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Betriebsratsauflösung – grobe Verletzung der gesetzlichen Pflichten des Betriebsrats

ArbG Stuttgart, Az.: 22 BV 13/13

Beschluss vom 24.07.2013

Der Betriebsrat der …………wird aufgelöst.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Auflösung des Betriebsrats sowie hilfsweise über den Ausschluss des Betriebsratsmitglieds und Betriebsratsvorsitzenden H. J. Z. aus dem Betriebsrat.

Die Beteiligte Ziff.1, die IG Metall, ist Einzelgewerkschaft für die Branchen Metall/Elektro, Stahl, Textil/Bekleidung, Holz und Kunststoff sowie Information und Kommunikation. Die Beteiligte Ziff. 1 ist in dem Betrieb in W. durch Mitglieder vertreten. Zwei Betriebsratsmitglieder sind in der IG Metall organisiert.

Der Beteiligte Ziff.2 ist der im Betrieb der Beteiligten Ziff. 3 in W. bestehende 17-köpfige Betriebsrat. Der Beteiligte Ziff. 4 ist der Vorsitzende des Betriebsrates. Die Beteiligte Ziff.3 betreibt ein Unternehmen mit Hauptsitz in W. zur Herstellung von Hochdruckreinigern. Die Beteiligte Ziff.3 betreibt weitere Betriebe in B., in O., in I. sowie in G.. Insgesamt sind bei der Beteiligten Ziff.3 ca. 8.700 Arbeitnehmer beschäftigt. Hiervon sind ca. 1.900 Arbeitnehmer im Betrieb in W. beschäftigt.

Betriebsratsauflösung - grobe Verletzung der gesetzlichen Pflichten des Betriebsrats
Symbolfoto: Minerva Studio/Bigstock

Der erste Bevollmächtigte der Beteiligten Ziff.1, F., wandte sich mit Schreiben vom 22.2.2012 (Aktenblatt 13 f.) an den Beteiligten Ziff.2 und bot seine Unterstützung an. Weil eine Reaktion des Beteiligten Ziff.2 hierauf nicht erfolgte, wandte sich der Bevollmächtigte mit Schreiben vom 12.7.2012 erneut an den Betriebsrat, diesmal an den Vorsitzenden, den Beteiligten Ziff. 4, persönlich (Aktenblatt 15). In der Folge kam es zu Treffen und Gesprächen zwischen dem Beteiligten Ziff.4 und dem ersten Bevollmächtigten der Verwaltungsstelle Wa. der Beteiligten Ziff.1. Mit Schreiben vom 19.9.2012 (Aktenblatt 16) teilte der Vorsitzende der Beteiligten Ziff. 2 sodann mit, dass er die nächste Betriebsversammlung noch im gleichen Jahr für die Kalenderwoche 43 oder 44 plane. Weiter teilte er dem ersten Bevollmächtigten der Beteiligten Ziff. 1 mit, dass sobald der genaue Ort und der Termin feststehe, er diesem eine Einladung mit der Tagesordnung zusenden werde. Weitere Betriebsversammlungen seien in diesem Jahr noch keine geplant.

Mit Schreiben vom 25.9.2012 antwortete der Bevollmächtigte F. hierauf dem Betriebsratsvorsitzenden und erinnerte diesen an die Zusage, ihn vor der anvisierten Betriebsversammlung auch zu einer Betriebsratssitzung einzuladen (Aktenblatt 17).

Der Beteiligte Ziff. 2 teilte durch „Sonderinformation des Betriebsrats“ im September 2012 der Belegschaft mit (Aktenblatt 18):

“ Liebe Kolleginnen und Kollegen,

mit diesem Aushang möchten wir Sie über eine Entwicklung in unserem Unternehmen informieren.

Der Vorsitzende des Betriebsrates W. wurde von dem ersten Bevollmächtigten der IG Metall Bezirk Wa. angeschrieben. In dem Schreiben informierte er, dass er an der nächsten Betriebsversammlung der Firma K., die standortbezogenen stattfindet, teilnehmen möchte und bat um Nennung eines Termins.

Laut Betriebsverfassungsgesetz hat ein Beauftragter der Gewerkschaft das Recht an Betriebsversammlungen teilzunehmen, wenn mindestens ein Mitarbeiter Mitglied der entsprechenden Gewerkschaft ist. Weiter hat der Vertreter der Gewerkschaft ein Rede –/Fragerecht im Rahmen der Tagesordnung der Betriebsversammlung. Somit kann er die angesprochenen Themen aus Sicht der Gewerkschaft darstellen.

Der Vorsitzende des Betriebsrates ist derzeit mit der Geschäftsführung über die Abhaltung einer Betriebsversammlung am Standort im Gespräch.

Sobald wir nähere Informationen zu diesem Thema haben, werden wir Sie erneut informieren.“

Im vom Betriebsrat W. geführten Protokoll vom 17.1.2012 wurde festgehalten, dass „unsere Betriebsversammlung“ am 30.11.2012 stattfinde (ABl. 71). Am 24.4.2012 wurde im Protokoll festgehalten, dass „unsere diesjährige Betriebsversammlung“ auf den 23.11.2012 verlegt werde (ABl.73).

Mit Hausmitteilung Nr.31/2012 vom 3.8.2012 (ABl. 137) teilte die Geschäftsleitung, vertreten durch den Geschäftsführer J. und den Prokuristen B. sowie das Gesamtbetriebsratsmitglied D., das nicht Mitglied des Betriebsrats W. ist, unter der Überschrift „Betriebsversammlung und K.-Feier“ mit, dass „unsere diesjährige Betriebsversammlung und die anschließende K.-Feier“ am Freitag, 23. November 2012 ab 18 Uhr auf der Landesmesse Stuttgart in Leinfelden-Echterdingen stattfinde.

