit von Frau K. zurückzunehmen und sich wegen der Äußerung des Redaktionsleiters zu entschuldigen.

Mit Schreiben vom 4. September 2009 (Anlage A 4, Bl. 13 d. A.), forderte Frau K. durch ihren Prozessbevollmächtigten die Beteiligte zu 2 auf, die Anweisung zur Ausübung des Spätdienstes zurückzunehmen.

Am 14. September 2009 begann die Arbeitnehmerin eine mehrwöchige Kur.

Mit Antrag vom 7. September 2009 hat der Beteiligte zu 1 beim Arbeitsgericht Hamburg den Erlass einer einstweiligen Verfügung auf Unterlassung, der Mitarbeiterin Lk. eine veränderte Arbeitszeit mit einem Beginn um 13:30 Uhr zuzuweisen, solange nicht die Zustimmung des Betriebsrates hierzu vorliegt oder durch die Einigungsstelle ersetzt worden ist, beantragt.

Der Beteiligte zu 1 hat behauptet, Frau K. sei bereits vor ihrer Freistellung im Normaldienst mit einem Arbeitsbeginn um 09:00 Uhr eingesetzt worden. Er hat gemeint, die Zuweisung einer veränderten Arbeitszeit mit einem Beginn um 13:30 Uhr gegenüber Frau K. sei rechtswidrig, weil die Beteiligte zu 2 damit gegen sein Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG verstoße. Die einseitige Zuweisung habe einen kollektiven Bezug, weil sie nicht auf den Wunsch der Arbeitnehmerin zurückgehe, sondern diesem widerspreche. Sein Mitbestimmungsrecht sei durch den Abschluss der Betriebsvereinbarung auch nicht verbraucht, weil die Betriebsvereinbarung keine Regelung darüber enthalte, dass die Arbeitgeberin einseitig einen Wechsel zwischen den verschiedenen Schichten, hier zwischen Normaldienst und Spätdienst, vornehmen könne. Wollte man umgekehrt von einem Verbrauch seines Mitbestimmungsrechts ausgehen, wäre die Betriebsvereinbarung in diesem Punkt jedenfalls unwirksam, weil er dann auf einen wesentlichen Teil seines Mitbestimmungsrechts unzulässigerweise verzichtet hätte.

Außerdem stelle die Maßnahme der Beteiligten zu 2 eine Diskriminierung wegen des Geschlechts der Arbeitnehmerin dar. Die Beteiligte zu 2 habe Frau K. genau deshalb in den Spätdienst versetzt, weil sie gewusst habe, dass die Arbeitnehmerin einer solchen Anweisung wegen ihrer Mutterschaft nicht nachkommen könne.

Der Beteiligte zu 1 hat beantragt, der Beteiligten zu 2 im Wege der einstweiligen Verfügung, der Dringlichkeit halber ohne mündliche Verhandlung, bei Meidung von Ordnungsgeld bis zu € 250.000,00 aufzugeben, es zu unterlassen, der Mitarbeiterin Lk. eine veränderte Arbeitszeit mit einem Beginn um 13:30 Uhr zuzuweisen, solange nicht die Zustimmung des Beteiligten zu 1 hierzu vorliegt oder durch die Einigungsstelle ersetzt worden ist.

Die Beteiligte zu 2 hat beantragt, den Antrag abzuweisen.

Die Beteiligte zu 2 hat behauptet, Frau Lk. habe bereits vor ihrer Freistellung regelmäßig, mitunter an mehreren Arbeitstagen nacheinander, Spätdienst geleistet im Sinne einer Teilnahme an abendlichen Premierefeiern, Galas und Theatervorstellungen mit aktueller Berichterstattung für die nächste Ausgabe.

Sie hat gemeint, die Zuweisung eines Arbeitszeitbeginns im Spätdienst um 13:30 Uhr gegenüber Frau K. verletze das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats aus § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG nicht. Denn der Betriebsrat habe sein Mitbestimmungsrecht durch den Abschluss der Betriebsvereinbarung bereits ausgeübt, ohne auf das Mitbestimmungsrecht in seiner Substanz zu verzichten. Es sei zulässig, lediglich die Grundsätze einer Schichtplanung zu regeln und die Aufstellung der Einzelschichtpläne dem Arbeitgeber nach bestimmten Vorgaben zu überlassen. Dies sei hier geschehen. Im Übrigen bestehe Tendenzschutz (§ 118 BetrVG), der die Mitbestimmung bei der Verteilung der Arbeitszeit beschränke, soweit dadurch die aktuelle Berichterstattung einer Tageszeitung gefährdet werde.

Mit Beschluss vom 22. September 2009 – 17 BvGa 1/09 – hat das Arbeitsgericht Hamburg den Verfügungsantrag abgewiesen.

Wegen der Begründung wird auf die Gründe unter B des erstinstanzlichen Beschlusses (S. 8 bis 16, Bl. 64 bis 72 d. A.) Bezug genommen.

Der Beteiligte zu 1 hat gegen den seinen Verfahrensbevollmächtigten am 25. September 2009 zugestellten Beschluss des Arbeitsgerichts am 19. Oktober 2009 Beschwerde eingelegt und seine Beschwerde zugleich begründet.

