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Betriebsübergang bei einem Verkehrsbetrieb

ArbG Cottbus – Az.: 11 Ca 10090/17 – Urteil vom 15.06.2020

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten zu 1) vom 27.01.2017 zum 31.08.2017 nicht aufgelöst wurde.

2. Es wird festgestellt, dass zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1) seit dem 01.08.2017 kein Arbeitsverhältnis mehr besteht.

3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 2) verpflichtet ist, dem Kläger ab dem 01.09.2017 Entgelt nach der Entgeltgruppe 5, Stufe 6, TV-N BRB, zu zahlen.

4. Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, an den Kläger für den Zeitraum von September 2017 bis einschließlich April 2020 Entgelt in Höhe von 13.088,44 € brutto nebst Zinsen

· aus je 395,00 € seit 01.10.2017, 01.11.2017, 01.12.2017, 01.01.2018, 01.02.2018, 01.03.2018, 01.04.2018, 01.05.2018, 01.06.2018, 01.07.2018, 01.09.2018 und 01.10.2018,

· aus je 403,58 € seit 01.11.2018, 01.12.2018, 01.01.2019, 01.02.2019, 01.03.2019, 01.04.2019, 01.05.2019, 01.06.2019, 01.07.2019, 01.08.2019, 01.09.2019, 01.10.2019, 01.11.2019, 01.12.2019, 01.01.2020, 01.02.2020, 01.03.2020,

· aus 422,59 € seit dem 01.04.2020 und 01.05.2020

zu zahlen.

5. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

6. Die Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger zu 14 %, die Beklagte zu 1) zu 14 % und die Beklagte zu 2) zu 72 % zu tragen.

7. Der Streitwert wird auf 23.135,88 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung und der Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund eines Betriebsübergangs sowie die Eingruppierung des Klägers und Differenzlohnansprüche.

Der Kläger war bei der Beklagten seit dem 16.07.19789 als KOM-Fahrer und in der Funktion eines Vorarbeiters in Vollzeit mit einem Entgelt von zuletzt 2.032,80 € brutto zzgl. einer Vorarbeiterzulage von 150,00 € brutto beschäftigt.

Die Beklagte zu 1. betrieb im Auftrag des Landkreises Oberspreewald-Lausitz seit dem 01.08.2008 den öffentlichen Personennahverkehr des Landkreises. Sie ist ein Unternehmen des N.-Konzerns. Im September 2016 schrieb der Landkreis Oberspreewald-Lausitz die Verkehrsdienstleistungen neu aus.

Die Ausschreibung des öffentlichen Nahverkehrs orientierte sich an den neuen EU-Abgas Normen und gab vor, dass die Busse die Anforderungen der aktuellen Euro-Norm erfüllen müssten. Busse, die schon zehn Jahre lang für die Erbringung des öffentlichen Nahverkehrs eingesetzt waren, konnten diese Anforderung nicht erfüllen.

Der Landkreis vergab die Busnahverkehrsleistungen im Wege der öffentlichen Vergabe für eine Vertragslaufzeit von 120 Monaten.

An die Busse wurden folgende zwingend einzuhaltenden technischen Anforderungen gestellt: Die Busse durften ein maximales Alter von 15 Jahren (bezogen auf die Erstzulassung) nicht überschreiten.

Betriebsübergang bei einem Verkehrsbetrieb
(Symbolfoto: Von Mikbiz/Shutterstock.com)

Alle eingesetzten Busse mussten ein einheitliches Grunddesign aufweisen. Dies hätte eine Umrüstung für die restliche Einsatzzeit von zwei Jahren bedeutet.

Die Fahrzeuge mussten schließlich mindestens die ‚Euro-6-Norm‘ erfüllen. Die Busse des bisherigen Auftragnehmers erfüllten jedoch im Wesentlichen nur die ‚Euro-3- und die ‚Euro-4-Norm‘.

Hinzu kam, dass ab dem 01.01.2018 40 % und ab dem 01.01.2022 70 % der eingesetzten Fahrzeuge Niederflur- oder Low-Entry-Fahrzeuge sein mussten.

Aus den Ausschreibungsbedingungen ergab sich zudem die Bedeutung des Fahrpersonals. Der Auftragnehmer hatte sicherzustellen, dass das Fahrpersonal den Anforderungen eines attraktiven ÖPNV mit umfassender Dienstleistungs- und Kundenorientierung gerecht wird. Das eingesetzte Fahrpersonal hatte laut Ausschreibung entsprechend der gesetzlichen Bestimmungen für das Führen von Kraftomnibussen im Linienverkehr geeignet und im Besitz der erforderlichen gültigen Genehmigung zu sein. Es hatte über ausreichende Kenntnisse der gesetzlichen und fachlichen Vorschriften (StVO, BOKraft, DFBus) zu verfügen. Zum Zwecke einer zufriedenstellenden Fahrgastinformation musste es zudem ausreichende Ortskenntnisse besitzen und in der Lage sein, neben dem Fahrscheinverkauf den Fahrgästen auf Wunsch auch Informationen und Auskünfte zu geben. Das eingesetzte Fahrpersonal musste über gute Netz- und Streckenkenntnisse und Kenntnisse der Linienführung und der Fahrpläne im VGOSL-Gebiet, der verknüpften Regionalbuslinien und des Schienenverkehrs sowie über Tarifbestimmungen und Beförderungsbedingungen des VBB (Verkehrsbund Berlin-Brandenburg GmbH) verfügen.

Werden die Qualitätsmindestanforderungen nicht eingehalten, sollten laut Ausschreibung Vertragsstrafen anfallen.

Der Bieter musste sich verpflichten, seine Beschäftigten nach dem jeweils geltenden Tarifvertrag Nahverkehr Brandenburg (TV-NBRB) zu entlohnen.

Die Busse der Beklagten waren im Schnitt 13 Jahre alt. Keiner der bisherigen zur Erbringung der Verkehrsleistungen eingesetzten Busse der Beklagten erfüllte die Anforderungen zur Barrierefreiheit.

Die Beklagte zu 1. beschloss, sich nicht an der Ausschreibung zu beteiligen. Ausschlaggebend dafür war nach ihren Angaben, dass als einziges entscheidungserhebliches Zuschlagskriterium der Preis angegeben wurde und sich der Bieter verpflichten musste seine Beschäftigten nach dem jeweils geltenden Tarifvertrag Nahverkehr Brandenburg (TV-NBRB) zu entlohnen. Auf Grund der Personalstruktur der SBN GmbH führe dies dazu, dass kein wirtschaftlich tragbares bzw. wettbewerbsfähiges Angebot für die Wiedergewinnung des Auftrages hätte unterbreitet werden können.

Die Beklagte zu 1. beschloss die Einstellung des Geschäftsbetriebes und sprach gegenüber allen Arbeitnehmern Kündigungen aus. Am 19.01.2017 schloss sie einen Interessenausgleich und Sozialplan mit dem bei ihr gebildeten Betriebsrat.

Den Zuschlag für die Erbringung der Verkehrsdienstleistungen im Landkreis Oberspreewald-Lausitz erhielt ab 01.08.2017 die K. … mbH – zukünftig K. … mbH genannt. Die K. … mbH ist eine hundertprozentige Tochter der R. GmbH & Co. KG. Zur Durchführung der Verkehrsdienstleistungen gründete diese wiederum die ihr zu hundert Prozent gehörende O. GmbH.

Mit Schreiben vom 27.01.2017 kündigte die Beklagte zu 1. das Arbeitsverhältnis des Klägers ordentlich, fristgerecht zum 31.08.2017.

Am 10. Februar 2017 kam es zu einem Gespräch zwischen dem Betriebsratsvorsitzenden der Beklagten zu 1., der Geschäftsleitung der Beklagten zu 1. und einem Vertreter der Geschäftsleitung der K. …. Die K. … machte deutlich, dass sie ein großes Interesse an der „Übernahme“ der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter habe.

Mit Schreiben vom 13. Februar 2017 wandte sich die Beklagte unter Bezugnahme auf das Gespräch vom 10. Februar 2017 mit einem Rundschreiben an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Darin heißt es u.a.:

„Die Vertreter der Geschäftsleitung der K. … mbH haben ihr intensives Interesse an Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bekundet und uns gebeten, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu benennen, die Interesse an einem Arbeitsplatz bei der K. … mbH haben.