Mit weiterer Hausmitteilung Nr. 69/2012 vom 15.10.2012 lud der Gesamtbetriebsrat, vertreten durch den Beteiligten Ziff.4, gemeinsam mit der Unternehmensleitung der Beteiligten Ziff.3 unternehmensweit zur „K. Jahresfeier 2012“ auf Freitag, den 23.11.2012, ab 18:00 Uhr in die Halle 9 der Landesmesse Stuttgart ein. Als Programmpunkte waren gemäß der Hausmitteilung Nr. 69/ 2012 folgende Punkte vorgesehen:

18:00 Uhr Beginn der Jahresfeier mit Ansprachen, Abendessen, Unterhaltungsprogramm und Tanzmusik

2:00 Uhr Ende der Veranstaltung

Adressat dieser Hausmitteilung waren alle Beschäftigten der Beteiligten Ziff. 3 im gesamten Bundesgebiet. Auf den weiteren Inhalt der Einladung (Aktenblatt 21) wird vollinhaltlich Bezug genommen. An der Veranstaltung nahmen die Mitarbeiter der deutschen Standorte der Beteiligten Ziff.3 und deren deutschen Tochtergesellschaften teil.

Mit E-Mail vom 23.10.2012 beantragte der erste Bevollmächtigte der Beteiligten Ziff.1 für den Bezirk Wa. die Einberufung einer Betriebsversammlung (Aktenblatt 23f.). Mit E-Mail vom 5.11.2012 antwortete der Vorsitzende der Beteiligten Ziff.2, dass die Versammlung am 11.12.2012 um 14:00 Uhr in der H.- S.- Halle in W. stattfinden würde (Aktenblatt 23). Dieser Mitteilung an die Beteiligte Ziff. 1 lag kein Betriebsratsbeschluss zu Grunde. Eine Einladung der Belegschaft zu dieser Betriebsversammlung fand nicht statt. Vom Betriebsrat wurde jedoch die Absage der Versammlung beschlossen. Diese Absage wurde der Beteiligten Ziff. 1 mit E-Mail vom 26.11. 2012 mitgeteilt (Aktenblatt 27).

Mit Schreiben vom 3.12.2012 teilte die Beteiligte Ziff.1 dem Beteiligten Ziff.2 mit, dass der Betriebsrat mit diesen Handlungen seine Pflichten aus dem Betriebsverfassungsgesetz grob verletzt habe und setzte ihm eine nochmalige Frist zur Einberufung einer Betriebsversammlung bis zum 17.12.2012 (Aktenblatt 28). Der Betriebsratsvorsitzende antwortete mit Schreiben vom 17.12.2012 dahingehend, dass der Betriebsrat der Ansicht sei, eine Betriebsversammlung durchgeführt zu haben (Aktenblatt 29).

Laut veröffentlichtem Redeauszug (Aktenblatt 30) der auf der Jahresfeier vom 23.11.2013 gehaltenen Rede des Beteiligten Ziff. 4, Vorsitzenden des Betriebsrats, äußerte sich dieser unter anderem wie folgt:

„(…) nun möchte ich ein Thema ansprechen, dass mich die letzten Monate sehr intensiv beschäftigt hat. Ein Vertreter der IG-Metall möchte Einfluss auf unsere Firma nehmen und ebenso an unserem Erfolg als Weltmarktführer teilhaben.

Falls das gelingt, wird sich das auf unsere K.kultur auswirken und sie verändern.

Das muss uns allen klar sein.

(…)

Wir werden gemeinsam einen Weg gehen, der nicht einfach ist, der uns auch zum Nachdenken bringt, aber der der richtige ist. Ich sage Ihnen hier und heute. Wir brauchen keine dritte Kraft in unserem Unternehmen: Wir stehen für eine Betriebsratsarbeit ohne IG-Metall. Alles, was wir in den 77 Jahren erfolgreich aufgebaut haben, wurde durch uns gemeinsam erreicht, nicht durch eine dritte außenstehende Kraft, die jetzt an unserem Erfolg teilhaben möchte.

Aus diesem Grund wird die von der IG-Metall Wa. geforderte und weitere Betriebsversammlung nicht stattfinden. Der Betriebsrat steht für die lang gelebte K.kultur. Den Kritikern, die meinen, man kann das doch einmal ausprobieren, um zu sehen, was da kommt, sage ich:

Mit uns und unserer gelebten Kultur werden keine Experimente gemacht.

(…)“

Entsprechend dieser Ankündigung erhielt die Beteiligte Ziff.1 keine Einladung. Auch im ersten Kalenderhalbjahr 2013 wurden durch den Betriebsrat weder Betriebsversammlungen noch Abteilungsversammlungen einberufen.

Der Beteiligte ZIff.2 hat im Wesentlichen ausgeführt, dass der Betriebsrat die Arbeitnehmer monatlich informiere. Darüber hinaus würden Informationsveranstaltungen bei speziellen Themen für die betroffenen Mitarbeiter stattfinden (z.B. neues Arbeitszeitmodell, Umzüge, Problematik an Arbeitsplätzen, Mitarbeiterbefragung). Der Betriebsrat habe allein im ersten Halbjahr 2012 fünf Informations- und Mitarbeiterveranstaltungen in den Werken des Betriebs W. zum Thema Arbeitszeitmodell und IT durchgeführt, im zweiten Halbjahr 2012 drei entsprechende Veranstaltungen. Im Januar 2012 habe der Beteiligte Ziff.2 sechs solcher Veranstaltungen für die Mitarbeiter des Betriebs W. durchgeführt, im Februar 2013 drei, im April 2013 insgesamt sieben Informationsveranstaltungen. Der Gesamtbetriebsrat informiere ebenfalls zu Themen der Gesamtbetriebsratssitzungen der jeweils letzten vier Monate. Die Aushänge des Betriebsrates erfolgten in zehn Schaukästen auf dem Werksgelände und den Außenbereich der Beteiligten Ziff. 3. Im Intranet würden auf einer eigenen Seite des Beteiligten Ziff. 2 Informationen und Aushänge veröffentlicht. Das Betriebsratsbüro sei ständig von 8:00 Uhr bis 17:00 Uhr besetzt. Der Beteiligte Ziff. 2 habe im Jahr 2010 eine wöchentliche Sprechstunde installiert, die wegen fehlender Nachfrage wieder geschlossen worden sei. Der Beteiligte Ziff.2 ist zuletzt der Ansicht gewesen, es sei eine Frage der rechtlichen Würdigung, ob die Mitarbeiter-Informationsveranstaltungen Abteilungsversammlungen seien.

