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Bewerbungsverfahren – Anforderungen an dienstliche Beurteilung

ArbG Münster – Az.: 4 Ca 289/18 – Urteil vom 29.06.2018

1. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger einen unbefristeten Arbeitsvertrag zu den Bedingungen des bestehenden Arbeitsvertrages mit Datum vom 15.06.2016 als Vollzeitbeschäftigter und einer Eingruppierung in die Entgeltgruppe E 6 TVöD mit Wirkung ab dem 15.06.2018 anzubieten und eine der unbefristet zu vergebenden Stellen als Tarifbeschäftigter mit einer Eingruppierung in die Entgeltgruppe E 6 TVöD mit dem Kläger zu besetzen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger ein Zwischenzeugnis zu erteilen, welches sich auf Art und Dauer sowie Führung und Leistung während des Arbeitsverhältnisses erstreckt.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Von den Kosten des Rechtsstreites haben die Beklagte 4/5 und der Kläger 1/5 zu tragen.

5. Der Streitwert wird auf 13.814,05 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers gegen die Beklagte, ihm ein unbefristetes Arbeitsverhältnis der Entgeltgruppe 6 TVöD anzubieten, hilfsweise über einen Anspruch auf erneute Entscheidung über eine Bewerbung des Klägers auf der von der Beklagten ausgeschriebene Stellen, einen Anspruch auf Zwischenzeugnis, hilfsweise auf ein Endzeugnis sowie hilfsweise über einen Anspruch des Klägers auf Weiterbeschäftigung als Bürosachbearbeiter im Asylverfahrenssekretariat bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Klageantrag zu 1..

Der 1981 geborene Kläger ist gelernter Industriekaufmann, ledig und als Tarifangestellter seit dem 15.06.2016 bei der Beklagten im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge angestellt. Der schriftliche Arbeitsvertrag sieht eine Befristung mit Ablauf zum 14.06.2018 vor. Zuletzt war der Kläger beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in dem Referat 532 in N zugeordnet. Er war in der Entgeltgruppe 6 Stufe 2 TVöD eingruppiert.

Die Beklagte betreibt bundesweit mindestens 95 Organisationseinheiten, in denen Beschäftigte mit Zuordnung zur Entgeltgruppe E 6 TVöD tätig sind und mindestens 66 Dezernate mit Beschäftigten, die in der Entgeltgruppe E 12 TVöD eingruppiert sind. Es handelt sich hierbei in erster Linie um Aufnahmezentren bzw. Asylverfahrenssekretariate sowie sonstige allgemein organisatorische Referate. Die dort eingesetzten Tarifbeschäftigten befassen sich überwiegend mit der Bearbeitung von Asylanträgen.

Der durchschnittliche Bruttomonatslohn des Klägers belief sich zuletzt auf 2.762,81 EUR.

Am 18.08.2017 veröffentlichte die Beklagte eine Stellenausschreibung für die zur Entfristung vorgesehenen Stellen der Entgeltgruppe 6. Auf die Stellenausschreibung bewarb sich auch der Kläger.

In den Beurteilungsrichtlinien über die Grundsätze zur Leistungsbewertung im Auswahlverfahren für Tarifbeschäftigte des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, die sich auf unbefristet zu besetzende Stellen bewerben, heißt es auszugsweise:

„4.3 Gesamtnote Aus den Leistungsmerkmalen ist unter Würdigung des Gesamtbildes der Leistung eine Gesamtnote zu vergeben. Dabei sind die Bewertungen der Leistungsmerkmale nach Anlage 2 zu gewichten. Die Gesamtnote ist (auch auf der Grundlage einer solchen Gewichtung) nicht allein rechnerisch aus den Einzelbewertungen zu ermitteln, sondern muss auf eine Gesamtbetrachtung beruhen. Die Gesamtnote ist zu begründen.“

Am 13.02.2018 erhielt der Kläger ein Ablehnungsschreiben und erstmalig seine Leistungsbewertung als Anhang. In dem ausgefüllten Bewertungsvordruck (Bl. 81 d. GA) heißt es auszugsweise:

„Gesamtnote rechnerisch 5,45 Gesamtnote unter Berücksichtigung des Gesamteindrucks (einstellig) 5

Zusammenfassende Begründung: Das rechnerisch ermittelte Ergebnis spiegelt den Gesamteindruck zutreffend wieder.“