Der Beteiligte zu 1 meint, das Arbeitsgericht komme zu Unrecht zu dem Ergebnis, dass der Betriebsrat sein Mitbestimmungsrecht durch die Betriebsvereinbarung „Arbeitszeit Redakteure/innen Redaktion B. Hamburg“ vom 29. August 1995 bereits wirksam ausgeübt und damit verbraucht habe. Die Betriebsparteien hätten die Frage des Aufstellens des Dienstplanes, des Schichtwechsels und des geänderten Schichtbeginns in der Betriebsvereinbarung nicht geregelt. Der Dienstplan diene nicht dazu, Schichten festzulegen, insbesondere nicht den Arbeitnehmern einzelne Schichten zuzuweisen. Die Auslegung des Arbeitsgerichts finde sich im Wortlaut nicht wieder und gehe über das von den Betriebsparteien Gewollte hinaus. Soweit in Ziffer 3 Satz 2 der Betriebsvereinbarung geregelt sei, dass die Redaktionsleitung im „Einzelfall“ Abweichungen aus redaktionellen Gründen anordnen, nachträglich anerkennen oder auf Wunsch des Redakteurs zulassen könne, bezögen sich diese Abweichungen nicht auf die Alleinzuweisung auf Dauer, sondern auf konkrete Einzelfälle im Sinne eines einzelnen Termins. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats dürfe durch die Delegation auf den Arbeitgeber nicht in seiner Substanz verletzt werden. Eine Vereinbarung, mit der dem Arbeitgeber im Kernbereich des Mitbestimmungstatbestandes die Letztentscheidungsbefugnis eingeräumt werde, sei unwirksam.

Im Übrigen stelle der Schichtwechsel von Frau K. eine Versetzung dar. Insoweit habe die Beteiligte zu 2 auch gegen das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gemäß § 99 BetrVG verstoßen.

Das Arbeitsgericht komme auch zu Unrecht zu dem Ergebnis, dass ein grober Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot nach dem AGG nicht vorliege. Es liege eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts vor.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrages des Beteiligten zu 1 im Beschwerdeverfahren wird auf seine Beschwerdebegründung vom 14. Oktober 2009 (Bl. 82 f. d. A.) sowie den Schriftsatz vom 29. Dezember 2009 (Bl. 149 f. d. A.) Bezug genommen.

Der Beteiligte zu 1 beantragt, nachdem die Beteiligte zu 2 im Verlauf des Beschwerdeverfahrens Frau K. mit Schreiben vom 30. November 2009 (Anlage Bt. 2 – 2) eine veränderte Arbeitszeit im redaktionellen Spätdienst von 14:00 Uhr bis 22:00 Uhr zugewiesen hat,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Hamburg vom 22.09.2009 zum Aktenzeichen 17 BvGa 1/09 abzuändern und der Beteiligten zu 2 aufzugeben, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,00 zu unterlassen, der Mitarbeiterin Lk. eine veränderte Arbeitszeit mit einem Beginn um 14:00 Uhr zuzuweisen, solange nicht die Zustimmung des Beteiligten zu 1 hierzu vorliegt oder durch die Einigungsstelle ersetzt worden ist.

Die Beteiligte zu 2 beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen und den Antrag des Beteiligten zu 1 aus dem Schriftsatz vom 29.12.2009 abzuweisen.

Die Beteiligte zu 2 verteidigt den Beschluss des Arbeitsgerichts und meint, der Beteiligte zu 2 habe sein Mitbestimmungsrecht hinsichtlich Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit durch Abschluss der Betriebsvereinbarung „Arbeitszeit Redakteure/innen Redaktion B. Hamburg“ vom 29. August 1995 wirksam ausgeübt und damit verbraucht. Einer weiteren Zustimmung des Betriebsrats habe es daher nicht bedurft. Im Übrigen sei Frau K., wie alle anderen Redakteure auch, Tendenzträgerin.

Die Beteiligte zu 2 macht weiter geltend, sie habe ihre Entscheidung nach billigem Ermessen getroffen. Der Vorwurf des angeblichen Verstoßes gegen das Gleichbehandlungsgesetz entbehre jeglicher Grundlage.

Der Beteiligte zu 1 könne die begehrte einstweilige Verfügung auch nicht auf § 101 BetrVG stützen, weil diese Norm eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung voraussetze. Im Übrigen habe die Beteiligte zu 2 mit Schreiben vom 03.November 2009 eine Unterrichtung des Beteiligten zu 1 gemäß § 99 BetrVG durchgeführt.

§ 23 Abs. 3 BetrVG scheide als weitere Anspruchsgrundlage aus, da das Tatbestandsmerkmal der groben Pflichtverletzung dann entfalle, wenn es um unterschiedliche Rechtsauffassungen der Beteiligten in schwierigen und ungeklärten Rechtsfragen gehe. Im Übrigen fehle es aber bereits an einer Pflichtverletzung.

Wegen der weiteren Ausführungen der Beteiligten zu 2 im Beschwerdeverfahren wird auf ihre Beschwerdeerwiderung vom 5. November 2009 (Bl. 116 f.) sowie den Schriftsatz vom 12. Januar 2010 (Bl. 159 f. d. A.) verwiesen.

Ergänzend wird auf das erstinstanzliche Vorbringen der Beteiligten nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.