Nach Aussage der Vertreter der Geschäftsleitung der K. … mbH wird für die Realisierung der gewonnenen Verkehrsdienstleistung im Landkreis Oberspreewald-Lausitz ein eigenständiges Unternehmen mit lokalem Bezug etabliert.

Es ist mit den Vertretern der Geschäftsleitung der K. … mbH vereinbart, dass keine ausführlichen Bewerbungsunterlagen eingereicht werden müssen.

Ich bitte Sie daher, wer Interesse an einem Arbeitsplatz bei der K. … mbH bzw. dem Tochterunternehmen hat, folgende Angaben zu machen:

Jetzige Personalnummer:

Jetzige Tätigkeit:

(Auch Mehrfachnennung möglich)

Erwünschte Tätigkeit

(Auch Mehrfachnennung möglich)

Mit der Personalnummer kann die K. … mbH auf persönliche Daten einer bislang anonymen Liste zugreifen. …

Um eine zeitnahe Bearbeitung zu gewährleisten, bitte ich Sie, die beigefügte Interessenbekundung bis spätestens 03. März 2017 bei der Geschäftsleitung der S. einzureichen.

Für Mitarbeiter, die sich persönlich bei K. … mbH bewerben möchten, bitte sich direkt an Frau H. unter der E-Mailadresse xxx@xxx.net zu wenden.

Gez. W. …

Geschäftsführer

S. GmbH“

Mit einem Rundschreiben vom 15. Februar 2017 wandte sich die K. … mbH an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Beklagten. Dort heißt es:

„Information für zukünftige Mitarbeiter der M. GmbH

Wir, die K. … mbH mit Sitz in Zittau, eine 100 prozentige Tochtergesellschaft der R. GmbH & Co KG (…), erbringen ab 01. August 2017 die Verkehrsdienstleistungen im Landkreis Oberspreewald Lausitz.

Wir beabsichtigen unsere Schwestergesellschaft, M. GmbH, mit der Leistungserbringung zu betrauen.

Bitte wundern Sie sich nicht über den Namen der Gesellschaft. Wir werden in den nächsten Wochen einen Namen mit regionalem Bezug wählen. Ebenso wird die Firma ihren Sitz im Landkreis Oberspreewald-Lausitz haben.

Wir wollen bereits jetzt all unseren zukünftigen Mitarbeitern versichern, dass wir uns langfristig in ihrer Heimat engagieren wollen. Dies entspricht dem Selbstverständnis unserer Unternehmensgruppe, welches ist: nachhaltige Dienstleistungs- und Unternehmensentwicklung im ÖPNV sowie in anderen öffentlichen Dienstleistungen.

Wir möchten gern mit Ihnen einen Arbeitsvertrag abschließen. Wir bieten:

Unbefristeter Arbeitsvertrag

Vergütung nach TVN

keine Probezeit

Einsatz im Landkreis OSL garantiert

Faire Urlaubsregelung

Dienstkleidung

Bei Interesse Ihrerseits wenden Sie sich an unsere Personalleiterin, Frau H., unter der Rufnummer (0xxx) xxx oder per Mail, gern gleich in Form einer Bewerbung, an xxx@xxx.net.

Zittau, den 15.02.2017

Gez. A. …

Gez. U. …

Geschäftsführer

Geschäftsführer“

Der Kläger schloss beginnend ab dem 01. August 2017 einen Arbeitsvertrag als KOM-Fahrer mit der Beklagten zu 2., die eine hundertprozentige Tochter der K. … mbH ist.

Im Arbeitsvertrag des Klägers heißt es soweit vorliegend relevant:

„Der Arbeitnehmer erhält gemäß der Eingruppierungsrichtlinie des TV-N Brandenburg die Vergütungsgruppe 5 Stufe 1 unter Berücksichtigung künftiger Tarif- und Stufensteigerungen. Das monatliche Entgelt beträgt derzeit 1.944,78 Euro. Das entspricht einem Stundenlohn von 11,47 Euro.“

Das Brandenburger Vergabegesetz (BbgVergG) enthält u.a. folgende Regelung:

㤠4

Regelungen zum öffentlichen Personennahverkehr

(1) Ein Auftrag über eine Leistung des öffentlichen Personennahverkehrs wird nur an einen Bieter vergeben, der sich gegenüber dem Auftraggeber verpflichtet, seine bei der Ausführung der Leistung eingesetzten Beschäftigten mindestens nach dem hierfür jeweils geltenden einschlägigen und repräsentativen Entgelttarifvertrag zu entlohnen und auch seinen auf das Entgelt bezogenen eigenen, gegebenenfalls weitergehenden tariflichen Pflichten in der gesamten Laufzeit des zu vergebenden Verkehrsvertrages ordnungsgemäß nachzukommen. Dies muss Bestandteil des Angebots sein. Der Auftraggeber bestimmt in der Bekanntmachung der Ausschreibung und in den Vergabeunterlagen den oder die Tarifverträge nach Satz 1 nach billigem Ermessen. Die Regelungen der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 sind zu beachten. …“

In der Leistungsbeschreibung zu den Ausschreibungsbedingungen des Landkreises OSL heißt es auf Seite 22:

„Der Auftragnehmer hat seine bei der Ausführung der Leistung eingesetzten Beschäftigten mindestens nach dem hierfür jeweils geltenden einschlägigen und repräsentativen Entgelttarifvertrag zu entlohnen. …“

Die Auftragsbekanntmachung des Landkreises enthält auf Seite 6 folgende Anforderung:

„Bieter haben sich gegenüber dem Auftraggeber zu verpflichten, ihre bei der Ausführung der Leistung eingesetzten Beschäftigen mindestens nach dem hierfür jeweils geltenden Entgelttarifvertrag zu entlohnen und auch den auf das Entgelt bezogenen eigenen, gegebenenfalls weitergehenden tariflichen Pflichten in der gesamten Laufzeit des zu vergebenden Verkehrsvertrag ordnungsgemäß nachzukommen. Repräsentativer Tarifvertrag ist der Tarifvertrag Nahverkehr Brandenburg (TV-N BRB).“

Der TV-N BRB in der Fassung des Änderungstarifvertrages vom 12. Mai 2015 enthält, soweit vorliegend relevant, folgende Regelungen:

„§ 4 Beschäftigungszeit

(1) Beschäftigungszeit ist die bei demselben Arbeitgeber in einem Arbeitsverhältnis ununterbrochen zurückgelegte Zeit. …“

㤠5 Eingruppierung

(1) …

(2) Die Entgeltgruppen 2 bis 15 sind in sechs Stufen aufgeteilt. Beginnend mit der Stufe 1 erreicht der Arbeitnehmer die jeweils nächste Stufe innerhalb seiner Entgeltgruppe unter Berücksichtigung der Beschäftigungszeit (§ 4) nach Ablauf von 4 Jahren in der jeweiligen Stufe. Förderliche Zeiten können für die Stufenzuordnung berücksichtigt werden. …“

Der 6. Änderungstarifvertrag zum TV-N BRB vom 16. Februar 2017 trifft folgende Regelung:

 

„4. § 4 Absatz 1 wird um folgenden Satz 2 ergänzt: „Als bei demselben Arbeitgeber ununterbrochen zurückgelegter Zeit gilt im Falle eines Betriebsübergangs oder eines Betreiberwechsels auch die bei dem Rechtsvorgänger im Arbeitsverhältnis zurückgelegt Zeit.““

Seit dem 01.08.2017 erbringen die K. … mbH und die O. Bus GmbH die Verkehrsdienstleistungen im Landkreis Oberspreewald-Lausitz gemeinsam. Sie stellten einen großen Teil der Busfahrer (je nach Berechnung 60-80%) und einen Teil der Führungskräfte neu ein.

In dem Schreiben der K. … mbH vom 10.04.2017 teilte diese der Beklagten mit, dass deren materielle Betriebsmittel (Busse, Betriebshilfe etc.) für sie keine Rolle spielten und sie keine Busse, Betriebshöfe und Betriebsanlagen kaufen, mieten oder in sonstiger Weise nutzen und von ihr keine Werkstattdienstleistungen in Anspruch nehmen werde. Es kam dann anschließend auch nur zu einer Teilnutzung auf Grund eines Pachtvertrages des vormals von der Beklagten betriebenen Betriebshofes in Lübbenau.

Mit Schreiben vom 11. Dezember 2017 machte der Kläger Differenzlohnansprüche gegenüber der Beklagten zu 2. geltend.

Mit der am 16.02.2017 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage wendet sich der Kläger gegen die Kündigung vom 27.01.2017.

