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Bonuszahlungsanspruch – unterbliebene Vereinbarung einer Zielvereinbarung

ArbG Köln – Az.: 18 Ca 3535/19 – Urteil vom 09.10.2019

1.  Die Klage wird abgewiesen.

2.  Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtstreits.

3.  Der Streitwert beträgt 5.000 Euro.

4.  Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Zahlung einer zielvereinbarungsabhängigen Jahressonderzahlung für das Kalenderjahr 2018.

Die Klägerin ist seit dem 01.02.2012 bei der Beklagten als … beschäftigt. In § 11 des Arbeitsvertrags ist Folgendes geregelt:

„Es werden mit der Geschäftsführung in einem jährlichen Zielgespräch Zielvereinbarungen festgelegt. Die Zielvereinbarungen berücksichtigen quantitative und qualitative Ziele.

Sofern die Mitarbeiterin die in einer jährlichen mit dem Geschäftsführer und dem … zu treffenden Zielvereinbarung festgelegten Eckpunkte erreicht, erhält sie zusätzlich eine widerrufliche Bonuszahlung in Höhe von 5.000,00 Euro brutto. Gründe für den Widerruf können eine wirtschaftliche Notlage des Unternehmens, ein negatives Ergebnis der Betriebsabteilung, ein unzureichender Gewinn, ein Rückgang der erwarteten wirtschaftlichen Entwicklung, eine unterdurchschnittliche Leistung oder eine schwerwiegende Pflichtverletzung des Mitarbeiters sein.“

Bis 2014 zahlte die Beklagte der Klägerin jeweils einen Bonus in Höhe von 5.000,00 Euro. Für die Kalenderjahre 2015 und 2016 brachte sie dagegen keinen Bonus zur Auszahlung und für 2017 erst nach gerichtlicher Verurteilung. Seit 2016 wurden auch keine Jahresziele für die Klägerin mehr vereinbart. In 2018 fehlte die Klägerin an insgesamt 119 Tagen wegen Arbeitsunfähigkeit oder wegen der Teilnahme an Reha-Maßnahmen – jeweils mit Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Mit Schreiben vom 13.03.2019 machte die Klägerin erfolglos einen Bonusanspruch für 2018 in Höhe von 5.000,00 Euro gegenüber der Beklagten geltend.

Sie behauptet unter Verweis auf ihre Entgeltabrechnung für Dezember 2018, dass sie für 2018 nur insgesamt 108.488,78 Euro brutto von der Beklagten als Entgelt erhalten habe. Sie habe indes qualitativ und quantitativ weit überdurchschnittliche Leistungen erbracht. Laut … für 2018 reiche die Spannbreite für die Vergütung eines … bis zu 250.000,00 Euro p.a.

Sie ist der Auffassung, dass ihr für das Kalenderjahr 2018 noch ein Bonus in Höhe von 5.000,00 Euro zustehe. Ein Grund für einen Widerruf der Zusage sei nicht gegeben.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 5.000,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.04.2019 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie behauptet, dass die Klägerin in 2018 nur unterdurchschnittliche Leistungen gezeigt habe. Aufgrund der hohen Fehlzeiten und fehlender Initiative von Seiten der Klägerin habe sie für 2018 keine Zielvereinbarung mit dieser treffen können. Die Vergütung der Klägerin bleibe nicht hinter der üblichen Vergütung für vergleichbare … zurück. In 2018 habe die Klägerin eine Vergütung in Höhe von insgesamt 153.031,70 Euro brutto erhalten. Die jährliche Vergütung der anderen bei ihr tätigen … habe zwischen 107.000,00 und 138.000,00 Euro brutto gelegen.

Die Beklagte ist der Auffassung, dass der Klägerin aufgrund der unterlassenen Zielvereinbarung kein Anspruch auf Bonuszahlung für 2018 erwachsen sei. Ein Schadensersatzanspruch scheitere jedenfalls am anspruchsausschließenden Mitverschulden der Klägerin.

Wegen des weiteren Sachvortrags wird auf den Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen sowie der Terminsprotokolle Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.  Die Klage ist unbegründet. Es ist nicht erkennbar, dass der Klägerin für das Kalenderjahr 2018 eine weitere Entgeltzahlung als Bonus zusteht. Ein Schadensersatzanspruch ist ebenfalls nicht erkennbar.