In dem Verfahren 4 Ga 12/18 vor dem Arbeitsgericht Münster schlossen die Parteien unter dem 07.03.2018 einen schriftlichen Prozessvergleich mit folgendem Inhalt:

„1. Die Parteien sind sich darüber einig, dass die Verfügungsbeklagte ohne Anerkennung einer Rechtspflicht sowie ohne jegliches Präjudiz für dieses und andere Verfahren eine Haushaltsstelle außerhalb der streitgegenständlichen ausgeschriebenen Stellen, jedoch mit diesen vergleichbar und mit der Entgeltgruppe E 6 bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens freihält. Die Verfügungsbeklagte sichert den Einsatz des Verfügungsklägers an dem Standort zu, für den der Verfügungskläger – ggf. nach rechtskräftigem Abschluss des Hauptsacheverfahrens – zu berücksichtigen sein wird.2. Damit ist der vorliegende Rechtsstreit erledigt.“

Bewerbungsverfahren - Anforderungen an dienstliche Beurteilung
(Symbolfoto: Von Dean Drobot/Shutterstock.com)

Die Beklagte hat über die im gegenständlichen Auswahlverfahren zunächst vergebenen Stellen hinaus einen zusätzlichen „Stellenpuffer“ zurückgehalten. Dieses zusätzliche Stellenkontingent umfasst ca. 200 regional nicht zugeordnete Haushaltsstellen der Entgeltgruppe E 6 TVöD und E 12 TVöD. Die Beklagte hat dieses zusätzliche Stellenkontingent für Kandidaten zurückgehalten, die innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe der ablehnenden Auswahlentscheidung gerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen. Auch der Kläger hat eine der zurückbehaltenen Stellen durch das einstweilige Verfügungsverfahren und den dort geschlossenen Vergleich freigehalten bekommen. Das zusätzliche Stellenkontingent wurde nicht ausgeschöpft. Rund 160 Mitarbeiter nahmen gerichtliche Hilfe in Anspruch. Die Beklagte stellt im Moment für die einschlägigen Tätigkeiten im Zuordnungsbereich des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge zusätzliche Beschäftigte ein.

Der Kläger ist der Ansicht, dass er unter Verstoß gegen die Grundsätze der Bestenauslese und unter Verletzung seines Bewerbungsverfahrensanspruchs als Bewerber abgelehnt wurde.

Die Leistungsbewertung sei auch deshalb rechtswidrig, weil ein Beurteilungssystem, wie es die Beklagte nutze, und zwar ein sogenanntes Ankreuzverfahren, für vorgegebene Einzelbewertungen das Gesamturteil der dienstlichen Beurteilung einer Begründung bedürfe. Das abschließende Gesamturteil sei nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts durch eine Würdigung, Gewichtung und Abwägung der einzelnen auswahlbezogenen Gesichtspunkte zu bilden. Diese Gewichtung bedürfe einer Begründung, weil nur so die Einhaltung gleicher Maßstäbe gewährleistet, das Gesamturteil nachvollzogen und einer gerichtlichen Überprüfung zugeführt werden könne. Diesen Anforderungen werde die Leistungsbewertung der Beklagten nicht gerecht. Aus ihr ließen sich lediglich die Noten der Einzelbewertung ersehen, ohne dass eine Gewichtung erkennbar gewesen wäre. Die Beklagte habe lediglich rechnerisch einen Durchschnitt ermittelt. In der zusammenfassenden Begründung werde lediglich ausgeführt, dass das rechnerisch ermittelte Ergebnis den Gesamtdruck zutreffend widerspiegele. Damit verstoße die Beklagte gegen ihre eigenen Bewertungsrichtlinien unter Ziffer 4.3.

