Übersicht:
- Betriebsstilllegung: Rechtliche Herausforderungen und soziale Verantwortung für Arbeitgeber
- Der Fall vor Gericht
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Was sind die rechtlichen Voraussetzungen für eine Betriebsstilllegung?
- Welche besonderen Kündigungsschutzrechte haben Beschäftigte in Elternzeit bei einer Betriebsstilllegung?
- Welche Weiterbeschäftigungsansprüche bestehen bei Konzernzugehörigkeit?
- Welche Fristen und Formalitäten muss der Arbeitgeber bei einer Betriebsstilllegung einhalten?
- Wie können Arbeitnehmer die Rechtmäßigkeit einer Betriebsstilllegung überprüfen?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
- Datum: 14.02.2023
- Aktenzeichen: 4 Sa 558/22
- Verfahrensart: Berufungsverfahren bezüglich einer ordentlichen, betriebsbedingten Kündigung
- Rechtsbereiche: Arbeitsrecht, Kündigungsschutz
Beteiligte Parteien:
- Klägerin: Eine seit 15.11.2018 als Quality Manager bei der Beklagten angestellte Mitarbeiterin, die während ihrer Elternzeit in Teilzeit gearbeitet hat. Sie argumentiert, dass die Kündigung sozial ungerechtfertigt sei, da der Betrieb der Beklagten nicht stillgelegt worden sei und freie Arbeitsplätze bei der Muttergesellschaft existierten.
- Beklagte: Ein Unternehmen, das mit der Entwicklung medizinischer Kleber beschäftigt ist und eine Tochtergesellschaft der G GmbH ist. Die Beklagte sieht die Kündigung als sozial gerechtfertigt an, da sie den Betrieb eingestellt hat und keine Aufrechterhaltung oder Fortführung besteht.
Um was ging es?
- Sachverhalt: Die Klägerin hat gegen eine ordentliche, Betriebsbedingte Kündigung geklagt. Die Beklagte hat entschieden, den Geschäftsbetrieb stillzulegen und die Arbeitsverhältnisse mit allen Mitarbeitern zu beenden. Die Klägerin bestreitet, dass der Betrieb tatsächlich stillgelegt wurde.
- Kern des Rechtsstreits: Der Kern des Rechtsstreits liegt in der Frage, ob die Kündigung sozial gerechtfertigt ist, insbesondere ob eine ernsthafte Betriebsstilllegung vorlag und ob ein freier Arbeitsplatz für die Klägerin bei der Muttergesellschaft existent war.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Die Berufung der Klägerin wurde zurückgewiesen, das Arbeitsgericht Aachen hatte zu Recht die Kündigungsschutzklage abgewiesen.
- Begründung: Das Gericht bestätigte, dass die Kündigung sozial gerechtfertigt war, da der Betrieb tatsächlich stillgelegt wurde, was durch verschiedene Maßnahmen belegt sei, wie die Kündigung von Arbeitsverhältnissen und den Verzicht auf Räume und Zertifizierungen. Es bestand keine Verpflichtung zur unternehmensübergreifenden Sozialauswahl oder Weiterbeschäftigung.
- Folgen: Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Das Urteil festigt, dass eine Betriebsstilllegung einen legitimen Kündigungsgrund darstellen kann, solange eindeutige Maßnahmen zur Stilllegung durchgeführt werden. Weitere Rechtsmittel wurden nicht zugelassen, das Urteil ist somit endgültig.
Betriebsstilllegung: Rechtliche Herausforderungen und soziale Verantwortung für Arbeitgeber
Die Betriebsstilllegung ist eine komplexe unternehmerische Entscheidung, die häufig aus wirtschaftlichen Zwängen resultiert. Wenn ein Unternehmen in eine Krise gerät oder die Produktionsaussetzung erforderlich wird, stehen die Unternehmensführung und die Mitarbeiter vor schwierigen Herausforderungen. Eine Unternehmensschließung hat nicht nur unmittelbare Auswirkungen auf die betroffenen Arbeitnehmer, sondern wirft auch zahlreiche rechtliche Fragen auf, insbesondere im Bereich des Arbeitsrechts.