1)  Die Parteien haben in § 11 des Dienstvertrags vom 30.01.2012 die Zahlung eines leistungsabhängigen Jahresbonus` vorgesehen. Dessen Auszahlung in der vertraglich festgelegten Höhe soll dann erfolgen, wenn jährlich neu festzusetzende Ziele von der Klägerin erreicht werden. Die Auslegung der – schon nach ihrem Erscheinungsbild offensichtlich formularvertraglich vereinbarten – Regelung ergibt, dass dieser Anspruch nicht aufschiebend oder auflösend durch die wirksame Vereinbarung von Zielen bedingt ist (vgl. hierzu allg. Heiden, Entgeltrelevante Zielvereinbarungen aus arbeitsrechtlicher Sicht, S. 224 f., 368 f.). Ein Entgeltanspruch besteht vielmehr grundsätzlich unabhängig davon, ob in dem vertraglich vorgesehenen Verfahren rechtzeitig zu Beginn der Entgeltbemessungsperiode eine wirksame Zielvereinbarung zustande gekommen ist oder nicht.

a)  Der Inhalt allgemeiner Geschäftsbedingungen ist nach einem objektiv-generalisierenden Maßstab zu ermitteln. Sie sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden (BAG, Urteil vom 27. Februar 2019 – 10 AZR 341/18 -, Rn. 19, juris) Dabei sind die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen (BAG, Urteil vom 30. Januar 2019 – 5 AZR 43/18 -, Rn. 26, juris). Ansatzpunkt für die Auslegung allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Von Bedeutung für das Auslegungsergebnis sind ferner der von den Vertragsparteien verfolgte Regelungszweck sowie die der jeweils anderen Seite erkennbare Interessenlage der Beteiligten (BAG, Urteil vom 25. Oktober 2017 – 4 AZR 375/16 -, Rn. 18, juris; BGH, Urteil vom 28. März 2018 – XII ZR 18/17 -, Rn. 12, juris).

b)  Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze ergibt sich, dass der in § 11 des Arbeitsvertrags der Parteien vorgesehene Bonusanspruch zwar durchaus (in digitaler Weise) davon abhängig gemacht ist, ob die Klägerin bei wirksamer Zielfestlegung in einem Jahr die vereinbarten Ziele erreicht oder nicht. Der Regelung lässt sich dagegen nicht entnehmen, dass der Anspruch ebenso vom Abschluss einer wirksamen Zielvereinbarung abhängen, also auch dann ausgeschlossen sein soll, wenn es schon zu keiner – wirksamen – Zielfestlegung kommt (vgl. BAG, Urteil vom 12. Dezember 2007 – 10 AZR 97/07 -, BAGE 125, 147-168, Rn. 21, 37). Die Vertragsparteien sind vielmehr davon ausgegangen, dass eine solche jährlich erfolgen wird („Es werden […] jährlich Zielvereinbarungen festgelegt“).

Wortlaut und Regelungszusammenhang der Abrede in § 11 des Arbeitsvertrags stehen dem Verständnis einer wirksamen Zielvereinbarung als Anspruchsvoraussetzung entgegen. Das Zustandekommen einer Zielvereinbarung ist gerade nicht als Anspruchsvoraussetzung formuliert (bspw.: „Bei Zustandekommen einer Zielvereinbarung …“). Nach dem Empfängerhorizont verständiger Vertragsparteien ist es zudem fernliegend, dass die vertragliche Bonusregelung einerseits zwar ausführlich – und wohl abschließend – die Voraussetzungen nennt, unter denen sich die Arbeitgeberin von der Bonuszusage durch Widerruf lösen kann, andererseits aber durch das bloße Blockieren einer Zielvereinbarung für beide Seiten eine an keine weiteren Voraussetzungen geknüpfte Möglichkeit eröffnete, um das Entstehen des Anspruchs auszuschließen bzw. den Anspruch zu Fall zu bringen.