Die Kammer hat mit Beschluss vom 17. April 2018 dem Europäischen Gerichtshof folgende Fragen im Vorabentscheidungsverfahren vorgelegt und das Verfahren in der Hauptsache ausgesetzt:

1. Ist die Übergabe des Betriebes von Buslinien von einem Busunternehmen auf ein anderes auf Grund eines Vergabeverfahrens nach der Richtlinie 92/50/EWG über die Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge ein Übergang eines Betriebes im Sinne des Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinien 77/187/EWG (Betriebsübergangsrichtlinie: RL 2001/23/EG vom 12.03.200), auch wenn keine nennenswerten Betriebsmittel, insbesondere keine Busse zwischen den beiden genannten Unternehmen übertragen worden sind?

2. Rechtfertigt die Annahme, dass die Busse bei einer befristeten Vergabe der Dienstleistungen auf Grund vernünftiger betriebswirtschaftlicher Entscheidung wegen ihres Alters und der gestiegenen technischen Anforderung (Abgaswerte, Niederflurfahrzeuge) nicht mehr von erheblicher Bedeutung für den Wert des Betriebes sind, eine Abweichung des Europäischen Gerichtshofes von seiner Entscheidung vom 25.01.2001 (C-172/99) dahingehend, dass unter diesen Bedingungen auch die Übernahme eines wesentlichen Teils der Belegschaft zur Anwendbarkeit der Richtlinie 77/187 EW (Betriebsübergangsrichtlinie: RL 2001/23/EG vom 12.03.200) führen kann?

Der EuGH hat in seinem Urteil vom 27. Februar 2020 dazu im Wesentlichen festgestellt:

Ein Betriebsübergang kann auch gegeben sein, selbst wenn ein wesentlicher Teil der Betriebsmittel, wie in der vorliegenden Sache die Busse eines Unternehmens, wegen rechtlicher, umweltrelevanter oder technischer Vorgaben des öffentlichen Auftraggebers, nicht in das neue Unternehmen übernommen wurden.

In einem solchen Fall kann die Übernahme eines wesentlichen Teils der Belegschaft, hier insbesondere der Busfahrer, und die Fortsetzung der im Wesentlichen gleichen Busverkehrsdienste ohne Unterbrechung als Betriebsübergang qualifiziert werden.

Der Kläger hält die Kündigung für Sozialwidrig. Jedenfalls sei sie aus Anlass des Betriebsübergangs auf die K. … erfolgt. Die Betriebszugehörigkeit bei der Beklagten zu 1. sei bei der Beklagten zu 2. hinsichtlich der Stufenzuordnung anzurechnen.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens des Klägers wird auf die Schriftsätze nebst Protokollerklärungen verwiesen.

Der Kläger beantragt:

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers durch die Kündigung der Beklagten zu 1. vom 27.01.2017 nicht zum 31.08.2017 aufgelöst wurde.

2. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1. am 01.09.2017 auf die Beklagte zu 2. übergegangen ist.

3. Die Beklagte zu 2. wird verurteilt, den Kläger ab dem 01.09.2017 als Vorarbeiter in die Entgeltgruppe 7 Stufe 6 TV-N BRB einzugruppieren.

Hilfsweise für den Fall, dass der Antrag zu 3. abgewiesen wird:

4. Die Beklagte zu 2. wird verurteilt, den Kläger ab dem 01.09.2017 als KOM-Fahrer in die Entgeltgruppe 6 Stufe 6 TV-N BRB einzugruppieren.

Hilfsweise für den Fall, dass der Antrag zu 4. abgewiesen wird:

5. Die Beklagte zu 2. wird verurteilt, an den Kläger als KOM-Fahrer ab dem 01.09.2017 in die Entgeltgruppe 6 Stufe 4 TV-N BRB und ab dem 01.10.2017 in die Entgeltgruppe 6 Stufe 5 TV-N BRB einzugruppieren.

Hilfsweise für den Fall, dass der Antrag zu 5. abgewiesen wird:

6. Die Beklagte zu 2. wird verurteilt, den Kläger ab dem 01.09.2017 als KOM-Fahrer in die Entgeltgruppe 5 Stufe 6 TV-N BRB einzugruppieren.

7. Die Beklagte zu 2. wird verurteilt, an den Kläger 23.194,17 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gem. § 247 BGB

aus 704,62 € seit dem 01.10.2017,

aus 704,62 € seit dem 01.11.2017,

aus 704,62 € seit dem 01.12.2017,

aus 704,62 € seit dem 01.01.2018,

aus 704,62 € seit dem 01.02.2018,

aus 704,62 € seit dem 01.03.2018,

aus 704,62 € seit dem 01.04.2018,

aus 704,62 € seit dem 01.05.2018,

aus 704,62 € seit dem 01.06.2018,

aus 704,62 € seit dem 01.07.2018,

aus 704,62 € seit dem 01.08.2018,

aus 704,62 € seit dem 01.09.2018,

aus 704,62 € seit dem 01.10.2018,

aus 718,71 € seit dem 01.11.2018,

aus 718,71 € seit dem 01.12.2018,

aus 718,71 € seit dem 01.01.2019,

aus 718,71 € seit dem 01.02.2019,

aus 718,71 € seit dem 01.03.2019,

aus 718,71 € seit dem 01.04.2019,

aus 743,83 € seit dem 01.05.2019,

aus 743,83 € seit dem 01.06.2019,

aus 743,83 € seit dem 01.07.2019,

aus 743,83 € seit dem 01.08.2019,

aus 743,83 € seit dem 01.09.2019,

aus 743,83 € seit dem 01.10.2019,

aus 743,83 € seit dem 01.11.2019,

aus 743,83 € seit dem 01.12.2019,

aus 743,83 € seit dem 01.01.2020,

aus 743,83 € seit dem 01.02.2020,

aus 743,83 € seit dem 01.03.2020,

aus 769,86 € seit dem 01.04.2020,

aus 743,83 € seit dem 01.05.2020,

zu zahlen.

Hilfsweise für den Fall, dass der Antrag zu 3. abgewiesen wird:

8. Die Beklagte zu 2. wird verurteilt, an den Kläger 17.748,47 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gem. § 247 BGB

aus 520,31 € seit dem 01.10.2017,

aus 520,31 € seit dem 01.11.2017,

aus 520,31 € seit dem 01.12.2017,

aus 520,31 € seit dem 01.01.2018,

aus 520,31 € seit dem 01.02.2018,

aus 520,31 € seit dem 01.03.2018,

aus 520,31 € seit dem 01.04.2018,

aus 520,31 € seit dem 01.05.2018,

aus 520,31 € seit dem 01.06.2018,

aus 520,31 € seit dem 01.07.2018,

aus 520,31 € seit dem 01.08.2018,

aus 520,31 € seit dem 01.09.2018,

aus 520,31 € seit dem 01.10.2018,

aus 530,71 € seit dem 01.11.2018,

aus 530,71 € seit dem 01.12.2018,

aus 530,71 € seit dem 01.01.2019,

aus 530,71 € seit dem 01.02.2019,

aus 530,71 € seit dem 01.03.2019,

aus 530,71 € seit dem 01.04.2019,

aus 596,80 € seit dem 01.05.2019,

aus 596,80 € seit dem 01.06.2019,

aus 596,80 € seit dem 01.07.2019,

aus 596,80 € seit dem 01.08.2019,

aus 596,80 € seit dem 01.09.2019,

aus 596,80 € seit dem 01.10.2019,

aus 596,80 € seit dem 01.11.2019,

aus 596,80 € seit dem 01.12.2019,

aus 596,80 € seit dem 01.01.2020,

aus 596,80 € seit dem 01.02.2020,

aus 596,80 € seit dem 01.03.2020,

aus 617,69 € seit dem 01.04.2020,

aus 617,69 € seit dem 01.05.2020,

zu zahlen.

Die Beklagte zu 1. beantragt, die Klage hinsichtlich des Antrages zu 1. abzuweisen sowie hilfsweise widerklagend festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zur Beklagten zu 1. seit dem 01.08.2017 hilfsweise 01.09.2017 nicht mehr besteht.

Die Beklagte zu 2) beantragt, die Anträge zu den Ziffern 2. bis 8. abzuweisen.