Vor allem ist der Beteiligte Ziff.2 der Ansicht, dass die Jahresfeier am 23. 11. 2012 eine Betriebsversammlung für den Betrieb W. der Beteiligten Ziff.3 gewesen sei. Bei der Veranstaltung sei ein Tätigkeitsbericht des Gesamtbetriebsratsvorsitzenden und des Vorsitzenden der Beteiligten Ziff.2 sowie ein Bericht zur wirtschaftlichen Lage des Unternehmens der Beteiligten Ziff.3 erteilt worden.

Der Beteiligte Ziff.3 ist im Wesentlichen der Ansicht, dass eine grobe Verletzung der Pflichten durch den Beteiligten Ziff.2 nicht vorliege. Das Betriebsverfassungsgesetz lege einen Schwerpunkt auf das Verhältnis der Betriebsparteien untereinander. Eine Gewerkschaft könne einen Auflösungsantrag nur dann stellen, wenn eine nachhaltige Störung des Betriebsfriedens bzw. die Erschütterung des Vertrauens zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber bzw. Betriebsrat und Belegschaft eingetreten sei. Ansonsten sei eine Gewerkschaft nur antragsberechtigt, wenn sie in eigenen Rechten verletzt worden sei. Eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft könne nach der gesetzlichen Konzeption lediglich eine Betriebsversammlung im Kalenderjahr durchsetzen. Entsprechend könne sie einen Auflösungsantrag auch nur dann stellen, wenn insoweit die Pflichten verletzt worden seien. Es hätten im ersten Kalenderhalbjahr 2013 eine Vielzahl von Abteilungsversammlungen stattgefunden. Es gebe darüber hinaus keine ausdrücklichen gesetzlichen Anforderungen an eine Betriebsversammlung oder Abteilungsversammlung. Die in der Literatur erörterten und gegebenenfalls erzwingbaren Regularien einer Betriebsversammlung seien nicht dazu geeignet, die Rechtsnatur einer vom Betriebsrat einberufenen Betriebsversammlung grundsätzlich in Frage zu stellen, sofern nicht ein Konflikt mit dem Arbeitgeber bestehe. Die Verneinung einer Betriebsversammlung könne dazu führen, dass die teilnehmenden Arbeitnehmer auf Grund formaler Mängel ihren Anspruch auf Vergütung gemäß § 44 Abs.1 Satz 2 BetrVG verlören. Die Nichtöffentlichkeit einer Betriebsversammlung könne nicht in Frage gestellt werden, wenn Arbeitgeber und Betriebsrat einvernehmlich über die Teilnehmer entschieden. Die Mitarbeiter seien mit Aushang vom 15.10.2012 über die Tagesordnung informiert worden.

Der Beteiligte Ziff.1 hat zuletzt beantragt:

Der Betriebsrat des Betriebes………….. wird aufgelöst.

Hilfsweise:

Das Betriebsratsmitglied …wird aus dem Betriebsrat ausgeschlossen.

Die Beteiligten Ziff.2 – 4 haben beantragt, die Anträge zurückzuweisen.

II.

1. Der Antrag der IG Metall ist zulässig.

Die Antragsbefugnis der Gewerkschaft ergibt sich aus § 23 Absatz 1 BetrVG. Danach kann eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft die Auflösung des Betriebsrates wegen grober Verletzung seiner gesetzlichen Pflichten beantragen. Unerheblich ist, ob ein Mitglied des Betriebsrates der Gewerkschaft angehört, da das Antragsrecht nach § 23 Absatz 1 BetrVG der Einhaltung bzw. der Wiederherstellung der betriebsverfassungsrechtlichen Ordnung dient, unabhängig davon, ob es sich bei den Betriebsratsmitgliedern um Gewerkschaftsangehörige handelt oder nicht (BAG, Beschluss vom 22.06.1993 – 1 ABR 62/92).

Der Arbeitgeber war am Verfahren zu beteiligen. Nach § 83 Absatz 3 ArbGG sind in dem Verfahren der Arbeitgeber, die Arbeitnehmer und die Stellen zu hören, die nach materiellem Recht beteiligt sind. Aus dieser Vorschrift entnimmt die h. M. in der Literatur und die Rechtsprechung, dass der Arbeitgeber in jedem Beschlussverfahren Beteiligter ist (BAG aaO m.w.N.).