Es widerspräche auch den Interessen redlicher Vertragsparteien, einen leistungsabhängigen Entgeltbestandteil im Sinne eines Rahmenvertrags von dem jeweiligen Gelingen einer weiteren Einigung im Zielvereinbarungsprozess abhängig zu machen. Es würde sich dann bei der Entgeltabrede nicht um die Vereinbarung eines Jahreszielgehalts mit leistungsabhängigem Entgeltbestandteil handeln, sondern um die Vereinbarung eines Grundgehalts verbunden mit dem bloß unverbindlichen Inaussichtstellen einer weiteren Bonuszahlung. Damit wäre dieser Entgeltbestandteil etwa bei der Inhaltskontrolle der Entgeltabrede (nach §§ 134, 138 BGB) wie auch etwa für die Frage der Wahrung eines diskriminierungsfreien Entgeltssystems (vgl. § 3 EntgTranspG; § 8 Abs. 2 AGG; Art. 157 Abs. 1 AEUV) außer Betracht zu lassen. Auch der Arbeitgeber könnte im Vorfeld nicht wissen, ob es zu einer wirksamen Zielvereinbarung und damit möglicherweise zu einem zu berücksichtigenden Bonusanspruch kommen wird oder nicht. Dies ist nicht in seinem Interesse. Seinem Bedürfnis nach einer Flexibilisierung der Vergütung wollten die Parteien dagegen offensichtlich durch den gleichfalls aufgenommenen (allerdings wohl rechtsunwirksamen) Widerrufsvorbehalt Rechnung tragen. Aus Sicht der Arbeitnehmerin wäre es ohnehin interessenwidrig, wenn ein leistungsabhängiger Entgeltbestandteil schon bei einer Störung im vereinbarten Prozedere zur Durchführung der leistungsabhängigen Entgeltbemessung zu Fall gebracht werden könnte. Ihr Anspruch wäre in seinem Bestand dann nicht nur von ihrer Leistung, sondern auch von Umständen abhängig, die nicht ihrer Einflussnahme, sondern – im Sinne eines „versteckten Leistungsbestimmungsrechts“ – der des Arbeitgebers unterliegen (zu diesem Gesichtspunkt: BSG, Urteil vom 23. März 2006 – B 11a AL 29/05 R -, SozR 4-4300 § 183 Nr. 6, Rn. 27). Damit wären die Festschreibung („pacta sunt servanda“) und Planbarkeit ihrer Vergütungsansprüche nicht mehr gewährleistet.

Auch vor dem Hintergrund, dass ein möglicher Verstoß gegen Verhandlungs- oder Initiativpflichten Schadensersatzansprüche auszulösen vermag (vgl. grundlegend: BAG, Urteil vom 12. Dezember 2007 – 10 AZR 97/07 -, BAGE 125, 147-168, Rn. 43), ist eine andere Beurteilung dieser Frage nicht gerechtfertigt. Es entspricht nicht dem Interesse der Parteien, Problemen bei der Durchführung der vertraglich vorgesehenen Entgeltbemessung dadurch zu begegnen, dass die benachteiligte Partei auf – in Bestand, Durchsetzung und Realisierung ungewisse – Sekundäransprüche verwiesen wird. Es findet sich für eine den Fall der unterlassenen Zielvereinbarung allein auf Schadensersatzansprüche beschränkende Auslegung auch kein Anhaltspunkt in der vertraglichen Regelung.

2)  Dem Bestehen des Bonusanspruchs steht dem Grunde nach auch nicht die fehlende Zielerreichung entgegen.

a)  Die Klägerin hat im Kalenderjahr 2018 keine zuvor im Rahmen von § 11 des Arbeitsvertrags vereinbarten Ziele erreicht. Aufgrund der fehlenden Zielfestlegung konnte sie das denknotwendig auch nicht. Die von den Parteien vorgesehen Methode zur Bestimmung, ob der Klägerin der Bonus nach § 11 des Arbeitsvertrags in Höhe von 5.000,00 Euro zusteht oder nicht, ist vielmehr – soweit nicht noch eine nachträgliche Vereinbarung erfolgt – gescheitert.

b)  Das Scheitern der vertraglich vorgesehenen Bemessungsmethode führt indes nicht zum Erlöschen des Entgeltanspruchs. Dies ergibt wiederum die Vertragsauslegung.

