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Beweiswerterschütterung Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung – Beweisaufnahme

Ein Arbeitnehmer klagte gegen seinen ehemaligen Arbeitgeber auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, doch Ungereimtheiten in seinen Krankschreibungen und widersprüchliche Aussagen vor Gericht brachten den Fall ins Wanken. Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen musste entscheiden, ob der Mann tatsächlich arbeitsunfähig war oder ob er sich die Krankheit nur vorschützen ließ, um bis zum Ende seines Arbeitsverhältnisses weiter bezahlt zu werden. Letztendlich erhielt der Kläger nur einen Bruchteil der geforderten Summe.

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: Landesarbeitsgericht Niedersachsen
  • Datum: 10.07.2024
  • Aktenzeichen: 8 SLa 170/24
  • Verfahrensart: Berufungsverfahren
  • Rechtsbereiche: Arbeitsrecht

Beteiligte Parteien:

  1. Kläger (Arbeitnehmer): Fordert Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall vom 7. bis 31. Mai 2022. Argumentiert, dass eine Infektion der oberen Atemwege und zusätzlich eine mit emotionalem Stress attestierte Erkrankung vorlag.
  2. Beklagte (Arbeitgeberin): Stellt das Bestehen der Krankheit in Frage und beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts A-Stadt teilweise abzuändern und den Antrag des Klägers abzuweisen.

Um was ging es?

  • Sachverhalt: Der Kläger forderte von der Beklagten eine Entgeltfortzahlung für den Zeitraum vom 7. bis 31. Mai 2022. Er berief sich auf eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung wegen einer Infektion und emotionalen Stresses. Das Arbeitsverhältnis endete am 31. Mai 2022, und der Kläger trat eine neue Stelle am 1. Juni 2022 an.
  • Kern des Rechtsstreits: Der Streit drehte sich darum, ob der Kläger tatsächlich im genannten Zeitraum arbeitsunfähig erkrankt war und ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung besteht.

Was wurde entschieden?

  • Entscheidung: Der Antrag des Klägers auf Zahlung der Entgeltfortzahlung für den Zeitraum vom 7. bis 31. Mai 2022 wurde abgewiesen. Der Kläger trägt 77% der Kosten des Rechtsstreits, während die Beklagte 23% trägt.
  • Begründung: Das Gericht fand die Beweisführung des Klägers über seine Erkrankung unzureichend. Widersprüche zwischen seiner Aussage und der des behandelnden Arztes konnten nicht aufgelöst werden. Das Gericht folgte der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts, das die Beweiskraft der vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen bereits angezweifelt hatte.
  • Folgen: Der Kläger erhält keine Entgeltfortzahlung für den fraglichen Zeitraum. Der Rechtsstreit ist in Bezug auf diesen Anspruch beendet, da keine weiteren Rechtsmittel zugelassen wurden. Die Kostenfolge ergibt sich aus dem teilweise erfolgreichen Ergebnis des Klägers für die Zeit vom 2. bis 6. Mai, über das rechtskräftig entschieden wurde.

Rechtsstreit um Arbeitsunfähigkeit: Beweiswert ärztlicher Atteste im Fokus

Die Frage nach der Arbeitsunfähigkeit ist für Arbeitnehmer und Arbeitgeber gleichermaßen bedeutsam. Eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bildet dabei die zentrale Grundlage für Leistungsansprüche wie Krankengeld und dokumentiert gesundheitliche Einschränkungen. Nicht immer jedoch ist der Beweiswert solch einer Bescheinigung unumstritten.

Komplexe medizinische und rechtliche Aspekte spielen eine wesentliche Rolle, wenn es um die Klärung von Arbeitsunfähigkeit geht. Sozialgerichte befassen sich regelmäßig mit Fällen, in denen Versicherungsträger oder Arbeitgeber den Nachweis einer Erwerbsunfähigkeit durch ärztliche Atteste anzweifeln und eine umfassende medizinische Begutachtung fordern.