Die Beklagte zu 1. hält die Kündigung wegen der von der Beklagten beschlossenen Stilllegung des Betriebes für gerechtfertigt. Jedenfalls sei das Arbeitsarbeit ab dem 01.08.2017 auf die K. … übergegangen. Die K. … erbringe gemeinsam mit der O. GmbH die im Wesentlichen gleichen Verkehrsdienstleistungen ununterbrochen und habe den wesentlichen Teil der Arbeitnehmer übernommen.

Die Beklagte zu 2. ist der Ansicht, der Kläger habe nur Entgelt nach der EG 5 Stufe 1 TVN- BRB zu beanspruchen. Ein Betriebsübergang liege nicht vor.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Beklagten wird auf die Schriftsätze nebst Protokollerklärungen verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.

Das Arbeitsverhältnis des Klägers endet nicht durch die Kündigung der Beklagten zu 1. vom 27.01.2017. Die Kündigung ist unwirksam. Sie verstößt gegen § 613a Abs. 4 BGB. Denn sie erfolgte aus Anlass des Betriebsübergangs auf die K. … mbH/O. GmbH.

1.

Der Kläger hat rechtzeitig innerhalb der dreiwöchigen Klagefrist eine Klage gegen die Kündigung erhoben.

2.

Anlässlich der Neuvergabe der Verkehrsdienstleistungen im Landkreis Oberspreewald-Lausitz ist der Betrieb der Beklagten zu 1. auf die Neubetreiberin, die K. … mbH/O. GmbH übergegangen. Die K. … mbH und die Beklagte zu 2. erbringen gemeinsam seit dem 01.08.2017 die im Wesentlichen gleichen Verkehrsdienstleistungen und haben einen wesentlichen Teil für den Busbetrieb unerlässlichen Busfahrer übernommen. Auf die fehlende Übernahme der Betriebsmittel kommt es nicht an.

a)

Ein Betriebsübergang iSv. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB – wie auch iSd. Richtlinie 2001/23/EG – liegt vor, wenn die für den Betrieb verantwortliche natürliche oder juristische Person, die die Arbeitgeberverpflichtungen gegenüber den Beschäftigten eingeht, im Rahmen vertraglicher Beziehungen wechselt und die in Rede stehende Einheit nach der Übernahme durch den neuen Inhaber ihre Identität bewahrt (vgl. EuGH vom 26. November 2015 – C-509/14 – [Aira Pascual ua.] Rn. 28; vom 6. März 2014 – C-458/12 – [Amatori ua.] Rn. 29 f. mwN; BAG vom 22. Januar 2015 – 8 AZR 139/14 – Rn. 13 mwN; 18. September 2014 – 8 AZR 733/13 – Rn. 18 – juris).

Es muss dabei um eine auf Dauer angelegte wirtschaftliche Einheit gehen, deren Tätigkeit nicht auf die Ausführung eines bestimmten Vorhabens beschränkt ist (so u.a. EuGH vom 6. März 2014 – C-458/12 – [Amatori ua.] Rn. 31; vom 13. September 2007 – C-458/05 – [Jouini ua.] Rn. 31, Slg. 2007, I-7301; vom 15. Dezember 2005 – C-232/04 und C-233/04 – [Güney-Görres und Demir] Rn. 32, Slg. 2005, I-11237; vom 10. Dezember 1998 – C-127/96, C-229/96 und C-74/97 – [Hernández Vidal ua.] Rn. 26 mwN, Slg. 1998, I-8179; vom 19. September 1995 – C-48/94 – [Rygaard] Rn. 20, Slg. 1995, I-2745 – juris). Eine hinreichend strukturierte und selbstständige Gesamtheit von Personen und Sachen zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigenem Zweck stellt eine solche Einheit dar (EuGH vom 6. März 2014 – C-458/12 – [Amatori ua.] Rn. 31 f. mwN). Schutzzweck der Betriebsübergangsrichtlinie und des insoweit umgesetzten § 613a BGB ist es, die Kontinuität der im Rahmen einer wirtschaftlichen Einheit bestehenden Arbeitsverhältnisse unabhängig von einem Inhaberwechsel zu gewährleisten. Als entscheidend für die Annahme eines Übergangs iSv. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB ist es daher, dass die betreffende Einheit ihre Identität bewahrt. Das ist dann der Fall, wenn der Betrieb tatsächlich weitergeführt oder wieder aufgenommen wird (EuGH vom 9. September 2015 – C-160/14 – [Ferreira da Silva e Brito ua.] Rn. 25 mwN).

Nach der bisherigen Rechtsprechung kam den maßgebenden Kriterien je nach der Art des betroffenen Unternehmens oder Betriebs, je nach der ausgeübten Tätigkeit und je nach den Produktions- oder Betriebsmethoden unterschiedliches Gewicht zu (dazu auch: EuGH vom 15. Dezember 2005 – C-232/04 und C-233/04 – [Güney-Görres und Demir] Rn. 35, Slg. 2005, I-11237; BAG vom 18. September 2014 – 8 AZR 733/13 – Rn. 18 – juris).

Für die Prüfung, ob eine solche Einheit ihre Identität bewahrt, hat die Rechtsprechung Kriterien entwickelt. Dazu gehören die Art des Unternehmens oder Betriebs, der etwaige Übergang der materiellen Betriebsmittel wie Gebäude und bewegliche Güter, der Wert der immateriellen Aktiva im Zeitpunkt des Übergangs, die etwaige Übernahme der Hauptbelegschaft durch den neuen Inhaber, der etwaige Übergang der Kundschaft sowie der Grad der Ähnlichkeit zwischen den vor und nach dem Übergang verrichteten Tätigkeiten und die Dauer einer eventuellen Unterbrechung dieser Tätigkeiten. Es müssen sämtliche den betreffenden Vorgang kennzeichnenden Tatsachen berücksichtigt werden und es bedarf stets einer Gesamtbetrachtung der Umstände (vgl. ua. EuGH vom 26. November 2015 – C-509/14 – [Aira Pascual ua.] Rn. 32; vom 20. Januar 2011 – C-463/09 – [CLECE] Rn. 34 mwN, Slg. 2011, I-95; BAG vom 18. September 2014 – 8 AZR 733/13; vom 22. Mai 2014 – 8 AZR 1069/12 – Rn. 21 – juiris).

Differenziert wurde zwischen betriebsmittelgeprägten und nichtbetriebsmittelgeprägten Betrieben. Kommt es im Wesentlichen auf die menschliche Arbeitskraft an, kann trotz des Fehlens nennenswerter materieller oder immaterieller Vermögenswerte eine strukturierte Gesamtheit von Arbeitnehmern eine wirtschaftliche Einheit darstellen. Wenn ein Betrieb ohne nennenswerte Vermögenswerte funktioniert, ist die Wahrung der Identität der wirtschaftlichen Einheit anzunehmen, wenn der neue Betriebsinhaber nicht nur die betreffende Tätigkeit weiterführt, sondern auch einen nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teil des Personals übernimmt (vgl. EuGH vom 6. September 2011 – C-108/10 – [Scattolon] Rn. 49, Slg. 2011, I-7491; BAG vom 22. Mai 2014 – 8 AZR 1069/12 – Rn. 22 – juris).

Kommt es hingegen nicht im Wesentlichen auf die menschliche Arbeitskraft an, da die Tätigkeit in erheblichem Umfang materielle Betriebsmittel erfordert, ist bei der Würdigung, ob ein Betriebsübergang vorliegt, zu berücksichtigen, ob diese vom alten auf den neuen Inhaber übergegangen sind (vgl. EuGH 25. Januar 2001 – C-172/99 – [Liikenne] Rn. 39, Slg. 2001, I-745). In diesem Fall ist der Übergang materieller Betriebsmittel ein wesentliches Kriterium, aufgrund dessen ein Betriebsübergang anzunehmen ist (vgl. EuGH vom 9. September 2015 – C-160/14 – [Ferreira da Silva e Brito ua.] Rn. 29).

Der EuGH relativierte in seinem Urteil vom 27. Februar 2020 nun die Differenzierung zwischen betriebsmittelgeprägten und nicht-betriebsmittelgeprägten Betrieben. Er stellte fest, dass Busse, die für den weiteren Einsatz wegen zwingender rechtlicher, umweltrelevanter und technischer Vorgaben ungeeignet sind, nicht als prägend für die Bestimmung der wirtschaftlichen Einheit angesehen werden können. Die Busse wären vielmehr für die Erbringung der Nahverkehrsleistung – vom bisherigen, wie vom neuen Betreiber – zwingend auszutauschen.

