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Betriebsübergang – Verwirkung des Widerspruchsrechts

Thüringer Landesarbeitsgericht, Az.: 1 Sa 189/12, Urteil vom 05.02.2013

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Gera vom 21.5.2012 – 1 Ca 113/12 – abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger begehrt festzustellen, dass sein Arbeitsverhältnis bei der Beklagten nicht durch Betriebsübergang beendet worden ist.

Der Kläger, Jahrgang 1962, ist seit 1978 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängern tätig gewesen. Er war zuletzt als Kundenberater in einem Callcenter in G. zu einer monatlichen Vergütung von ca. 3.000,00 € tätig.

Mit Schreiben vom 26.7.2007 setzte die … GmbH (im Folgenden: V.) davon in Kenntnis, dass geplant sei, „die Kundenniederlassung an die … zu veräußern. Hierdurch wird es zu einem sogenannten Betriebsübergang im Sinne des § 613a BGB kommen.“

Dem Schreiben (vgl. im Einzelnen: Blatt 5 GA ff.) waren u. a. Erläuterungen, Belehrungen, Unterrichtungen zum Widerspruchsrecht wie auch der Entwurf eines neuen Arbeitsvertrages beigefügt.

Betriebsübergang - Verwirkung des Widerspruchsrechts
Symbolfoto: silencefoto/Bigstock

Der Kläger setzte nach Vollzug der Veräußerung durch Übernahme des Betriebes durch die V. am 1.9.2007 seine Tätigkeit in dem Kundencenter fort. Im Februar 2008 vereinbarten der Kläger und die V., dass der Kläger künftig als Service Center Agent zu im Übrigen unveränderten Bedingungen beschäftigt werde (Blatt 62 GA).

Mit Schreiben vom 25.10.2008 informierten die V. und eine … GmbH (im Folgenden: T.) gemeinsam, dass geplant sei, die Betriebsstätte, in welcher der Kläger tätig war, nunmehr an die T. zu verkaufen und zu übertragen. Auch hinsichtlich dieses Betriebsübergangs gab es Belehrungen und Hinweise (vgl. Blatt 9 ff. GA). Er wurde am 1.12.2008 vollzogen.

Mit Schreiben vom 14.12.2009 übermittelte die T. dem Kläger den Entwurf eines neuen Arbeitsvertrages. Dort heißt es in § 1:

„Dieser Arbeitsvertrag regelt abschließend und vollständig die individualrechtlichen Rechte und Pflichten zwischen den Parteien mit Wirkung ab dem 1.1.2010. Er löst die bis dahin bestehenden individuellen Regelungen vollständig ab, insbesondere gelten in dem Arbeitsverhältnis seitdem 1.1.2010 keine tarifvertraglichen Regelungen, kollektivrechtlich oder individualrechtlich.“

Der als Sanierungsarbeitsvertrag bezeichnete Entwurf enthielt Veränderungen der Arbeitsbedingungen, Z. B. senkt § 5 des Arbeitsvertrages die Vergütung um etwa ein Drittel ab auf 2.083,34 €, wobei bis September noch Lohnausgleichsbeiträge gewährt wurden. Die betriebliche Altersversorgung endete mit Ablauf des Jahres 2009. Auch erhöhte die Regelung des § 4 die Wochenarbeitszeit auf 39 Stunden. Im Gegenzug verzichtete der Arbeitgeber nach § 2 bis 30.11.2013 auf eine betriebsbedingte Kündigung mit der Ausnahme einer Betriebsstilllegung. Der Kläger Unterzeichnete den Arbeitsvertrag.

Mit Schreiben vom 27.1.2012 erklärte der Bevollmächtigte des Klägers unter einem Betreff mit dem Namen des Klägers, dass dem Übergang des Arbeitsverhältnisses auf die V. widersprochen werde. Das an die Beklagte gerichtete, der Klage beigefügte Schreiben, enthält den Namen eines weiteren Mitarbeiters.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, der Widerspruch sei noch möglich. Die ihm erteilte Belehrung zum Betriebsübergang enthalte keine Ausführungen zum Haftungsregime des § 613a BGB und sei daher unwirksam.

