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Betriebsübergang eines Produktionsbetriebes

LAG Berlin-Brandenburg, Az.: 3 Sa 247/16, Urteil vom 05.08.2016

I. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 18. November 2015 – 39 Ca 8635/15 und 39 Ca 10862/15 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen auch über den 31. März 2011 hinaus ein Arbeitsverhältnis besteht und die Klägerin verpflichtet ist, den Beklagten weiter zu beschäftigen.

Der Beklagte und Widerkläger (im Folgenden: Beklagter) wurde auf der Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 23. Mai 1977 (Anlage A.1, Bl. 51 der Akte) von der J.F. W. jr. KG W.-Preßholzwerk, einer Rechtsvorgängerin der Klägerin und Widerbeklagten (im Folgenden: Klägerin), ab dem 23. Mai 1977 als „Produktionsschichtarbeiter-Verpackung“ eingestellt. Diese Rechtsvorgängerin unterhielt in Berlin seit 1969 einen Betrieb, in dem der Beklagte dann tätig wurde. Die J.F. W. jr. KG W.-Preßholzwerk wurde in die W. AG & Co umgewandelt, diese Gesellschaft wurde auf die W. AG & Co.KG und diese Gesellschaft dann im Juli 2006 auf die Klägerin verschmolzen. Die Klägerin, ein Unternehmen im Bereich der Holz- und Kunststoffverarbeitung mit Sitz in Oberstenfeld (Baden-Württemberg), unterhielt neben dem Produktionsstandort in dem Berliner Betrieb einen Produktionsstandort in Oberstenfeld und einen Produktionsstandort in Niederorschel (Thüringen).

Die Klägerin führte den Berliner Produktionsstandort als selbständige Niederlassung. Seit 1999 war Herr D. als Betriebsleiter in Berlin tätig, dem ua. die alleinige Verantwortung für sämtliche betriebs- und betriebszweckbezogene Entscheidungen, einschließlich der Entscheidungen in den Bereichen der Arbeits-, Personal- und Sozialbeziehungen, oblag. Die Klägerin war bezogen auf den Berliner Betrieb Mitglied im Arbeitgeberverband Holz und Kunststoff Nord-Ost e.V. und wandte – wie schon die Rechtsvorgängerinnen – bezogen auf die in Berlin tätigen Arbeitnehmer die für die Holz und Kunststoff verarbeitende Industrie Berlin-Brandenburg geltenden Tarifverträge an.

Von Beginn an wurden an dem Produktionsstandort in Berlin Fassaden- und Balkonprofile hergestellt. Die Klägerin stellte am Produktionsstandort Oberstenfeld Fensterbänke, Tischplatten, Terrassenböden sowie technische Formteile und am Produktionsstandort Niederorschel Fensterbänke und technische Formteile her. In Berlin beschäftigte die Klägerin Ende 2010/Anfang 2011 insgesamt 34 Arbeitnehmer, davon 27 gewerbliche Arbeitnehmer und sieben Arbeitnehmer im Angestelltenverhältnis. Den gewerblichen Mitarbeitern oblag die Herstellung der Fassaden- und Balkonprofile, die Verwaltung der hergestellten Produkte im Auslieferungslager, die Bereitstellung der Produkte zur Abholung und die Verladung auf die Lastkraftwagen der Kunden bzw. die Vorbereitung zum Versand, ferner die Durchführung der laufenden Instandhaltungs- und Instandsetzungsarbeiten ua. an den Produktionsanlagen. Den angestellten Mitarbeitern in Berlin oblag die Lohnbuchhaltung, die Systemadministration IT, die Produktionsleitung, die Koordination und Überwachung der technischen Anlagen, der Bereich Lager/Versand und der Verkauf und die Auftragsabwicklung. Die Verfügungsmacht über die Kundenbeziehungen lag nicht bei dem Berliner Betrieb. Seit der Gründung des Werks Berlin wurde für den Betrieb in Berlin ein Betriebsrat gewählt. Ferner existierte ein Gesamtbetriebsrat, dem der Berliner Betriebsrat angehörte.

Am 28. Oktober 2010 schloss die Klägerin mit dem Gesamtbetriebsrat einen Interessenausgleich. In diesem heißt es auszugsweise:

„Präambel

1.

Das Unternehmen ist zu der Überzeugung gelangt, dass es mittel- und langfristig für den Bestand und der Entwicklung des Unternehmens von entscheidendem Vorteil ist, die betrieblichen Aktivitäten auszugliedern und auf eine neu zu gründende Gesellschaft in der Rechtsform der GmbH & Co.KG (Firma W. Industriewerke GmbH & Co. KG) zu übertragen.

Bei dem Unternehmen (eigene Anmerkung: mit Unternehmen wird die Klägerin bezeichnet) verbleiben das gesamte Anlage- und Umlaufvermögen, die Lizenzrechte und sonstige Vermögensgegenstände. Im Namen des Unternehmens werden auch künftig der Einkauf und der Vertrieb sowie die Forschung und Entwicklung betrieben.

Die neue Gesellschaft übernimmt die gesamte Produktion und sämtliche Arbeitnehmer und Auszubildenden unter Einschluss der leitenden Angestellten gemäß § 613a BGB.

Die neue Gesellschaft wird finanziert durch Eigenkapital und Darlehens- und sonstige Finanzleistungen des Unternehmens, so dass die Finanzierung außerhalb einer Bankfinanzierung erfolgt. Die neue Gesellschaft wird somit mit Bankverbindlichkeiten nicht belastet.

Zwischen dem Unternehmen und der neuen Gesellschaft werden die erforderlichen Verträge abgeschlossen, insbesondere Werkverträge für die gesamte Produktion, Dienstleistungsverträge für die Bereiche Forschung und Entwicklung, Einkauf und Vertrieb sowie Finanzen.

….

§ 2

Gegenstand des Interessenausgleiches

1.

Gegenstand des Interessenausgleichs ist die Umsetzung der in der Präambel spezifizierten unternehmerischen Maßnahme, dass ist die Übertragung sämtlicher Arbeitsverhältnisse auf die neue Gesellschaft und der Abschluss der erforderlichen Verträge.

2.

Der Gesamtbetriebsrat nimmt diese Umstrukturierungsmaßnahme in der Form von Betriebsübergängen betreffend die drei Standorte gemäß §  613a  BGB zur Kenntnis.

§ 3

Durchführung

1.

Die Übertragung gemäß § 613a BGB wird kurzfristig nach – positivem – Abschluss der betrieblichen Verhandlungen und unter Wahrung der gesetzlichen Vorgaben, insbesondere Informationen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gemäß § 613a Abs. 5 BGB umgesetzt.

2.

Die betrieblichen Einheiten von allen Standorten bleiben unverändert erhalten. Dies bedeutet, dass die Betriebsräte in voller Funktion bleiben, bestehende Betriebsvereinbarungen bleiben unverändert und uneingeschränkt erhalten.

…..

§4

Sozialplan

1.

Die vertragsschließenden Parteien dieses Interessenausgleichs sind sich darüber einig, dass mit der Umsetzung dieser Maßnahme für die Beschäftigten Nachteile nicht entstehen und nicht entstehen können.

2.

Im Hinblick darauf ist es nicht erforderlich, einen Sozialplan abzuschließen…..“

Wegen des weiteren Inhalts des Interessenausgleichs vom 28. Oktober 2010 wird auf die Anlage K6, Bl. 147 bis 152 der Akte Bezug genommen.