2. Der zulässige Hauptantrag ist begründet.

Der Betriebsrat des Betriebs Winnenden ist aufzulösen. Der Beteiligte Ziff. 2 hat durch seine beharrliche Weigerung Betriebsversammlungen im Betrieb in W. durchzuführen, bzw. auf Antrag der Beteiligten Ziff.1 eine Betriebsversammlung anzuberaumen, seine Pflichten gemäß § 42 i.V.m. § 43 BetrVG im Sinne des § 23 Abs. 1 BetrVG grob verletzt. Darüber hinaus hat der Betriebsrat gegen seine Pflicht zum Zusammenwirken mit einer im Betrieb vertretenen Gewerkschaft grob verstoßen.

a) Die Ansicht der Beteiligten Ziff.3, die Gewerkschaft dürfe ihren Antrag zur Auflösung des Betriebsrats bei fehlendem Konflikt der Betriebsparteien nur auf Gründe stützen, soweit sie in eigenen Rechten verletzt sei, findet im Gesetz keine Stütze. Gemäß § 23 Abs.1 BetrVG kann eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft beim Arbeitsgericht den Ausschluss eines Mitglieds aus dem Betriebsrat oder die Auflösung des Betriebsrats wegen grober Verletzung seiner gesetzlichen Pflichten beantragen. Dieses Antragsrecht gibt den im Betrieb vertretenen Gewerkschaften zwar kein allgemeines Überwachungsrecht gegenüber dem Betriebsrat; es besteht aber uneingeschränkt, wenn der Betriebsrat oder ein Betriebsratsmitglied Amtspflichten grob verletzt hat. Es ist nicht ersichtlich, dass das Antragsrecht dadurch begrenzt sei, dass sich ein wie immer gearteter innerbetrieblicher Konflikt über den groben Verstoß entzündet hat. Nicht nur ist dieses Merkmal kaum rechtlich fassbar, sondern auch tatsächlich schwer feststellbar. Im Übrigen kommt es nicht darauf an, ob Arbeitgeber und Betriebsrat möglicherweise übereinstimmend grobe Verstöße von gesetzlichen Pflichten des Betriebsrats billigen und ohne innerbetrieblichen Konflikt bereit sind hinzunehmen.

Dies gilt auch für die Fälle der Nichteinhaltung der gesetzlichen Pflichten zur Abhaltung von Betriebsversammlungen/Abteilungsversammlungen. Auch in diesen Fällen kann sich ein grober Verstoß, der durch eine Gewerkschaft gerügt werden kann, nicht nur dann ergeben, wenn die Pflicht zur Einberufung einer Betriebsversammlung aus § 43 Abs.4 BetrVG verletzt wurde, sondern auch dann, wenn Betriebsversammlungen ansonsten nicht, oder nicht ordnungsgemäß durchgeführt werden. Denn die Gewerkschaft ist nicht verpflichtet, ihr Antragsrecht nach § 43 Abs.4 BetrVG vorab auszuüben. Es ist dem Gesetz nicht zu entnehmen, dass ein grober Verstoß, der durch die Gewerkschaft geltend gemacht werden kann, erst dann bestehe, wenn das Antragsrecht der Gewerkschaft verletzt sei.

b) Der Beteiligte Ziff.2 hat seine gesetzlichen Pflichten verletzt.

aa) Gemäß § 43 Abs.1 Satz BetrVG hat der Betriebsrat einmal in jedem Kalendervierteljahr eine Betriebsversammlung einzuberufen und in ihr einen Tätigkeitsbericht zu erstatten. Unter den Voraussetzungen des § 42 Abs.2 BetrVG können diese auch als Abteilungsversammlungen stattfinden.

Der Beteiligte Ziff.2 hat weder im Kalenderjahr 2012 noch im ersten Halbjahr des Kalenderjahres 2013 Betriebsversammlungen für die Arbeitnehmer des Betriebs W. entsprechend der gesetzlichen Vorgabe einberufen.

(1) Für die ersten drei Quartale des Kalenderjahres 2012 ist die fehlende Einberufung unstrittig. Die von dem Beteiligten Ziff.2 bzw. Beteiligten Ziff.4 für den 11.12.2012 anberaumte Betriebsversammlung für den Betrieb W. wurde unstrittig nicht durchgeführt.

(2) Die am 23.11.2012 anberaumte unternehmensweite Jahresfeier stellte keine Betriebsversammlung für den Betrieb W. im Sinne der §§ 42, 43 BetrVG dar.

Entgegen der Ansicht der Beteiligten Ziff.2 bis 4 ist rechtlich weitestgehend geklärt, wann eine Veranstaltung als Betriebsversammlung gelten kann. Insbesondere ist Anknüpfungspunkt für den Veranstaltungsrahmen der jeweilige einzelne Betrieb. Gemäß § 42 Abs.1 Satz 1 BetrVG besteht die Betriebsversammlung aus den Arbeitnehmern des Betriebs. Die Öffentlichkeit ist ausgeschlossen. Eine Zusammenfassung von mehreren Betriebsversammlungen zu einer unternehmensweiten Betriebsversammlung ist von Gesetzes wegen nicht vorgesehen. Für mehrere selbständige Betriebe kann deswegen eine gemeinsame Betriebsversammlung nicht einberufen werden, sofern sie nicht zu einer nach § 3 Abs. 5 BetrVG als Betrieb geltenden Repräsentationseinheit zusammengefasst worden sind (siehe hierzu Erfurter Kommentar – Koch, BetrVG §§ 42ff, RZ 1; Fitting u.a., BetrVG, § 42 Rz 14) Lediglich ausnahmsweise sind einzelne betriebsfremde Personen zu Betriebsversammlungen unter Durchbrechung des Prinzips der Nichtöffentlichkeit zugelassen; eine unternehmensweite „Gesamtbetriebsversammlung“ mehrerer Betriebe kennt jedoch das Betriebsverfassungsrecht nicht. Immer ist Adressatenkreis die Belegschaft des Betriebes. Dies gilt auch dann, wenn gemäß § 3 Abs.5 BetrVG Betriebe zusammengefasst worden sind.