Kündigungen sind oft unvermeidlich, und hierbei spielt die Sozialauswahl eine entscheidende Rolle. Arbeitgeber sind verpflichtet, soziale Gesichtspunkte zu berücksichtigen, um die betroffenen Mitarbeiter fair zu behandeln. Diese Regelungen sind im Kündigungsschutz festgelegt und können auch die Verhandlungen mit Gewerkschaften sowie die Schaffung eines Sozialplans zur Abfindung von Mitarbeitern betreffen. Im Folgenden wird ein konkreter Fall beleuchtet, der diese Aspekte verdeutlicht.
Der Fall vor Gericht
Betriebsstilllegung rechtfertigt Kündigung während Elternzeit
Das Landesarbeitsgericht Köln hat die Klage einer Qualitätsmanagerin gegen ihre betriebsbedingte Kündigung während der Elternzeit abgewiesen. Die Frau war seit November 2018 bei einem Medizintechnik-Unternehmen beschäftigt, das sich mit der Entwicklung von Wundklebern befasste. Seit Juli 2020 befand sie sich in Elternzeit und arbeitete ab Juli 2021 in Teilzeit.
Komplette Einstellung der Geschäftstätigkeit
Die Gesellschafterversammlung des Unternehmens beschloss am 18. Dezember 2020 die vollständige und dauerhafte Einstellung der betrieblichen Aktivitäten zum 31. März 2021. In der Folge beendete das Unternehmen die Arbeitsverhältnisse mit allen 16 Mitarbeitern, kündigte den Mietvertrag für die Geschäftsräume sowie sämtliche Dienstleistungsverträge mit Dritten. Die wesentlichen Betriebsmittel wurden an zwei andere Firmen verkauft.
Zustimmung der Bezirksregierung
Für die Kündigung der sich in Elternzeit befindenden Mitarbeiterin holte das Unternehmen die nach § 18 BEEG erforderliche Zustimmung der Bezirksregierung Köln ein. Nach Erteilung der Zustimmung am 29. Juni 2021 sprach das Unternehmen die Kündigung zum 30. September 2021 aus.
Gericht sieht Stilllegung als erwiesen an
Das Landesarbeitsgericht bestätigte die Rechtmäßigkeit der Kündigung. Die Richter sahen es als erwiesen an, dass der Stilllegungsbeschluss tatsächlich umgesetzt wurde. Die Einstellung der gesamten Geschäftstätigkeit stelle einen dringenden betrieblichen Grund im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes dar. Der Einwand der Klägerin, es bestehe ein Gemeinschaftsbetrieb mit der Muttergesellschaft und ihr hätten dort freie Stellen angeboten werden müssen, überzeugte das Gericht nicht. Ein etwaiger gemeinsamer Betrieb wäre mit dem Stilllegungsbeschluss beendet worden.
Keine konzernweite Weiterbeschäftigungspflicht
Das Gericht stellte klar, dass eine konzernweite Pflicht zur Weiterbeschäftigung nur in Ausnahmefällen bestehe. Diese setze voraus, dass sich ein anderes Konzernunternehmen ausdrücklich zur Übernahme bereit erkläre oder sich eine Übernahmeverpflichtung unmittelbar aus dem Arbeitsvertrag ergebe. Solche Ausnahmetatbestände lagen hier nicht vor.
Das Landesarbeitsgericht ließ keine Revision zu, da die Rechtsfragen keine grundsätzliche Bedeutung hätten und keine Abweichung von der höchstrichterlichen Rechtsprechung vorliege.