In dem nun folgenden Fall wird ein Rechtsstreit beleuchtet, der die Beweislast und den Wert ärztlicher Stellungnahmen präzise untersucht.

Der Fall vor Gericht


Entgeltfortzahlung bei strittiger Arbeitsunfähigkeit

Verunsicherter Angestellter betrachtet Krankmeldung in einem deutschen Büro.
Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen | Symbolfoto: Flux gen.

Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen hat in einem arbeitsrechtlichen Streitfall über die Rechtmäßigkeit von Entgeltfortzahlungen im Krankheitsfall entschieden. Ein Arbeitnehmer forderte von seinem ehemaligen Arbeitgeber Entgeltfortzahlung für den Zeitraum vom 2. bis 31. Mai 2022 in Höhe von insgesamt 1.675,52 Euro. Nachdem das Arbeitsgericht der Klage zunächst vollumfänglich stattgegeben hatte, wurde der Fall durch mehrere Instanzen verhandelt.

Verfahrensgang und zentrale Streitfrage

Das Bundesarbeitsgericht verwies den Fall teilweise zurück ans Landesarbeitsgericht. Im Fokus stand dabei die Frage nach der Beweiskraft der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen für den Zeitraum vom 7. bis 31. Mai 2022. Das Bundesarbeitsgericht sah in der zeitlichen Konstellation der Krankschreibungen bis zum exakten Ende des Arbeitsverhältnisses am 31. Mai 2022 ein „Zusammentreffen derart ungewöhnlicher Umstände„, dass ernsthafte Zweifel am Beweiswert der Bescheinigungen bestünden.

Medizinische Befunde und Zeugenaussagen

Der als Zeuge geladene behandelnde Arzt Prof. Dr. E. hatte dem Kläger in drei Krankschreibungen im Mai 2022 eine Infektion der oberen Atemwege attestiert. Ab dem 20. Mai wurde zusätzlich die Diagnose „emotionaler Stress“ gestellt, nachdem der Patient von Druck und Mobbing am Arbeitsplatz berichtet hatte. Die Aussagen des Arztes und des Klägers zu den konkreten Krankheitssymptomen wichen jedoch in wesentlichen Punkten voneinander ab. Während der Kläger von Druck auf den Kieferhöhlen, Schlaflosigkeit und Sodbrennen berichtete, konnte der Arzt diese Symptome nicht bestätigen.

Urteil und rechtliche Folgen

Das Landesarbeitsgericht wies die Klage auf Entgeltfortzahlung für den Zeitraum vom 7. bis 31. Mai 2022 in Höhe von 1.294,72 Euro ab. Der Kläger konnte nach Auffassung des Gerichts seine Erkrankung für diesen Zeitraum nicht ausreichend beweisen. Die zahlreichen Widersprüche zwischen den Behauptungen des Klägers und den Angaben des Arztes sowie das Fehlen konkreter Krankheitsfeststellungen führten dazu, dass die Zeugenaussage als unergiebig bewertet wurde. Lediglich für den Zeitraum vom 2. bis 6. Mai 2022 wurde dem Kläger eine Entgeltfortzahlung in Höhe von 380,80 Euro zugesprochen.

Verteilung der Prozesskosten

Bei der Kostenentscheidung berücksichtigte das Gericht das teilweise Obsiegen des Klägers. Da der zugesprochene Betrag von 380,80 Euro etwa 23 Prozent der Gesamtforderung entsprach, muss die Beklagte diesen Anteil der Prozesskosten tragen. Die übrigen 77 Prozent der Kosten des Rechtsstreits einschließlich des Revisionsverfahrens wurden dem Kläger auferlegt.


Die Schlüsselerkenntnisse

„Das Urteil verdeutlicht, dass bei Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen, die exakt bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses ausgestellt werden, besondere Begründungspflichten bestehen. Die zeitliche Koinzidenz zwischen dem Ende der Arbeitsunfähigkeit und der Beendigung des Arbeitsverhältnisses führt zu erhöhten Anforderungen an die Beweisführung durch den Arbeitnehmer. Dabei reicht die bloße Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht aus, wenn deren Beendigung auffällig mit dem letzten Arbeitstag zusammenfällt.“

Was bedeutet das Urteil für Sie?