aa)  Ein Anspruchsuntergang aufgrund allgemeiner schuldrechtlicher Regeln steht nicht im Raum – die fehlende Zielerreichung führt nicht zu einem Anspruchsuntergang aufgrund Unmöglichkeit. Weder ist dem Arbeitgeber die Entgeltzahlung unmöglich geworden (§ 275 Abs. 1 BGB), noch kommt es zu einem Untergang des Entgeltanspruchs aufgrund Unmöglichkeit der im Gegenseitigkeitsverhältnis stehenden Leistungsverpflichtung (§ 326 Abs. 1 Satz 1 BGB). Es ist nicht ersichtlich, dass der Bonus nach § 11 des Arbeitsvertrags ausschließlich der Vergütung überobligatorischer Leistungen der Klägerin dienen sollte (vgl. zum Gegenseitigkeitsverhältnis bei Zielvereinbarungen: Heiden, Entgeltrelevante Zielvereinbarungen aus arbeitsrechtlicher Sicht, S. 133 ff., 156).

bb)  Der Fall, dass entgegen der vertraglichen Abrede eine wirksame Zielvereinbarung für ein Kalenderjahr nicht getroffen wird und daher auch keine Ziele erreicht werden können, ist im Arbeitsvertrag nicht ausdrücklich geregelt. Die Entgeltabrede ist insoweit indes nicht lückenhaft: Aus dem Umstand, dass die Arbeitsvertragsparteien den leistungsabhängigen Entgeltanspruch nicht vom Zustandekommen einer Zielvereinbarung abhängig gemacht haben [vgl. oben unter 1) und BAG, Urteil vom 12. Dezember 2007 – 10 AZR 97/07 -, BAGE 125, 147-168, Rn. 37), folgt, dass die Zielerreichung nur für den Fall einer wirksamen Zielvereinbarung Voraussetzung des Bonusanspruchs sein soll. Denn bei unterbliebener Zielfestlegung kann es denknotwendig nicht zu einer Zielerreichung kommen. Dem Willen der Parteien zur Begründung eines vom Zustandekommen einer Zielvereinbarung unabhängigen Entgeltanspruchs ist damit gleichzeitig zu entnehmen, dass der Anspruch im Falle der unterbliebenen Zielfestlegung auch nicht durch eine Zielerreichung bedingt sein kann.

3)  Die Entgeltabrede der Parteien ist für das Kalenderjahr 2018 in Hinblick auf die Bemessung des Bonusanspruchs lückenhaft. Eine vertragliche Auffangregelung für den Fall der unterbliebenen Zielfestlegung ist nicht erkennbar. Eine Lückenfüllung durch ergänzende Vertragsauslegung ist nicht möglich.

a)  Auch Allgemeine Geschäftsbedingungen können eine planwidrige Regelungslücke enthalten und einer ergänzenden Vertragsauslegung zugänglich sein (BGH, Urteil vom 08. August 2019 – VII ZR 34/18 -, Rn. 27, juris). Eine solche Regelungslücke liegt vor, wenn die Parteien einen Punkt übersehen oder wenn sie ihn bewusst offen gelassen haben, weil sie ihn im Zeitpunkt des Vertragsschlusses für nicht regelungsbedürftig gehalten haben, und wenn sich diese Annahme nachträglich als unzutreffend herausstellt. Dabei kann von einer planwidrigen Regelungslücke nur gesprochen werden, wenn der Vertrag eine Bestimmung vermissen lässt, die erforderlich ist, um den ihm zugrunde liegenden Regelungsplan der Parteien zu verwirklichen, mithin ohne Vervollständigung des Vertrags eine angemessene, interessengerechte Lösung nicht zu erzielen wäre (BGH, Urteil vom 20. April 2017 – VII ZR 194/13 -, BGHZ 214, 340-350, Rn. 25). Ist eine vertragliche Regelung planwidrig unvollständig, tritt an die Stelle der lückenhaften Vertragsbestimmung diejenige Gestaltung, die die Parteien bei einer angemessenen Abwägung der beiderseitigen Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragsparteien vereinbart hätten, wenn diesen die Lückenhaftigkeit des Vertrags bekannt gewesen wäre. Zunächst ist hierfür an den Vertrag selbst anzuknüpfen, denn die in ihm enthaltenen Regelungen und Wertungen sowie ihr Sinn und Zweck sind Ausgangspunkt der Vertragsergänzung. Soweit irgend möglich, sind danach die Lücken im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung in der Weise auszufüllen, dass die Grundzüge des konkreten Vertrags „zu Ende gedacht“ werden. Geht es um vielfach verwendete Vertragsbedingungen, hat die ergänzende Auslegung nach einem objektiv-generalisierenden Maßstab zu erfolgen, der am selben Interesse der typischerweise beteiligten Verkehrskreise und nicht nur an den konkret beteiligten Parteien ausgerichtet sein muss. Lassen sich nach diesen Kriterien hinreichende Anhaltspunkte für einen typischen Parteiwillen nicht finden, etwa weil mehrere gleichwertige Möglichkeiten der Lückenschließung in Betracht kommen, scheidet eine ergänzende Vertragsauslegung aus (BAG, Urteil vom 19. Februar 2019 – 3 AZR 150/18 -, Rn. 40, juris).