Der EuGH stellt für die Beantwortung der Frage, ob die Identität des Verkehrsbetriebes in einem solchen Fall gewahrt wird, auf zwei Kriterien ab.

Zum einen könne für den Betriebsübergang sprechen, dass der neue Betreiber ohne Unterbrechung im Wesentlichen die gleichen Busverkehrsdienste erbringe, wie das vorige Unternehmen und dieselben Strecken für dieselben Fahrgäste betrieben werden.

Zum anderen sei die Identität des Betriebes von Buslinien auch durch die Übernahme eines wesentlichen Teils der Busfahrer geprägt, die ausreichend Kenntnisse über die Linienführung und der Fahrpläne des Gebietes sowie der übrigen Regionalbuslinien, der Bahnlinien und der bestehenden Anschlüsse verfügen müssten, um nicht nur den Fahrkartenverkauf sicherzustellen, sondern den Fahrgästen auch die für die geplante Fahrt erforderlichen Informationen zu geben.

b)

Vorliegend wird die Identität des Betriebes durch die Erbringung der Verkehrsdienstleistungen und die Busfahrer geprägt. Die Busse sind für den weiteren Einsatz wegen zwingender rechtlicher, umweltrelevanter und technischer Vorgaben ungeeignet und daher nicht als prägend für die Bestimmung der wirtschaftlichen Einheit anzusehen.

aa)

Die Übernahme von Bussen war faktisch ausgeschlossen.

Bereits die sich stetig verschärfenden gesetzlichen Vorgaben an Kraftfahrzeuge mit Verbrennungsmotor lassen es als nicht mehr vertretbar erscheinen, die Übernahme der Busse als prägend für einen Betriebsübergang anzusehen. Denn die Vergabevorgaben richten sich nach diesen gesetzlichen Vorgaben, die wiederum ihren Ursprung in der technischen Entwicklung der Automobilindustrie und dem Umweltschutz finden.

Die durch die Europäische Union vorgegebenen Abgasnormen befinden sich im stetigen Wandel und führen laufend zur Einführung neuer Euro-Normen, zuletzt die ‚Euro-6-Norm‘ im Jahre 2013.

Die Ausschreibung des öffentlichen Nahverkehrs orientiert sich an diesen Normen und setzt als Vorgabe, dass die Busse die Anforderungen der aktuellen Euro-Norm erfüllen. Busse, die schon zehn Jahre lang für die Erbringung des öffentlichen Nahverkehrs eingesetzt waren, können diese Anforderung nicht erfüllen.

Der Landkreis Oberspreewald-Lausitz vergibt die Busnahverkehrsleistungen im Wege der öffentlichen Vergabe stets für eine Vertragslaufzeit von 120 Monaten. An die Busse wurden folgende zwingend einzuhaltende technische Anforderungen gestellt.

Die Busse dürfen ein maximales Alter von 15 Jahren (bezogen auf die Erstzulassung) nicht überschreiten (Auszug aus der Leistungsbeschreibung OSL, Seite 15, 4.4.2.).

Die Busse der Beklagten zu 1. waren im Schnitt 13 Jahre alt und somit für die Erbringung der Verkehrsleistungen über eine Dauer von 10 Jahren durch den nachfolgenden Betreiber nicht mehr geeignet. Die Übernahme der Bus-Flotte oder auch nur einzelner Busse der Beklagten hätte wirtschaftlich und organisatorisch gesehen für den nachfolgenden Betreiber vor allem unter Berücksichtigung der weiteren zwingenden Vorgaben keinen Sinn gemacht.

Alle eingesetzten Busse müssen ein einheitliches Grunddesign aufweisen. Dies spricht letztlich gegen die Möglichkeit, einige Busse der Beklagten auch nur für die restlich zulässige Einsatzzeit von zwei Jahren – dann hätten sie das maximal zulässige Älter von 15 Jahren erreicht – zu übernehmen. Wirtschaftlich gesehen lohnte sich eine solche Umrüstung auf ein einheitliches Grunddesign für einen verständig denkenden Kaufmann nicht.

Die Busse müssen schließlich mindestens die ‚Euro-6-Norm‘ erfüllen (Auszug aus der Leistungsbeschreibung OSL, Seite 15, 4.4.2.).

Die Busse der Beklagten zu 1. erfüllten jedoch im Wesentlichen nur die ‚Euro-3-Norm‘ und die ‚Euro-4-Norm‘.

Ab dem 01.01.2018 müssen 40 % und ab dem 01.01.2022 müssen 70 % der eingesetzten Fahrzeuge Niederflur- oder Low-Entry-Fahrzeuge sein. Diese Fahrzeugarten weisen eine niedrige Einstiegshöhe ohne Stufen an der Fahrertür und an der zweiten Tür auf. Bei Niederflurfahrzeugen ist der Gang im kompletten Fahrzeug stufenlos (der Motor ist dafür hinten rechts in der Ecke eingebaut) bei Low-Entry-Fahrzeugen nur zwischen der Fahrertür und der zweiten Tür (Auszug aus der Leistungsbeschreibung OSL, Seite 16 u. 17, 4.4.2.).

Die von der Beklagten zu 1. zur Erbringung der Nahverkehrsleistung eingesetzten Busse erfüllten diese Anforderungen zur Barrierefreiheit nicht. Eine Umrüstung war technisch nicht möglich. Auch vor diesem Hintergrund kam eine Übernahme der Busse durch den nachfolgenden Betreiber gar nicht in Betracht.

Eine Übernahme der Busse durch den nachfolgenden Betreiber war somit faktisch ausgeschlossen.

Vor diesem Hintergrund können die Busse nicht (mehr) als unerlässliches Mittel angesehen werden, ohne deren Übergang in nennenswertem Umfang vom alten auf den neuen Auftragnehmer ein Betriebsübergang ausgeschlossen ist. Busse, die für den weiteren Einsatz typischerweise ungeeignet oder nur noch sehr eingeschränkt brauchbar sind, können nicht als prägend für die Bestimmung der wirtschaftlichen Einheit erachtet werden. Die Busse mussten vielmehr für die Erbringung der Nahverkehrsleistung sowohl von bisherigen als auch vom neuen Betreiber zwingend ausgetauscht werden.

bb)

Auch die Betriebshöfe werden für die Fortführung der Verkehrsdienstleistung nicht mehr benötigt und sind daher nicht prägend. Die Busse benötigen lediglich eine Abstellfläche im Freien. Mit deren Wartung bzw. Reparatur werden Werkstattbetreiber beauftragt.

Dem Übergang von Betriebshöfen auf den nachfolgenden Betreiber des öffentlichen Nahverkehrs kann daher für die Beurteilung des Vorliegens eines Betriebsübergangs keine entscheidende Bedeutung mehr zukommen.

cc)

Die Busfahrer prägen die wirtschaftliche Einheit. Im Bereich des öffentlichen Nahverkehrs kommt es stattdessen sehr auf die Arbeitskraft der Busfahrer an.

Die enorme Bedeutung der Sachkunde der Busfahrer für den Nahverkehr zeigt sich schon anhand der Ausschreibungsbedingungen, wonach der Auftragnehmer sicherzustellen hat, dass das Fahrpersonal den Anforderungen eines attraktiven ÖPNV mit umfassender Dienstleistungs- und Kundenorientierung gerecht wird:

– Das eingesetzte Fahrpersonal hat entsprechend der gesetzlichen Bestimmungen für das Führen von Kraftomnibussen im Linienverkehr geeignet und im Besitz der erforderlichen gültigen Genehmigung zu sein.

– Das Fahrpersonal hat über ausreichende Kenntnisse der gesetzlichen und fachlichen Vorschriften (StVO, BOKraft, DFBus) zu verfügen.

– Das Fahrpersonal muss zum Zwecke einer zufriedenstellenden Fahrgastinformation ausreichende Ortskenntnisse besitzen und in der Lage sein, neben dem Fahrscheinverkauf den Fahrgästen auf Wunsch auch Informationen und Auskünfte sowie mit der Betriebsleitung kommunizieren zu können.

– Das eingesetzte Fahrpersonal muss über gute Netz- und Streckenkenntnisse und Kenntnisse der Linienführung und der Fahrpläne im VGOSL-Gebiet (Verkehrsgesellschaft Oberspreewald-Lausitz mbH), der verknüpften Regionalbuslinien und des Schienenverkehrs sowie über Tarifbestimmungen und Beförderungsbedingungen des VBB (Verkehrsbund Berlin-Brandenburg GmbH) verfügen.