Im Dezember 2010 wurde die Industriewerke W. GmbH & Co.KG (im Folgenden: Industriewerke W.) gegründet, die ihren Sitz in Oberstenfeld hat. Im März 2011 schlossen die Klägerin und die Industriewerke W., vertreten durch die personenidentischen Geschäftsführer ihrer Komplementärinnen, einen Vertrag „Vereinbarung über Lohnfertigung und Geschäftsbesorgungsvertrag über Betriebsführung“ mit auszugsweise folgendem Inhalt:

„Vorbemerkung:

… Diese neue Gesellschaft soll in Zukunft die Produkte von W. in Lohnfertigung herstellen und im Übrigen die drei Betriebe von W. in Deutschland führen. Die Mitarbeiter von W. werden zum Stichtag 1. April 2011 im Rahmen eines gesetzlichen Betriebsübergangs gemäß § 613a BGB auf die neu gegründete W. Industriewerke GmbH + Co. KG übergehen.

Dies vorausgeschickt, vereinbaren die Vertragsparteien folgendes:

A. Lohnfertigung

§ 1

Vertragsinhalt/Entgelt

Die Industriewerke W. führt die komplette Produktion der W.-Produkte an allen 3 inländischen Standorten ab dem 1. April 2011 in Lohnfertigung weiter. Dies umfasst insbesondere die Herstellung und Bearbeitung der folgenden Produkte nach den Vorgaben von W.:

– Fensterbänke

– Balkon- und Fassadenelemente

– ….

Die Vergütung der von der Industriewerke W. erbrachten Leistungen erfolgt anhand der von der Industriewerke W. nachgewiesenen Lohnkosten (…) plus eines Aufschlags zu den Brutto-Lohnsummen von 3  %. Darüber hinaus hat die Industriewerke W. Anspruch auf Erstattung der gerechtfertigten Sachkosten, die im direkten Zusammenhang mit der Wertschöpfung entstehen.

Miete und/oder Pacht für die Nutzung der Produktionshallen und Maschinen sowie sonstiges Anlagevermögen ist von der Industriewerke W. nicht zu entrichten. Die mit der Produktion zusammenhängenden Nebenkosten (…) trägt W..

 

§ 2

Liefertermine und -fristen/Teillieferungen und -leistungen

Die Vereinbarung verbindlicher Liefertermine bedarf der Schriftform.

Die Industriewerke W. sind zur Ausführung von Teillieferungen und Teilleistungen berechtigt.

§ 3

Gewährleistung des Lohnfertigers

Im Zusammenhang mit der Lohnfertigung gewährleisten die Industriewerke W. die Bearbeitung der betreffenden Ware sowie die Verarbeitung der Rohstoffe, Vorprodukte und Halbzeuge gemäß den Vorgaben von W.. Diese Vorgaben werden von der Industriewerke W. nicht überprüft. W. ist für diese allein verantwortlich.

Die Gewährleistung erfolgt nach den gesetzlichen Bestimmungen, wobei die Industriewerke W. im Falle eines Mangels der Ware nach ihrer Wahl zunächst nachliefern oder nachbessern. …

§ 4

Eigentum und Gefahrübergang bei Lohnfertigung

An Ware für Lohnfertigung erwerben die Industriewerke W. zu keinem Zeitpunkt Eigentum. Die Beschaffung von Ware für Lohnfertigung, welche die Industriewerke W. bei Dritten beziehen, erfolgt im Namen und auf Rechnung von W.. Von W. an die Industriewerke W. gelieferte Ware für Lohnfertigung bleibt im Eigentum von W., bis ein Dritter diese Ware zu Eigentum erwirbt.

Entstehen durch die Lohnfertigung neue Produkte, sind die Parteien einig, dass das Eigentum daran W. zusteht bzw. von der Industriewerke W. an W. übertragen wird. …

Gehen bei der Industriewerke W. Ware, Rohstoffe, (Vor-) Produkte oder Halbzeuge für Lohnfertigung unter, werden sie beschädigt oder wertlos oder tritt eine sonstige Wertminderung ein, sind die Industriewerke W. gegenüber W. zum Ersatz des dadurch entstandenen Schadens verpflichtet.

§ 5

Haftung bei der Lohnfertigung

Die Industriewerke W. haften im Zusammenhang mit der Lohnproduktion gegenüber W. nach den Bestimmungen des Produkthaftungsgesetzes. Die Pflicht zur Gewährleistung gemäß § 3 und zum Schadensersatz gemäß § 4 bleibt davon unberührt.

B. Betriebsführung im Übrigen

§ 6

Betriebsführung mittels Geschäftsbesorgungsvertrag

 

Die Industriewerke W. übernehmen darüber hinaus für W. ab dem 1. April 2011 die Betriebsführung des gesamten Geschäftsbetriebs an allein drei inländischen Standorten. Insbesondere umfasst dies sämtliche, in den folgenden Abteilungen zu erledigenden Arbeiten nach den Vorgaben von W.:

– Einkauf

– Vertrieb

– Marketing

– Finanzbuchhaltung

– Forschung und Entwicklung sowie

– Instandhaltung.

Der Auftrag zur Betriebsführung erstreckt sich auf alle Geschäfte und Maßnahmen, die dem Betriebsablauf und dem gewerblichen Zweck des Betriebes dienen.

§ 7

Handeln für Rechnung und im Namen von W. / Bevollmächtigung

Die Industriewerke W. handeln bei ihrer Tätigkeit gem. § 6, sofern diese im Zusammenhang mit der Lohnfertigung und der Herstellung der W.-Produkte ausgeführt wird, für welche W. die Patentrechte und das Know-how besitzt, ausschließlich für Rechnung und im Namen von W..

Insofern erteilt W. der Industriewerke W. Generalhandlungsvollmacht zur Vertretung von W. bei allen Rechtsgeschäften und Rechtshandlungen, …

§ 8

Verpflichtung des Auftragnehmers Industriewerke W.

Die Industriewerke W. erledigen und managen eigenverantwortlich die in § 6 aufgeführten Abteilungen an allen drei Standorten.

C. Allgemeine Bestimmungen

§ 12

Auskunftsrecht von W.

W. kann von der Geschäftsführung der Industriewerke W. jederzeit und in allen die Lohnfertigung und die Betriebsführung betreffenden Angelegenheiten Auskünfte verlangen. Im Hinblick auf die Betriebsführung gemäß Lit. B., nicht aber für Lit. A. dieses Vertrages (mit Ausnahme der Vorgaben für die Herstellung, Bearbeitung und Lieferung der Ware gemäß §§ 1, 2 und 3 Abs. 1), kann W. Richtlinien erlassen und Weisungen erteilen. Insbesondere kann W. bestimmen, welche Arten von Geschäften ihrer vorherigen Zustimmung bedürfen.“

Wegen des weiteren Inhalts des Vertrages wird auf die Anlage K7, Bl. 153 bis 163 der Akte verwiesen.

Mit Schreiben vom 1. März 2011 informierten die Klägerin und die Industriewerke W. alle betroffenen Beschäftigten, auch den Beklagten, darüber, dass die Industriewerke W. ab dem 1. April 2011 sämtliche Fertigungsaktivitäten von W. in Lohnfertigung und die administrativen Funktionen, insbesondere Forschung und Entwicklung, Logistik, Einkauf, Vertrieb, Finanzbuchhaltung und Instandhaltung für W. übernehmen solle und zu diesem Stichtag sämtliche Arbeitsverhältnisse im Wege des Betriebsübergangs auf die neue Gesellschaft übergehen werden. In dem Schreiben heißt es weiter, das Immobilien-, Anlagen- und Umlaufvermögen sowie die Patente und Lizenzverträge verblieben bei der W. und würden der neuen Gesellschaft unentgeltlich zur Nutzung zur Verfügung gestellt. W. sorge auch für die erforderliche finanzielle Ausstattung der neuen Gesellschaft. Die betrieblichen Strukturen, die Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Abteilungen und Standorten sowie die Funktionen aller Mitarbeiter blieben unverändert. Gleiches gelte für die Arbeitsbedingungen und die sozialen Besitzstände sowie für die arbeitgeberseitige Tarifbindung. – Wegen des genauen Inhalts des „Informationsschreibens“ vom 1. März 2011 wird auf die Anlage K2, Bl. 8 bis 12 der Akte Bezug genommen. – Der Beklagte widersprach dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die Industriewerke W. nicht. Auch die anderen in Berlin tätigen Arbeitnehmer widersprachen dem Übergang ihrer Arbeitsverhältnisse nicht.

