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Betriebsrentenanpassung – Anpassung der laufenden Leistungen der betrieblichen Altersversorgung

ArbG Mainz, Az.: 2 Ca 2128/10, Urteil vom 20.12.2010

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Der Streitwert wird auf € 18.984,00 festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die letzte Anpassung der dem Kläger zustehenden Betriebsrente nach § 16 BetrAVG. Dieser hat – soweit hier von Interesse – folgenden Wortlaut:

1) Der Arbeitgeber hat alle drei Jahre eine Anpassung der laufenden Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zu prüfen und hierüber nach billigem Ermessen zu entscheiden; dabei sind insbesondere die Belange des Versorgungsempfängers und die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers zu berücksichtigen.

2) Die Verpflichtung nach Abs. 1 gilt als erfüllt, wenn die Anpassung nicht geringer ist als der Anstieg

1. des Verbraucherpreisindexes für Deutschland oder

2. der Nettolöhne vergleichbarer Arbeitnehmergruppen des Unternehmens im Prüfungszeitraum

3) Die Verpflichtung nach Abs. 1 entfällt, wenn

1. der Arbeitgeber sich verpflichtet, die laufenden Leistungen jährlich um wenigstens eins vom Hundert anzupassen,

Die Beklagte hatte zunächst ihren Anpassungsentscheidungen die Entwicklung der Verbraucherpreise zu Grunde gelegt. Bei der letzten, streitgegenständlichen Anpassung orientierte sie sich dagegen an der Nettolohnentwicklung der tariflichen sowie außertariflichen Angestellten, ausgenommen der sogenannten „Executives“.

Hiergegen wendet sich der Kläger, der zur Begründung seiner Klage vorbringt, die Beklagte hätte bei diesem Wechsel des Prüfungsmaßstabes als Prüfungszeitraum den ganzen Zeitraum ab Beginn der Rentenzahlung statt nur die letzten drei Jahre zu Grunde legen müssen. Die Anpassungsentscheidung der Beklagten sei daher unwirksam, weshalb er eine Anpassung nach Maßgabe des Verbraucherpreisindexes verlangen könne, aus dem sich die der Höhe nach unstreitigen Beträge ergeben.

Der Kläger beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger rückständige Betriebsrente für die Zeit vom 01. Juli 2008 bis 31. Oktober 2010 (28 Monate) in Höhe von 7.868,28 € zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 281,01 € seit dem 01. August 2008 und aus jeweils weiteren 281,01 € seit dem jeweils Ersten der Folgemonate.

2. Die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger ab 01. November 2010 eine monatliche Betriebsrente von 3.192,40 € (statt 2.911,39 €) zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Hinsichtlich des weiteren Parteivorbringens wird auf die zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze nebst ihren Anlagen verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet, da die Beklagte dazu berechtigt war, bei ihrer letzten Anpassungsentscheidung nur die Nettolohnentwicklung vergleichbarer Arbeitnehmergruppen des Unternehmens während der letzten drei Jahr zu Grunde zu legen.

Nach § 16 Abs. 1 BetrAVG hat der Arbeitgeber eine Anpassung der laufenden Leistungen „alle drei Jahre … zu prüfen“ und hierüber nach billigem Ermessen zu entscheiden. Diese Verpflichtung gilt gemäß § 16 Abs. 2 BetrAVG als erfüllt, wenn die Anpassung nicht geringer ist als der Anstieg entweder des Verbraucherpreisindexes für Deutschland (im Folgenden: Inflation) oder der Nettolöhne vergleichbarer Arbeitnehmergruppen des Unternehmens (im Folgenden: Nettolohnentwicklung) und zwar jeweils „im Prüfungszeitraum“.

Nach Wortlaut und Systematik der Vorschrift ist unter „Prüfungszeitraum“ der in Absatz 1 genannte Zeitraum von drei Jahren zu verstehen. Der Arbeitgeber hat nach dem klaren Wortlaut somit ein Wahlrecht, ob er die Inflation oder die Nettolohnentwicklung dieser drei Jahre seiner Anpassungsentscheidung zu Grunde legen will.

Der gesetzlichen Regelung ist keinerlei Beschränkung dieses Wahlrechts zu entnehmen, insbesondere nicht, dass ein Wechsel des Maßstabes von der einen zur nächsten Anpassungsentscheidung unzulässig oder nur unter der Voraussetzung wäre, dass dann ein anderer Prüfungszeitraum als der der letzten drei Jahre zu Grunde gelegt werden müsste. Dass – wie der Kläger in der Klageschrift ausführt – im Falle des Prüfungsmaßstabwechsels „das Gesetz einen Prüfungszeitraum vom Beginn der Rente bis zum Anpassungszeitpunkt vor[sieht]“, ist unzutreffend.