II

1. Die Beschwerde des Beteiligten zu 1 ist zulässig. Sie ist gemäß § 87 Abs. 1 ArbGG statthaft und wurde gemäß § 87 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 66 Abs. 1 Satz 1, 89 ArbGG form- und fristgerecht eingelegt und begründet.

2. Die Beschwerde des Beteiligten zu 1 ist auch begründet. Das Arbeitsgericht hat zu Unrecht den Antrag des Beteiligten zu 1 auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.

a) Der Antrag ist im Beschlussverfahren zulässig (§ 2 a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG). Es handelt sich um eine Angelegenheit aus dem Betriebsverfassungsgesetz. Der Betriebsrat ist antragsbefugt (§ 81 ArbGG). Er macht eigene Rechte im Zusammenhang mit § 23 Abs. 3, 87 Abs. 1 Nr. 2, 99, 101 BetrVG und § 17 Abs. 2 AGG geltend.

b) Der Antrag ist auch begründet. Der Beteiligte zu 1 kann von der Beteiligten zu 2 im einstweiligen Verfügungsverfahren verlangen, es zu unterlassen, der Mitarbeiterin Lk. eine veränderte Arbeitszeit mit einem Beginn um 14:00 Uhr zuzuweisen, solange nicht die Zustimmung des Beteiligten zu 1 hierzu vorliegt oder durch die Einigungsstelle ersetzt worden ist. Der im einstweiligen Verfügungsverfahren im Beschlussverfahren (§ 85 Abs. 2 ArbGG) erforderliche Verfügungsanspruch ist gegeben (aa). Ferner liegt auch ein Verfügungsgrund vor (bb).

Im Einzelnen gilt Folgendes:

aa) Es besteht ein Verfügungsanspruch. Der Beteiligte zu 1 kann von der Beteiligten zu 2 die Unterlassung verlangen, der Arbeitnehmerin Lk. eine veränderte Arbeitszeit mit einem Beginn um 14:00 Uhr zuzuweisen, solange die Zustimmung des Betriebsrates hierzu nicht vorliegt oder durch die Einigungsstelle ersetzt worden ist.

Ein Betriebsrat kann bei groben Verstößen des Arbeitgebers gegen seine Verpflichtungen aus dem BetrVG beim Arbeitsgericht beantragen, dem Arbeitgeber aufzugeben, eine Handlung zu unterlassen, die Vornahme einer Handlung zu dulden oder eine Handlung vorzunehmen (§ 23 Abs. 3 Satz 1 BetrVG). Ein grober Verstoß im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn es sich um objektiv erhebliche und offensichtlich schwerwiegende Pflichtverletzungen handelt. Auf ein Verschulden des Arbeitgebers kommt es dabei nicht an. Auch eine einmalige Pflichtverletzung kann einen groben Verstoß darstellen. An einer groben Pflichtverletzung fehlt es jedoch, wenn der Arbeitgeber in einer schwierigen ungeklärten Rechtsfrage eine bestimmte, sich später als unzutreffend herausstellende Rechtsansicht vertritt (BAG, Beschluss vom 26. Juli 2005 – 1 ABR 29/04 -, AP Nr. 43 zu § 95 BetrVG 1972, zu B II 2 a aa der Gründe, m. w. N.).

Darüber hinaus steht einem Betriebsrat bei Verstößen gegen sein Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 BetrVG gegen den Arbeitgeber ein allgemeiner Unterlassungsanspruch zu (grundlegend: BAG, Beschluss vom 3. Mai 1994 – 1 ABR 24/93 -, AP Nr. 23 zu § 23 BetrVG 1972, zu B III der Gründe, seitdem ständige Rechtsprechung).

Dieser Anspruch wird allerdings in § 87 BetrVG nicht ausdrücklich geregelt. Unterlassungsansprüche können aber als selbständige, einklagbare Nebenleistungsansprüche auch ohne gesetzliche Normierung bestehen. Der Anspruch ergibt sich bei sozialen Angelegenheiten aus der besonderen Rechtsbeziehung, die zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat besteht. Das durch die Bildung des Betriebsrats kraft Gesetzes zustande kommende „Betriebsverhältnis“ ist einem gesetzlichen Dauerschuldverhältnis ähnlich. Es wird bestimmt durch die Rechte und Pflichten, die in den einzelnen Mitwirkungstatbeständen normiert sind, sowie durch wechselseitige Rücksichtspflichten, die sich aus § 2 BetrVG ergeben. Die Vorschrift enthält eine dem Grundsatz von Treu und Glauben im Sinne von § 242 BGB vergleichbare Konkretisierung des Gebots partnerschaftlicher Zusammenarbeit. Bei der Wertung der im Gesetz vorgesehenen Rechte kann daher aus dem allgemeinen Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit als Nebenpflicht grundsätzlich auch das Gebot abgeleitet werden, alles zu unterlassen, was der Wahrnehmung des konkreten Mitbestimmungsrechts entgegensteht. Daraus folgt allerdings noch nicht, dass jede Verletzung von Rechten des Betriebsrats ohne Weiteres zu einem Unterlassungsanspruch führt. Vielmehr kommt es auf die einzelnen Mitbestimmungstatbestände, deren konkrete gesetzliche Ausgestaltung und die Art der Rechtsverletzung an. Es ist daher nicht widersprüchlich, einen Unterlassungsanspruch bei Verstößen gegen § 87 Abs. 1 BetrVG zu bejahen, ihn aber im Zusammenhang mit der Mitbestimmung bei personellen Einzelmaßnahmen oder in wirtschaftlichen Angelegenheiten zu verneinen (BAG, Beschluss vom 3. Mai 1994 a. a. O., zu B III 1 der Gründe).