Das Fahrpersonal ist entsprechend dieser Anforderungen einzuweisen und mindestens jährlich zu schulen (Auszug aus der Leistungsbeschreibung OSL, Seiten 21 bis 22).

Werden die Qualitätsmindestanforderungen nicht eingehalten, fallen unter anderem folgende Vertragsstrafen an:

Nichtteilnahme an den jährlichen Schulungen zur Kundenorientierung, Orts- und Tarifkunde, Bewältigung von Stresssituationen und Fehlverhalten: 200,00 Euro je Mitarbeiter,

Personal mit unzureichenden oder falsch angewendeten Tarifkenntnissen: 100,00 Euro pro Vorfall,

Personal mit unzureichenden Ortskenntnissen (Linienweg, Haltestellen, Straßen, Plätze, wichtige Gebäude bekannt): 50,00 Euro pro Vorfall (Auszug aus der Leistungsbeschreibung OSL, Seite 38).

Die Busfahrer sind – gerade in der ländlichen Region – das wichtigste und vor allem ein knappes Gut.

Der Betreiber des öffentlichen Nahverkehrs ist auf die Busfahrer in der Region des zu bedienenden Gebietes angewiesen. Die Busfahrer leisten oftmals zwei Schichten am Tag (sogenannte ‚geteilte Dienste‘). Die Pause zwischen diesen Schichten verbringen die Busfahrer oftmals daheim. Dieses System schließt daher ein langes Pendeln zwischen Wohnort und Einsatzgebiet aus, denn dies würde eine Heimfahrt für die Pause nicht zulassen, was wiederum zu untragbaren Abwesenheitszeiten von zu Hause führen würde.

Deutschlandweit fehlen tausende von Busfahrern. Hinzu kommt, dass die ländlichen Regionen aufgrund der Abwanderung junger Menschen unter einem immensen Bevölkerungsrückgang leiden und dies wiederum zu einem erhöhten Altersdurchschnitt führt. Viele Busfahrer stehen mittlerweile vor der oder befinden sich bereits in Rente. Es fehlt an dem so dringend benötigten Nachwuchs.

Die Busfahrer sind aufgrund ihrer langjährigen Ortskenntnisse und ihres ‚Know-hows‘ hinsichtlich der Umläufe – im Gegensatz zu den Bussen – kein leicht austauschbares Gut.

Aufgrund dieser über die Jahre gesammelten Erfahrung der bei der Beklagten ehemals beschäftigten Busfahrer war ein nahtloser und problemloser Übergang des öffentlichen Nahverkehrs auf den neuen Betreiber überhaupt erst möglich.

Die wesentliche Bedeutung der berufs- und ortserfahrenen Busfahrer für den nachfolgenden Betreiber des öffentlichen Nahverkehrs im Landkreis Oberspreewald-Lausitz zeigt sich auch daran, dass der Neubetreiber, die K. … mbH (und ihre Tochter, die O. GmbH) bereits im Februar 2017 über die Übernahme der Beschäftigte Gespräche geführt haben. Die Beklagte zu 1. hat eine anonymisierte Liste der Beschäftigten an die K. … mbH gegeben und die Beschäftigten durch das Rundschreiben vom 13. Februar 2017 aufgefordert, ihr Interesse an einer Beschäftigung bei dem Neubetreiber zu bekunden. Es bedurfte keiner Einreichung von ausführlichen Bewerbungsunterlagen. Die K. … mbH hat sich selbst an 15. Februar 2017 an die „zukünftigen Mitarbeiter“ gewandt und die Fortsetzung der Beschäftigung angeboten. Es kann davon ausgegangen werden, dass dieses Rundschreiben mindestens allen Busfahrern zugegangen ist. Den Fahrern wurden unbefristete Arbeitsverträge ohne Vereinbarung einer Probezeit angeboten.

Die K. … mbH hat damit unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass sie ein Interesse an der Übernahme möglichst aller noch aktiver Busfahrer hat. Sie hat dann auch tatsächlich dem ganz überwiegenden Teil der Busfahrer, so auch dem Kläger, Arbeitsverträge übersandt und sie aufgefordert ihr Interesse an einer Fortsetzung der Tätigkeit zu bekunden. Tatsächlich kam es im Zuge dieser Aktivitäten auch zu einer Übernahme von 80% der noch aktiven Busfahrer, wie die Beklagte nachvollziehbar dargelegt hat. Letztlich kommt es auf die genaue Anzahl der tatsächlich weiterbeschäftigten Busfahrer nicht an. Denn es steht auch beim Betriebsübergang jedem Beschäftigten frei, ob er die Tätigkeit bei dem Erwerber fortsetzen will.

Der Nachfolgebetreiber war auf die nahtlose Übernahme eines Großteils der Busfahrer angewiesen, um die reibungslose Bedienung des Streckennetzes schon am Tag der Übernahme zu ermöglichen. Der öffentliche Nahverkehr im Landkreis Oberspreewald-Lausitz wurde bis zum 31.07.2017 von der Beklagten und schon am darauffolgenden Tag, dem 01.08.2017, von dem nachfolgenden Betreiber bedient.

Eine Einarbeitung der ehemaligen Busfahrer der Beklagten war nicht erforderlich, so dass die ununterbrochene Bedienung der Verkehrsdienstleistungen möglich war.

Für die nahtlose Übernahme des Nahverkehrs war es ohne Bedeutung, welche Busse eingesetzt wurden, nicht hingegen, welche Busfahrer zum Einsatz kamen.

dd)

Identitätsprägend für die Annahme eines Betriebsübergangs war weiter auch die ununterbrochene Fortsetzung der im Wesentlichen gleichen Verkehrsdienstleistungen. Der neue Betreiber bedient dasselbe Streckennetz, nutzt die bisherigen Haltestellen und Fahrpläne.

Dass der Neubetreiber seine Dienst- und Umlaufpläne durch Einsatz digitaler Technik optimiert, steht dem nicht entgegen. Dies würde jeder verständige Betreiber machen.

c)

Der Betriebsübergang erfolgte auch durch Rechtsgeschäft.

Nach dem Zweck des § 613a BGB bzw. der Richtlinie 2001/23/EG kommt es nicht auf das Vorliegen unmittelbarer rechtsgeschäftlicher Beziehungen an. Maßgeblich ist nur, dass der Übergang im Rahmen vertraglicher Rechtsbeziehungen erfolgt. Es ist auch möglich, dass dem Betriebsübergang mehrere Rechtsgeschäfte zugrunde liegen.

Vorliegend werden die Verkehrsdienstleistungen aufgrund vertraglicher Beziehungen mit dem Landkreis Oberspreewald-Lausitz erbracht. Nach Ablauf der Vertragsbeziehung werden diese Verkehrsdienstleistungen nunmehr ebenfalls auf vertraglicher Grundlage mit dem Landkreis von dem Neubetreiber erbracht. Diese Konstellation entspricht der eines Pächterwechsels, der nach herrschender Auffassung als Betriebsübergang anzusehen ist (vgl. KR-Pfeiffer, § 613a Rn. 85 m.w.N.).

Darüber hinaus standen die Beklagte zu 1. und die K. … mbH hinsichtlich der Übernahme der Arbeitnehmer in direkter rechtsgeschäftlicher Beziehung. So erhielt die K. … mbH und damit auch ihre Tochter, die Beklagte zu 2. von der Beklagten zu 1. eine anonymisierte Liste der Beschäftigten.

d)

§ 613a Abs. 1 Satz 1 BGB bewirkt, dass im Fall eines Betriebsübergangs der neue Inhaber in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen eintritt. In diesem Fall findet kraft Gesetzes „automatisch“ ein Arbeitgeberwechsel statt (vgl. ua. EuGH 24. Januar 2002 – C-51/00 – [Temco] Rn. 35, Slg. 2002, I-969; BAG 19. November 2015 – 8 AZR 773/14-Rn. 16,BAGE 153, 296).

Der Betriebsübergang hatte zum Zeitpunkt der Kündigung im Januar2017 auch bereits greifbare Formen angenommen. Es war entschieden, dass der Neubetreiber, die K. … mbH aufgrund vertraglicher Beziehung mit dem Landkreis ab 01. August 2917 die Verkehrsdienstleistung ununterbrochen fortführen und einen Großteil der Busfahrer übernehmen würde.