Der Kläger hat beantragt, festzustellen, dass das zwischen den Parteien begründete Arbeitsverhältnis nicht mit Betriebsübergang auf die … GmbH zum 1.9.2007 beendet worden ist, sondern zu den am 30.8.2007 geltenden Vertragsbedingungen unverändert fortbesteht.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte verweist darauf, dass zwischen Übergang und Widerspruch mehr als vier Jahre vergangen seien. Sie meint, der Kläger habe daher das Widerspruchsrecht verwirkt. Außerdem verweist sie auf eine Vielzahl gleich gelagerter Arbeitsbiographien.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 21.5.2012 – 1 Ca 113/12 – der Klage stattgegeben. Aufgrund der falschen Belehrung sei die Widerspruchsfrist gem. § 613a Abs. 6 BGB noch nicht in Gang gesetzt. Für eine Verwirkung sah das Arbeitsgericht – dem der Vertrag vom Dezember 2009 nicht vorgelegen hat – keinen Anhalt. Gegen die am 29.5.2012 zugestellte Entscheidung hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 12.6.2012 Berufung eingelegt und ihr Rechtsmittel nach Verlängerung der Frist zum 29.8.2012 mit am 29.8.2012 eingegangenem Schriftsatz begründet.

Die Beklagte moniert die Antragstellung. Sie meint weiter, ein Widerspruch des Klägers sei bislang jedenfalls nicht zweifelsfrei erfolgt. Insbesondere aber wiederholt und vertieft die Beklagte ihren Vortrag zur Verwirkung des Widerspruchs.

Die Beklagte beantragt, unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Gera vom 12.5.2012 – 1 Ca 113/12 – die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Eine Verwirkung komme nicht in Betracht. Sie könne auch nicht aus dem Vertrag mit der T. hergeleitet werden, weil diese eine weitere Übernehmerin sei, deren Wissen der Beklagten nicht zugerechnet werden könne.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist begründet und führt zur Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung. Die Klage wird abgewiesen.

Allerdings ist die Klage nicht bereits unzulässig. Zwar erinnert die Antragstellung an die im Zusammenhang mit Kündigungsschutzklagen geführte Diskussion, wonach der Annex eines „Fortbestandes zu unveränderten Bedingungen“ eine eigene, weitere Feststellungsklage anzudeuten vermag (vgl. etwa BAG NJW 1998, 698). Doch lassen sich die von der Beklagten hervorgehobenen Schwierigkeiten ohne weiteres durch Auslegung (vgl. BAG NJW 2006, 395) lösen. Vorliegend ergibt sich spätestens aus dem Schriftsatz des Klägers vom 22.10.2012 (Blatt 163 f. GA), dass ausschließlich die mangelnde Beendigungsqualität des Betriebsübergangs angegriffen wird. Damit kommt dem Annex eine eigene, weiterführende Qualität nicht zu (vgl. auch BAG NZA 1994, 860).

Weitere Bedenken hinsichtlich der erhobenen Feststellungsklage lassen sich nicht festmachen. Insbesondere besteht ein rechtliches Interesse des Klägers an der Feststellung der von ihm behaupteten Rechtsbeziehung zur Beklagten.

Die Klage ist indes nicht begründet. Insofern hat sich allerdings die Entscheidungsgrundlage geändert, weil erst in zweiter Instanz vom Kläger die Vereinbarung zwischen ihm und der T. vorgelegt wurde.

Grundsätzlich ist dem Arbeitsgericht dahin zuzustimmen, dass der Kläger nach Betriebsübergang noch der Überleitung seines Arbeitsverhältnisses widersprechen durfte.

Nach dem über beide Instanzen unstreitigen Vorbringen hat ein Betriebsübergang stattgefunden. Es ist zu erkennen, dass das von der Beklagten in G. unterhaltene Servicecenter zunächst auf die V. und später auf die T. übergegangen ist. Dieser Umstand ist auch aus verschiedenen vor dem Arbeitsgericht G. und dem Landesarbeitsgericht geführten Verfahren bekannt. Tatsachengrundlage ist, dass die dort erbrachten Dienstleistungen im Wesentlichen mitsamt dem dort beschäftigten Personal zunächst auf die V. „outgesourct“ und dann auf die T. übertragen wurden. So verhalten sich auch die vom Kläger vorgelegten Belehrungen (Blatt 5 und 9 GA). Der Übergang erfolgte danach auf rechtsgeschäftlicher Grundlage. Planänderungen oder Vollzugsdefizite sind hingegen nicht dargelegt.