Wenn Sie krankgeschrieben sind und Ihr Arbeitsverhältnis in dieser Zeit endet, müssen Sie besonders sorgfältig dokumentieren, warum die Arbeitsunfähigkeit genau zum Ende des Arbeitsverhältnisses aufhört. Sammeln Sie Beweise wie detaillierte Symptombeschreibungen und lassen Sie sich die medizinische Notwendigkeit der Krankschreibung vom Arzt ausführlich bestätigen. Bei einem nahtlosen Übergang in ein neues Arbeitsverhältnis sollten Sie transparent mit beiden Arbeitgebern kommunizieren und alle gesundheitlichen Einschränkungen nachvollziehbar belegen können. Die Entgeltfortzahlung könnte sonst gefährdet sein, wenn der zeitliche Zusammenfall nicht plausibel erklärt werden kann.

Benötigen Sie Hilfe?

Krankschreibung zum Ende des Arbeitsverhältnisses?

Das Urteil zeigt, wie wichtig eine lückenlose Dokumentation und transparente Kommunikation bei einer Krankschreibung zum Ende des Arbeitsverhältnisses sind. Gerade in dieser Situation ist es entscheidend, die Arbeitsunfähigkeit detailliert zu belegen und jeden Zweifel an ihrer Echtheit auszuräumen.

Wir unterstützen Sie dabei, Ihre Rechte als Arbeitnehmer zu wahren und Ihre Ansprüche auf Entgeltfortzahlung durchzusetzen. Mit unserer Expertise im Arbeitsrecht helfen wir Ihnen, die notwendigen Beweise zu sammeln und Ihre Situation rechtssicher zu gestalten.

Sprechen Sie uns an, um Ihre individuellen Fragen zu klären und gemeinsam die optimale Strategie für Ihren Fall zu entwickeln.

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Häufig gestellte Fragen zum Thema

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Welche Beweiskraft hat eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung grundsätzlich vor Gericht?

Eine ordnungsgemäß ausgestellte ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung besitzt einen sehr hohen Beweiswert vor Gericht. Sie ist das vom Gesetzgeber vorgesehene Beweismittel für das Vorliegen einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit.

Rechtliche Bedeutung der Bescheinigung

Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung begründet eine tatsächliche Vermutung in Form eines Anscheinsbeweises. Das bedeutet: Wenn Sie eine ordnungsgemäße ärztliche Bescheinigung vorlegen, spricht zunächst alles dafür, dass Sie tatsächlich arbeitsunfähig erkrankt waren. Diese Vermutung gilt allerdings nicht als unumstößlich – es handelt sich nicht um eine gesetzliche Vermutung, bei der nur der Beweis des Gegenteils zulässig wäre.

Bedeutung für den Prozess

Im Gerichtsverfahren reicht normalerweise die Vorlage einer ordnungsgemäß ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung aus, um Ihre Arbeitsunfähigkeit nachzuweisen. Der Arbeitgeber muss dann, wenn er die Entgeltfortzahlung verweigern möchte, konkrete Tatsachen darlegen und beweisen, die ernsthafte Zweifel an Ihrer Arbeitsunfähigkeit begründen.

Voraussetzungen für den hohen Beweiswert

Damit eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung diesen hohen Beweiswert entfaltet, muss sie bestimmte Voraussetzungen erfüllen:

  • Sie muss auf einer unmittelbar persönlichen oder mittelbar persönlichen ärztlichen Untersuchung basieren
  • Bei einer Videosprechstunde darf der Zeitraum der Bescheinigung drei Tage nur überschreiten, wenn Sie dem Arzt bereits aus vorherigen persönlichen Kontakten bekannt sind
  • Die Bescheinigung muss den Vorgaben der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie entsprechen

Seit dem 7. Dezember 2023 können Sie sich bei leichten Erkrankungen auch telefonisch für bis zu fünf Tage krankschreiben lassen, wenn Sie in der Arztpraxis bereits bekannt sind. Auch diese Krankschreibungen haben denselben Beweiswert, solange sie den rechtlichen Vorgaben entsprechen.