b)  Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs ist der von den Arbeitsvertragsparteien nicht geregelte Fall der unterlassenen Zielvereinbarung einer Lückenschließung im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung nicht zugänglich (vgl. BAG, Urteil vom 12. Dezember 2007 – 10 AZR 97/07 -, BAGE 125, 147-168, Rn. 28).

aa)  Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Klägerin für den Fall, dass eine Zielvereinbarung scheitert, auch ungeachtet ihrer tatsächlichen Leistungen der Bonus in vertraglich vorgesehener Höhe von 5.000,00 Euro zustehen sollte. Da der Entgeltanspruch leistungsabhängig ausgestaltet wurde, entspricht es nicht dem Regelungsplan der Parteien, den Entgeltbestandteil bei jedweder Störung im Zielvereinbarungsprozess als Festvergütung auszuzahlen. Dies würde das Interesse des Arbeitgebers an einer möglichst umfassenden Ausschöpfung des Mitarbeiterpotentials und das Ziel der Vergütung möglicher überobligatorischer Arbeitsleistungen unberücksichtigt lassen (vgl. zu den Zielen einer zielvereinbarungsgestützten Entgeltbemessung: Heiden, Entgeltrelevante Zielvereinbarungen aus arbeitsrechtlicher Sicht, S. 17 ff.). Auch im Übrigen erschiene ein solches Auslegungsergebnis nicht gerechtfertigt. Die Annahme, Arbeitnehmer würden in der Regel vereinbarte Ziele auch erreichen (vgl. BAG, Urteil vom 12. Dezember 2007 – 10 AZR 97/07 -, BAGE 125, 147-168, Rn. 50, vgl. aber Rn. 41), erscheint zweifelhaft und die Zubilligung des in Aussicht gestellten Bonus‘ wäre ohne Zielerreichung unter Zugrundelegung der Wertung des § 162 Abs. 1 BGB auch nur im (hier nicht gegebenen Sonder-) Fall einer treuwidrigen Vereitelung der Zielfestlegung durch den Arbeitgeber gerechtfertigt. Da die Entgeltabrede verschuldensunabhängig ausgestaltet ist, kann anderweitiges Verschulden alleine auf Schadensersatzebene Berücksichtigung finden (vgl. dazu unter 5).

bb)  Eine andere als die von den Parteien beabsichtigte leistungsabhängige Entgeltbemessung kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil die Klägerin keine Chance hatte, ihre Arbeitsleistung entsprechend auszurichten. Es fehlen zudem jegliche Hinweise darauf, dass nach dem Willen der Parteien ersatzweise eine andere leistungsabhängige Entgeltbemessungsmethode Anwendung finden sollte (vgl. hierzu allg. Heiden, Entgeltrelevante Zielvereinbarungen aus arbeitsrechtlicher Sicht, S. 374 f.).