Die Kündigung der Beklagten zu 1. war daher nicht durch ihre Betriebseinstellung, sondern durch den Betriebsübergang bedingt.

e)

Dem Betriebsübergang auf die Beklagte zu 2. steht auch nicht entgegen, dass die K. … mbH zunächst als Arbeitgeber in das Arbeitsverhältnis des Klägers eingetreten ist. Die K. … mbH hat im Rahmen der Ausschreibung des Landkreises Oberspreewald-Lausitz den Zuschlag für die Erbringung der Verkehrsdienstleistungen erhalten. Die OSL-Bus GmbH ist eine 100%ige Tochter der K. … mbH; beide Gesellschaften werden von denselben Geschäftsführern geleitet. Sie erbringen die Verkehrsdienstleistungen gemeinsam. Es handelt sich um einen Gemeinschaftsbetrieb. Es obliegt danach der gemeinsamen Leitung der K. … mbH und der OSL-Bus GmbH zu entscheiden, für welche von wem betriebenen Linien sie welche Arbeitnehmer einsetzen will. Insofern kann auch dahinstehen, ob der Kläger zunächst für eine logische auf die K. … mbH und anschließend auf die Beklagte zu 2. übergegangen ist oder ob der Übergang unmittelbar auf die Beklagte zu 2 erfolgte.

Es ist daher auch nicht zu entscheiden, ob vorliegend ein anteiliger Betriebsübergang im Sinne der Entscheidung des EuGH vom 26.03.2020 (C-344/18 – ISS Facility Services NV/ Sonia Govaerts, Sonia Govaerts – NZA 2020, 503) vorliegt.

II.

Der Antrag zu 2. des Klägers ist unzulässig.

Die Frage, ob es zu einem Übergang der Arbeitsverhältnisse infolge eines Betriebsübergangs gekommen ist oder nicht, kann nicht zum Gegenstand eines Feststellungsantrages gemacht werden (vgl. BAG vom 25.01.2018, Rn 24, 8 AZR 309/18- juris).

III.

Die Hilfs-Widerklage der Beklagten ist zulässig und begründet.

1.

Die von der Beklagten zu 1. erhobene Hilfs- Widerklage auf Feststellung, dass zwischen den Parteien kein Arbeitsverhältnis besteht, ist zulässig. Grundsätzlich kann das Bestehen oder Nichtbestehen eines Arbeitsverhältnisses festgestellt werden. Es handelt sich aufgrund der Formulierung des Antrags nicht um eine unzulässige Betriebsübergangsklage.

Die Beklagte zu 1. hat auch ein Feststellunginteresse. Die Feststellungklage ist nicht bereits als kontradiktorisch in Bezug auf die Klage zu sehen. Denn für den Fall, dass die Kündigung unwirksam ist, besteht für die Beklagte keine Gewissheit, ob dies wegen des Kündigungsverbots nach § 613a BGB oder wegen der Sozialwidrigkeit nach § 1KSchG erfolgt.

2.

Das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1. ist aufgrund des Betriebsübergangs beendet. Gem. § 613a BGB findet kraft Gesetzes „automatisch“ ein Arbeitgeberwechsel statt.

a)

Dem Übergang kraft Gesetzes steht nicht die bisher fehlende Information gem. § 613a Abs. 5 BGB entgegen.

Das Widerspruchsrecht ist ein Gestaltungsrecht, dessen Ausübung bewirkt, dass die Rechtsfolgen des § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB nicht eintreten (st. Rspr., vgl. etwa BAG vom 19. November 2015 – 8 AZR 773/14-Rn. 19; 21. August 2014 – 8 AZR 619/13-Rn. 28; 24. April 2014 – 8 AZR 369/13-Rn. 21; 19. Februar 2009 – 8 AZR 176/08-Rn. 22 mwN; vgl. auch EuGH 16. Dezember 1992 – C-132/91, C-138/91 und C-139/91 – [Katsikas ua.] Rn. 30 mwN, Slg. 1992, I-6577 – jeweils juris).

Das Widerspruchsrecht nach § 613a Abs. 6 BGB steht nach der Konzeption von § 613a BGB in einem wechselseitigen Bezug zur Unterrichtungspflicht nach § 613a Abs. 5 BGB (vgl. BT-Drs. 14/7760 S. 12). Danach haben der bisherige Arbeitgeber oder der neue Inhaber die von einem Übergang betroffenen Arbeitnehmer vor dem Übergang in Textform über die in § 613a Abs. 5 Nr. 1 bis Nr. 4 BGB aufgeführten Umstände zu unterrichten. Die Unterrichtung ist teleologisch auf das Widerspruchsrecht ausgerichtet. Die Widerspruchsfrist nach § 613a Abs. 6 Satz 1 BGB wird nur durch eine ordnungsgemäße Unterrichtung in Lauf gesetzt (st. Rspr., vgl. etwa BAG vom 19. November 2015 – 8 AZR 773/14-Rn. 27; 10. November 2011 – 8 AZR 430/10-Rn. 23; 22. Januar 2009 – 8 AZR 808/07-Rn. 23 mwN, jeweils juris). Dies folgt bereits aus dem Wortlaut des § 613a Abs. 6 Satz 1 BGB, wonach der Arbeitnehmer dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses innerhalb eines Monats „nach Zugang der Unterrichtung nach Absatz 5“ widersprechen kann. Unter Berücksichtigung des wechselseitigen Bezugs von Unterrichtungspflicht und Widerspruchsrecht haben Veräußerer und/oder Erwerber den Arbeitnehmer so zu informieren, dass dieser sich über den Gegenstand des Betriebsübergangs und die Person des Übernehmers sowie über die in § 613a Abs. 5 BGB genannten Umstände „ein Bild machen“ kann.

b)

Vorliegend hat weder die Beklagte zu 1. noch der Nachfolgebetrieb gegenüber dem Kläger eine wirksame Information über den Betriebsübergang und seine Folgen erklärt. Die Widerspruchsfrist ist damit noch nicht in Gang gesetzt.

Wird der Widerspruch in zulässiger Weise erst nach dem erfolgten Übergang ausgeübt, weil es zuvor an einer wirksamen Information fehlte, so tritt die rechtsgestaltende Wirkung ex tunc ein. Das Arbeitsverhältnis wird rückwirkend beseitigt. Nach den Grundsätzen des faktischen Arbeitsverhältnisses hat der Arbeitnehmer für die Zeit zwischen Betriebsübergang und Erklärung des Widerspruches Anspruch auf Vergütung gegen den Betriebserwerber. Ein Anspruch gegen den Veräußerer besteht hingegen nicht, da dort keine Arbeit verrichtet wurde (vgl. LAG Köln vom 11.06.2004 – 12 Sa 374/04 – juris).

Insofern ist die Rechtsfolge vergleichbar mit der bei einer Anfechtung. Durch eine wirksame Anfechtung wird das Arbeitsverhältnis ebenfalls rückwirkend beseitigt. Für den Zeitraum von Beginn des Arbeitsverhältnisses bis zur Anfechtungserklärung besteht ein faktisches Arbeitsverhältnis.

Die fehlende Information hemmt indes nicht den Übergang des Arbeitsverhältnisses. Dies hat zur Folge, dass das Arbeitsverhältnis jedenfalls zunächst beendet ist.

IV.

Der Kläger hat gegenüber der Beklagten zu 2. Anspruch auf Entgelt nach der Entgeltgruppe 5 Stufe 6 TV-N BRB. Im Übrigen waren die Anträge zwar zulässig, aber unbegründet.

1.

Die Anträge bzw. Hilfsanträge zu 2. und 3. bis 6. sind zulässig. Sie waren als Eingruppierungsfeststellungsanträge auszulegen. Ein solcher Antrag ist regelmäßig zulässig, da davon auszugehen ist, dass durch seine Entscheidung der Rechtsstreit effektiv und für die zukünftig geklärt werden kann und anzunehmen ist, dass sich die Arbeitgeberin daran hält.

2.

Der Kläger hat Anspruch auf Entgelt nach der Entgeltgruppe 5 Stufe 6 TV-N BRB ab dem 01.09.2017. Denn die Beklagte zu 2. ist aufgrund der tarifvertraglichen Regelungen verpflichtet, bei der Stufenzuordnung die bei der Beklagten zu 1. zurückgelegte Beschäftigungszeit anzurechnen.

a)

Das Vergabegesetz des Landes Brandenburg bestimmt bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen einen Vergabemindestlohn. § 4 BbgVergG bestimmt, dass ein Auftrag über eine Leistung des öffentlichen Personennahverkehrs nur an einen Bieter vergeben werden darf, der sich gegenüber dem Auftraggeber verpflichtet, seine bei der Ausführung der Leistung eingesetzten Beschäftigten mindestens nach dem hierfür jeweils geltenden einschlägigen und repräsentativen Entgelttarifvertrag zu entlohnen und auch seinen auf das Entgelt bezogenen eigenen, gegebenenfalls weitergehenden tariflichen Pflichten in der gesamten Laufzeit des zu vergebenden Verkehrsvertrages ordnungsgemäß nachzukommen.