Die regelmäßigen Betriebsversammlungen haben gemäß § 44 Abs.1 BetrVG während der Arbeitszeit stattzufinden, soweit nicht die Eigenart des Betriebs eine andere Regelung zwingend erfordert. Da für die zeitliche Lage der Versammlung die betriebliche Arbeitszeit, nicht die persönliche Arbeitszeit des einzelnen Arbeitnehmers maßgebend ist, spielt keine Rolle, dass auf Grund der betrieblichen Arbeitszeitgestaltung für einzelne Arbeitnehmer oder eine bestimmte Arbeitnehmergruppe, z.B. Teilzeitarbeitnehmer, die Versammlung für sie in deren Freizeit fällt. Entscheidend ist allein, den Zeitpunkt für eine Versammlung so zu wählen, dass der überwiegende Teil der Belegschaft an ihr während seiner persönlichen Arbeitszeit teilnehmen kann (ebenso BAG 27.11.1987, AP BetrVG 1972 § 44 Nr. 7; siehe auch Richardi, BetrVG § 44, 13. Auflage 2012, Rn 4-7). Ebenso ist eine Tagesordnung für die Betriebsversammlungen zu erstellen und bekanntzumachen (siehe nur Fitting u.a. BetrVG, § 42 Rz 29f., 32 m.w.N.). Der zu erbringende Tätigkeitsbericht des Betriebsrats bezieht sich auf den jeweiligen Betrieb und etwaige Tätigkeit der Betriebsratsmitglieder im Gesamtbetriebsrat, nicht jedoch auf das Unternehmen oder andere Betriebe und ist vom Betriebsrat zu beschließen (siehe nur Fitting u.a., BetrVG, § 43 Rz 13; Richardi- Annuß, BetrVG, § 43 Rz 9-11). Gleiches gilt für den Lagebericht des Arbeitgebers (Richardi-Annuß, BetrVG, § 43 Rz 16). Regelmäßig findet die Betriebsversammlung schon aufgrund der Interessen des Arbeitgebers am Ort des Betriebes statt, wobei im Einzelfall bei fehlenden Räumlichkeiten am Betriebsstandort auch auf andere Orte ausgewichen werden kann. Eine deutliche Distanz des Veranstaltungsortes vom Betriebsort ist aber ebenfalls dafür Indiz, dass eine Betriebsversammlung nicht einberufen wurde.

Diese Charakteristika treffen auf die unternehmensweite Jahresfeier 2012 vom 23.11.2012 allesamt nicht zu.

Zur hier im Streit stehenden Veranstaltung vom 23.11.2012 hat schon nicht der Betriebsrat des Betriebs W. eingeladen, sondern der Gesamtbetriebsrat sowie der Arbeitgeber. Selbst wenn man annehmen wollte, dass es eine gemischte Veranstaltung wäre, wonach zuerst die Betriebsversammlung, sodann im Anschluss die Unternehmensfeier stattgefunden hätte, fehlt es an einer Einladung durch den Betriebsrat des Betriebs W. zur angeblichen Betriebsversammlung des Betriebes W.. Zwar ist der Vorsitzende des Betriebsrats W. und der Gesamtbetriebsratsvorsitzende personengleich. Gerade dann kommt es aber darauf an, in welcher Funktion die Einladung erfolgt. Denn der Gesamtbetriebsratsvorsitzende ist nicht per se auch Vertreter des Betriebsrats W..

Es ist weder aus der Einladung vom 3.8.2012 noch aus der vom 15.10.2012 überhaupt ersichtlich, dass es sich bei der Veranstaltung um eine Betriebsversammlung des Betriebs W. handeln soll. In der Hausmitteilung 69/2012 vom 15.10.2012 ist von einer Betriebsversammlung nicht die Rede, sondern von einer Jahresfeier. In der Einladung vom 3.8.2012 ist zwar von einer Betriebsversammlung und anschließenden K.-Feier die Rede; welchen Betrieb diese Betriebsversammlung betreffen soll, erschließt sich aus der Einladung nicht. Soweit der Gesamtbetriebsrat eingeladen hat, ist die Unterzeichnerin nicht einmal Mitglied des Betriebsrats W., so dass nicht zu erkennen ist, dass sich die Einladung auf eine Betriebsversammlung gerade des Betriebs W. beziehen soll.

Die Sachlage ist auch nicht deswegen rechtlich abweichend zu beurteilen, weil der Betriebsrat in den Protokollen vom 17.1.2012 und vom 23.4.2012 die Veranstaltung vom 23.11.2012 selbst als „Betriebsversammlung“ bezeichnet hat. Denn allein die Bezeichnung einer Veranstaltung führt nicht dazu, dass diese auch rechtlich als solche anzusehen ist. Ob der Betriebsrat überhaupt den Terminus im Bewusstsein seiner eigentlichen Bedeutung verwandt hat, ist angesichts der angefügten Attribute zweifelhaft.

Es ist vor allem nicht ersichtlich, dass sich die Einladungen vom 3.8.2012 und vom 15.10.2012 sich exklusiv an die Arbeitnehmer gerade des Betriebs in W. richten würden. Vielmehr sind unstrittig die Arbeitnehmer auch anderer Betriebe unternehmensweit eingeladen worden, so dass Adressaten eben nicht lediglich die Arbeitnehmer des Betriebs W. sind.

Auch der Ort, die Zeit und das in Aussicht gestellte Programm deuten nicht darauf hin, dass es sich vorliegend um eine Betriebsversammlung des Betriebs W. handeln könnte. Der Veranstaltungsort, die Landesmesse in Stuttgart, ist nicht der Sitz des Betriebes. Er ist auch nicht in unmittelbarer Nähe des Betriebssitzes des Betriebs W., so dass man aus dem Veranstaltungsort darauf schließen könnte, es handle sich um die Betriebsversammlung gerade des Betriebs W.. Der Ort ist vielmehr wegen der unternehmensweiten Einladung augenscheinlich so gewählt worden, dass er unternehmensweit gut zu erreichen ist.