Ab dem 1. April 2011 stellte die Industriewerke W. an dem Produktionsstandort Berlin unter Nutzung der dort vorhandenen sächlichen Betriebsmittel mit unverändertem Personal die Fassaden- und Balkonprofile her. Die in Berlin beschäftigten Arbeitnehmer übten ihre bisherigen Tätigkeiten weiter aus. Herr D. war in Berlin weiter als Betriebsleiter tätig. Die Industriewerke W. nahm gegenüber den Arbeitnehmern die Arbeitgeberstellung ein und trat dem Arbeitgeberverband Holz Kunststoff Nord-Ost e.V. bei. Sie zahlte die Vergütung der Arbeitnehmer einschließlich dem Beklagten, erstellte die Lohnabrechnungen und trat gegenüber den Beschäftigten, dem Betriebsrat, den Sozialversicherungsträgern, der Bundesagentur für Arbeit und weiteren Behörden sowie gegenüber dem Arbeitgeberverband im eigenen Namen auf. In der Folgezeit schlossen der Betriebsrat der Niederlassung Berlin und die Industriewerke W. verschiedene Betriebsvereinbarungen.

Mit Schreiben vom 16. August 2011 (Anlage K29, Bl. 193 der Akte) beantragte die Industriewerke W. gemeinsam mit dem Berliner Betriebsrat bei den Tarifvertragsparteien wegen erheblicher Verluste im Geschäftsjahr 2010 eine Abweichung vom ausgehandelten Tarifergebnis. Am 22. September 2011 schlossen die Betriebsparteien eine Betriebsvereinbarung über die Einführung von Kurzarbeit für zwölf Monate ab dem 1. Oktober 2011 (Anlage K25, Bl. 188 bis 189 der Akte). Zwischenzeitlich wurde die Industriewerke W. in FHK Fertigungsgesellschaft Holz und Kunststoff GmbH & Co. KG (im Folgenden: FHK) umfirmiert. Eine weitere Anzeige von Kurzarbeit für zwölf Monate ab dem 21. November 2012 wies die Agentur für Arbeit mit Bescheid vom 10. Dezember 2012 (Anlage K19, Bl. 182 der Akte) wegen strukturell bedingten Arbeitsausfalls zurück. Unter dem 22. November 2012 schlossen der Betriebsrat der FHK, Niederlassung Berlin, und die FHK einen Interessenausgleich (Anlage K31, Bl. 195 bis 203 der Akte) über die Möglichkeit, die Beschäftigten während eines Produktionsausfalls oder bei Produktionseinschränkungen befristet an einem der beiden anderen Standorte einzusetzen. Unter dem 29. November 2012 sprach die FHK gegenüber allen in der Produktion Beschäftigten mit Ausnahme der Betriebsratsmitglieder eine entsprechende Änderungskündigung aus. Der Beklagte und die übrigen Beschäftigten nahmen das Änderungsangebot nicht, auch nicht unter Vorbehalt, an. Sämtliche gegen die Änderungskündigungen erhobenen Klagen einschließlich der des Beklagten hatten spätestens vor dem Landesarbeitsgericht Erfolg.

Ende Mai/Anfang Juni 2013 fasste die Gesellschafterversammlung der FHK den Beschluss, die Gesellschaft zu liquidieren und die Betriebe in Baden-Württemberg, Thüringen und Berlin stillzulegen. Am 23. Januar 2014 schlossen die FHK und der Berliner Betriebsrat bezüglich der beabsichtigten Betriebsstilllegung einen Interessenausgleich und einen Sozialplan (Anlage A.12, Bl. 93 bis 98 der Akte). Mit Schreiben vom 26. März 2014 kündigte die FHK die Arbeitsverhältnisse mit dem Beklagten und den übrigen Berliner Beschäftigten. Die Kündigungsschutzklage des Beklagten wurde durch Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 29. August 2014 – 28 Ca 4933/14 – abgewiesen. Die hiergegen eingelegte Berufung des Beklagten wies das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg durch Urteil vom 15. Januar 2015 – 18 Sa 1823/14 – (Anlage K3, Bl. 13 bis 19 der Akte) zurück. Die hiergegen von dem Beklagten eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde hat dieser zurückgenommen. Auch die Rechtsverfolgung der anderen Arbeitnehmer hinsichtlich der Kündigungen blieb erfolglos.

Nachdem das Arbeitsgericht Stuttgart – Kammern Ludwigsburg – im Zusammenhang mit der Stilllegung des Betriebes in Oberstenfeld mit Urteil vom 8. Mai 2015 – 26 Ca 1875/14 – festgestellt hatte, der Betrieb in Oberstenfeld sei nicht zum 1. April 2011 auf die Industriewerke W. bzw. die FHK übergegangen, weil die Klägerin nicht dargelegt habe, dass die FHK im Rahmen der ihr übertragenen Betriebsführung nach außen als Vollrechtsinhaberin aufgetreten sei und dadurch tatsächlich die Leitungsmacht übernommen habe, forderte der Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 8. Juni 2015 auf, verbindlich anzuerkennen, dass über den 31. März 2011 hinaus ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis besteht und bot der Klägerin ferner seine Arbeitskraft an. In dem Schreiben heißt es weiter: „Letztlich fordere ich Sie schon jetzt auf, mir seit dem 01.04.2011 eine etwaige Differenzvergütung (nach Verrechnung mit anderen Einkünften/Zahlungen) auszubezahlen.“ – Auf das Schreiben vom 8. Juni 2015 wird im Übrigen Bezug genommen, Anlage K1, Bl. 7 der Akte. –

Mit der am 19. Juni 2015 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat die Klägerin die Feststellung begehrt, dass zwischen den Parteien über den 31. März 2011 hinaus ein Arbeitsverhältnis nicht bestanden hat und nicht besteht. Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 3. August 2015, der dem Klägervertreter am 10. August 2015 (Empfangsbekenntnis Bl. 112 der Akte) zugestellt worden ist, im Wege der Widerklage die Feststellung begehrt, dass zwischen der Klägerin und ihm über den 31. März 2011 hinaus ein Arbeitsverhältnis besteht, er hat ferner einen Weiterbeschäftigungsantrag geltend gemacht. In der mündlichen Verhandlung vom 9. September 2015 vor dem Arbeitsgericht haben die Parteien den Klageantrag aus der Klageschrift der Klägerin in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt.