Da die Beklagte über ausreichend Stellen verfüge und insbesondere auch eine verfügbare Stelle zur Verwendung für den Kläger zur Verfügung stehe, resultiere hieraus ein gesonderter Bewerbungsverfahrensanspruch des Klägers gemäß Artikel 33 Abs. 2 GG. Aus Sicht des Klägers könne nur gemutmaßt werden, ob die Beklagte vor Durchführung des Auswahlverfahrens einen Teil der an sich zur Entfristung anstehenden Stellen aus dem ursprünglichen Auswahlverfahren herausgehalten habe, oder ob das zusätzliche Kontingent tatsächlich zur Absicherung etwaiger gerichtlicher Ansprüche extra geschaffen wurde. In beiden Fällen sei die Beklagte als öffentlicher Dienstgeber verpflichtet, die zur Verfügung stehenden Stellen an die noch vorhandenen Bewerber zu vergeben. Alles andere ließe sich weder mit dem Recht der Bewerber auf freien Zugang zum öffentlichen Dienst, noch mit haushaltsrechtlichen Gesichtspunkten rechtfertigen. Da die Beklagte das zusätzliche Stellenkontingent ohne örtliche Zuordnung zurückbehalte, um, wie sie vorgebe, Bewerber entsprechend dem Ausgang des Hauptsacheverfahrens berücksichtigen zu können, stehe auch einer Weiterbeschäftigung des Klägers nichts entgegen. Außerdem wirke hier zugunsten des Klägers auch der Wille des § 30 Abs. 3 Satz 2 TV-L, wonach die Beklagte zu einer gesonderten Prüfung bestehender Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten verpflichtet sei. Da hinreichende Beschäftigungsmöglichkeiten für den Kläger vorhanden seien, habe die Beklagte diesbezüglich die tarifliche Pflicht verletzt.

Bei Erfolg des Klageantrages zu 1. stehe dem Kläger auch ein entsprechender Weiterbeschäftigungsanspruch zu.

Der Kläger beantragt zuletzt,

1. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger einen unbefristeten Arbeitsvertrag zu den Bedingungen des bestehenden Arbeitsvertrages mit Datum vom 15.06.2016 als Vollzeitbeschäftigter und einer Eingruppierung in die Entgeltgruppe E 6 TVöD mit Wirkung ab dem 15.06.2018 anzubieten und eine der unbefristet zu vergebenden Stellen als Tarifbeschäftigter mit einer Eingruppierung in die Entgeltgruppe E 6 TVöD zu besetzen,

2. hilfsweise für den Fall, dass der Kläger mit dem Antrag zu 1. unterliegt, die Beklagte zu verurteilen, die im Auswahlverfahren zur Umsetzung der Entfristung von Tarifbeschäftigten getroffene Auswahlentscheidung (dem Kläger durch Schreiben der Beklagten vom 13.02.2018 bekannt gegeben) zu wiederholen und über die Bewerbung des Klägers auf die Stellenausschreibung vom 18.08.2017 BAMF 2017 – 86 – i zur Übernahme in ein unbefristetes Anstellungsverhältnis als Sachbearbeiter der Entgeltgruppe E 6 TVöD unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden,

3. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ein Zwischenzeugnis zu erteilen, welches sich auf Art und Dauer sowie Führung und Leistung während des Arbeitsverhältnisses erstreckt,

4. hilfsweise für den Fall, dass der Klageantrag zu 1. abgewiesen wird, die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ein endgültiges Zeugnis zu erteilen, welches sich auf Art und Dauer sowie Führung und Leistung während des Arbeitsverhältnisses erstreckt,

5. sofern ein dem Klageantrag zu 1. stattgebendes Urteil ergeht, die Beklagte zu verurteilen, den Kläger als Bürosachbearbeiter im Asylverfahrenssekretariat bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Klageantrag zu 1. weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, die Auswahlentscheidung sei rechtmäßig erfolgt.

Zwischenzeitlich seien sämtliche ausgeschriebenen entfristeten Stellen in der Entgeltgruppe E 6 in den streitgegenständlichen Referaten entweder besetzt oder aber durch gerichtliche Entscheidungen blockiert.

Es steht auch im Einklang mit den vom dem erkennenden Gericht mit Beschluss vom 07.03.2018 in einstweiligen Verfügungsverfahren zum Aktenzeichen 4 Ga 12/18 festgestellten Vergleich. Durch diesen habe sich die Beklagte verpflichtet, eine Haushaltsstelle außerhalb der streitgegenständlichen ausgeschriebenen Stellen freizuhalten.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Verfahrensakte verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.

Die zulässige Klage ist im tenoriertem Umfang begründet, im Übrigen ist sie unbegründet.

1.

Der zulässige Antrag zu 1. ist begründet.

Der Kläger hat ausnahmsweise einen Anspruch auf Abschluss eines unbefristeten Arbeitsvertrages gegen die Beklagte aus Artikel 33 Abs. 2 GG.