Die Veranstaltung fand auch nicht während der Arbeitszeit des größten Teils der Beschäftigten des Betriebs W. statt, was jedoch gemäß § 44 BetrVG grundsätzlich der Fall sein muss. Bezüglich des Vorliegens einer Ausnahme wurde nicht vorgetragen.

Auch die behaupteten Tätigkeitsberichte des Gesamtbetriebsratsvorsitzenden und des Arbeitgebers sprechen nicht für den Charakter der Feier als Betriebsversammlung des Betriebs W.. Die Tätigkeitsberichte waren nach dem Vortrag des Beteiligten Ziff.2 unternehmensbezogen und nicht betriebsbezogen.

Der Beteiligte ZIff.2 hat den rechtlichen Charakter der Jahresfeier 2012 offenbar selbst noch so im September 2012 eingeschätzt. Ansonsten hätte kein Bedürfnis bestanden für das gleiche Quartal eine Betriebsversammlung für den Betrieb W. zu planen.

(3) Für die beiden ersten Quartale des Kalenderjahres 2013 ist ebenfalls unstrittig, dass Betriebsversammlungen für den Betrieb W. nicht einberufen wurden.

(4) Es wurden auch keine Betriebsversammlungen in der Form von Abteilungsversammlungen gemäß § 42 Abs.2 BetrVG einberufen. Hiernach sind Arbeitnehmer organisatorisch oder räumlich abgegrenzter Betriebsteile vom Betriebsrat zu Abteilungsversammlungen zusammenzufassen, wenn dies für die Erörterung der besonderen Belange der Arbeitnehmer erforderlich ist. Die Abteilungsversammlung wird von einem Mitglied des Betriebsrats geleitet, das möglichst einem beteiligten Betriebsteil als Arbeitnehmer angehört. Für die von dem Beteiligten Ziff.2 behaupteten Mitarbeiter-Informationsveranstaltungen ist nicht ansatzweise erkennbar, dass es sich insoweit um Abteilungsversammlungen i.S.d. § 42 Abs.2 BetrVG gehandelt hätte. Der Beteiligte Ziff.2 hat dies auch zunächst nicht behauptet. Soweit er dies sodann mit Schriftsatz vom 23.7.2013 apodiktisch behauptet hat, hat er allerdings weder näher dargelegt, inwieweit die Voraussetzungen für die Einberufung von Abteilungsversammlungen – insbesondere die Abgegrenztheit der Betriebsteile in räumlicher oder organisatorischer Hinsicht – überhaupt vorliegen, wann diese durch den Betriebsrat für welche Abteilung einberufen wurden, wer den jeweiligen Vorsitz in den Abteilungsversammlungen geführt hat, welche Tagesordnungen mit welchem Inhalt vorgelegen haben und wann die Belegschaften hierzu eingeladen worden sei. Jedenfalls für das letzte Quartal des Jahres 2012 steht die Behauptung, der Betriebsrat habe Betriebsversammlungen in der Form der Abteilungsversammlungen abgehalten im Widerspruch zum Schreiben des Betriebsratsvorsitzenden vom 19.9.2012, in dem dieser mitteilt, weitere Betriebsversammlungen seien in diesem Jahr noch nicht geplant.

Aus der vorgelegten Liste über „Mitarbeiter- Informationsveranstaltungen“ ist ebenfalls nicht ersichtlich, dass es sich um Abteilungsversammlungen handeln sollte. Weder hat der Beteiligte Ziff.2 hierzu die Daten genannt, welche der behaupteten Mitarbeiter-Informationsveranstaltungen als Abteilungsversammlungen abgehalten worden sein sollen, noch ergibt sich dies aus den mitgeteilten Inhalten. Denn zwingender Inhalt der Abteilungsversammlung als Form einer Betriebs(teil)versammlung ist gemäß der gesetzlichen Vorgabe, § 43 Abs.1 Satz 1 BetrVG vor allem der Tätigkeitsbericht des Betriebsrats und allenfalls ergänzend weitere Themen gemäß § 45 BetrVG. Eine Einladung an die Gewerkschaft gemäß § 46 Abs.2 BetrVG ist ebenfalls nicht erfolgt. Angesichts des Umstandes, dass es sich bei der Frage der Abhaltung von Betriebsversammlungen als Voll- oder Abteilungsversammlungen um den zentralen Streitpunkt des vorliegenden Rechtsstreits handelt, war auch ein näherer rechtlicher Hinweis des Gerichts entbehrlich. Dazuhin hatte der Beteiligte Ziff.2 bereits in der Güteverhandlung ohnehin angekündigt, dass er hierzu noch näher vortragen werde. Schriftsatzrecht hierzu war auch der Beteiligten Ziff.3 nicht zu gewähren. Weder ist erkennbar, warum gerade die Beteiligte Ziff.3 zu Umständen, die allenfalls dem Beteiligten Ziff.2 bekannt sein können, Vortrag leisten will, noch war der Beteiligten Ziff.3 unbekannt, dass es vorliegend gerade auf die Frage des Abhaltens von Betriebs- bzw. Abteilungsversammlungen erheblich ankam.

(5) Es kann dahingestellt bleiben, ob auch im Kalenderjahr 2011 keine Betriebsversammlung für den Betrieb W. stattgefunden hat. Aufgrund des weitgehend identischen Wortlauts der Einladung, der Lage des Zeitpunktes und Orts der Veranstaltung, spricht viel dafür, dass auch insoweit keine Betriebsversammlung für den Betrieb W. stattgefunden hat.

bb) Der Beteiligte Ziff.2 hat des Weiteren die gesonderte Pflicht verletzt, auf Antrag der Beteiligten Ziff.1 eine Betriebsversammlung für die Arbeitnehmer des Betriebs W. anzuberaumen. Gemäß § 43 Abs.4 BetrVG muss auf Antrag einer im Betrieb vertretenen Gewerkschaft der Betriebsrat vor Ablauf von zwei Wochen nach Eingang des Antrags eine Betriebsversammlung nach Absatz 1 Satz 1 einberufen, wenn im vorhergegangenen Kalenderhalbjahr keine Betriebsversammlung und keine Abteilungsversammlungen durchgeführt worden sind.