Der Beklagte hat im Wesentlichen vorgetragen: Sein Arbeitsverhältnis sei nicht zum 1. April 2011 auf die Industriewerke W. übergegangen. Ein Betriebsübergang habe nicht vorgelegen. Die Industriewerke W. habe keinerlei materielle Betriebsmittel oder Kunden- und Lieferantenbeziehungen übernommen. Nach dem 31. März 2011 sei der Marktauftritt zum Vertrieb der W.-Produkte weiterhin über die Internetseite der Klägerin erfolgt. Bei der E-Mail-Kommunikation nach außen habe das EDV-Dokumentationssystem die E-Mails der Mitarbeiter automatisch mit einer Signatur der Klägerin versehen. Geschäftliche Korrespondenz sei im Übrigen auf dem Geschäftspapier der Klägerin erfolgt. Sämtliche Verträge mit Dritten seien im Namen und auf Rechnung der Klägerin geschlossen worden. Dem Betriebsübergang stehe entgegen, dass die Industriewerke W./FHK im Rahmen der übertragenen Betriebsführung nach außen nicht als Vollrechtsinhaberin aufgetreten sei. Den zwischen der Klägerin und der Industriewerke W./FHK geschlossenen Vereinbarungen und der tatsächlichen Praktizierung der Betriebsführung sei zu entnehmen, dass die Klägerin weiter für den Betrieb verantwortlich geblieben sei und die Industriewerke W./FHK den Betrieb nach außen nicht im eigenen Namen geführt habe und nicht als Betriebsinhaberin aufgetreten sei. Es liege hier eine „echte Betriebsführung“ vor. Die Industriewerke W./FHK habe bei ihrer Betriebsführung aufgrund interner Anweisung (Vorgaben der Klägerin) und externer Vollmacht (Generalhandlungsvollmacht) gehandelt. Die Industriewerke W./FHK habe auch keinen nennenswerten eigenen wirtschaftlichen Zweck verfolgt. Das mit der Widerklage geltend gemachte Arbeitsverhältnis sei nicht verwirkt. Das Arbeitsverhältnis als Stammrecht könne nicht verwirken. Im Übrigen würden auch die Voraussetzungen einer Verwirkung in Form von Zeit- und Umstandsmoment nicht vorliegen. Da sein Arbeitsverhältnis mit der Klägerin noch bestehe, sei diese zu seiner Weiterbeschäftigung verpflichtet.

Der Beklagte hat zuletzt im Wege der Widerklage beantragt,

1. festzustellen, dass zwischen der Klägerin und Widerbeklagten und dem Beklagten und Widerkläger über den 31. März 2011 hinaus ein Arbeitsverhältnis besteht,

2. die Klägerin und Widerbeklagte zu verurteilen, den Beklagten und Widerkläger als gewerblichen Arbeitnehmer weiter zu beschäftigen.

Die Klägerin hat beantragt, die Widerklage abzuweisen.

Die Klägerin hat im Wesentlichen vorgetragen: Das mit dem Beklagten bestehende Arbeitsverhältnis sei gemäß § 613a Abs. 1 BGB mit Wirkung vom 1. April 2011 auf die Industriewerke W. übergegangen. Es habe ein Betriebsübergang iSd. dieser Vorschrift vorgelegen. Außerdem seien die rechtskräftigen Entscheidungen über die Änderungskündigung und Beendigungskündigung präjudiziell auch für den vorliegenden Rechtsstreit. Jedenfalls aber wirke sich das Vorverhalten des Beklagten auf die Darlegungs- und Beweislast aus. Zudem seien etwaige ihr gegenüber entstandene Ansprüche verwirkt. Die Berliner Arbeitnehmer hätten die Betriebsübernahme von Anfang an anerkannt und ihre Arbeitsverhältnisse gerade bei der Übernehmerin im Betrieb Berlin nachdrücklich und ausdauernd verteidigt.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 18. November 2015 die Widerklage abgewiesen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht zusammengefasst ausgeführt: Das Recht des Beklagten, sich auf den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses gerade zur Klägerin über den 31. März 2011 hinaus zu berufen, sei verwirkt. Auch das Recht, sich auf den Fortbestand eines Arbeitsverhältnisses zu einem bestimmten Arbeitgeber zu berufen, unterliege der Verwirkung. Die Frist für das Zeitmoment beginne nicht erst mit der umfassenden Unterrichtung des Arbeitnehmers über den Betriebsübergang und seine Folgen zu laufen. Grundsätzlich sei vielmehr der gesamte Zeitablauf seit der Rechtsentstehung von Bedeutung. Der Verwirkung stehe daher nicht entgegen, dass dem Beklagten nach eigenem Vorbringen im Zeitpunkt der Benachrichtigung über einen Betriebsübergang die erste Vereinbarung zwischen der Klägerin und der Industriewerke W. über Lohnfertigung mit Geschäftsbesorgung nicht bekannt gewesen sei. Eine Bestandsdisposition über das Arbeitsverhältnis könne nicht als Ausschließlichkeitskriterium für das Umstandsmoment gelten. Dies folge aus der Wechselwirkung von Zeit- und Umstandsmoment. Hier sei Verwirkung in Ansehung des außergewöhnlich langen Zeitraums zwischen der Unterrichtung und der Geltendmachung des Fortbestandes von über vier Jahren eingetreten, obwohl der Beklagte nicht im Sinne einer Beendigung über sein Arbeitsverhältnis disponiert habe. Das erforderliche Umstandsmoment liege hier darin, dass der Gläubiger in dem Kündigungsschutzverfahren ausdrücklich die Feststellung begehrt habe, dass das zwischen den dortigen Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung ende, er also erkennbar bekundet habe, Arbeitnehmer der FHK zu sein. Daraus habe die Klägerin folgern dürfen, er setze sich gegen den behaupteten Betriebsübergang nicht zur Wehr. Betriebserwerber und Betriebsveräußerer seien auch bezogen auf die Kenntnis der Umstände, die zur Verwirkung des Rechts auf Widerspruch nach § 613a Abs. 6 BGB führten, als Einheit zu behandeln. Entsprechendes gelte hier unabhängig davon, ob tatsächlich ein Betriebsübergang vorgelegen habe. Ein Anspruch auf Beschäftigung bestünde nicht, weil sich der Kläger nicht auf den Bestand eines Arbeitsverhältnisses berufen könne und der Fortbestand eines Arbeitsverhältnisses nicht gerichtlich festgestellt worden sei. – Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen. –

Gegen dieses dem Beklagten am 11. Januar 2016 zugestellte Urteil hat dieser mit einem bei dem Landesarbeitsgericht am 11. Februar 2016 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 11. April 2016 mit einem bei dem Landesarbeitsgericht am 11. April 2016 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Der Beklagte, der auf seinen erstinstanzlichen Vortrag Bezug nimmt, trägt zur Begründung seiner Berufung im Wesentlichen vor: Dass die Ausführungen in dem erstinstanzlichen Urteil unrichtig seien, folge bereits aus § 4 KSchG und § 7 KSchG. Er habe sich mit dem Erheben seiner Kündigungsschutzklage gegen die FHK als Kündigende wenden müssen. Er habe keine Disposition über den Bestand des Arbeitsverhältnisses getätigt, sondern sich allein den rechtlichen Regelungen des Kündigungsschutzgesetzes folgend verhalten. Das Arbeitsgericht habe übersehen, dass die FHK nicht Betriebsinhaberin des von der Klägerin geführten Produktionsbetriebes geworden sei. Die zwischen der FHK und der Berufungsbeklagten geschlossene Vereinbarung zur Betriebsfortführung stelle sich als „echter“ Betriebsführungsvertrag dar, der keinen Betriebsübergang zur Folge habe. – Der Kläger hat sich ferner den Inhalt des Urteils des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 11. Mai 2016 – 15 Sa 108/16 – zu eigen gemacht.

Der Beklagte beantragt, unter Aufhebung des am 18. November 2015 verkündeten und am 11. Januar 2016 zugestellten Urteils des Arbeitsgerichts Berlin – 39 Ca 8635/15 und 39 Ca 10862/ -wird

1. festgestellt, dass zwischen der Klägerin und der Widerbeklagten und dem Beklagten und Widerkläger über den 31. März 2011 hinaus ein Arbeitsverhältnis besteht;

2. die Klägerin und Widerbeklagte verurteilt, den Beklagten und Widerkläger als gewerblichen Arbeitnehmer weiterzubeschäftigen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin ist weiter der Ansicht, es habe ein Betriebsübergang stattgefunden. Es liege zudem ein Fall der Rechtskrafterstreckung vor. Im Übrigen würden die Voraussetzungen der Verwirkung vorliegen. – Wegen der Einzelheiten ihres Vorbringens wird auf die Schriftsätze vom 9. Mai 2016 und vom 31. Mai 2016 verwiesen. –

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung und die Sitzungsniederschriften beider Instanzen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I. Die Berufung des Beklagten ist zulässig. Sie ist gemäß § 8 Abs. 2, § 64 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. c und b ArbGG statthaft und gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 und 2 ArbGG, § 519 Abs. 1 und Abs. 2, 520 Abs. 1 und Abs. 3 ZPO frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden.