Insbesondere kann für diesen Fall nicht auf einen Parteiwillen zur einseitigen Bonusfestsetzung nach billigem Ermessen gemäß § 315 BGB und gegebenenfalls eine richterliche Leistungsbestimmung geschlossen werden (vgl. BAG, Urteil vom 12. Dezember 2007 – 10 AZR 97/07 -, BAGE 125, 147-168, Rn. 27; Heiden, Entgeltrelevante Zielvereinbarungen aus arbeitsrechtlicher Sicht, S. 374 ff.). Die Überantwortung der Leistungsbestimmung an eine Partei setzt stets eine entsprechende Unterwerfungsvereinbarung voraus (vgl. Staudinger/Rieble (2015) BGB § 315, Rn. 239 ff.). Hierfür liegen keine Anhaltspunkte vor. Und auch die in § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB geregelte richterliche Ersatzleistungsbestimmung ist nicht für eine allgemeine richterliche Vertragshilfe nutzbar zu machen. Die Norm findet nur Anwendung, wenn die Parteien das vereinbart haben, sich also autonom der richterlichen Schlichtung durch Ersatzleistungsbestimmung unterworfen haben (BAG, Urteil vom 12. Dezember 2007 – 10 AZR 97/07 -, BAGE 125, 147-168, Rn. 24).

4)  Die von der Klägerin angestellten Vermutungen hinsichtlich der von der Beklagten mit der Nichtauszahlung des Bonus‘ verfolgten Zwecke (Mobbing, Herausdrängen) führen ebenso wenig dazu, dass die Anspruchsvoraussetzungen für den Bonusanspruch in Höhe von 5.000,00 Euro als gegeben angesehen werden können wie der Umstand, dass der Bonus offensichtlich für die Kalenderjahre 2012 – 2014 zur Auszahlung gelangt ist (vgl. allg. zu einer Anspruchsbegründung kraft „individueller Übung“ etwa: BAG, Urteil vom 21. April 2010 – 10 AZR 163/09 -, Rn. 14 ff., juris; Urteil vom 13. Mai 2015 – 10 AZR 266/14 -, Rn. 16, juris). Dies kann insbesondere darauf beruhen, dass die Klägerin die seinerzeit vereinbarten Ziele erreicht hat (vgl. Heiden, Entgeltrelevante Zielvereinbarungen aus arbeitsrechtlicher Sicht, S. 380 ff. zur Sonderkonstellation der mehrfach ohne Zielfestlegung erfolgten Auskehrung des Zielbonus‘).

5)  Auf den Vortrag der Klägerin, es sei kein Grund für den Widerruf der Leistungszusage gegeben (vgl. SS v. 01.10.2019, S. 6), kommt es nicht an. Ein solcher ist nicht erklärt worden.

6)  Die Höhe des nach § 11 des Arbeitsvertrags für 2018 geschuldeten Entgelts lässt sich auch nicht nach § 612 Abs. 2 BGB bestimmen.

a)  Soweit – wie hier – eine Vergütungserwartung für geleistete Dienste besteht, die Höhe der Vergütung aber nicht bestimmt bzw. bestimmbar ist, bildet § 612 Abs. 2 BGB eine lückenfüllende gesetzliche Auslegungsregel (vgl. BAG, Urteil vom 26. Juni 2019 – 5 AZR 178/18 -, Rn. 27, juris; HWK/Thüsing 8. Aufl. 2018, § 612 BGB, Rn. 32; Staudinger/Richardi/Fischinger, 2016, § 612 BGB, Rn. 40 f.). Diese findet auch im vorliegenden Fall der unterbliebenen Zielfestlegung Anwendung, obwohl eine vertragliche Regelung zur Vergütungshöhe nicht in Bezug auf die gesamte Entgeltabrede, sondern nur mit Blick auf den leistungsabhängig variablen Entgeltbestandteil fehlt (ausführl.: Heiden, Entgeltrelevante Zielvereinbarungen aus arbeitsrechtlicher Sicht, S. 375 ff.).