(1) Die Beteiligte Ziff.1 ist unstrittig eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft.

(2) Sie hat auch mit Datum vom 23.10.2012 einen Antrag gestellt, der dem Beteiligten Ziff.2 auch unstrittig zuging. Für diesen liegen die Voraussetzungen des § 43 Abs.4 BetrVG vor, denn der Beteiligte Ziff.2 hatte jedenfalls im ersten Kalenderhalbjahr 2012 keine Betriebsversammlung anberaumt.

(3) Der Beteiligte Ziff.2 hat auf den Antrag hin auch keine Betriebsversammlung anberaumt. Die am 23.11.2012 abgehaltene Jahresfeier war keine Betriebsversammlung des Betriebs W. i. S.d. § 43 Abs.1 BetrVG. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen verwiesen. Im Übrigen hat der Betriebsrat die für den 11.12.2012 anberaumte Betriebsversammlung wieder abgesagt.

cc) Der Betriebsrat hat jedoch nicht gegen § 46 Abs.2 BetrVG verstoßen, weil insoweit nicht festgestellt werden konnte, dass er Betriebsversammlungen bzw. Abteilungsversammlungen einberufen hätte.

dd) Der Beteiligte Ziff.2 hat allerdings gegen seine Pflicht zum Zusammenwirken mit den im Betrieb vertretenen Gewerkschaften verstoßen, § 2 Abs.1 BetrVG.

Arbeitgeber und Betriebsrat arbeiten hiernach unter Beachtung der geltenden Tarifverträge vertrauensvoll und im Zusammenwirken mit den im Betrieb vertretenen Gewerkschaften und Arbeitgebervereinigungen zum Wohl der Arbeitnehmer und des Betriebs zusammen.

Diese Verpflichtung besteht nicht allein in den Fällen, für die den Koalitionen ausdrücklich Befugnisse eingeräumt werden – z.B. in den §§ 14 V, 17 III, 46, 53 III, 76 VIII BetrVG. Sie erstreckt sich auf den gesamten Bereich, in dem Arbeitgeber und Betriebsrat zur vertrauensvollen Zusammenarbeit verpflichtet sind.

Der Beteiligte Ziff.2, vertreten durch seinen Vorsitzenden, hat mit Redebeitrag zu erkennen gegeben, dass er nicht gewillt ist, der Beteiligten Ziff.1 als Gewerkschaft die ihr zustehenden Rechte einzuräumen. Anders ist der Redebeitrag nicht zu verstehen, in dem angekündigt wird, dass verhindert werden soll, dass die Gewerkschaft Einfluss auf das Unternehmen nimmt, bzw. dass die von der Gewerkschaft geforderten Betriebsversammlungen nicht stattfinden sollen.

c) Die Verletzung der Pflicht zur Abhaltung von Betriebsversammlungen durch den Beteiligten Ziff.2 in Verbindung mit der Verletzung der Pflicht zum Zusammenwirken mit den im Betrieb vertretenen Gewerkschaften ist auch grob.

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Beschluss vom 22.06.1993 – 1 ABR 62/92 – zitiert nach beck-online), von der abzuweichen die Kammer keine Veranlassung hat, handelt es sich bei dem Begriff der „groben Pflichtverletzung“ um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der den Tatsacheninstanzen einen Beurteilungsspielraum lässt (BAG, Beschluss vom 21. 2. 1978 – 1 ABR 54/76 – AP Nr. 1 zu § 74 BetrVG 1972). Auf ein Verschulden des Betriebsrates kommt es nicht an. (BAG aaO m.w.N.). Ob der Verstoß grob ist, richtet sich danach, ob die Pflichtverletzung objektiv erheblich und offensichtlich schwerwiegend ist (BAGE 2, 175 = AP Nr. 1 zu § 23 BetrVG; Beschluss vom 21. 2. 1978 – 1 ABR 54/76 – AP Nr.1 zu § 74 BetrVG 1972). Dies kann nur unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere der betrieblichen Gegebenheiten und des Anlasses der Pflichtverletzung beurteilt werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Auflösung des Betriebsrates eine besonders einschneidende Sanktion ist. Dementsprechend ist ein grober Verstoß des Betriebsrates nur anzunehmen, wenn unter Berücksichtigung aller Umstände die weitere Amtsausübung des Betriebsrates untragbar erscheint.

aa) Die Pflichtverletzungen sind objektiv erheblich (zum Nicht-Einberufen von Betriebsversammlungen so auch ArbG Wetzlar, Beschluss vom 22.9.1992, 1 BV 10/92, BB 1992, 2216f.; LAG Düsseldorf, Beschluss vom 24.8.1959 – 6 BV TA 9/59, DB 1959, 1227). Das Abhalten von Betriebsversammlungen ist eine der wesentlichen gesetzlichen Pflichten des Betriebsrats. Die Betriebsversammlung, auch in der Form von Abteilungsversammlungen, ist Organ des Betriebsverfassungsrechts (vgl. BAG v. 27.5.1982, AP BetrVG 1972 § 42 Nr. 3 v.; 5.5.1987, AP BetrVG 1972 § 44 Nr. 4; Fitting, BetrVG § 42 Rn. 9). Denn die Betriebsversammlung ist rechtlich ausgestaltet und sieht Beteiligungsrechte, Antragsrechte etc. der Belegschaft und der Gewerkschaften vor. Die Pflicht zur Abhaltung von Betriebsversammlungen kann auch nicht durch anderweitige Information der Belegschaft kompensiert werden, die allesamt dahingestellt bleiben können. Es gibt für die Auffassung, dass Betriebsversammlungen entbehrlich seien, wenn die Belegschaft hinreichend anderweitig informiert werden oder sich für hinreichend informiert oder beteiligt hält, keine gesetzliche Stütze.