II. Die Berufung ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat im Ergebnis zu Recht die Widerklage abgewiesen. Zwischen den Parteien besteht nicht über den 31. März 2011 hinaus ein Arbeitsverhältnis. Ein Anspruch auf Weiterbeschäftigung besteht nicht.

1. Der zulässige Feststellungsantrag ist nicht begründet. Über den 31. März 2011 hinaus besteht zwischen den Parteien kein Arbeitsverhältnis mehr. Mit Wirkung zum 1. April 2011 ist die Industriewerke W. gemäß § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB in die Rechte und Pflichten aus dem zwischen der Klägerin und dem Beklagten bestehenden Arbeitsverhältnis eingetreten. Denn der Betrieb, in dem der Beklagte beschäftigt war, ist mit Wirkung vom 1. April 2011 von der Klägerin auf die Industriewerke W. übergegangen. Der Beklagte hat dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses nicht gemäß § 613a Abs. 6 BGB widersprochen.

a) Ein Betriebsübergang oder Betriebsteilübergang iSv. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB und im Sinne der Richtlinie 2001/23/EG liegt vor, wenn ein neuer Rechtsträger eine bestehende wirtschaftliche Einheit unter Wahrung ihrer Identität fortführt (vgl. EuGH 6. März 2014 – C-458/12 – [Amatori ua.] Rn. 30 mwN; BAG 21. Mai 2015 – 8 AZR 409/13 –Rn. 35, AP BGB § 613a Nr. 462; 22. Januar 2015 – 8 AZR 139/14 – Rn. 13, NZA 2015, 1325; 18.  September  2014 – 8 AZR 733/13 – Rn. 18; 15. Dezember 2011 – 8 AZR 197/11 – Rn. 39).

aa) Dabei muss es um eine auf Dauer angelegte Einheit gehen, deren Tätigkeit nicht auf die Ausführung eines bestimmten Vorhabens beschränkt ist. Um eine solche Einheit handelt es sich bei jeder hinreichend strukturierten und selbständigen Gesamtheit von Personen und Sachen zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigenem Zweck (EuGH 6. März 2014 – C-458/12 – Amatori ua.] Rn. 31 f. mwN; BAG 21. Mai 2015 – 8 AZR 409/13 –Rn. 36, AP BGB § 613a Nr. 462; 22. Januar 2015 – 8 AZR 139/14 – Rn. 14, NZA 2015, 1325).

bb) Den für das Vorliegen eines Übergangs maßgebenden Kriterien kommt je nach der ausgeübten Tätigkeit und je nach den Produktions- oder Betriebsmethoden unterschiedliches Gewicht zu (näher EuGH 15. Dezember 2005 – C-232/04 und C-233/04 – [Güney-Görres und Demir] Rn. 35, Slg. 2005, I-11237; BAG 21. Mai 2015 – 8 AZR 409/13 –Rn. 37, AP BGB § 613a Nr. 462; 22. Januar 2015 – 8 AZR 139/14 – Rn. 15, NZA 2015, 1325; 18. September 2014 – 8 AZR 733/13 – Rn. 18; 22. August 2013 – 8 AZR 521/12 – Rn. 40 ff. mwN). Bei der Prüfung, ob eine solche Einheit ihre Identität bewahrt, müssen sämtliche den betreffenden Vorgang kennzeichnenden Tatsachen berücksichtigt werden. Dazu gehören namentlich die Art des Unternehmens oder Betriebs, der etwaige Übergang der materiellen Betriebsmittel wie Gebäude und bewegliche Güter, der Wert der immateriellen Aktiva im Zeitpunkt des Übergangs, die etwaige Übernahme der Hauptbelegschaft durch den neuen Inhaber, der etwaige Übergang der Kundschaft sowie der Grad der Ähnlichkeit zwischen den vor und nach dem Übergang verrichteten Tätigkeiten und die Dauer einer eventuellen Unterbrechung dieser Tätigkeiten. Diese Umstände sind jedoch nur Teilaspekte der vorzunehmenden Gesamtbewertung und dürfen deshalb nicht isoliert betrachtet werden (vgl. ua. EuGH 20. Januar 2011 – C-463/09 – [CLECE] Rn. 34 mwN, Slg. 2011, I-95; BAG 21. Mai 2015 – 8 AZR 409/13 – aaO; 22. Januar 2015 – 8 AZR 139/14 – , aaO; 22. Mai 2014 – 8 AZR 1069/12 – Rn. 21).

cc) Kommt es im Wesentlichen auf die menschliche Arbeitskraft an, kann eine strukturierte Gesamtheit von Arbeitnehmern trotz des Fehlens nennenswerter materieller oder immaterieller Vermögenswerte eine wirtschaftliche Einheit darstellen. Wenn eine Einheit ohne nennenswerte Vermögenswerte funktioniert, kann die Wahrung ihrer Identität nach ihrer Übernahme nicht von der Übernahme derartiger Vermögenswerte abhängen. Die Wahrung der Identität der wirtschaftlichen Einheit ist in diesem Fall anzunehmen, wenn der neue Betriebsinhaber nicht nur die betreffende Tätigkeit weiterführt, sondern auch einen nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teil des Personals übernimmt (EuGH 6. September 2011 – C-108/10 – [Scattolon] Rn. 49, Slg. 2011, I-7491; BAG 21. Mai 2015 – 8 AZR 409/13 –Rn. 38, AP BGB § 613a Nr. 462; 22. Januar 2015 – 8 AZR 139/14 – Rn. 16, NZA 2015, 1325; 22. Mai 2014 – 8 AZR 1069/12 – Rn. 22).

dd) Kommt es im Wesentlichen auf die Betriebsmittel wie etwa das Inventar an, dann kann ein Übergang einer ihre Identität bewahrenden Einheit auch ohne Übernahme von Personal vorliegen (vgl. EuGH 20. November 2003 – C-340/01 – [Abler ua.] Rn. 37, Slg. 2003, I-14023; BAG 22. Januar 2015 – 8 AZR 139/14 – Rn. 17, NZA 2015, 1325; 21. August 2014 – 8 AZR 648/13 – Rn. 19). Ohne Bedeutung ist, ob das Eigentum an den eingesetzten Betriebsmitteln übertragen worden ist (EuGH 20. November 2003 – C-340/01 – [Abler ua.] Rn. 41 mwN, aaO; BAG 22. Januar 2015 – 8 AZR 139/14 –, aaO; 11. Dezember 1997 – 8 AZR 426/94 – zu B I der Gründe, BAGE 87, 296).

ee) Hingegen stellt die bloße Fortführung der Tätigkeit durch einen anderen (Funktionsnachfolge) ebenso wenig einen Betriebsübergang dar wie die reine Auftragsnachfolge (vgl. EuGH 20. Januar 2011 – C-463/09 – [CLECE] Rn. 36 und 41, Slg. 2011, I-95; BAG 21. Mai 2015 – 8 AZR 409/13 –Rn. 39, AP BGB § 613a Nr. 462; 22. Januar 2015 – 8 AZR 139/14 – Rn. 18, NZA 2015, 1325; 22. Mai 2014 – 8 AZR 1069/12 – Rn. 23).