Der allgemeine Unterlassungsanspruch bei Verletzung von Mitbestimmungsrechten aus § 87 BetrVG setzt eine Wiederholungsgefahr voraus. Erforderlich ist eine ernstliche, sich auf Tatsachen gründende Besorgnis weiterer Eingriffe zur Zeit der letzten mündlichen Verhandlung. Dafür besteht allerdings grundsätzlich eine tatsächliche Vermutung, es sei denn, dass etwa die tatsächliche Entwicklung einen neueren Eingriff unwahrscheinlich macht (BAG, Beschluss vom 29. Februar 2000 – 1 ABR 4/99 – AP Nr. 105 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung, zu B II 2 a der Gründe).

Ein Betriebsrat kann auch verlangen, dass der unter Verletzung seines Mitbestimmungsrechts aus § 87 Abs. 1 BetrVG eingetretene Zustand beseitigt wird (Beseitigungsanspruch; erstmals: BAG, Beschluss vom 16. Juni 1998 – 1 ABR 68/97 – AP Nr. 7 zu § 87 BetrVG 1972 Gesundheitsschutz, zu B III der Gründe, seitdem ständige Rechtsprechung). Dieser Beseitigungsanspruch ist bei bereits eingetretener Beeinträchtigung das Gegenstück zum Unterlassungsanspruch. Eine betriebsverfassungswidrige Anweisung ist zwar unwirksam, ohne dass eine ausdrückliche Rücknahme erforderlich wäre. Die den auf künftige Handlungen gerichteten Unterlassungsanspruch tragenden Überlegungen erfordern aber folgerichtig einen entsprechenden Beseitigungsanspruch, falls das mitbestimmungswidrige Verhalten bereits vollzogen ist.

Vorliegend steht dem Betriebsrat, entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts ein Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch zu, weil die Beteiligte zu 2 das Mitbestimmungsrecht des Beteiligten zu 1 hinsichtlich Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen (§ 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG) durch die einseitige Anweisung gegenüber der Arbeitnehmerin Lk., die Arbeit regelmäßig im Spätdienst um 14:00 Uhr zu beginnen, verletzt hat. Nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG hat der Betriebsrat mitzubestimmen über Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen. Die Festlegung eines bestimmten oder geänderten Beginns der täglichen Arbeitszeit durch den Arbeitgeber ist grundsätzlich mitbestimmungspflichtig.

Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates entfällt auch nicht deshalb, weil die mitbestimmungspflichtige Festlegung des Beginns der täglichen Arbeitszeit von der Arbeitgeberin nur gegenüber einer einzelnen Arbeitnehmerin erfolgt ist.

Allerdings hat der Mitbestimmungstatbestand für die Regelung von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen grundsätzlich einen kollektiven Bezug. Zwar müssen nicht alle Arbeitnehmer eines Betriebes betroffen sein, wohl aber bestimmte Arbeitnehmergruppen. Dagegen fehlt es an einem kollektiven Tatbestand, wenn es sich um Maßnahmen oder Entscheidungen handelt, die nur einen Arbeitnehmer betreffen, weil es um dessen besondere persönliche Situation oder dessen Wünsche geht, etwa bei Veränderungen der Arbeitszeit wegen bestimmter öffentlicher Verkehrsverbindungen (Fitting u. a., BetrVG, 24. Auflage, § 87 Rn. 16, 113 f. m. w. N.).

Wie das Arbeitsgericht zutreffend ausführt, betrifft die durch die Beteiligte zu 2 erfolgte Festlegung eines regelmäßigen Arbeitsbeginns von 14:00 Uhr gegenüber der Arbeitnehmerin Lk. nur scheinbar die Regelung eines Einzelfalls. Vielmehr stellt die Arbeitgeberin selbst mit ihrer Begründung für diese Maßnahme den kollektiven Bezug zu einer Arbeitnehmergruppe her. Aus der Eidesstattlichen Versicherung ihres Redaktionsleiters ergibt sich, dass die Zuweisung des regelmäßigen Arbeitsbeginns von ursprünglich 13:30 Uhr, nunmehr 14:00 Uhr, auf Erwägungen beruht, die die gesamte Redaktion der Arbeitgeberin betreffen, mithin alle dort tätigen Arbeitnehmer. So führt der Redaktionsleiter vom Betriebsrat unbestritten aus, dass die Polizeiredaktion wegen der besonderen Nacht- und Wochenendeinsätze für die Arbeitnehmerin nicht zumutbar sei, der Reporterpool in der Lokalredaktion, der Gesellschaftsredaktion, im Politikressort und in der Wirtschaftsredaktion jeweils gut besetzt sei und kein Erweiterungsbedarf bestehe, dass dagegen der redaktionelle Spätdienst schwach besetzt sei und der dort tätige Rp. unerlässlich der Unterstützung bedürfe, da der bisher dort tätige Bp. altersbedingt Ende April 2009 ausgeschieden sei.

Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts hat der Betriebsrat sein Mitbestimmungsrecht hinsichtlich Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG in der vorliegenden Fallkonstellation nicht durch den Abschluss der „Betriebsvereinbarung Arbeitszeit Redakteure/innen Redaktion B. Hamburg“ vom 29. August 1995 wirksam ausgeübt und damit verbraucht.

Dies folgt weder aus Ziffer 1 Abs. 2 der Betriebsvereinbarung, dass die „Arbeitszeit“ in Dienstplänen unter Berücksichtigung der Regelungen in § 7 Abs. 2 MTV grundsätzlich auf 5 Tage pro Woche verteilt“ wird noch aus Ziffer 2, dass „die Dienstpläne … monatlich durch die Redaktionsleitung oder von ihr beauftragte Mitarbeiter/innen erstellt“ werden, wobei „ab dem 1. Mai 1995 die in Anlage 1 aufgeführten regelmäßigen Arbeitszeiten zugrunde zu legen“ sind. Der Betriebsrat hat mit der Vereinbarung dieser Regelungen nicht die endgültige Entscheidung über die Zuweisung einer bestimmten Arbeitszeitlage gegenüber den Arbeitnehmern im Rahmen des vereinbarten oder im beiderseitigen Einvernehmen tatsächlich gehandhabten Schichtsystems der Arbeitgeberin in zulässiger Weise überlassen.

Dies ergibt die Auslegung der o. g. Betriebsvereinbarung.

Die Auslegung von Betriebsvereinbarungen folgt wegen deren normativer Wirkung den Regeln über die Auslegung von Gesetzen. Auszugehen ist daher zunächst vom Wortlaut. Über den reinen Wortlaut hinaus ist der wirkliche Wille der Betriebsparteien zu berücksichtigen, soweit er in den Vorschriften seinen Niederschlag gefunden hat. Dabei sind insbesondere der Gesamtzusammenhang sowie der Sinn und Zweck der Regelung zu beachten. Bleiben hiernach noch Zweifel, so können ohne Bindung an eine bestimmte Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte oder auch eine tatsächliche Übung ergänzend herangezogen werden. Zudem ist die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, welche zu einer vernünftigen, sachgerechten, praktisch brauchbaren und gesetzeskonformen Regelung führt (BAG, Beschluss vom 1. Juli 2003 – 1 ABR 22/02 – AP Nr. 103 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit, zu B II 2 a der Gründe, ständige Rechtsprechung).

Gegen das Auslegungsergebnis des Arbeitsgerichts spricht bereits der Wortlaut der Betriebsvereinbarung, wonach die Redaktionsleitung oder von ihr beauftragte Mitarbeiter/innen die für die Zuweisung der jeweiligen Arbeitszeitlage erforderlichen Dienstpläne erstellen. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass in den Dienstplänen bei der Beteiligten zu 2 lediglich die An- und Abwesenheit der Mitarbeiter unter Berücksichtigung von Urlaubszeiten oder sonstigen freien Tagen geführt werden. Die Dienstpläne dienen nicht dazu, Schichten festzulegen, insbesondere nicht dazu, den Arbeitnehmern einzelne Schichten z.B. den Einsatz im „Normaldienst“ oder „Spätdienst“ zuzuweisen. Ebenfalls unstreitig ist, dass der „Normal- und Frühdienst“ sich auf den Arbeitsbeginn 09:00 Uhr egalisiert hat und einige wenige Mitarbeiter fest im Spätdienst beschäftigt sind. Ein Austausch zwischen Mitarbeitern im Normal- und Frühdienst und Mitarbeitern des Spätdienstes findet nicht statt, insbesondere nicht durch allein arbeitgeberseitig aufgestellte Dienstpläne.

Etwas anderes folgt auch nicht aus Ziffer 3 Satz 2 der Betriebsvereinbarung. Dort ist festgeschrieben, dass die Redaktionsleitung im „Einzelfall“ Abweichungen aus redaktionellen Gründen anordnen, nachträglich anerkennen oder auf Wunsch des/der Redakteurs/in zulassen kann. Diese Abweichungen beziehen sich nach Auffassung der Kammer bereits nach dem Wortlaut und der Systematik der Regelung auf einen konkreten Einzelfall im Sinne eines einzelnen Termins, z. B. einer Zuweisung eines anderen Arbeitszeitbeginns und -endes im Falle einer kurzfristigen Erkrankung eines/einer Redakteurs/Redakteurin in einer anderen Schicht. Ziffer 3 Satz 1 bestimmt nämlich, dass regelmäßig und grundsätzlich die

Betriebszeiten gemäß Anlage 1 der Betriebsvereinbarung einzuhalten sind. Der in Ziffer 3 Satz 2 genannte „Einzelfall“ meint daher nicht die einseitige Zuweisung eines veränderten Arbeitszeitbeginns in einer anderen Schicht auf Dauer. Ein Bedürfnis, aus betrieblichen Gründen Schichtwechsel einer oder mehrerer Redakteure/innen ständig durchzuführen, ist, wie deren Zuordnung zu den Redaktionen, die nicht durchlässig sind, zeigt, nicht gegeben und wird von der Beteiligten zu 2 auch nicht behauptet. Der Beteiligte zu 1 weist insoweit zutreffend auf die Argumentation der Beteiligten zu 2 hin, dass sie Redakteure aufgrund der bestehenden festen Kontakte und Informationsquellen bestimmten Ressorts und damit bestimmten Schichten zuordne.