Entsprechend der Ausschreibungsbedingungen des Landkreises OSL hatte sich der Betreiber der Verkehrsdienstleistungen gegenüber dem Auftraggeber verpflichtet, ihre bei der Ausführung der Leistung eingesetzten Beschäftigen mindestens nach dem hierfür jeweils geltenden Entgelttarifvertrag zu entlohnen. Soweit der Nachbetreiber, der den im Ausschreibungsverfahren den Zuschlag bekommen hat, die Leistungen von Subunternehmern oder einer Tochtergesellschaft ausführen lässt, hat er diese zu verpflichten, die Bedingungen des verpflichtenden Tarifvertrages einzuhalten.

Repräsentativer Tarifvertrag ist der Tarifvertrag Nahverkehr Brandenburg (TV-N BRB) in der jeweils geltenden Fassung.

Das Vergabegesetz und die Ausschreibungsbedingungen haben zwar keine Drittwirkung, so dass der Kläger daraus keine unmittelbaren Rechte herleiten kann. Es ist jedoch regelmäßig davon auszugehen, dass jeder neue Betreiber der Verkehrsdienstleistungen sich vernünftiger Weise zur Vermeidung von Sanktionen an die Vorgaben des Vergaberechts und der Ausschreibung hält.

b)

Tatsächlich hat auch die Beklagte zu 2. dem durch ihre arbeitsvertragliche Vereinbarung Rechnung getragen. Denn sie hat mit dem Kläger die Entlohnung nach dem TV-N BRB in der jeweils geltenden Fassung vereinbart.

Die Formulierung im Arbeitsvertrag „Der Arbeitnehmer erhält gemäß der Eingruppierungsrichtlinie des TV-N Brandenburg die Vergütungsgruppe 5 Stufe 1 …“ ist nicht als konstitutive Vereinbarung der Eingruppierung in die Vergütungsgruppe 5 Stufe 1 auszulegen. Der TV-N BRB sieht eine sogenannte Eingruppierungsautomatik vor. Mit dem Begriff „Eingruppierungsrichtlinie“ stellt die Beklagte zu 2. auf die Eingruppierungsgrundsätze des TV-N BRB ab und bringt lediglich deklaratorisch zum Ausdruck, sie halte die Eingruppierung in die Entgeltgruppe 5 Stufe 1 für die zutreffende. Diese Auslegung folgt aus dem Wortlaut und dem Gesamtzusammenhang. Es ist nämlich zu Gunsten der Beklagten zu 2. anzunehmen, dass sie mit der arbeitsvertraglichen Vereinbarung ihrer vergaberechtlichen Verpflichtung Rechnung tragen wollte.

c)

Der Kläger ist als KOM-Fahrer in der Entgeltgruppe 5 Stufe 6 TV-N BRB eingruppiert. Sein weitergehender Antrag war abzuweisen.

aa)

Die bei der Beklagten zu 1. als Busfahrer zurückgelegte Beschäftigungszeit seit 1978 ist bei der Stufenzuordnung zu berücksichtigen. Ein Stufenaufstieg erfolgt nach jeweils 4 Jahren.

Der auf das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 2. anzuwendende TV-N BRB in der Fassung des Änderungstarifvertrages vom 16. Februar 2017 sieht im Falle eines Betriebsübergangs oder Betreiberwechsels ausdrücklich eine Anrechnung von Betriebszugehörigkeitszeiten vor, die bei einem vorherigen Arbeitgeber zurückgelegt wurden (§ 4 Abs. 1 Satz 2 TVN- BRB).

bb)

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Vergütung nach der Entgeltgruppe 6 Stufe 6 TV-N BRB. Die Vorbemerkung Nr. 5, nach der Fahrpersonal zwei Jahre nach Erreichen der Endstufe der Entgeltgruppe 5 in die Entgeltgruppe 6 Stufe 4 höhergruppiert werden und jeweils nach 2 Jahren in die Stufe 5 und die Stufe 6 aufsteigen, ist in dem hier anzuwendenden TV-N BRB in der Fassung des Änderungstarifvertrages vom 16. Februar 2017 nicht mehr enthalten.

Der Kläger fällt auch nicht unter die in § 2 Nr. 1 TV-N BRB geregelte Besitzstands- und Übergangsregelung. Denn er war am 31. Dezember 2016 nicht nach der bis dahin geltenden Vorbemerkung Nr. 5 der Anlage 1 in der Entgeltgruppe 6 eingruppiert.

Die Beklagte zu 2. ist auch nicht verpflichtet eine Nachzeichnung der Eingruppierung vorzunehmen. Die Beklagte zu 2. wendet den TV-N BRB erstmalig auf das Arbeitsverhältnis des Klägers an. Die Entlohnung bei der Beklagten zu 1. richtete sich nach dem bei ihr geltenden Haustarifvertrag.

Die Beklagte zu 2. ist als neue Betriebsinhaberin nur in die Rechte und Pflichten eingetreten, die sich aus dem Arbeitsverhältnis im Zeitpunkt des Betriebsübergangs ergaben. Dazu gehören nur die gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber bestehenden Rechte, die in ihrer Entstehung oder ihrem Inhalt von der Dauer der Beschäftigungszeit abhingen, nicht aber die mit der Beklagten zu 2. als neuer Arbeitgeberin vereinbarten Rechte, auch soweit diese an im Arbeitsverhältnis zurückgelegte Zeiten anknüpfen (vgl. BAG vom 20.02.1997 – 6 AZR 772/95 – juris).

 

cc)

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf eine höhere Eingruppierung aufgrund einer Funktion als Vorarbeiter.

Nach der Vormerkung Nr. 3 zur Anlage 1 des TV-N BRB haben Arbeitnehmer, denen die Funktion des Vorarbeiters übertragen worden ist, für die Dauer der Tätigkeit Anspruch auf Höhergruppierung in die nächst höhere Entgeltgruppe.

Die Funktion des Vorarbeiters und die daran geknüpfte Höhergruppierung sind jederzeit widerruflich.

Dem Kläger ist von der Beklagten zu 2. nicht die Funktion des Vorarbeiters übertragen worden.

Selbst wenn man davon ausginge, der Kläger sei grundsätzlich mit der Funktion des Vorarbeiters auf die Beklagte zu 2. übergegangen, so liegt in der arbeitsvertraglichen Vereinbarung der Tätigkeit als KOM-Fahrer ohne die Funktion des Vorarbeiters jedenfalls der konkludente Widerruf der Funktion.

Der Kläger hat selbst in seinem Schreiben von 11. Dezember 2017 keine Eingruppierung als Vorarbeiter geltend gemacht. Erstmals mit Schriftsatz vom 14. Mai 2020 macht er Ansprüche aufgrund einer Funktion als Vorarbeiter geltend.

V.

Der Kläger hat Anspruch auf weiteres Entgelt in Höhe von insgesamt 13.088,44 € brutto für den Zeitraum vom September 2017 bis einschließlich April 2020.

Für den Zeitraum von September 2017 bis September 2018 ergibt sich eine monatliche Differenz von 395,00 €, für den Zeitraum von Oktober 2018 bis Februar 2020 eine monatliche Differenz von 403,58 € und ab März 2020 eine monatliche Differenz von 422,59 €.

Das Entgelt war jeweils zum Monatsende fällig, so dass die Beklagte zu 2. mit dem nächsten jeweiligen ersten im Verzug war. Sie hat die Differenzlohnansprüche jeweils ab Verzug mit dem gesetzlichen Zinssatz zu verzinsen.

VI.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO.

VII.

Der Rechtsmittelstreit ist hinsichtlich der Klage und Widerklage im Hinblick auf die weitgehende wirtschaftliche Identität auf drei Bruttoentgelte festgesetzt worden. Hinzuzurechnen waren die Differenzlohnansprüche und die streitige Stufenzuordnung, die insgesamt mit dem 36- fachen Differenzentgelt berechnet wurden.

 

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