Einen Rechtsanspruch auf Einstellung in den öffentlichen Dienst sowie auf Beförderung oder Höhergruppierung innerhalb des öffentlichen Dienstes lässt sich grundsätzlich weder aus Artikel 33 Abs. 2 GG (BVerwG E 68, 109 (110); BVerwG E 75, 133 (135)) noch aus Artikel 12 Abs. 1 GG (BVerfG E 7, 337 (398)) herleiten. Artikel 33 Abs. 2 GG begründet einen Anspruch auf Einstellung bzw. Beförderung nur, wenn sich nach den Verhältnissen im Einzelfall jede andere Entscheidung als rechtswidrig und ermessensfehlerhaft darstellt (BAG NZA 1996, 751; BAG NZA 2009, 901).

Dem Anspruch steht zunächst nicht entgegen, dass die Beklagte über die Bewerbung des Klägers bereits rechtmäßig entschieden hätte. Dies ist nämlich nicht der Fall. Das Bewerbungsauswahlverfahren war rechtswidrig.

Nach Artikel 33 Abs. 2 GG hat jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt. Jede Bewerbung muss nach den genannten Kriterien beurteilt werden. Öffentliche Ämter in diesem Sinne sind nicht nur Beamtenstellen, sondern auch solche Stellen, die von Arbeitnehmer besetzt werden können (BAG v. 24.03.2009, 9 AZR 277/08; NZA 2009, 901). Dieser Anspruch auf Zugang zu einem öffentlichen Amt setzt eine freie Stelle voraus. Deshalb lässt sich das grundrechtsgleiche Recht auf gleichen Zugang zu einem öffentlichen Amt nach Artikel 33 Abs. 2 GG nur vor einer Besetzung der Stelle mit dem ausgewählten Konkurrenten verwirklichen.

Aus Artikel 33 Abs. 2 GG folgt nicht nur ein Anspruch auf Übertragung einer bestimmten Stelle wenn der Antragsteller als bester Bewerber die Voraussetzung für deren Besetzung erfüllt. Vielmehr besteht auch ein Anspruch auf erneuter Auswahl, wenn sich die Auswahlentscheidung des Arbeitgebers als rechtsfehlerhaft erweist und die ausgeschriebene Stelle noch nicht besetzt ist. Dabei hat der Arbeitgeber bei seiner erneuten Auswahlentscheidung die vom Gericht festgestellten Auswahlfehler zu unterlassen und ist insoweit an die Rechtsauffassung des Gerichts gebunden (BAG v. 21.01.2003, 9 AZR 72/02).

Der Dienstherr kann in seinen Beurteilungsrichtlinien ein Ankreuzverfahren für die Einzelbewertung ohne zusätzliche individuelle textliche Begründung vorsehen, sofern die Bewertungsqualität hinreichend differenziert und die Notenstufung textlich definiert sind. Er muss aber auf Verlangen des Beamten bzw. des Arbeitnehmers, die im Ankreuzverfahren vorgenommene Einzelbewertung im Weiteren plausibilisieren (BVerwG v. 17.09.2015, 2 C 27/14). Im Unterschied zu den Einzelbewertungen bedarf das Gesamturteil der dienstlichen Beurteilung in der Regel einer gesonderten Begründung, um erkennbar zu machen, wie es aus den Einzelbegründungen hergeleitet wird (BVerwG a. a. O.). Eine im sogenannten Ankreuzverfahren erstellte dienstliche Beurteilung muss in der Regel eine Begründung des Gesamturteils enthalten. Dieses ist ein materieller Bestandteil der dienstlichen Beurteilung und kann nicht im gerichtlichen Verfahren nachgeholt werden (BVerwG v. 02.03.2017, 2 C 51/16). Das abschließende Gesamturteil ist durch eine Würdigung, Gewichtung und Abwägung der einzelnen Gesichtspunkte zu bilden. Diese Gewichtung bedarf schon deshalb einer Begründung, weil nur so die Einhaltung gleicher Maßstäbe gewährleistet, das Gesamturteil nachvollzogen und einer gerichtlichen Überprüfung zugeführt werden kann. Dies gilt insbesondere dann, wenn die in der dienstlichen Beurteilung ausgewiesenen einzelnen Merkmale im Ankreuzverfahren erstellt worden sind und die Bildung des Gesamturteils so einer zusammenfassenden Bewertung bedarf. Erst durch die Ausführung einer textlichen Begründung wird erkennbar, wie das Gesamturteil aus der Einzelbewertung hergeleitet und welches Gewicht den einzelnen auswahlbezogenen Gesichtspunkten gegeben worden ist (BVerwG. a. a. O.).