Soweit das Arbeitsgericht meint, das von ihm angenommene Auslegungsergebnis werde durch die Systematik der Betriebsvereinbarung bestätigt, nach der in Ziffer 2 Abs. 2 dem Betriebsrat lediglich das Recht eingeräumt wird, dass die von der Redaktionsleitung oder von den von ihr beauftragten Mitarbeitern erstellten Dienstpläne dem Betriebsrat auf Verlangen fünf Tage vor ihrem jeweiligen In-Kraft-Treten zur Verfügung zu stellen sind und weitergehende Rechte des Betriebsrats, etwa Zustimmungserfordernisse, nicht enthalten seien, vermag die Kammer dieser Auffassung nicht zu folgen. Davon abgesehen, dass, wie oben ausgeführt, die dauerhafte Zuweisung eines veränderten Arbeitsbeginns und -endes nicht Inhalt der Dienstpläne bei der Beteiligten zu 2 ist, wird mit der Vorlage der Dienstpläne dem Betriebsrat ja gerade kein Recht eingeräumt, dem Dienstplan zu widersprechen oder die Zustimmung zu entziehen.

Wollte man anderer Auffassung sein, wäre die in der Betriebsvereinbarung getroffene Regelung unwirksam. Das Mitbestimmungsrecht darf durch die Delegation der Entscheidung auf den Arbeitgeber nicht in seiner Substanz verletzt werden. Dies ist immer dann der Fall, wenn der Betriebsrat pauschal und ohne Beschränkung dem Arbeitgeber seine Mitbestimmungsbefugnisse einräumt und der Arbeitgeber sie so ausübt, wie er dies für erforderlich erachtet. Der Betriebsrat kann sein Mitbestimmungsrecht nicht in der Weise ausüben, dass er dem Arbeitgeber das alleinige Gestaltungsrecht über den mitbestimmungspflichtigen

Tatbestand eröffnet (BAG, Urteil vom 3. Juni 2003 – 1 AZR 349/02 – NZA 2003, 1155, 1159; GKK-Klebe, BetrVG, 10. Aufl. § 87 Rn. 39). Das Mitbestimmungsrecht ist daher nur in den Fällen gewahrt, in denen die Betriebsvereinbarung detaillierte Regelungen über die mit der einseitigen Anordnungsbefugnis des Arbeitgebers verbundenen Verfahrens- und Verteilungsmodalitäten enthält.

Dies ist vorliegend nicht der Fall. Folgte man der Auslegung des Arbeitsgerichts, dass der Beteiligten zu 2 durch die Betriebsvereinbarung ein Alleinentscheidungsrecht eingeräumt ist, Arbeitnehmern schichtübergreifend Dienste zuzuweisen, fehlt es an einer Regelung der Voraussetzungen für die Alleinentscheidungsbefugnis in der Betriebsvereinbarung. Dauerregelungen wie im Fall der Frau K. unterfallen jedoch schon dem Wortlaut nach nicht der Betriebsvereinbarung.

Nach allem enthält die Betriebsvereinbarung keine Regelung dahingehend, dass der Arbeitgeber mit Aufstellung der Dienstpläne – ohne Beachtung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats – einen dauerhaften Wechsel der Mitarbeiter von dem Früh- bzw. Normaldienst in den Spätdienst vornehmen kann. Hinsichtlich der Arbeitnehmerin Frau K. liegt jedoch ein einseitig angewiesener dauerhafter Wechsel von dem Früh- bzw. Normaldienst in den Spätdienst vor.

Insoweit kann die Beteiligte zu 2 auch nicht damit argumentieren, dass Frau K. im Rahmen ihrer Redakteurstätigkeit im Früh- bzw. Normaldienst auch gelegentlich Abendveranstaltungen besucht hat, z. B. Premierenfeiern. Nach ihrer eidesstattlichen Versicherung hat Frau K. vor ihrer Elternzeit jeden Tag pünktlich um 09:00 Uhr in der Redaktion ihren Dienst angetreten und hat bis 17:00 Uhr gearbeitet. Auch aus der eidesstattlichen Versicherung des Redaktionsleiters Herrn O. ist nicht zu entnehmen, dass die Arbeitnehmerin Spätdienste im Sinne der Betriebsvereinbarung, Anlage 1 wahrgenommen hat. Die Teilnahme an abendlichen Premierenfeiern, Galas, Theatervorstellungen waren lediglich Überstunden, die sie zusätzlich zu ihrem normalen Frühdienst wahrgenommen hat. Regelmäßig im Spätdienst war die Arbeitnehmerin auch nach dem Vortrag der Beteiligten zu 2 nicht eingesetzt.

Nach allem hat die Beteiligte zu 2 mit der Umsetzung von Frau K. von dem Früh- bzw. Normaldienst in den Spätdienst das Mitbestimmungsrecht des Beteiligten zu I verletzt.

Die Beteiligte zu 2 kann sich auch insoweit auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass vorliegend der bestehende Tendenzschutz (§ 118 BetrVG) die Mitbestimmung bei der Verteilung der Arbeitszeit beschränke.