ff) Ein Betriebsübergang iSd. des § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB tritt mit dem Wechsel in der Person des Inhabers des Betriebs ein. Der bisherige Betriebsinhaber muss seine wirtschaftliche Betätigung in dem Betrieb oder Betriebsteil einstellen, der Übernehmer muss die Geschäftstätigkeit tatsächlich weiterführen oder wieder aufnehmen (BAG 31. Januar 2008 – 8 AZR 2/07 – Rn. 28, AP BGB § 613a Nr. 339). Entscheidendes Kriterium für den Betriebsübergang ist die tatsächliche Weiterführung der Geschäftstätigkeit, die bloße Möglichkeit allein, den Betrieb unverändert fortführen zu können, reicht für die Annahme eines Betriebsübergangs nicht aus (st. Rspr., vgl. BAG 27. September 2012 – 8 AZR 826/11 – Rn. 21, DB 2013, 642; 10. Mai 2012 – 8 AZR 434/11 – Rn. 27, NZA 2012, 1161; 17. Dezember 2009 – 8 AZR 1019/08 – Rn. 20, AP BGB § 613a Nr. 383 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 117; 31. Januar 2008 – 8 AZR 2/07 – Rn. 28, AP BGB § 613a Nr. 339). Nach der Rechtsprechung des EuGH entspricht es ebenso Europäischem Recht, auf die tatsächliche Fortführung des Betriebs und nicht nur auf die Möglichkeit hierzu abzustellen (vgl. EuGH 26. Mai 2005 – C-478/03 – [Celtec] Rn. 36, Slg. 2005, I-4389 = AP Richtlinie 77/187/EWG Nr. 1; 20. November 2003 – C-340/01 – [Carlito Abler] Slg. 2003, I-14023 = AP EWG-Richtlinie Nr. 77/187 Nr. 34 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 13; 10. Dezember 1998 – C-173/96 – [Hidalgo] Rn. 21, Slg. 1998, I-8237 = EzA BGB § 613a Nr. 172). Einer besonderen Übertragung einer irgendwie gearteten Leitungsmacht bedarf es wegen des Merkmals der Fortführung des Betriebs nicht (BAG 6. April 2006 – 8 AZR 222/04 – Rn. 20, BAGE 117, 349 = AP BGB § 613a Nr. 299 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 49). Maßgeblich ist die Weiterführung der Geschäftstätigkeit durch diejenige Person, die nunmehr für den Betrieb als Inhaber „verantwortlich“ ist (BAG 27. September 2012  – 8 AZR 826/11 – , aaO; 10. Mai 2012 – 8 AZR 434/11 – aaO; 31. Januar 2008 – 8 AZR 2/07 – aaO; 15. Dezember 2005 – 8 AZR 202/05 – Rn. 42, AP BGB § 613a Nr. 294 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 45). Verantwortlich ist die Person, die den Betrieb im eigenen Namen führt und nach außen als Betriebsinhaber auftritt (BAG 27. September 2012 – 8 AZR 826/11 – aaO; 10. Mai 2012 – 8 AZR 434/11 – aaO; 25. Oktober 2007 – 8 AZR 917/06 – Rn. 29, AP BGB § 613a Nr. 333 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 82; 20.  März  2003 – 8 AZR 312/02 – zu II 3 b bb der Gründe, EzA BGB 2002 § 613a Nr. 7). Es kommt dabei nicht allein darauf an, wer im Verhältnis zur Belegschaft als Inhaber auftritt, sondern auf die umfassende Nutzung des Betriebs nach außen (vgl. BAG 31. Januar 2008 – 8 AZR 2/07 – aaO). Der Wechsel der Inhaberschaft tritt hingegen nicht ein, wenn der neue „Inhaber“ den Betrieb gar nicht führt (BAG 27. September 2012 – 8 AZR 826/11 -, aaO; 18. März 1999 – 8 AZR 159/98 – zu II 1 der Gründe, BAGE 91, 121 = AP BGB § 613a Nr. 189 = EzA BGB § 613a Nr. 177). Nicht erforderlich ist es aber, dass der neue Inhaber den Betrieb auf eigene Rechnung führt. Unschädlich ist es daher, wenn der Gewinn an einen anderen abgeführt wird (vgl. BAG 10. Mai 2012 – 8 AZR 434/11 -, aaO; 20. März 2003 – 8 AZR 312/00 – aaO; 12. November 1998 – 8 AZR 282/07 – zu B I 2 a der Gründe, BAGE 90, 163 = AP BGB § 613a Nr. 186 = EzA BGB § 613a Nr. 170).

gg) Für die Prüfung, ob zwischen den Parteien noch ein Arbeitsverhältnis besteht, oder ob dieses aufgrund eines Betriebsüberganges auf eine andere Person übergegangen ist, gelten die allgemeinen Grundsätze der Darlegungs- und Beweislast. Derjenige, der sich auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund eines Betriebsübergangs beruft, trägt insoweit die Darlegungs- und Beweislast. Denn in diesem Fall stellt sich der Betriebsübergang als eine rechtsvernichtende Tatsache dar (vgl. BAG 15. Dezember 2005 – 8 AZR 202/05 – zu B I 1 c cc der Gründe, NZA 2006, 597).

b) Unter Anwendung dieser Grundsätze liegt ein Betriebsübergang vor.

aa) Die Klägerin unterhielt bis zum 31. März 2011 in Berlin einen Betrieb iSd. des § 613a Abs. 1 BGB. Es handelte sich um eine auf Dauer angelegte wirtschaftliche Einheit, nämlich um eine hinreichend strukturierte und selbständige Gesamtheit von Personen und Sachen zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigenem Zweck. In Berlin wurden verschiedene Maschinen und Anlagen vorgehalten, mit deren Einsatz die in Berlin tätigen Arbeitnehmer/Arbeitnehmerinnen bestimmte Produkte, nämlich Fassaden- und Balkonprofile, herstellten. Da der Betriebsleiter Herr D. bezogen auf die in Berlin tätigen Arbeitnehmer die Arbeitgeberfunktionen, insbesondere einschließlich der Einstellungen und Entlassungen, wahrnehmen durfte und wahrnahm, lag eine selbständige und strukturierte Gesamtheit von Personen und Sachen vor. Bei diesem in Berlin gelegenen Betrieb handelte es sich um einen Produktionsbetrieb, dessen Zweck darin bestand, in den vorhandenen Räumlichkeiten mit den vorhandenen Maschinen und dem sonstigen Anlagevermögen und den vorhandenen Beschäftigten Fassaden- und Balkonprofile zu produzieren. Die nicht gewerblichen Arbeitnehmer des Berliner Betriebes übten lediglich solche Verwaltungstätigkeiten aus, die sich auf die Produktion der Fassaden- und Balkonprofile in Berlin bezogen. Gegenstand des Berliner Betriebes war dagegen nicht die Forschung und Entwicklung neuer Produkte oder die Pflege der Kundenbeziehungen. Anderes hat auch der Beklagte nicht substantiiert vorgetragen.

bb) Die Industriewerke W. hat mit Wirkung vom 1. April 2011 die wirtschaftliche Einheit unter Wahrung ihrer Identität übernommen und die Geschäftstätigkeit tatsächlich fortgeführt.