Der Kläger hat der Überleitung mit Schreiben vom 27.1.2012 widersprochen. Dies lässt sich durch Auslegung zweifelsfrei festlegen. Wie der Kläger mit Schriftsatz vom 22.10.2012 ausführt, war dem Widerspruchsschreiben eine auf seinen Namen lautende Vollmacht beigefügt. Damit wird die durch das Kopierversehen ausgehende Irritation überspielt, die durch den unbeabsichtigten Verbleib eines anderen Namens im Widerspruchschreiben selbst ausgehen kann. Denn Vollmacht und Betreff betonen ein Handeln des Klägers. Spätestens aber die am selben Tage verfasste und drei Tage später bei Gericht eingereichte Klage stellt endgültig klar, dass unzweifelhaft der Kläger seinen Verbleib bei der Beklagten und dessen Feststellung anstrebt. Die Schriftform ist eingehalten.

Der Widerspruch war auch nicht verfristet. Zwar bindet § 613a BGB den Widerspruch an eine Frist von einem Monat nach Zugang der Belehrung. Aber nur die vollständige und zutreffende Unterrichtung vermag überhaupt, die Frist in Gang zu setzen (BAG NZA 2006, 1268, 1270). Dies war vorliegend nicht der Fall, weil zu einer vollständigen Unterrichtung auch gehört, die Verteilung der Haftung zwischen Veräußerer und Erwerber aufzuzeigen (ErfK-Preiss, 13. Aufl. BGB § 613a Rn 88a mwN). Denn nur so werde der Arbeitnehmer in Stand gesetzt, sich über die Adressaten seiner Ansprüche Kenntnis zu verschaffen und entsprechenden Rat einzuholen (BAG AP BGB § 613a Unterrichtung Nr. 15). Zutreffend weist der Kläger darauf hin, dass das BAG in einem Parallelfall entschieden habe, dass das Unterrichtungsschreiben vom 27.6.2007 genau an diesem Mangel leide (BAG AP BGB § 613a Nr. 407). Auch die Beklagte stellt sich nicht gegen diese Wertung. Grundsätzlich steht somit einer späteren Ausübung des Widerspruchs nichts im Wege.

Der Kläger hat indes sein Recht auf Widerspruch verwirkt. Wie jedes andere Recht unterliegt die Ausübung des Widerspruchs den Grundsätzen von Treu und Glauben (vgl. etwa Bernsau/Dreher/Hauck, Betriebsübergang, 3. Aufl., § 613a Rn. 183). Zwar eröffnet die fehlerhafte Unterrichtung prinzipiell eine Rechtsposition ohne zeitliche Begrenzung, doch besteht Konsens dahin, dass dies im Wesentlichen einer effektiven und verhältnismäßigen Sanktionierung des Fehlers zu dienen hat (BAG NZA 2012, 1097; Sagan ZIP 2011, 1647). Deshalb dient als Ventil eine offene Wertung von Umstands- und Zeitmoment bei gleichzeitiger Einbeziehung des Unterrichtungsfehlers. Die in der Rechtsprechung hierzu unter dem Stichwort der Verwirkung entwickelten Fallgruppen und ihre Voraussetzungen sind noch in der Ausformung begriffen.

Unter Berücksichtigung der bislang erkennbaren Grundlagen und unter Bewertung und Abwägung der Umstände des vorliegenden Falles kommt die Kammer zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen einer Verwirkung gegeben sind.

Der Fehler der Belehrung betrifft in erster Linie das Haftungsregime der Absätze 1 und 2 im Rahmen des § 613a BGB (BAG AP BGB § 613a Nr. 407). Dabei können die fehlerhaften Informationen sowohl die Identität des Erwerbers (BAG E 131, 258 Rn. 20) als auch den gesetzlichen Regelungsrahmen betreffen. Im vorliegenden Fall bestanden zwar keine Zweifel an der Identität des Erwerbers, der zudem im Konzernverbund des Veräußerers angesiedelt war. Indes war das Haftungssystem teils in zeitlicher Hinsicht missverständlich zu weit, teils unvollständig, weil personell verkürzt, dargestellt worden. Zu konkreten Problemen durch die Abwicklung des Betriebsübergangs hat die Belehrung bislang – soweit ersichtlich – nicht geführt. Es handelt sich mithin um einen Fehler, der geeignet ist, das Ingangsetzen des Fristablaufs auszusetzen. Aber es handelt sich auch nicht um einen besonders schwerwiegenden, kardinalen Fehler. Zum einen gab der beigefügte Gesetzestext – wenn auch unzureichend – Auskunft. Zum anderen konnte jeder rechtlich geschulte Berater Abhilfe schaffen. Beides mindert Bedeutung und Gewicht der falschen Unterrichtung.