Wie das BAG bereits mit Beschluss vom 14. Januar 1992 (- 1 ABR 35/91 – EzA BetrVG 1972 § 118, Nr. 59) zutreffend ausgeführt hat, wird das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats durch § 118 Abs. 1 BetrVG nur dann ausgeschlossen, wenn es sich um eine tendenzbezogene Maßnahme handelt und die geistig ideelle Zielsetzung des Unternehmens und deren Verwirklichung durch die Beteiligung des Betriebsrates verhindert oder jedenfalls ernstlich beeinträchtigt werden kann. Dementsprechend reicht die Tatsache, dass es sich bei dem Betrieb der Arbeitgeberin um einen Tendenzbetrieb handelt und die Redakteure Tendenzträger sind, für den Ausschluss des Beteiligungsrechts des Betriebsrats nicht aus. Durch die Vorschrift des § 118 Abs. 1 BetrVG soll das Grundrecht der Pressefreiheit des Verlegers geschützt werden. Die Pressefreiheit des Verlegers und damit auch seine Freiheit, die Tendenz seiner Zeitschrift festzulegen, beizubehalten, zu ändern und diese Tendenz zu verwirklichen, soll vor einer Beeinträchtigung durch betriebliche Mitbestimmungsrechte abgeschirmt werden. Die Beteiligungsrechte des Betriebsrats in Presseunternehmen müssen daher nur insoweit zurücktreten, wie durch ihre Ausübung die Freiheit des Verlegers zur Tendenzbestimmung und Tendenzverwirklichung ernsthaft beeinträchtigt und damit das Grundrecht der Pressefreiheit verletzt werden kann (BAG, Beschluss vom 30. Januar 1990 – 1 ABR 101/88 – EzA BetrVG 1972 § 118 Nr. 50 und vom 8. Mai 1990 – 1 ABR 33/89 – EzA BetrVG 1972 § 118 Nr. 52). Da es zunächst um den wertneutralen Arbeitsablauf des Betriebes geht, kommt eine Einschränkung der Mitbestimmungsrechte in sozialen Angelegenheiten nur in Ausnahmefällen in Betracht (vgl. nur Beschluss des BAG vom 6. November 1990 – 1 ABR 88/89 – zu II 1 a der Gründe). Dementsprechend hat das BAG mit Beschluss vom 22. Mai 1979 – (1 ABR 100/77 – AP Nr. 13 zu § 118 BetrVG 1972) in einem Falle, indem der Arbeitgeber wegen der beabsichtigten Erweiterung einer Zeitschrift um zwei aktuelle Farbseiten auch für Redakteure vorübergehend Sonntagsarbeit anordnete, ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates bejaht. Zur Begründung hat das BAG ausgeführt, aus der Tatsache, dass Redakteure eines Zeitschriftenverlages so genannte Tendenzträger seien, folge nicht, dass jede ihre Arbeitszeit betreffende Anordnung des Arbeitgebers eine tendenzbezogene und deshalb mitbestimmungsfreie Maßnahme sei. Gehe es nur darum, den Einsatz der Redakteure dem technisch organisatorischen Ablauf des Herstellungsprozesses der Zeitschrift anzupassen, ohne dass dabei besondere tendenzbedingte Gründe, wie etwa die Aktualität der Berichterstattung, eine Rolle spielen, müsse wegen der Eigenart des Presseunternehmens das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nicht zurücktreten. Das BAG hat zwar mit Beschluss vom 14. Januar 1992 (a.a.O.) ausgeführt, dass es dem Verleger vorbehalten bleiben muss, solche für die Arbeitszeit der Redakteure erheblichen Entscheidungen unbeeinflusst vom Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats zu treffen, durch die die Aktualität der Berichterstattung berührt wird. Zur Tendenzautonomie gehörten beispielsweise die Festlegung der Redaktionszeiten, die Zeitvorgaben für den Redaktionsschluss, Lage und Umfang von Redaktionskonferenzen, die Entscheidung über die regelmäßige Wochenendarbeit und die Entscheidung, dass ein Redakteur bzw. eine Gruppe von Redakteuren eine bestimmte Arbeitszeit haben, damit die Gestaltung einzelner Themen gewährleistet bleibt. Es hat jedoch angenommen, dass ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats verbleibt, soweit im Rahmen der tendenzbezogenen Zeitvorgaben die Arbeitszeiten technisch-organisatorisch umgesetzt werden, d. h. die wöchentliche Arbeitszeit auf die mitbestimmungsfrei festgelegte Redaktionszeit verteilt wird, etwa durch Dienst- und Schichtpläne. Allein der Umstand, dass die Aktualität einer Berichterstattung auch von der Lage der Arbeitszeit derjenigen Arbeitnehmer abhängt, die an dieser Berichterstattung mitwirken, führt noch nicht dazu, dass das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates hinsichtlich der Lage der Arbeitszeit dieser Arbeitnehmer entfällt. Erst die konkrete mitbestimmte Regelung über die Lage der Arbeitszeit, die eine aktuelle Berichterstattung ernsthaft gefährdet oder unmöglich macht, ist von dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nicht mehr gedeckt und daher unwirksam (Beschluss des BAG vom 11. Februar 1992 – 1 ABR 49/91 – EzA BetrVG 1972 § 118 Nr. 60). Bei Beginn und Ende der Arbeitszeit der Redakteure geht es zunächst und weitgehend um wertneutrale Entscheidungen in Bezug auf die Organisation des Arbeitsablaufes im Betrieb. Schon von daher kommt eine Einschränkung des Mitbestimmungsrechts in sozialen Angelegenheiten, also auch bei Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit von Redakteuren, nur in Ausnahmefällen in Betracht. Auch mitbestimmte Regelungen über Beginn und Ende der Arbeitszeit von Redakteuren haben zunächst einen Bezug auf diese Organisation des Arbeitsablaufes. Wenn insoweit der Arbeitgeber in seiner Entscheidung nicht mehr frei ist und die vom Betriebsrat vertretenen Interessen der Redakteure an der zeitlichen Lage ihrer Arbeitszeit mitberücksichtigen muss, wird dadurch allein eine Aktualität der Berichterstattung und damit die Tendenzverwirklichung noch nicht ernsthaft beeinträchtigt oder behindert (BAG vom 11. Februar 1992 a.a.O., m.w.N.).