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Wann können Arbeitgeber den Beweiswert einer Krankschreibung erfolgreich anzweifeln?

Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) besitzt grundsätzlich einen hohen Beweiswert als gesetzlich vorgesehenes Beweismittel. Wenn Sie als Arbeitgeber den Beweiswert einer AU erschüttern möchten, müssen Sie konkrete Tatsachen darlegen und gegebenenfalls beweisen, die ernsthafte Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit begründen.

Zeitliche Auffälligkeiten

Der Beweiswert einer AU kann besonders dann erschüttert sein, wenn:

  • Die Krankschreibung passgenau die Kündigungsfrist abdeckt
  • Die AU unmittelbar nach einer innerbetrieblichen Auseinandersetzung erfolgt
  • Der Arbeitnehmer auffällig oft oder auffällig oft kurz arbeitsunfähig ist
  • Die Krankmeldungen häufig zu Beginn oder Ende der Woche auftreten

Formale Mängel

Wenn Sie eine AU anzweifeln möchten, können auch formale Aspekte relevant sein:

Die Beweiskraft einer AU ist zweifelhaft, wenn die Arbeitsunfähigkeit ohne persönliche ärztliche Untersuchung festgestellt wurde. Dies gilt auch bei Verstößen gegen die Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie, etwa wenn bei Symptomen wie Fieber oder Übelkeit eine AU über sieben Tage hinaus ausgestellt wird.

Widersprüchliches Verhalten

Der Beweiswert kann auch erschüttert werden, wenn das Verhalten des Arbeitnehmers im Widerspruch zur bescheinigten Arbeitsunfähigkeit steht. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn:

  • Der Arbeitnehmer unmittelbar nach Ende der AU-Bescheinigung bei einem neuen Arbeitgeber zu arbeiten beginnt
  • Ein Fehlverhalten des Arbeitnehmers im Hinblick auf das bescheinigte Krankheitsbild vorliegt
  • Die verschriebene Medikation nicht eingenommen wurde

Beweislastumkehr

Wenn Sie als Arbeitgeber den Beweiswert erfolgreich erschüttert haben, muss der Arbeitnehmer seine Arbeitsunfähigkeit substantiiert darlegen und beweisen. Dies bedeutet, er muss:

  • Konkrete gesundheitliche Einschränkungen nachweisen
  • Die Auswirkungen auf seine Arbeitsfähigkeit bezogen auf die konkrete Tätigkeit darlegen
  • Gegebenenfalls den behandelnden Arzt von der Schweigepflicht entbinden

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Welche Beweismittel können Arbeitnehmer zur Verteidigung ihrer Arbeitsunfähigkeit einsetzen?

Wenn der Beweiswert Ihrer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttert wurde, müssen Sie Ihre tatsächliche Arbeitsunfähigkeit durch konkrete Tatsachen und Beweise nachweisen.

Detaillierte Darlegung der Erkrankung

Sie müssen zunächst substantiiert und konkret darlegen:

  • Die spezifische Art und den genauen Verlauf Ihrer Erkrankung
  • Die konkreten gesundheitlichen Einschränkungen
  • Die Auswirkungen auf Ihre Arbeitsfähigkeit bezogen auf Ihre ausgeübte Tätigkeit

Ärztliche Beweismittel

Das wichtigste Beweismittel ist die Aussage des behandelnden Arztes. Hierzu müssen Sie:

Den Arzt von seiner Schweigepflicht entbinden, damit er als Zeuge aussagen kann. Der Arzt kann dann detailliert zu Diagnose, Krankheitsverlauf und den konkreten Auswirkungen auf Ihre Arbeitsfähigkeit befragt werden.