Die Schlüsselerkenntnisse
„Das Urteil verdeutlicht, dass eine Betriebsstilllegung auch während der Elternzeit eines Mitarbeiters zu einer wirksamen Kündigung führen kann, sofern die erforderliche behördliche Zustimmung vorliegt. Entscheidend ist dabei, dass die Stilllegung tatsächlich umgesetzt wird und nicht nur zum Schein erfolgt. Die bloße Existenz von Verflechtungen mit der Muttergesellschaft oder das Fortbestehen formaler Strukturen wie Prokuren steht der Wirksamkeit einer solchen betriebsbedingten Kündigung nicht entgegen.“
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Als Arbeitnehmer in Elternzeit sind Sie zwar besonders geschützt, dieser Schutz entfällt jedoch bei einer echten Betriebsstilllegung. Wenn Ihr Arbeitgeber den Betrieb einstellt, kann er Ihnen auch während der Elternzeit kündigen – vorausgesetzt, die zuständige Behörde stimmt zu. Achten Sie in einem solchen Fall darauf, ob die Stilllegung tatsächlich umgesetzt wird oder ob der Betrieb in anderer Form weitergeführt wird. Die Existenz von Konzernstrukturen oder verbleibenden Formalitäten allein reicht nicht aus, um die Kündigung anzufechten.
Kündigung in der Elternzeit?
Das Urteil zeigt, wie komplex Kündigungen während der Elternzeit sein können, besonders bei einer Betriebsstilllegung. Ob die Stilllegung tatsächlich vollzogen wurde und alle rechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind, sollte im Einzelfall genau geprüft werden. Gerade in dieser sensiblen Phase ist es wichtig, Ihre Rechte zu kennen und die Situation rechtlich korrekt einzuschätzen. Wir unterstützen Sie gerne dabei, Ihre individuellen Ansprüche zu wahren und die für Sie beste Lösung zu finden.
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Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Was sind die rechtlichen Voraussetzungen für eine Betriebsstilllegung?
Eine Betriebsstilllegung liegt vor, wenn ein Arbeitgeber die wirtschaftliche Betätigung in der Absicht einstellt, den bisherigen Betriebszweck dauerhaft oder für eine unbestimmte, wirtschaftlich erhebliche Zeitspanne nicht weiterzuverfolgen. Die rechtlichen Voraussetzungen für eine Betriebsstilllegung umfassen mehrere Aspekte:
Unternehmerische Entscheidungsfreiheit
Als Arbeitgeber haben Sie grundsätzlich das Recht, Ihren Betrieb stillzulegen. Diese Entscheidung fällt unter die unternehmerische Freiheit, die durch das Grundgesetz geschützt ist. Die Arbeitsgerichte prüfen nicht die wirtschaftliche Sinnhaftigkeit Ihrer Entscheidung, sondern nur, ob sie ernsthaft und nicht willkürlich getroffen wurde.
Ernsthafte und endgültige Stilllegungsabsicht
Ihre Entscheidung zur Betriebsstilllegung muss ernsthaft und endgültig sein. Dies bedeutet, dass Sie zum Zeitpunkt der Kündigung den festen Entschluss gefasst haben müssen, den Betrieb dauerhaft einzustellen. Eine nur vorübergehende Betriebsunterbrechung reicht nicht aus.
Greifbare Umsetzungsmaßnahmen
Die Stilllegungsentscheidung muss zum Zeitpunkt der Kündigung bereits greifbare Formen angenommen haben. Stellen Sie sich vor, Sie haben konkrete Schritte eingeleitet, wie die Kündigung von Mietverträgen, die Information von Kunden und Lieferanten oder den Verkauf von Betriebsmitteln.
Dokumentation der Stilllegungsentscheidung
Es ist wichtig, dass Sie Ihre Stilllegungsentscheidung und die damit verbundenen Maßnahmen sorgfältig dokumentieren. In einem möglichen Kündigungsschutzprozess müssen Sie nachweisen können, dass die Stilllegungsabsicht zum Zeitpunkt der Kündigung bereits bestand und konkrete Schritte zur Umsetzung eingeleitet wurden.
Beachtung arbeitsrechtlicher Vorschriften
Bei der Durchführung der Betriebsstilllegung müssen Sie verschiedene arbeitsrechtliche Vorschriften beachten:
- Kündigungsfristen: Die gesetzlichen oder vertraglichen Kündigungsfristen sind einzuhalten.
- Massenentlassungsanzeige: In Betrieben mit mehr als 20 Beschäftigten müssen Sie eine Massenentlassungsanzeige bei der Agentur für Arbeit erstatten, wenn Sie eine bestimmte Anzahl von Arbeitnehmern entlassen.