(1) Auf der Grundlage der „Vereinbarung über Lohnfertigung und Geschäftsbesorgungsvertrag über Betriebsführung“ hat die Industriewerke W. die Räumlichkeiten, sämtliche vorhandenen Maschinen und das gesamte sonstige in Berlin vorhandene Anlagevermögen tatsächlich genutzt, um hiermit weiter Balkon- und Fassadenprofile herzustellen. Hierzu setzte die Industriewerke W. sämtliche Arbeitnehmer/Arbeitnehmerinnen, die zuvor schon in Berlin beschäftigt waren, ein. Sämtliche Arbeitnehmer, einschließlich des Betriebsleiters, übten ihre Tätigkeiten unverändert nach dem 31. März 2011 weiter aus. Diesen Vortrag der Klägerin hat der Beklagte nicht bestritten. Damit blieb das Knowhow erhalten und wurde von der Industriewerke W. weitergenutzt. Die Klägerin übte gegenüber den Beschäftigten im Berliner Betrieb seit dem 1. April 2011 auch keine Weisungsrechte mehr aus.

(2) Dem Betriebsübergang steht nicht entgegen, dass die Industriewerke W. nicht Eigentümerin der Räumlichkeiten, der Maschinen und des sonstigen Anlagevermögens geworden ist. Einem Betrieb sind sächliche Betriebsmittel auch dann zuzurechnen, wenn sie auf Grund einer Nutzungsvereinbarung zur Erfüllung der Betriebszwecke eingesetzt werden können. Die Nutzungsmöglichkeit setzt die vollständige Übertragung des Besitzes voraus (BAG 15. Dezember 2005 – 8 AZR 202/05 – Rn. 47, 48, AP BGB § 613a Nr. 294 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 45, zu B I 1 c bb der Gründe), wobei die Nutzungsvereinbarung als Pacht, Nießbrauch oder als untypischer Vertrag ausgestaltet sein kann (BAG 31. Januar 2008 – 8 AZR 2/07 – Rn. 32, AP BGB § 613a Nr. 339; 6. April 2006 – 8 AZR 222/04 – Rn. 24, BAGE 117, 349 = AP BGB § 613a Nr. 299 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 49, zu B I 3 b cc der Gründe; EuGH 20. November 2003 – C-340/01 – [Carlito Abler] Rn. 41, EuGHE I 2003, 14023 = AP EWG-Richtlinie Nr. 77/187 Nr. 34 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 13). Die Industriewerke W. war seit dem 1. April 2011 Besitzerin dieser Gegenstände und durfte sie im Einverständnis mit der Klägerin selbstbestimmt nutzen, um damit weiter die Produkte herzustellen. Dies hat auch der Beklagte nicht in Abrede gestellt. Damit hatte die Industriewerke W. die alleinige tatsächliche Verfügungsgewalt über die ihr von der Klägerin im Rahmen des Vertrages unentgeltlich zur Nutzung überlassenen sächlichen Betriebsmittel erlangt.

(3) Die Identität der übernommenen Einheit ging nicht dadurch verloren, dass die Industriewerke W. nunmehr die Produkte in Lohnfertigung für die Klägerin erbrachte. Hierdurch änderte sich weder die Art des Unternehmens noch der Betriebszweck. Prägender Gegenstand der Betriebstätigkeit war weiter die Herstellung der Balkon- und Fassadenprofile. Auch die von den Arbeitnehmern zu erbringenden Arbeitsleistungen wurde hierdurch nicht berührt.

(4) Änderungen in der Organisation oder der Struktur traten mit Wirkung vom 1.  April  2011 ebenfalls nicht ein.

cc) Die Industriewerke W. hat den Berliner Produktionsbetrieb seit dem 1.  April  2011 auch nicht im Rahmen eines Betriebsführungsvertrages im Namen der Klägerin geführt. Es trat vielmehr ein Wechsel der Inhaberschaft ein. Die Klägerin hat ihre wirtschaftliche Betätigung in dem Berliner Betrieb eingestellt. Die Industriewerke W. war von diesem Zeitpunkt an für den Berliner Betrieb verantwortlich, denn sie führte den Betrieb im eigenen Namen und trat nach außen als Betriebsinhaberin auf.

(1) Die Industriewerke W. nahm seit dem 1. April 2011 gegenüber den Beschäftigten in Berlin die Arbeitgeberstellung ein und ist auch gegenüber den Tarifvertragsparteien, Sozialversicherungsträgern, der Agentur für Arbeit und sonstigen Behörden als deren Arbeitgeberin aufgetreten. Sie hat die Beschäftigten im eigenen Namen eingesetzt und vergütet, die Lohnabrechnungen vorgenommen und die Sozialversicherungsbeiträge abgeführt. Sie hat auch im eigenen Namen mit dem Berliner Betriebsrat mehrere Betriebsvereinbarungen abgeschlossen. Ferner war sie Mitglied im zuständigen Arbeitgeberverband Holz Kunststoff Nord-Ost e.V. und ist auch als solches für den Berliner Betrieb aufgetreten. Gleiches gilt gegenüber der Agentur für Arbeit und dem Integrationsamt im Zusammenhang mit der Anordnung von Kurzarbeit und der Betriebsstilllegung.

(2) Die Industriewerke W. ist aber nicht nur im Verhältnis zur Belegschaft als Betriebsinhaberin aufgetreten, sondern hat den Betrieb nach außen umfassend genutzt. Sie ist insgesamt nach außen als verantwortliche Betriebsinhaberin aufgetreten. Die Klägerin und die Industriewerke W. hatten in der „Vereinbarung über Lohnfertigung und Geschäftsbesorgungsvertrag über Betriebsführung“ in § 1 vereinbart, dass die Industriewerke W. ua. am Standort in Berlin ab dem 1. April 2011 die Produktion in Lohnfertigung weiterführt. Gegenstand des Vertrages war demnach die Verpflichtung der Industriewerke W., selber die Produkte im eigenen Namen herzustellen. Die Industriewerke W. schuldete der Klägerin insoweit auch die Gewährleistung nach den gesetzlichen Bestimmungen (§ 3 Abs. 2 der Vereinbarung) und haftete gemäß § 5 der Vereinbarung gegenüber der Klägerin nach den Bestimmungen des Produkthaftungsgesetzes. Damit hat sich die Industriewerke W. gerade nicht verpflichtet, einen Produktionsbetrieb der Klägerin zu führen, sondern sich zur Durchführung einer eigenen Produktion verpflichtet. Hierfür setzte die Industriewerke W. eigenverantwortlich die bisher im Berliner Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer/Arbeitnehmerinnen und die ihr zur Nutzung überlassenen sächlichen Betriebsmittel ein. Die Klägerin dagegen hatte die Produktionstätigkeiten fremdvergeben und führte selber die Produktion nicht mehr aus. Insoweit trat die Industriewerke W. gerade auch hinsichtlich der Durchführung der Produktion nach außen als Betriebsinhaberin auf. Unerheblich ist, dass gemäß § 3 Abs. 1 der Vereinbarung die Industriewerke W. die Produktion gemäß den Vorgaben der Klägerin durchzuführen hatte. Einem Betriebsinhaberwechsel steht es nicht entgegen, wenn der Erwerber im Innenverhältnis Bindungen unterliegt oder zur Veräußerung der Betriebsmittel im eigenen Namen nicht befugt ist. Entscheidend ist, wer im Außenverhältnis als Vollrechtsinhaber auftritt und die Verfügungsbefugnis über den betrieblichen Funktionszusammenhang erlangt hat (BAG 10. Mai 2012 – 8 AZR 434/11 – Rn. 43, NZA 2012, 1161). Da, wie ausgeführt, die Industriewerke W. der Klägerin aber die Herstellung der Produkte schuldete und hierfür eigenverantwortlich und im eigenen Namen die Belegschaft und die Betriebsmittel einsetzen konnte, um die Produkte herzustellen, trat die Industriewerke W. hinsichtlich der Durchführung der Produktion im Außenverhältnis als Vollrechtsinhaberin auf, sie hatte damit ferner die Verfügungsbefugnis über den betrieblichen Funktionszusammenhang erlangt und übte diese tatsächlich auch aus. Der Klägerin stand – mit Ausnahme der Möglichkeit von Vorgaben für die Herstellung, Bearbeitung und Lieferung der Ware gemäß §§ 1, 2 und 3 Abs. 1 der Vereinbarung – dagegen gegenüber der Industriewerke W. kein Recht zu, hinsichtlich der übertragenen Lohnfertigung Richtlinien zu erlassen oder Weisungen zu erteilen. Liefertermine konnten von der Klägerin nicht einseitig vorgegeben werden, sondern waren gemäß § 2 des Vertrages zu vereinbaren. Das Recht, Richtlinien zu erlassen oder Weisungen zu erteilen, hatte sich die Klägerin nach § 12 Satz 2 des Vertrages von März 2011 lediglich bezogen auf die Betriebsführung, nicht jedoch bezogen auf die Lohnfertigung vorbehalten. Der Vertrag ist unstreitig auch so umgesetzt worden.