Die Pflicht zum Zusammenwirken mit Gewerkschaften ist ebenfalls objektiv erheblich. Denn die Gewerkschaften haben in der Betriebsverfassung eine ihnen gesetzlich zugewiesene Rolle. Die Ankündigung der kategorischen Verhinderung gewerkschaftlicher Arbeit ist eine erhebliche Pflichtverletzung des Betriebsrats.

bb) Die Pflichtverletzungen sind auch offensichtlich schwerwiegend. Dies folgt vor allem aus der Beharrlichkeit des Betriebsrats, mit der die Pflichtverletzungen für die Zukunft angekündigt wurden und dann auch entsprechend erfolgten. Dauerhafte, absichtliche, für die Zukunft weiterhin angekündigte, beharrliche Pflichtverletzungen sind offensichtlich schwerwiegend. Der Betriebsrat ist unabhängig davon, ob sein Verhältnis zum Arbeitgeber oder der Belegschaft unbelastet ist, untragbar.

(1) Der Beteiligte Ziff.2 wurde bereits frühzeitig durch die Beteiligte Ziff.1 auf seine Pflicht, Betriebsversammlungen abzuhalten, hingewiesen, nämlich bereits durch Schreiben des ersten Bevollmächtigten vom 12.7.2012. In diesem Schreiben hat die Beteiligte Ziff.1 um die Mitteilung von Terminen gebeten und auf ihr Recht zur Teilnahme hingewiesen.

(2) Der Beteiligte Ziff.2 war sich als Organ seiner Pflicht, eine Betriebsversammlung für den Betrieb W. durchführen zu müssen, auch bewusst, wie dies das Schreiben des Betriebsratsvorsitzenden vom 19.9.2012 belegt. In diesem Schreiben hat der Vorsitzende auf die nächste geplante Betriebsversammlung in der Kalenderwoche 43 oder 44, also auf die Zeit vom 22.10.2012 bis 4.11.2012 hingewiesen. Bei dieser geplanten Betriebsversammlung kann es sich nicht um die anvisierte Jahresfeier 2012 am 23.11.2012 gehandelt haben, weil diese nicht auf diese Kalenderwochen terminiert war.

(3) Dem Betriebsrat war auch augenscheinlich bewusst, dass die Jahresfeier keine weitere Betriebsversammlung darstellt, wie der Vorsitzende im selben Schreiben deutlich zum Ausdruck gegeben hat. („Weitere Betriebsversammlungen sind in diesem Jahr noch keine geplant.“) Gleiches ergibt sich aus der Sonderinformation des Betriebsrats im September 2012. Darin wird deutlich zum Ausdruck gebracht, dass die Abhaltung der Betriebsratsversammlung am Standort diskutiert wurde. Damit wird ebenfalls dokumentiert, dass sich der Betriebsrat seiner Pflicht zur Abhaltung einer Betriebsversammlung für den Betrieb W. bewusst war. Entsprechend wurde auch durch den Vorsitzenden eine Betriebsversammlung am 11.12.2013 anberaumt.

(4) Die Beharrlichkeit, mit der der Betriebsrat seine Pflichten aus dem Betriebsverfassungsgesetz leugnet, ergibt sich insbesondere daraus, dass der Betriebsrat die bereits angekündigte Betriebsversammlung vom 11.12.2012, zu der die Belegschaft des Betriebs W. allerdings nicht eingeladen worden war, noch durch Beschluss vom 22.11.2012 abgesagt hat. Auch die Abmahnung durch die Beteiligten Ziff.1 zeigte keine Wirkung. Der Betriebsrat hat trotz Abmahnung und Einleitung des vorliegenden Verfahrens an seiner Weigerung nicht nur für das 2. Kalenderhalbjahr 2012, sondern auch noch für das 1. Kalenderhalbjahr 2013 festgehalten. Der Betriebsrat hat trotz anderweitiger Einsicht allein um der Beteiligten Ziff.1 die Rechte nach § 46 Abs.2 BetrVG abzuschneiden, die beantragte Betriebsversammlung nicht abgehalten. Dies ergibt sich aus dem Redebeitrag des Beteiligten Ziff.4, die dem Beteiligten Ziff.2 als Gremium zurechenbar ist. Die Verweigerung ist mit dieser Begründung rechtlich unhaltbar. Sie dient keinem aus der Sicht des Betriebsrats plausiblen und rechtlich billigenswerten Zweck. Vielmehr sieht das BetrVG selbst die Beteiligung von Gewerkschaften vor, was ihrem grundgesetzlichen Schutz entspricht.

(5) Die vom Betriebsrat vertretene Rechtsansicht, die unternehmensweite Jahresfeier 2012 stelle eine ordnungsgemäße Betriebsversammlung gerade des Betriebs W. dar, kann auch nicht als entschuldbarer Rechtsirrtum gewertet werden, wobei es auf ein Verschulden des Gremiums ohnehin nicht ankommt. Dem stehen nicht nur die Verlautbarungen aus dem September 2012 entgegen, sondern ist der Charakter der Jahresfeier 2012 so deutlich verschieden von dem Charakter einer Betriebsversammlung, dass dem Betriebsrat auch nur bei überblicksartiger, oberflächlicher Betrachtung die eingenommene Rechtsposition als unhaltbar hätte auffallen müssen.

3. Weil die Beteiligte Ziff.1 mit ihrem Hauptantrag durchgedrungen ist, ist der Hilfsantrag nicht zur Entscheidung angefallen.

4. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.

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