- Betriebsratsanhörung: Wenn ein Betriebsrat besteht, müssen Sie diesen vor jeder Kündigung anhören.
Sozialauswahl bei etappenweiser Stilllegung
Wenn Sie den Betrieb nicht sofort, sondern schrittweise stilllegen, müssen Sie bei der Auswahl der zu kündigenden Arbeitnehmer eine Sozialauswahl durchführen. Hierbei sind Kriterien wie Betriebszugehörigkeit, Lebensalter, Unterhaltspflichten und Schwerbehinderung zu berücksichtigen.
Beachten Sie, dass eine Betriebsstilllegung rechtlich von einer Betriebsveräußerung zu unterscheiden ist. Wenn Sie planen, den Betrieb zu verkaufen oder zu übertragen, gelten andere rechtliche Regelungen, insbesondere hinsichtlich des Übergangs der Arbeitsverhältnisse.
Welche besonderen Kündigungsschutzrechte haben Beschäftigte in Elternzeit bei einer Betriebsstilllegung?
Während der Elternzeit genießen Sie einen besonderen Kündigungsschutz nach § 18 BEEG. Dieser Schutz gilt ab dem Zeitpunkt der Beantragung der Elternzeit.
Grundsätzlicher Kündigungsschutz
Der Kündigungsschutz beginnt 8 Wochen vor Beginn einer Elternzeit bis zum vollendeten dritten Lebensjahr des Kindes. Bei Elternzeit zwischen dem dritten und achten Lebensjahr des Kindes beginnt der Schutz 14 Wochen vor Beginn.
Ausnahme bei Betriebsstilllegung
Bei einer dauerhaften Betriebsstilllegung liegt ein besonderer Ausnahmefall vor, der eine Kündigung während der Elternzeit ermöglicht. In diesem Fall muss Ihr Arbeitgeber jedoch zwingend vor Ausspruch der Kündigung eine Zulässigkeitserklärung von der zuständigen Arbeitsschutzbehörde einholen.
Verfahrensablauf bei Betriebsstilllegung
Wenn eine Betriebsstilllegung vorliegt, läuft das Verfahren wie folgt ab:
Der Arbeitgeber muss zunächst bei der obersten Landesbehörde für Arbeitsschutz einen Antrag auf Zulassung der Kündigung stellen. Die Behörde gibt Ihnen dann die Gelegenheit, sich zur beabsichtigten Kündigung zu äußern.
Erst wenn die Behörde die Kündigung für zulässig erklärt hat, darf Ihr Arbeitgeber die Kündigung aussprechen. Ohne diese behördliche Zustimmung ist eine Kündigung auch bei Betriebsstilllegung unwirksam.
Nach Erhalt der Kündigung haben Sie 3 Wochen Zeit, um dagegen zu klagen. Die Frist beginnt mit der Information durch die Aufsichtsbehörde über deren Zustimmung.
Welche Weiterbeschäftigungsansprüche bestehen bei Konzernzugehörigkeit?
Das Kündigungsschutzgesetz ist grundsätzlich betriebs- und unternehmensbezogen ausgestaltet und nicht konzernbezogen. Ein konzernweiter Weiterbeschäftigungsanspruch besteht jedoch in bestimmten Fällen.
Voraussetzungen für konzernweite Weiterbeschäftigung
Eine konzernweite Weiterbeschäftigungspflicht kommt in folgenden Situationen in Betracht:
- Wenn sich ein anderes Konzernunternehmen ausdrücklich zur Übernahme des Arbeitnehmers bereit erklärt hat
- Wenn sich die Übernahmeverpflichtung unmittelbar aus dem Arbeitsvertrag ergibt
- Wenn eine entsprechende Zusage des Arbeitgebers vorliegt
- Wenn in der Vergangenheit eine Praxis wiederholter Abordnungen bestand
Durchsetzbarkeit der Weiterbeschäftigung
Der Arbeitgeber muss über tatsächliche und rechtliche Möglichkeiten verfügen, den Arbeitnehmer in einem anderen Konzernunternehmen unterzubringen. Dies bedeutet:
- Der Arbeitgeber muss einen bestimmenden Einfluss auf die „Versetzung“ haben
- Die Entscheidung über die Weiterbeschäftigung darf nicht dem aufnehmenden Unternehmen vorbehalten sein
- Bei Konzernobergesellschaften ist die Durchsetzbarkeit eher gegeben als bei Tochtergesellschaften
Besondere Konstellationen
In Matrixstrukturen und internationalen Konzernen können sich besondere Weiterbeschäftigungsansprüche ergeben. Wenn Sie beispielsweise regelmäßig zwischen verschiedenen Konzernunternehmen versetzt werden, kann dies einen Vertrauenstatbestand begründen.