Dazu, dass es vorliegend, nachdem die Beteiligte zu 2 die sich aus der Anlage 1 der Betriebsvereinbarung ergebenden Arbeitszeiten für Redakteure in den einzelnen Schichten im Einvernehmen mit dem Betriebsrat festgelegt hat, bei der Mitbestimmung des Betriebsrats über die Umsetzung einer Redakteurin von dem Normal- in den Spätdienst zu einer Tendenzbeeinträchtigung kommen könnte, hat die Beteiligte zu 2 keine konkreten Angaben gemacht. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats würde vorliegend nur entfallen, wenn durch die Versetzung von Frau K. von der Früh- bzw. Normalschicht in die Spätschicht die Aktualität der Berichterstattung nicht gewahrt werden könnte und jeder andere Arbeitsbeginn und jedes andere Arbeitsende diese Aktualität ernstlich beeinträchtigen würde. Dafür ergibt das Vorbringen der Beteiligten zu 2 keine tatsächlichen Anhaltspunkte.

bb) Da die Beteiligte zu 2 somit nach Auffassung der Kammer durch die Zuweisung einer dauerhaften Tätigkeit im Spätdienst gegenüber Frau K. gegen das Mitbestimmungsrecht des Beteiligten zu 1 gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG verstoßen hat, kann dahinstehen, ob der Betriebsrat die begehrte Unterlassung auch nach dem allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verlangen kann bzw. ob ihm ein Unterlassungsanspruch nach § 23 Abs. 3 BetrVG gegen die Beteiligte zu 2 zusteht.

cc) Dem Betriebsrat steht für die begehrte einstweilige Verfügung auch ein Verfügungsgrund zur Seite. Ein Verfügungsgrund liegt vor, wenn objektiv die Gefahr besteht, dass ohne die begehrte einstweilige Regelung die Verwirklichung des Rechts, das Gegenstand des Verfügungsanspruchs ist, bis zur Verkündung (oder bei nichtvermögensrechtlichen Streitigkeiten, wie vorliegend, bis zur Rechtskraft, § 85 Abs. 1 S. 2 ArbGG) einer Hauptsacheentscheidung vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (§ 935 ZPO). Dies ist bei der Verletzung von Mitbestimmungsrechten in sozialen Angelegenheiten regelmäßig der Fall, wenn der Betriebsrat ohne einstweilige Verfügung einen mitbestimmungswidrigen Zustand über sehr lange Zeit, nämlich bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Beschlussverfahren dulden müsste. Auf der anderen Seite schaffen einstweilige Verfügungen für die Vergangenheit regelmäßig einen irrevisiblen Zustand. Für den Erlass einer einstweiligen Verfügung zur Sicherung von Mitbestimmungsrechten kommt es daher nicht darauf an, ob dem Betriebsrat die Ausübung seiner Beteiligungsrechte ganz oder jedenfalls für die Vergangenheit unmöglich gemacht wird, – das wird immer der Fall sein -, sondern darauf, ob für die Zeit bis zum In-Kraft-Treten einer mitbestimmten Regelung der damit bezweckte notwendige Schutz der Arbeitnehmer unwiederbringlich vereitelt wird (so Erfurter Kommentar -Eisemann/Koch, 9. Aufl., § 85 ArbGG Rn. 6; Germelmann/Matthes/Prütting-Müller-Glöge, ArbGG, 6. Aufl., § 85 Rn. 37; Matthes Festschrift Dieterich Seite 355, 357 f. Henssler/Willemsen/Kalb-Bepler, Arbeitsrechtskommentar, 3. Aufl., § 85 ArbGG Rn. 13). Diese Voraussetzung ist vorliegend gegeben. Die Mitbestimmungsrechte des Beteiligten zu 1 würden im Hinblick auf den Schutz der Arbeitnehmerin Frau K. unwiederbringlich vereitelt, wenn diese bis zum Abschluss einer mitbestimmten Regelung, ggf. im Rahmen eines Einigungsstellenverfahrens, zunächst im Spätdienst als Redakteurin tätig werden müsste.

Nach allem war die Beschwerde des Beteiligten zu 1 erfolgreich.

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