Ergänzende Nachweise

Zur Untermauerung Ihrer Arbeitsunfähigkeit können Sie weitere Beweismittel vorlegen:

Medizinische Dokumentation: Detaillierte ärztliche Gutachten und Behandlungsunterlagen, die den Krankheitsverlauf dokumentieren.

Medikation: Nachweise über verschriebene und eingenommene Medikamente sowie ärztliche Verhaltensanweisungen.

Bedeutung der Beweisführung

Die Beweisführung muss lückenlos und nachvollziehbar sein. Ein bloßes Vorlegen der ärztlichen Diagnosen reicht nicht aus. Sie müssen vielmehr substantiiert nachweisen, wie sich die Erkrankung konkret auf Ihre Arbeitsfähigkeit ausgewirkt hat. Gelingt Ihnen der Nachweis nicht, kann der Arbeitgeber die Entgeltfortzahlung verweigern.


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Wie wirken sich widersprüchliche Aussagen zwischen Arzt und Patient auf den Prozessverlauf aus?

Grundsätzliche Bedeutung widersprüchlicher Aussagen

Widersprüchliche Aussagen zwischen Arzt und Patient können den Beweiswert ärztlicher Bescheinigungen erheblich erschüttern. Wenn Sie als Patient Angaben machen, die im Widerspruch zu den Feststellungen Ihres Arztes stehen, kann dies gravierende prozessuale Folgen haben.

Auswirkungen auf die Beweislast

Bei widersprüchlichen Aussagen tritt eine Beweislastumkehr ein. Das bedeutet für Sie: Während normalerweise der Arbeitgeber die Zweifel an Ihrer Arbeitsunfähigkeit beweisen muss, müssen Sie nun selbst nachweisen, dass Sie tatsächlich arbeitsunfähig waren. Dafür müssen Sie:

  • Konkrete gesundheitliche Einschränkungen darlegen
  • Die Auswirkungen auf Ihre Arbeitsfähigkeit bezogen auf Ihre spezifische Tätigkeit nachweisen
  • Ärztliche Anordnungen und Behandlungen dokumentieren

Bedeutung der ärztlichen Dokumentation

Besonders kritisch wird es, wenn Ihre Aussagen von der ärztlichen Dokumentation abweichen. Der Arzt muss alle wesentlichen Feststellungen dokumentieren, insbesondere:

  • Diagnosen und Befunde
  • Untersuchungsergebnisse
  • Therapien und deren Wirkungen
  • Aufklärungen und Einwilligungen

Prozessuale Konsequenzen

Wenn Sie im Prozess Angaben machen, die den ärztlichen Aufzeichnungen widersprechen, kann dies zur vollständigen Entwertung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung führen. In diesem Fall müssen Sie Ihre Arbeitsunfähigkeit durch andere Beweismittel nachweisen, etwa durch:

  • Detaillierte Beschreibung der Krankheitssymptome
  • Vorlage von Laborwerten oder anderen medizinischen Befunden
  • Zeugenaussagen des behandelnden Arztes nach Entbindung von der Schweigepflicht

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Welche finanziellen Risiken entstehen bei Prozessverlusten wegen erschütterter AU-Bescheinigungen?

Bei einem verlorenen Prozess wegen erschütterter AU-Bescheinigungen drohen erhebliche finanzielle Belastungen. Der Arbeitgeber kann die bereits geleistete Entgeltfortzahlung für den strittigen Zeitraum zurückfordern.

Primäre finanzielle Folgen

Wenn Sie den Prozess verlieren, müssen Sie mit folgenden direkten Konsequenzen rechnen:

  • Rückzahlung der erhaltenen Entgeltfortzahlung für den gesamten Zeitraum der angezweifelten Arbeitsunfähigkeit
  • Verlust des Krankengeldes, falls dieses bereits von der Krankenkasse gezahlt wurde
  • Nachträgliche Fehlzeitenerfassung als unentschuldigtes Fehlen

Prozesskosten und Nebenkosten

Bei einem Prozessverlust tragen Sie als unterlegene Partei:

Die Gerichtskosten für alle Instanzen des Verfahrens. Die Prozesskosten richten sich nach dem Streitwert, der sich nach der Höhe der Entgeltfortzahlung bemisst.