In zeitlicher Hinsicht klaffen Belehrung und Widerspruch um vier Jahre und sechs Monate auseinander. Das Unterrichtungsschreiben stammt vom 26.7.2007, der Widerspruch wurde am 12.1.2012 erklärt. Es gibt für die Beurteilung des Zeitmoments keine festen Regeln. Die historische Auslegung verweist darauf, dass der Gesetzgeber die Statuierung von Höchstfristen ausdrücklich verworfen hat (BAG AP BGB § 613a Widerspruch Nr. 9). Doch kann nach viereinhalb Jahren oder 54 Monaten durchaus von einer Verwirklichung des Zeitmoments ausgegangen werden. Das BAG hat dies bereits bei neun oder 15 Monaten angenommen, bei einem Zeitablauf von über sechs Jahren ist es „von einem besonders schwerwiegend verwirklichtem Zeitmoment ausgegangen.“ (BAG NZA 2012, 1097 Rn. 33 mwN). Im Verhältnis zur gesetzlichen Frist besteht im vorliegenden Fall kein Zweifel, dass diese um ein Vielfaches überschritten ist. Eine Orientierung an den möglichen Folgen der fehlerhaften Unterrichtung führt zum zeitlichen Rahmen der Verantwortung aus § 613 a Abs. 1 u. 2 BGB. Aber auch die im Gesetz geregelte Frist für die Weiterhaftung des Veräußerers von einem Jahr war im Zeitpunkt des Widerspruchs längst abgelaufen. Die gemeinsame Haftung für nach Betriebsübergang fällig werdende Ansprüche lief am 1. September 2008 ab. Selbst die Regelverjährung für diese Ansprüche endete mit Ablauf des Jahres 2011, also noch bevor der Kläger Widerspruch erhoben hat.

Das Umstandsmoment sieht die Kammer in dem Abschluss des Vertrages mit der T. verwirklicht Sie sieht im Abschluss der Sanierungsvereinbarung mit dem nächsten Übernehmer eine Disposition über das Arbeitsverhältnis als Ganzes. Diese schneidet dem Arbeitnehmer den Rückgriff auf den Arbeitgeber ab, der bis ins Jahr 2007 die Position des Vertragspartners innehatte.

Prinzipiell sind ändernde Vereinbarungen über die Arbeitsbeziehungen geeignet, das Umstandsmoment zu begründen (vgl. etwa die Nachweise bei ErfK-Preis, 13. Aufl. § 613a BGB Rn. 101b). Ob und unter welchen Umständen im Einzelfall eine solche Änderung als Disposition zu werten ist, bedarf noch weiterer Klärung in der Rechtsprechung. Marginale Änderungen des Entgelts oder anderer Arbeitsbedingungen haben noch nicht diese Qualität (BAG AP BGB § 613a Nr. 390). Deshalb genügt vorliegend auch nicht die „Ernennung“ zum Service Center Agenten bei der V., die im Februar 2008 vereinbart wurde. Damit lassen sich die Bindungen zur Beklagten nicht kappen. Aufhebungsverträge, insbesondere dreiseitig Verträge mit einem Dritten unter Einschluss des Betriebserwerbers, wurden dagegen als zureichend gewertet (BAG AP BGB § 613a Unterrichtung Nr. 14), jedenfalls dann, wenn der Arbeitnehmer unter die bisherige Arbeitsbeziehung einen „Schlusspunkt setzte“, indem er eine nicht unerhebliche Abfindung annahm (BAG Unterrichtung Nr. 14 Rn. 36).

Der vorliegende Fall bewegt sich zwischen den beiden Polen. Der Kläger und die neue Arbeitgeberin, die T., haben im Rahmen des Sanierungsarbeitsvertrages im Dezember 2009 ihre Beziehung ausdrücklich auf eine neue Grundlage gestellt. Das Arbeitsgericht G. hat bei vergleichbarer Sachlage ausgeführt: „Wer aber mit einem neuen Vertragspartner sein Vertragsverhältnis auf eine vollständig neue Grundlage stellt, schließt endgültig mit dem bisherigen, also auch mit dem bisherigen Vertragspartnern, ab und akzeptiert den neuen Vertragspartner als den maßgeblichen Vertragspartner. Damit ist dem mit § 613a Abs. 6 BGB intendierten Grundrechtsschutz, dem Schutz vor einem nicht gewollten Vertragspartner, ausreichend Rechnung getragen.“ (Urteil vom 2.8.2012 – 3 Ca 130/12). Die erkennende Kammer schließt sich dieser Wertung an, mit dem Zusatz, dass damit auch den Vorgaben des Europarechts Genüge getan ist.