Ein schützenswertes Vertrauen auf Weiterbeschäftigung entsteht auch dann, wenn der Arbeitgeber beim Wechsel zu einem Tochterunternehmen den Eindruck erweckt hat, er werde im Bedarfsfall für eine Weiterbeschäftigung sorgen.
Prüfungspflichten des Arbeitgebers
Bei einer beabsichtigten betriebsbedingten Kündigung muss der Arbeitgeber die Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten sorgfältig prüfen. Die Prüfung muss sich auf zumutbare Positionen erstrecken, die der Qualifikation des Arbeitnehmers entsprechen.
Die Weiterbeschäftigung muss sowohl dem Arbeitnehmer als auch dem Arbeitgeber objektiv möglich und zumutbar sein. Dabei sind folgende Faktoren zu berücksichtigen:
- Die erforderlichen Fähigkeiten und Kenntnisse des Arbeitnehmers
- Die Entfernung zum neuen Arbeitsplatz
- Mögliche Gehaltsänderungen
Welche Fristen und Formalitäten muss der Arbeitgeber bei einer Betriebsstilllegung einhalten?
Bei einer Betriebsstilllegung muss der Arbeitgeber verschiedene zeitliche und formelle Vorgaben beachten. Die Kündigung muss zwingend schriftlich erfolgen.
Fristen bei der Kündigung
Die gesetzlichen Kündigungsfristen nach § 622 BGB sind einzuhalten, die je nach Betriebszugehörigkeit zwischen einem und sieben Monaten betragen. Eine Betriebsstilllegung wird in der Regel als ordentliche Kündigung ausgesprochen.
Beteiligung des Betriebsrats
In Unternehmen mit mehr als 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern gelten besondere Pflichten:
- Der Betriebsrat muss rechtzeitig und umfassend über die geplante Stilllegung informiert werden
- Ein Interessenausgleich muss versucht werden
- Verhandlungen über einen Sozialplan sind zu führen
- Die Anhörung des Betriebsrats muss vor jeder einzelnen Kündigung erfolgen
Meldepflichten und weitere Formalitäten
Der Arbeitgeber muss bei der Stilllegung eines Betriebs mit mehr als 20 Beschäftigten eine Massenentlassungsanzeige bei der Bundesagentur für Arbeit einreichen. Die Schwellenwerte hierfür ergeben sich aus § 17 Abs. 1 KSchG.
Zeitpunkt der Stilllegung
Der Stilllegungsbeschluss muss zum Zeitpunkt der Kündigung bereits konkrete Formen angenommen haben. Eine Kündigung ist unwirksam, wenn der Arbeitgeber:
- die Stilllegung nur erwogen, aber noch nicht endgültig beschlossen hat
- noch in Verhandlungen über eine Betriebsveräußerung steht
- sich noch um neue Aufträge bemüht
Die Stilllegungsentscheidung muss zum Kündigungszeitpunkt endgültig und unwiderruflich sein. Der Arbeitgeber muss dabei nachweisen können, dass und zu welchem Zeitpunkt er die organisatorischen Maßnahmen zur Betriebsstilllegung geplant und beschlossen hat.
Wie können Arbeitnehmer die Rechtmäßigkeit einer Betriebsstilllegung überprüfen?
Eine Betriebsstilllegung liegt nur vor, wenn der Betriebszweck dauerhaft und endgültig aufgegeben wird. Als Arbeitnehmer können Sie die Rechtmäßigkeit anhand mehrerer konkreter Kriterien überprüfen.