b)  Die Höhe des geschuldeten Entgelts bestimmt sich dann nach der „üblichen Vergütung“. Obwohl die nach § 612 Abs. 2 BGB zu füllende Vertragslücke in § 11 des Arbeitsvertrags nur einen von mehreren Entgeltbestandteilen betrifft, ist die übliche Vergütung nur mit Blick auf die Höhe des Gesamtentgelts bestimmbar. Regelmäßig lässt sich die Üblichkeit der Vergütung nur diesbezüglich beurteilen. Die Aufteilung der Gesamtvergütung in verschiedene Entgeltbestandteile wird von den jeweiligen Vertragsparteien dagegen – etwa aus persönlichen, steuerlichen oder sonstigen Gründen – sehr unterschiedlich gehandhabt. Zudem ist regelmäßig auch die im Gegenseitigkeitsverhältnis zu einzelnen Entgeltbestandteilen stehende Arbeitsleistung nicht bestimmbar, so dass auch insoweit für den Üblichkeitsvergleich die Grundlage fehlt. Daher kann das Bestehen eines – weiteren – Entgeltanspruchs bei fehlender Vereinbarung zur Höhe eines bestimmten Entgeltbestandteils nur festgestellt werden, soweit das Gesamtentgelt ohne den variablen Entgeltbestandteil hinter der üblichen (Gesamt-) Vergütung zurückbleibt.

c)  Darlegungen zur üblichen (Gesamt-) Entgelthöhe für ihre Arbeitsleistung hat die Klägerin – trotz gerichtlichen Hinweises – nicht erbracht. Bei der von ihr angeführten Summe von 250.000,00 Euro handelt es sich nach eigener Darstellung um einen Spitzenwert. Auch in Hinblick auf die Vergütung anderer … der Beklagten lässt sich die Höhe des üblichen Entgelts nicht bestimmen (vgl. Heiden, Entgeltrelevante Zielvereinbarungen aus arbeitsrechtlicher Sicht, S. 378 zur Betriebsüblichkeit). Die von der Beklagten angegebene Spannbreite (107 – 135.000,00 Euro/Jahr) lässt weder Durchschnitt noch Mittelwert erkennen. Schließlich ist auch die Höhe des von der Klägerin in 2018 tatsächlich bezogenen Gesamtentgelts zwischen den Parteien streitig.

Ein anderes Ergebnis ergibt sich auch dann nicht, wenn man entgegen der hier vertretenen Auffassung für die Üblichkeit alleine auf die Höhe des variablen Entgeltbestandteils abstellen wollte. Denn es fehlt auch hier an Angaben dazu, wie hoch die übliche leistungsabhängige Variable für … in 2018 war.

Dass es für die Arbeitsleistung der Klägerin an einer üblichen Vergütung überhaupt fehlte (vgl. hierzu: BAG, Urteil vom 21. April 2010 – 10 AZR 163/09 -, Rn. 22, juris; Staudinger/Richardi/Fischinger, § 612 BGB Rn. 61; Greiner in: Preis, Der Arbeitsvertrag, 5. Aufl. 2015, Z 5 Zielvereinbarungen, Rn. 40; HWK/Thüsing § 611a BGB, Rn. 268), ist nicht ersichtlich.

7)  Ein Schadensersatzanspruch der Klägerin gegenüber der Beklagten gemäß §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB aufgrund Verletzung von Nebenpflichten bei der Herbeiführung einer Zielvereinbarung ist ebenfalls nicht ersichtlich.

a)  Die Klägerin stützt ihren Anspruch auch auf Schadensersatzgesichtspunkte (vgl. zur Frage der Streitgegenständlichkeit etwa BAG, Urteil vom 12. Dezember 2007 – 10 AZR 97/07 -, BAGE 125, 147-168, Rn. 12 ff.; aber auch etwa Urteil vom 22. August 2018 – 5 AZR 592/17 -, Rn. 14, juris). Dies folgert die Kammer daraus, dass sie auf den eine Pflichtverletzung abstreitenden Vortrag der Beklagten (im SS v. 04.09.2019, S. 4 f.) erwidert und die Nichtdurchführung von Mitarbeitergesprächen mit dem Ziel der Zielfestlegung angeführt hat.

b)  Es kann dahinstehen, ob die Beklagte der Klägerin gegenüber wegen Verletzung ihrer Verhandlungsverpflichtungen, wie sie aus der in § 11 des Arbeitsvertrags getroffenen Entgeltabrede folgen mögen, dem Grunde nach haftet. Es ist jedenfalls nicht ersichtlich, dass ein bzw. welcher Schaden der Klägerin hieraus erwachsen sein sollte.