Die vorliegende Leistungsbeurteilung wird diesen Anforderungen nicht gerecht. Hier heißt es lediglich pauschal:

„Das rechnerisch ermittelte Ergebnis spiegelt den Gesamteindruck zutreffend wieder.“

Diese Begründung des Gesamturteils wird den beschriebenen Anforderungen nicht gerecht. Zudem verstößt die Beklagte mit der pauschalen Begründung gegen ihre eigene Beurteilungsrichtlinien (Ziffer 4.3 der Beurteilungsrichtlinien). Die Gesamtbeurteilung erweist sich schon aus diesem Grunde als rechtswidrig. Da die Beklagte diese ihrer Auswahlentscheidung zugrunde gelegt hat, erweist sich auch die Auswahlentscheidung vor diesem Hintergrund als rechtswidrig. Der Bewerbungsverfahrensanspruch des Klägers ist schon aus diesem Grunde verletzt.

Dem Anspruch des Klägers steht nicht die Behauptung der Beklagten entgegen, mittlerweile seien sämtliche ausgeschriebenen entfristeten Stellen in den streitgegenständlichen Referaten besetzt oder aber durch gerichtliche Entscheidung blockiert. Zunächst lässt sich dieser pauschalen Behauptung nicht entnehmen, welche Stellen nun besetzt und welche lediglich durch gerichtliche Entscheidung „blockiert“ sein sollen und was die Beklagte mit eine solchen Blockade meint. Unklar bleibt auch, welche Stellen durch welche gerichtliche Entscheidung blockiert sein sollen und warum dem vorliegenden Anspruch eine solche gerichtliche Entscheidung entgegenstehen soll. Sollte sich die Beklagte auf im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ergangene Urteile auf Unterlassung der Stellenbesetzung beziehen, so ist nicht ersichtlich, warum eine solche Entscheidung dem vorliegenden Anspruch entgegenstehen soll.

Der Kläger beruft sich vorliegend nämlich gerade auf ein zusätzliches Stellenkontingent von ca. 200 regional nicht zugeordneten Haushaltsstellen. Das Gericht konnte dieses Vorbringen des Klägers im Rechtssinne nur als unstreitig werten, weil sich die Beklagte zu diesem Vorbringen des Klägers weder schriftsätzlich noch im Kammertermin eingelassen hatte. Danach hat die Beklagte dieses zusätzliche Stellenkontingent für Kandidaten zurückgehalten, die innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe der ablehnenden Auswahlentscheidung gerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen, wie es der Kläger getan hat. Nach dem insoweit ebenfalls unbestrittenen Vortrag des Klägers wurde das zusätzliche Stellenkontingent nicht ausgeschöpft. Es hätten lediglich 160 Mitarbeiter gerichtliche Hilfe in Anspruch genommen.

Auf Basis dieses im Rechtssinne unstreitigen Tatsachenvortrags der Parteien kommt das Gericht nicht umhin, einen Ausnahmefall anzunehmen, in dem jede andere Entscheidung, als den Kläger einzustellen, sich als ermessensfehlerhaft darstellt. Nach dem unbestrittenen Vortrag des Klägers hält die Beklagte nämlich 200 Stellen vor für 160 Arbeitnehmer, die sich im Klagewege gegen die Ablehnung im Bewerbungsverfahren gewehrt haben. Dass der Kläger von vornherein ungeeignet wäre, ergibt sich aus dem Vorbringen der Parteien ebenfalls nicht. Wenn aber letztlich mehr Stellen frei sind, als Bewerber vorhanden, ist nicht ersichtlich, aus welchem Grunde dem Kläger der Zugang zum öffentlichen Dienst und damit zu der genannten Stelle verwehrt werden sollte.

Der Beklagten war auch nicht im Hinblick auf den Schriftsatz vom 20.06.2018 eine Schriftsatzfrist zu gewähren. Der streitentscheidende Sachvortrag des Klägers erfolgte, wie im Kammertermin ausführlich erörtert, bereits im Schriftsatz vom 18.04.2018. Bereits hierauf hatte sich die Beklagte nicht eingelassen, auch der Beklagtenvertreter wollte im Kammertermin zu dem genannten Punkt keine Erklärung abgeben.

2.