Prüfung der Stilllegungsabsicht
Der Arbeitgeber muss zum Zeitpunkt der Kündigung einen ernsthaften und endgültigen Entschluss zur Stilllegung gefasst haben. Dies zeigt sich durch:
- Einstellung der Annahme neuer Aufträge
- Kündigung von Lieferverträgen und Mietverträgen
- Verkauf von Betriebsinventar
- Einstellung von Werbeaktivitäten
Überprüfung der tatsächlichen Umsetzung
Die Stilllegungsentscheidung muss greifbare Formen angenommen haben. Achten Sie auf folgende Anzeichen:
- Die Geschäftstätigkeit wird weder vom Arbeitgeber noch von Dritten fortgeführt
- Die Betriebsorganisation wird tatsächlich aufgelöst
- Es erfolgt keine Verlagerung der Produktion an andere Standorte
Abgrenzung zur Betriebsunterbrechung
Eine bloße vorübergehende Schließung rechtfertigt keine Stilllegung. Die Einstellung der Produktion muss für eine wirtschaftlich erhebliche Zeitspanne erfolgen. Zwei Elemente müssen erfüllt sein:
- Die vollständige Einstellung der Produktion
- Die Auflösung der Betriebsgemeinschaft durch Beendigung der Arbeitsverhältnisse
Überprüfung der Sozialauswahl
Bei einer Teilbetriebsstilllegung muss der Arbeitgeber eine Sozialauswahl durchführen, wenn Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten im verbleibenden Betriebsteil bestehen. Bei einer vollständigen Betriebsstilllegung entfällt diese Pflicht.
Die Arbeitsgerichte prüfen nicht die wirtschaftliche Zweckmäßigkeit der Stilllegungsentscheidung, sondern nur, ob sie willkürlich oder offensichtlich unsachlich ist.
Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Betriebsstilllegung
Eine vollständige und dauerhafte Einstellung der Geschäftstätigkeit eines Betriebs oder Unternehmens. Dies umfasst die Beendigung aller betrieblichen Aktivitäten, Kündigung sämtlicher Verträge und Veräußerung der Betriebsmittel. Gemäß § 17 KSchG muss bei größeren Betriebsstilllegungen eine Massenentlassungsanzeige bei der Agentur für Arbeit erfolgen. Ein Beispiel wäre die komplette Schließung einer Produktionsstätte inklusive Verwaltung und Vertrieb.
Betriebsbedingte Kündigung
Eine Kündigung, die durch dringende betriebliche Erfordernisse gerechtfertigt ist (§ 1 Abs. 2 KSchG). Sie kann erfolgen, wenn der Arbeitsplatz aufgrund von unternehmerischen Entscheidungen wie Umstrukturierungen oder Betriebsstilllegungen wegfällt. Der Arbeitgeber muss nachweisen, dass keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit auf einem anderen freien Arbeitsplatz besteht. Klassisches Beispiel ist die Schließung einer kompletten Abteilung aus wirtschaftlichen Gründen.
Gemeinschaftsbetrieb
Eine Organisationsform, bei der mehrere rechtlich selbstständige Unternehmen einen Betrieb gemeinsam führen und die wesentlichen Arbeitgeberfunktionen einheitlich ausüben. Geregelt in § 1 Abs. 2 BetrVG. Die Arbeitnehmer arbeiten unter einer gemeinsamen Leitung und nutzen gemeinsame Betriebsmittel. Beispiel: Zwei Unternehmen teilen sich Verwaltung, Personal und Produktionsanlagen unter einheitlicher Führung.
Sozialauswahl
Ein gesetzlich vorgeschriebenes Auswahlverfahren bei betriebsbedingten Kündigungen nach § 1 Abs. 3 KSchG. Der Arbeitgeber muss dabei soziale Kriterien wie Betriebszugehörigkeit, Lebensalter, Unterhaltspflichten und Schwerbehinderung berücksichtigen. Vergleichbare Mitarbeiter mit geringerer sozialer Schutzbedürftigkeit müssen vorrangig gekündigt werden. Beispiel: Ein alleinstehender junger Mitarbeiter wird vor einem älteren Kollegen mit Familie gekündigt.