aa)  Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann der bonusberechtigte Arbeitnehmer nach § 280 Abs. 1, Abs. 3, § 283 Satz 1, § 252 BGB vom Arbeitgeber Schadensersatz wegen entgangener Vergütung verlangen, wenn dieser das Nichtzustandekommen einer vertraglich vorgesehenen, entgeltrelevanten Zielvereinbarung zu vertreten hat. Aus einer solchen Entgeltabrede folge die Verpflichtung des Arbeitgebers, mit dem Arbeitnehmer über die in der jeweiligen Periode zu erreichenden Ziele zu verhandeln (BAG, Urteil vom 12. Mai 2010 – 10 AZR 390/09 -, BAGE 134, 242-248, Rn. 11). An die Stelle des Anspruchs aus der Zielvereinbarung trete gemäß § 280 Abs. 3 BGB ein Schadensersatzanspruch, weil mit Ablauf der Zielperiode die Vereinbarung von Zielen unmöglich geworden sei (BAG, Urteil vom 14. November 2012 – 10 AZR 3/12 -, Rn. 26, juris).

bb)  Zugunsten der Klägerin unterstellt, die Beklagte habe ihre Verhandlungspflicht im dargelegten Sinne verletzt, ist der klageweise geltend gemachte Anspruch dennoch nicht schlüssig dargelegt:

(1)  Allerdings dürfte ein Schadensersatzanspruch in diesem Fall unmittelbar aus § 280 Abs. 1 BGB folgen, nicht aus §§ 280 Abs. 1, 283 BGB (vgl. BAG, Urteil vom 12. Dezember 2007 – 10 AZR 97/07 -, BAGE 125, 147-168, Rn. 46). Denn die Nebenpflicht zur Verhandlung über Ziele stellt keine Fixschuld dar, die durch Ablauf der Zielperiode unmöglich würde. Das Nachverhandeln von Zielen kann vielmehr gerade sinnvoll und geboten sein, wenn eine rechtswirksame Festlegung von Zielen nicht rechtzeitig erfolgt ist (vgl. Heiden, Entgeltrelevante Zielvereinbarungen aus arbeitsrechtlicher Sicht, S. 336).

(2)  Es ist schon nicht erkennbar, ob es bei pflichtgemäßem Verhalten der Beklagten zu einer wirksamen Zielfestlegung und in der Folge zu einer Zielerreichung durch die Klägerin gekommen wäre.

(3)  Jedenfalls lässt sich mangels Darlegungen zum weiter bestehenden Primäranspruch [vgl. unter 1) – 6)] nicht erkennen, ob der Klägerin – bei unterstellter Verletzung der Verhandlungspflicht durch die Beklagte – hieraus ein Schaden erwachsen ist oder nicht. Soweit ein Bonusanspruch besteht – wovon die Kammer dem Grunde nach ausgeht – ist ein Schaden nicht denkbar. Lediglich soweit das nach § 612 Abs. 2 BGB möglicherweise noch zu beanspruchende – übliche – Entgelt hinter dem zurückbleibt, was die Klägerin bei rechtzeitiger Vereinbarung angemessener Leistungsziele erreicht hätte (im Falle der Zielerreichung: 5.000,00 Euro Bonus zusätzlich zu den sonstigen Entgeltbestandteilen), kommt ein finanzieller Schaden in Form entgangenen Gewinns (§ 252 BGB) in Betracht (vgl. Heiden, Entgeltrelevante Zielvereinbarungen aus arbeitsrechtlicher Sicht, S. 379 f.).

II.  Die Klägerin hat als unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen (§ 46 Abs. 2 ArbGG iVm. § 91 Abs. 1 ZPO).

III.  Der Streitwert war gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG im Urteil festzusetzen und ist mit dem Wert des Zahlungsantrags bemessen.

IV.  Die Berufung nicht gesondert zuzulassen. Zulassungsgründe im Sinne von § 64 Abs. 3 ArbGG sind nicht ersichtlich.

 

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