Dem Kläger ist freilich zuzugeben, dass dies der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes entspricht. Diese überzeugt indes nicht.

So hat das Bundesarbeitsgericht etwa mit Urteil vom 10.02.2009 (3 AZR 610/07) entschieden, dass der Prüfungszeitraum nicht auf die letzten drei Jahre vor dem jeweiligen Anpassungsstichtag begrenzt sei, weil § 16 BetrAVG eine Entwertung der Betriebsrente durch Kaufkraftverluste möglichst verhindern wolle.

Hiergegen sprich jedoch gerade § 16 Abs. 3 Nr. 1 BetrAVG. Nach dieser Vorschrift entfällt eine Verpflichtung des Arbeitgebers zur dreijährlichen Anpassung schon dann, wenn er sich nur zu einer jährlichen Erhöhung der laufenden Leistungen um wenigstens 1 % verpflichtet.

Da die Absätze 2 – 6 des § 16 BetrAVG allesamt im Zuge der Rentenreform 1999 neu eingeführt wurden, kann mitnichten angenommen werden, Intention des Gesetzgebers sei es gewesen, mindestens einen Kaufkrafterhalt der Betriebsrente nach Eintritt des Rentenfalles zu gewährleisten. Denn die durchschnittliche Inflation betrug in den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts deutlich mehr als 1 %.

Angesichts der demografischen Entwicklung wäre eine solche Garantie auch nicht einzulösen, denn das Verhältnis von Betragszahlern zu Rentnern verschlechtert sich ständig. Immer weniger Beschäftigte haben die Gewinne zu erwirtschaften, die für die Erfüllung der Betriebsrentenansprüche von immer mehr und immer länger lebenden Rentnern erforderlich sind. Und angesichts der Verpflichtungen über den Pensionssicherungsverein ist dies nicht nur das individuelle Problem eines einzelnen Arbeitgebers, der durch steigende Pensionslasten möglicherweise in die Insolvenz getrieben wird, sondern eine Belastung der gesamten Volkswirtschaft. Es sei daran erinnert, dass ein wichtiges Argument für Staatshilfe zu Gunsten des angeschlagenen Opel-Konzerns der Umstand war, dass eine Insolvenz desselben zu einer drastischen Erhöhung der Beiträge anderer Unternehmen zu Gunsten des Pensionssicherungsvereins geführt hätte, der dann die Betriebsrenten der „Opelaner“ zu erfüllen gehabt hätte.

Wäre es wirklich Intention des Gesetzgebers, der den Empfängern der gesetzlichen Renten seit Jahren (angesichts der demografischen Entwicklung unvermeidliche) Realrentenkürzungen zumutet und auch seinen Pensionären sogar trotz des Alimentationsprinzips nicht stets einen Inflationsausgleich zubilligt, im Falle von Betriebsrenten in jedem Falle „dem Arbeitnehmer den Wert der Leistung während des Bezugs im Ruhestand [zu] erhalten“, wie der Kläger die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes zusammenfasst, hätte er dies deutlicher zum Ausdruck bringen müssen – etwa durch die Formulierung „im Rentenbezugszeitraum“ statt „im Prüfungszeitraum“ in § 16 Abs. 2 BetrAVG – und eine Regelung wie in § 16 Abs. 3 Nr. 1 BetrAVG nicht treffen dürfen.

Nach alledem kann § 16 Abs. 2 BetrAVG, wenn man vom Wortlaut ausgeht und dem Gesetzgeber unterstellt, dass ihm an der langfristigen Finanzierbarkeit des Systems der betrieblichen Altersversorgung gelegen ist, nur dahingehend verstanden werden, dass der Arbeitgeber ein Wahlrecht dahingehend hat, die Anpassung entweder nach der Inflationsrate oder der Nettolohnentwicklung der jeweils letzten drei Jahre zu treffen.

Die Beklagte durfte daher auf die Nettolohnentwicklung in ihrem Unternehmen abstellen.

Sie hat nachvollziehbar dargelegt, weshalb sie dabei Mitglieder des sogenannten Executive-Kreises nicht berücksichtigte, sondern nur die sonstigen tariflich wie außertariflich Entlohnten. Zu den diesbezüglichen Ausführungen hat sich der Kläger ebenso wenig geäußert wie zu den beklagtenseits dargelegten Zahlen, aus denen sich die Höhe der dem Kläger zuletzt zu Teil gewordenen Anpassung ergibt.

Es war daher gemäß § 138 Abs. 3 ZPO davon auszugehen, dass die Anpassungsentscheidung der Beklagten billigem Ermessen entspricht.

Die Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 91 Abs. 1 ZPO, 61 Abs. 1 ArbGG.

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