Die Kammer verkennt nicht, dass in der Rechtsprechung des BAG bet der Annahme der Verwirkung der subjektive Faktor eine mitprägende Rolle spielt. So soll das Interesse des Vertrauensschutzes das Interesse des Berechtigten überwiegen. Infolgedessen wird wiederholt darauf abgestellt, ob der bisherige Arbeitgeber auf eine endgültige Abkehr des Arbeitnehmers „vertrauen“ durfte. Allerdings wird aus der Verantwortungsgemeinschaft von Erwerber und Veräußerer eine Wissenszurechnung abgeleitet (BAG Unterrichtung Nr. 14 Rn. 38 f.). Auch der Kläger hat betont, dass sich die Beklagte die mit der T. abgeschlossenen Vereinbarungen nicht zu Eigen machen könne, weil insofern kein Vertrauen entstehen konnte.

Die Kammer vermag in Fällen wie dem vorliegenden an dem Erfordernis einer subjektiven Verklammerung von Wissenselementen nicht festzuhalten. Es liegt eine Art Kettenübergang vor, indem dem Übergang auf die V. – nicht unerwartet – ein Übergang auf ein weiteres Unternehmen folgte. In diesen Fällen führt eine Verabsolutierung des Vertrauensmerkmals dazu, dass mit dem Folgeübergang eine Verwirkung entweder dauerhaft abgeschnitten wird

oder von der zufälligen Information des Erstveräußerers abhängt. Das führt zu Verzerrungen. Deshalb genügt eine Abkehr vom bisherigen Arbeitsverhältnis, unabhängig wann und wie der ursprüngliche Arbeitgeber davon Kenntnis erlangt. Geht der Arbeitnehmer unabhängig vom Betriebsübergang nach Kündigung eine Beziehung zu einem neutralen Dritten ein, wäre dieses Ergebnis selbstverständlich. Entsprechend muss eine Disposition gegenüber einem Folgeerwerber des Betriebes gleich gewertet werden.

Hinzu kommt ein Folgendes. In der Zusammenschau von Unterrichtungsfehler, Zeit und Umstand kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass der kommunizierende Gewichtungszusammenhang dieser Elemente (vgl. etwa BAG NZA 2012, 1097 Rn. 31) dazu führt, dass ein starkes Zeitmoment auch ein schwächeres Umstandsmoment auszugleichen vermag. Vorliegend führt die Gewährung eines Widerspruchs nicht dazu, dass Folgen einer fehlerhaften Unterrichtung ausgeglichen werden. Ein Widerspruch hat vielmehr zur Folge, dass ein Vergangenheitsfehler außerhalb des Schutzzwecks liegende Wirkungen entfaltet. Wenn der Nachholbarkeit des Widerspruchs Grenzen gesetzt werden sollen, dann gehört der vorliegende Fall dazu. Denn der Kläger hat sich mit dem Sanierungsvertrag seinem neuen Arbeitgeber zugewendet. Insofern sind der spätere Widerspruch und die intendierte Rückkehr zum alten Arbeitgeber widersprüchlich.

Dabei sieht die Kammer durchaus auch das Schicksal des Klägers, der über eine Auslagerung von Dienstleistungen einer rapiden Abwertung der Bewertung seiner Arbeitskraft und der Arbeitsbedingungen ausgesetzt ist. Dem zu begegnen ist aber § 613a BGB nicht der richtige Ansatz.

Das Widerspruchsrecht des Klägers ist verwirkt.

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO. Für eine Wertung nach § 97 Abs. 2 ZPO gibt es keinen Anhalt.

Die Revision war zuzulassen. Über eine Kette von Betriebsübergängen, wie im vorliegenden Fall, ist im Hinblick auf eine Verwirkung bislang – soweit ersichtlich – noch nicht höchstrichterlich entschieden. Zudem hat das BAG noch zuletzt (AP Unterrichtung Nr. 14) offen gelassen, ob dem ursprünglichen Arbeitgeber alle Vertrauen begründenden Elemente des Sachverhalts bekannt sein müssen.

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