Dem Kläger steht ein Anspruch auf ein Zwischenzeugnis aus § 242 BGB zu. Ein Arbeitnehmer hat einen Anspruch auf ein Zwischenzeugnis, wenn er einen triftigen Grund geltend machen kann (vgl. LAG Köln v. 2.2.2000, NZA-RR 2000, 419, 420). Dies ist nach Ansicht vorliegend gegeben, da die Parteien über einen Anspruch des Klägers auf Abschluss eines Vertrages mit Wirkung zum 15.6.2018 streiten und der Kläger, um seiner Obliegenheit aus § 615 Satz 2 BGB nachkommen zu können, ein Zwischenzeugnis benötigt, um sich bei Dritten um ein Arbeitsverhältnis zur Erlangung eines zumutbaren Zwischenverdienstes bewerben zu können.

3.

Dem Kläger steht kein Weiterbeschäftigungsanspruch bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag zu 1. zu. Mit dem Antrag zu 1. begehrt der Kläger die Verurteilung der Beklagten zur Abgabe eines Angebotes auf Abschluss eines Arbeitsvertrages, also auf Abgabe einer Willenserklärung. Nach §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 894 ZPO gilt eine Willenserklärung erst als abgegeben, wenn der Schuldner zur Abgabe einer Willenserklärung verurteilt ist und das Urteil Rechtskraft erlangt hat. Dies war zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung jedenfalls nicht der Fall. Zwar wurde die Beklagte zur Abgabe einer Willenserklärung verurteilt. Das Urteil hatte zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung aber noch nicht Rechtskraft erlangt. Erst zu diesem Zeitpunkt aber gilt die Willenserklärung als abgegeben. Erst ab diesem Zeitpunkt kann der Kläger das Angebot der Beklagten auch annehmen und so, ggfs. auch rückwirkend, einen Arbeitsvertrag mit der Beklagten schließen. Daraus folgt, dass jedenfalls zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung kein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien bestand. Der befristete Vertrag hatte mit Ablauf des 14.06.2018 sein Ende gefunden. Zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung am 29.06.2018 war ein neuer Vertrag noch nicht zustande gekommen, denn das Urteil hatte zu diesem Zeitpunkt noch nicht Rechtskraft erlangt. Damit bestand zu diesem Zeitpunkt noch kein Arbeitsvertrag zwischen den Parteien. Aus diesem Grunde besteht auch kein Beschäftigungs- oder Weiterbeschäftigungsanspruch des Klägers.

Der Fall ist aus den genannten Gründen gerade anderes zu beurteilen als die Fälle, in denen ein Kläger im Kündigungsschutzprozess in erster Instanz obsiegt. In diesen Fällen billigt die Rechtsprechung dem in erster Instanz obsiegenden Kläger einen Weiterbeschäftigungsanspruch für Dauer des Kündigungsschutzrechtsstreites zu (vgl. nur BAG v. 19.9.1985, 2 AZR 193/84).

Der grundliegende Unterschied liegt darin, dass bei einer obsiegenden Kündigungsschutzklage in erster Instanz noch unklar ist, ob ein Arbeitsverhältnis besteht oder nicht, allerdings zumindest das erstinstanzliche Gericht dies bejaht.

Im vorliegenden Fall hingegen bestand zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung nach keiner Sichtweise noch ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien. Zwar wurde die Beklagte zur Abgabe einer Willenserklärung, ein Angebot auf Abschluss eines Arbeitsvertrages, verurteilt, dieses konnte aber zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung noch keine Rechtskraft erlangt haben. Es galt gem. §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 894 ZPO noch nicht als abgegeben.

Über den Hilfsantrag zu 2. und den Hilfsantrag hinsichtlich des Endzeugnisses war nicht zu entscheiden.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 46 Abs 2 ArbGG, 92 Abs. 1 Satz 2 2. Fall ZPO. Zur Bildung der Kostenquote ist das Gericht von einem Streitwert in Höhe von 13.814,05 EUR ausgegangen (5 Monatsgehälter des Klägers). Die Quote entspricht dem teilweise Obsiegen bzw. Unterliegen der Parteien.

III.

Den Wert des Streitgegenstandes hat das Gericht gem. § 61 Abs. 1 ArbGG im Urteil festgesetzt. Für den Antrag zu 1. wurden drei Monatsgehälter berücksichtigt, für den Weiterbeschäftigungsantrag einen Monatslohn und für das Zeugnis ebenfalls einen Monatslohn.

 

 

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