Weiterbeschäftigungspflicht
Die rechtliche Verpflichtung des Arbeitgebers, vor einer betriebsbedingten Kündigung zu prüfen, ob der Arbeitnehmer auf einem anderen freien Arbeitsplatz im Betrieb oder Unternehmen weiterbeschäftigt werden kann (§ 1 Abs. 2 KSchG). Dies kann auch eine Weiterbeschäftigung zu geänderten Arbeitsbedingungen umfassen. Ein Beispiel wäre das Angebot einer anderen Position, auch wenn diese geringer vergütet wird.
Dringender betrieblicher Grund
Ein rechtlich anerkannter Kündigungsgrund nach § 1 Abs. 2 KSchG, der durch zwingende betriebliche Erfordernisse entsteht. Er muss auf unternehmerischen Entscheidungen basieren, die nachvollziehbar und nicht willkürlich sind. Die Kündigung muss zur Umsetzung dieser Entscheidung unvermeidbar sein. Beispiel: Wegfall von Arbeitsplätzen durch Automatisierung oder Outsourcing von Unternehmensteilen.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 1 Abs. 2 Satz 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG): Diese Vorschrift regelt, dass eine Kündigung sozial gerechtfertigt sein muss, wenn sie durch betriebliche, personenbedingte oder verhaltensbedingte Gründe erfolgt. Im vorliegenden Fall beruft sich die Beklagte auf dringende betriebliche Erfordernisse, die eine Weiterbeschäftigung der Klägerin unmöglich machen. Der Betrieb der Beklagten wurde stillgelegt, was als betriebsbedingter Kündigungsgrund anerkannt ist, sofern diese Stilllegung tatsächlich erfolgt und nicht nur vorgetäuscht wird.
- § 18 Abs. 1 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG): Während der Elternzeit ist eine Kündigung grundsätzlich unzulässig. Eine Ausnahme besteht nur, wenn die zuständige Behörde die Kündigung ausdrücklich genehmigt. Im Fall der Klägerin wurde eine solche Genehmigung durch die Bezirksregierung erteilt, da die Beklagte einen entsprechenden Antrag gestellt hatte. Dies steht im Zusammenhang mit der Betriebsstilllegung, welche als Grund für die Ausnahme herangezogen wurde.
- § 613a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB): Dieser Paragraph befasst sich mit dem Übergang von Arbeitsverhältnissen bei einem Betriebsübergang. Die Klägerin argumentiert, dass ein Gemeinschaftsbetrieb mit der G GmbH bestand, was eine Sozialauswahl über den Betrieb hinaus erfordert hätte. Die Beklagte hingegen weist dies zurück und argumentiert, dass kein Betriebsübergang oder Gemeinschaftsbetrieb vorliegt, da der Betrieb vollständig eingestellt wurde.
- § 102 Abs. 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG): Hier wird geregelt, dass der Betriebsrat vor jeder Kündigung anzuhören ist. Im Kontext des Falls könnte die Frage relevant sein, ob eine ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats im Vorfeld der Kündigung stattgefunden hat. Zwar wird dies im vorliegenden Fall nicht ausdrücklich thematisiert, könnte aber im Rahmen eines Gemeinschaftsbetriebes eine Rolle spielen, wenn mehrere Unternehmen in die Entscheidung eingebunden waren.
- Richtlinie 98/59/EG der Europäischen Union (Massenentlassungsrichtlinie): Diese Richtlinie legt Mindestanforderungen für die Information und Konsultation der Arbeitnehmervertretungen bei Massenentlassungen fest. In Anbetracht der Kündigung aller Arbeitnehmer der Beklagten könnte geprüft werden, ob die Vorgaben zur rechtzeitigen und umfassenden Unterrichtung eingehalten wurden. Dies ist insbesondere relevant, wenn die Klägerin auf personelle Verflechtungen zwischen der Beklagten und der Muttergesellschaft verweist, da eine einheitliche Leitung solche Pflichten auslösen könnte.
Das vorliegende Urteil
Landesarbeitsgericht Köln – Az.: 4 Sa 558/22 – Urteil vom 14.02.2023
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