(3) Unerheblich ist ferner, ob die Industriewerke W. bei dem Verkauf bzw. der Auslieferung der von ihr in Berlin produzierten Waren im Namen der Klägerin aufgetreten ist und bei der E-Mail-Kommunikation nach außen das EDV-Dokumentensystem die E-Mails mit der Signatur der Klägerin versahen. Maßgeblicher und prägender Betriebszweck des Berliner Betriebes war die Herstellung der Produkte für die Klägerin. Diese Herstellung oblag der Industriewerke W. aber gerade eigenverantwortlich und insoweit trat sie im Außenverhältnis, nämlich gegenüber der Klägerin, auch im eigenen Namen auf. Es wirkt sich auch nicht auf die Identität des Berliner Betriebes als Produktionsbetrieb aus, dass der Vertrieb der hergestellten Produkte weiter von der Klägerin durchgeführt wird. Aus diesem Grund ist der Umstand, dass der Vertrieb der Produkte im Internet weiter über die Internetseite der Klägerin erfolgte, ebenfalls nicht von Bedeutung. Da Gegenstand des Berliner Betriebes ferner weder die Entwicklung von Produkten noch die Forschung noch die Pflege der Kundenbeziehungen waren, kommt es auch nicht darauf an, ob zwischen der Klägerin und der Industriewerke W. insoweit ein Betriebsführungsvertrag geschlossen wurde, der einen Betriebsübergang iSd. § 613a Abs. 1 BGB ausschließen würde.

c) Nicht von Bedeutung für die vorliegende Entscheidung ist, ob die Industriewerke W. von der Klägerin weitere Betriebe bzw. Betriebsteile gemäß § 613a Abs. 1 BGB übernommen hat, weil der Beklagte ausschließlich in Berlin tätig gewesen ist.

d) Anhaltspunkte für einen Gestaltungsmissbrauch bestehen nicht. Ein solcher kann insbesondere nicht deshalb angenommen werden, weil die Klägerin weiterhin Eigentümerin der sächlichen Betriebsmittel blieb. Der Umstand, dass ein Betriebsübergang nicht die Übertragung des Eigentums an den Betriebsmitteln voraussetzt, sondern auf die tatsächliche Verfügungsgewalt hinsichtlich der Betriebsmittel abstellt, schützt die Arbeitnehmer gerade. Andernfalls bestünde nämlich die Gefahr, dass die Arbeitnehmer ihre Arbeitsplätze deshalb verlieren, weil der bisherige Betriebsinhaber sich entschlossen hat, selber die Betriebstätigkeit nicht mehr durchzuführen, aber dennoch sein Eigentum nicht aufgeben möchte. Auch ansonsten ist nicht ersichtlich, welche Schutzvorschriften vorliegend umgangen worden sein sollen. Die Industriewerke W. hat tatsächlich nach außen den Betrieb geführt und nahm vollständig die Arbeitgeberposition gegenüber den Arbeitnehmern/Arbeitnehmerinnen ein. Ein substantiierter Vortrag des Beklagten, dass die Industriewerke W. und die Klägerin von vornherein beabsichtigten, den Berliner Betrieb zu schließen und der Betriebsübergang nur zu dem Zweck erfolgte, eine Sozialplanpflicht der („vermögenden“) Klägerin auszuschließen, ist nicht erfolgt. Gegen eine solche Absicht spricht die Dauer der Betriebsinhaberschaft der Industriewerke W. bzw. der FHK und ferner die verschiedenen Bemühungen dieser Gesellschaft, den Betrieb aufrechtzuerhalten, in dem zB Kurzarbeit eingeführt wurde bzw. durch den Ausspruch von Änderungskündigungen ein flexibler Einsatz der Arbeitnehmer ermöglicht werden sollte.

e) Soweit sich der Beklagte auf das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 11. Mai 2016 – 15 Sa 108/16 – beruft, können diesem Urteil keine konkreten Tatsachenfeststellungen entnommen werden, die vorliegend zu einer anderen rechtlichen Bewertung führen. Die Kammer 15 des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg hat in der Entscheidung im Übrigen ausdrücklich ausgeführt, dass unter Anwendung der vom Bundesarbeitsgericht aufgestellten Grundsätze zum Betriebsübergang die Gesamtbetrachtung ergebe, dass kein Betriebsübergang stattgefunden habe. Damit zieht die Kammer 15 des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung lediglich bezogen auf den von ihr zu entscheidenden Fall andere rechtliche Schlussfolgerungen als die Kammer 3 unter Anwendung dieser Rechtsprechung und unter Beachtung des in dem vorliegenden Rechtsstreits gemäß § 138 ZPO zu berücksichtigenden Tatsachenvortrages.

2. Eine Anspruchsgrundlage für einen Beschäftigungsanspruch besteht nicht. Ein Arbeitsverhältnis besteht seit dem 1. April 2011 zwischen den Parteien nicht mehr.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 64 Abs. 6 ArbGG iVm. §§ 97 Abs. 1, 91 Abs. 1 , 91a Abs. 1 ZPO. Der Beklagte hat als unterlegene Partei die gesamten Kosten zu tragen. Dies gilt auch hinsichtlich der übereinstimmend für erledigt erklärten Klage. Denn, wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt, war die Klage vor der Erledigungserklärung zulässig und begründet.

IV. Die Zulassung der Revision kam gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG nicht in Betracht. Es handelt sich um eine am Einzelfall orientierte Entscheidung ohne grundsätzliche rechtliche Bedeutung. Eine Divergenz iSd. § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG zu anderen obergerichtlichen Entscheidungen ist nicht erkennbar.

 

Am 09.09.2010 erging folgender Berichtigungsbeschluss:

… ohne mündliche Verhandlung am 9. September 2016 beschlossen:

I. Der Tenor zu I. des Urteils des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 5. August 2016 – 3 Sa 247/16 – wird wie folgt berichtigt:

Nach „39 Ca 10862/15 -“ wird das Wort „wird“ eingefügt.

II. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I. Der Tenor zu I. des Urteils des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 5. August 2016 – 3 Sa 247/16 – ist gemäß § 319 Abs. 1 ZPO zu berichtigen. Der Tenor zu I. des benannten Urteils muss nämlich richtig lauten: „Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 18. November 2015 – 39 Ca 8635/15 und 39 Ca 10862/15 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.“ Das Wort „wird“ fehlt versehentlich. Es handelt sich um eine offenbare Unrichtigkeit iSd. des § 319 Abs. 1 ZPO.

II. Gegen diesen Beschluss ist ein Rechtsmittel nicht gegeben. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach §§ 78, 72 Abs. 2 ArbGG liegen nicht vor.

III. Die Entscheidung ergeht gemäß § 128 Abs. 4 ZPO, § 64 Abs.7, § 53 Abs. 1 ArbGG nach Anhörung der Parteien ohne mündliche Verhandlung durch die Vorsitzende allein.

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