Die Anwaltskosten beider Parteien, sowohl die eigenen als auch die der Gegenseite. Eine Reduzierung dieser Kosten durch Prozesskostenhilfe ist nur bei geringem Einkommen möglich.

Beweisführungskosten

Wenn der Beweiswert der AU-Bescheinigung erschüttert ist, müssen Sie als Arbeitnehmer die tatsächliche Arbeitsunfähigkeit nachweisen. Dies kann zusätzliche Kosten verursachen:

  • Kosten für ärztliche Gutachten
  • Aufwendungen für die Entbindung des Arztes von der Schweigepflicht
  • Kosten für die Beschaffung ergänzender medizinischer Unterlagen

Weitere Risiken

Bei einer rechtskräftigen Entscheidung zugunsten des Arbeitgebers können sich auch langfristige Nachteile ergeben:

Die Krankenkasse kann eine genauere Überprüfung künftiger Arbeitsunfähigkeitsmeldungen durch den Medizinischen Dienst veranlassen.

Der Arbeitgeber kann bei weiteren Krankschreibungen schneller Zweifel anmelden und die Entgeltfortzahlung verweigern.


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Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.


Glossar - Fachbegriffe aus dem Arbeitsrecht

Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

Entgeltfortzahlung

Die Entgeltfortzahlung ist die gesetzlich geregelte Pflicht des Arbeitgebers, einem erkrankten Arbeitnehmer für maximal sechs Wochen das regelmäßige Arbeitsentgelt weiterzuzahlen. Geregelt ist dies im Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG). Der Anspruch besteht, wenn der Arbeitnehmer unverschuldet durch Krankheit arbeitsunfähig wird und dies durch eine ärztliche Bescheinigung nachweist. Beispiel: Ein Angestellter erkrankt an einer Grippe und erhält vom Arzt eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für 10 Tage – in dieser Zeit muss der Arbeitgeber das normale Gehalt weiterzahlen.


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Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung

Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) ist ein offizielles ärztliches Dokument, das die krankheitsbedingte Unfähigkeit zur Arbeitsleistung attestiert. Sie muss spätestens am vierten Krankheitstag beim Arbeitgeber vorliegen (§ 5 EFZG). Die AU hat einen hohen Beweiswert vor Gericht, der jedoch durch besondere Umstände erschüttert werden kann, etwa bei auffälligen zeitlichen Mustern oder widersprüchlichen Angaben. Ein typischer Fall der Beweiswerterschütterung liegt vor, wenn die Krankschreibung exakt bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses dauert.


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Beweiswerterschütterung

Die Beweiswerterschütterung bezeichnet im Prozessrecht die Situation, wenn gewichtige Zweifel an der Beweiskraft eines Beweismittels (wie einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung) aufkommen. Sie tritt ein, wenn Tatsachen vorliegen, die den normalerweise hohen Beweiswert in Frage stellen. Gemäß § 286 ZPO muss das Gericht dann nach freier Überzeugung entscheiden. Beispiel: Widersprüchliche Aussagen zwischen Arzt und Patient über Krankheitssymptome oder eine auffällige zeitliche Übereinstimmung der Krankschreibung mit dem Kündigungszeitpunkt können eine Beweiswerterschütterung begründen.


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Beweislast

Die Beweislast bestimmt, welche Prozesspartei die negativen Folgen trägt, wenn eine entscheidungserhebliche Tatsache nicht bewiesen werden kann. Im Arbeitsrecht muss zunächst der Arbeitnehmer seine Arbeitsunfähigkeit durch eine AU nachweisen. Bei einer Beweiswerterschütterung muss er zusätzliche Beweise für seine tatsächliche Erkrankung vorlegen. Die Regelungen zur Beweislast ergeben sich aus § 286 ZPF und den jeweiligen materiell-rechtlichen Vorschriften. Ein Beispiel: Zweifelt der Arbeitgeber eine Krankschreibung an, muss er zunächst Tatsachen vortragen, die den Beweiswert erschüttern.

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Wichtige Rechtsgrundlagen


  • Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) § 3: Dieser Paragraph regelt den Anspruch von Arbeitnehmern auf Fortzahlung ihres Arbeitsentgelts im Krankheitsfall. Voraussetzung ist, dass der Arbeitnehmer ununterbrochen mindestens vier Wochen im Arbeitsverhältnis steht und durch Krankheit arbeitsunfähig ist. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, das Gehalt für bis zu sechs Wochen weiterzuzahlen.

    Im vorliegenden Fall fordert der Kläger Entgeltfortzahlung für den Zeitraum seiner Arbeitsunfähigkeit. Das Gericht prüft, ob die Voraussetzungen gemäß § 3 EFZG erfüllt sind, insbesondere die Dauer des Arbeitsverhältnisses und die nachgewiesene Arbeitsunfähigkeit.

  • Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) § 5: Dieser Paragraph verpflichtet den Arbeitnehmer, dem Arbeitgeber eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorzulegen, sobald die Arbeitsunfähigkeit länger als drei Tage andauert. Die Bescheinigung muss bestimmte Angaben enthalten, um die Arbeitsunfähigkeit zu legitimieren.

    Der Kläger legte eine Bescheinigung vor, die nur bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses galt. Das Gericht bewertet, ob diese Bescheinigung den Anforderungen von § 5 EFZG entspricht und ob die Vorlagepflicht ordnungsgemäß erfüllt wurde.

  • Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) § 4: § 4 EFZG definiert die Anspruchsvoraussetzungen für die Fortzahlung des Arbeitsentgelts, einschließlich der Dauer des bestehenden Arbeitsverhältnisses und der Unverzüglichkeit der Krankmeldung. Es legt fest, dass der Anspruch nach Ablauf der Lohnfortzahlung durch die Krankenkasse übergeht.

    Im Fall des Klägers ist relevant, ob alle Voraussetzungen nach § 4 EFZG erfüllt sind, insbesondere hinsichtlich der Dauer des Arbeitsverhältnisses und der rechtzeitigen Krankmeldung. Dies beeinflusst die Berechtigung auf Entgeltfortzahlung.

  • Arbeitsgerichtsordnung (ArbGG) § 48: Diese Vorschrift regelt die Kostentragung im Rechtsstreit vor dem Arbeitsgericht. Grundsätzlich trägt die unterliegende Partei die Kosten des Verfahrens, einschließlich der Gerichts- und Anwaltskosten.

    Im Urteil vom Landesarbeitsgericht Niedersachsen wurden die Kosten zu 77% vom Kläger und zu 23% von der Beklagten getragen. Dies basiert auf der Anwendung von §§ 91 und 92 ArbGG, die die Kostenverteilung im Streitfall bestimmen.

  • Beweislastregelung im Arbeitsrecht (ArbGG § 286): Im Arbeitsrecht trägt grundsätzlich der Arbeitnehmer die Beweislast für die behauptete Arbeitsunfähigkeit, also dass er tatsächlich krankheitsbedingt arbeitsunfähig war. Das Gericht prüft die vorgelegten medizinischen Nachweise und weiteren Beweismittel.

    Der Kläger muss nachweisen, dass seine Arbeitsunfähigkeit durch ärztliche Feststellungen belegt ist. Die Zeugenbefragung des Arztes im Verfahren dient dazu, die Glaubwürdigkeit der vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung und den Zusammenhang mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses zu überprüfen.


Das vorliegende Urteil


Landesarbeitsgericht Niedersachsen – Az.: 8 SLa 170/24 – Urteil vom 10.07.2024


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