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Corona-Prämie – Mitwirkungspflichten des Arbeitnehmers

ArbG Nordhausen – Az.: 2 Ca 370/21 – Urteil vom 01.12.2021

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 83,84 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.12.2020 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.195,24 Euro netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.12.2020 zu zahlen.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Die Widerklage wird abgewiesen.

5. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

6. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 1.695,85 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Zahlung einer Corona-Prämie sowie rückständige Vergütung, die Beklagte begehrt widerklagend die Zahlung von 400,00 EUR brutto.

Die Parteien begründeten mit Wirkung ab dem 01.09.2020 ein Arbeitsverhältnis (s. Arbeitsvertrag vom 15.06.2020, Anlage K1, Bl. 4 d.A.). Die Klägerin war als Altenpflegerin bei einem monatlichen Bruttogehalt von 1.250,00 EUR für die Beklagte tätig. Zuvor war die Klägerin bis zum 23.06.2020 als Pflegefachkraft für das Internationale Bildungs- und Sozialwerk e.V. in Hessisch Lichtenau tätig. Sie befand sich ab August 2018 im Beschäftigungsverbot und sodann bis zum 14.04.2020 in Elternzeit. Anschließend nahm die Klägerin bis zum 23.06.2020 Urlaub in Anspruch.

Mit Schreiben vom 03.12.2020 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 17.12.2020, hilfsweise zum nächstzulässigen Zeitpunkt (Anlage K3, Bl. 9 d.A.). Die Kündigung ging der Klägerin am 05.12.2020 zu.

Die Beklagte meldete für die Klägerin keinen Betrag für die Auszahlung einer Corona-Prämie gem. § 150a SGB XII gegenüber der zuständigen Pflegekasse und erhielt dementsprechend von dieser kein Geld zur Auszahlung an die Klägerin.

Im November 2020 rechnete die Beklagte eine „Sondergratifikation“ in Höhe von 400,00 EUR brutto ab und zahlte diese mit dem Novembergehalt an die Klägerin aus (Anlage K2, Bl. 8 d.A.). Unter dem 23.12.2020 nahm die Beklagte eine 1. Nachberechnung für das Novembergehalt 2020 vor, in der sie die Sondergratifikation in Höhe von 400,00 EUR wieder zum Abzug brachte (Anlage K4, Bl. 10 d.A). Die Nachberechnung weist einen Minusbetrag in Höhe von 320,50 EUR netto aus. Für Dezember 2020 rechnete die Beklagte 685,48 brutto ab, was einem Nettoverdienst von 540,40 EUR entspricht. Davon zog die Beklagte den Minusbetrag aus der Nachberechnung in Höhe von 320,50 EUR ab und zahlte letztlich 219,90 EUR an die Klägerin aus (s. Lohnabrechnung Dezember 2020, Anlage K5, Bl. 11 d.A).

Mit Schreiben vom 18.01.2021 und 08.02.2021 forderte die Klägerin die Beklagte zur Zahlung der Corona-Prämie auf. Unter dem 21.04.2021, der Beklagten am 12.07.2021 zugestellt, hat die Klägerin Klage erhoben mit der sie Vergütung in Höhe von 83,34 EUR brutto sowie eine Sondergratifikation in Höhe von 400,00 EUR netto begehrt. Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 02.08.2021 Widerklage erhoben mit der sie Zahlung von 400,00 EUR brutto von der Klägerin begehrt. Mit Schriftsatz vom 23.08.2021 hat die Klägerin ihre Klage um einen Feststellungsantrag sowie den Zahlungsantrag bzgl. der Sondergratifikation auf 1.195,24 EUR netto erweitert.

Die Klägerin wendet ein, die Beklagte habe das Arbeitsverhältnis bis zum 19.12.2020 abzurechnen, da ihr die Kündigung erst am 05.12.2020 zugegangen ist. Die Klägerin meint, die arbeitsvertragliche Ausschlussfrist halte einer Prüfung gem. § 307 Abs. 1 BGB nicht stand. Selbst wenn die Klausel wirksam wäre, bestünde ein Anspruch hinsichtlich rückständiger Vergütung in Höhe des gesetzlichen Mindestlohnes, d.h. in Höhe von 64,96 EUR brutto. Da die Ausschlussfrist unwirksam sei, stehe sie auch nicht der Geltendmachung der Corona- Prämie entgegen. Dagegen spreche auch, dass es sich um einen gesetzlichen Anspruch handle. Der Anspruch auf Zahlung der Sondergratifikation in Form einer steuerfreien Corona-Prämie folge aus § 150a Abs. 1 S. 2 SGB XI. Voraussetzung sei lediglich eine mindestens 90- tätige Tätigkeit des Arbeitnehmers in einer zugelassenen Pflegeeinrichtung im Zeitraum 01.03.2020 bis 31.10.2020. Der Beklagten sei u.a. durch das Arbeitszeugnis, die Tätigkeitsnachweise, das Zeugnis als Pflegefachkraft und zuletzt auch durch das Einstellungsgespräch bekannt, dass die Klägerin bis zum 23.06.2020 als Pflegefachkraft im Senioren und Pflegezentrum des Hauses K.,des I. e.V. in H… tätig war. Die Höhe der Prämie folge aus § 3 der Prämienfestlegung. Diese betrage 1.000,00 EUR, wobei der Freistaat Thüringen den Betrag um 500,00 EUR auf 1.500,00 EUR aufgestockt habe. Sie sei entsprechend der Teilzeitbeschäftigung der Klägerin von 35 Stunden anteilig zu reduzieren.

Die Klägerin beantragt zuletzt:

1. Es wird festgestellt, dass die Kündigung der Beklagten vom 03.12.2020, der Klägerin zugegangen am 05.12.2020, das Arbeitsverhältnis der Klägerin erst zum 19.12.2020 aufgelöst hat.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin für den 18.12. und den 19.12.2020 weiteren Bruttolohn in Höhe von insgesamt 83,34 EUR, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.12.2020 zu zahlen.

3. Die Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin weitere 1.195,24 EUR netto Sondergratifikation in Form einer Corona Prämie November 2020 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.12.2020 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Widerklagend beantragt sie, die Klägerin zu verurteilen, an die Beklagte brutto 400,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 31.12.2020 zu zahlen.

Die Klägerin beantragt, die Widerklage abzuweisen.

Die Beklagte meint, das Arbeitsverhältnis habe zum 17.12.2020 geendet, da die Klägerin die Nichteinhaltung der Kündigungsfrist nicht moniert habe. Daher habe sie keinen weiteren Vergütungsanspruch. Ferner

beruft sie sich auf die arbeitsvertragliche Verfallklausel. Die Klausel entspreche den Vorgaben der Rechtsprechung und sei insbesondere hinreichend Transparent. Soweit die Beklagte im November 2020 eine Sondergratifikation i.H.v. 400,00 EUR brutto gewährt habe, sei dies ein Irrtum des Lohnsteuerbüros gewesen. Es sei eine falsche Kennziffer verwendet worden. Einen Anspruch auf Zahlung einer Coronaprämie i.H.v. 1.195,24 EUR netto habe die Klägerin ebenfalls nicht. Auch dahingehend beruft sich die Beklagte auf die Einhaltung der arbeitsvertraglichen Ausschlussfrist. Im Übrigen erfülle die Klägerin nicht die Voraussetzungen des § 150 a SGB XI. Die Anspruchsvoraussetzungen für den im Frühjahr 2020 eingeführten Pflegebonus erfülle die Klägerin nicht, da Voraussetzung sei, dass die Beschäftigten im Zeitraum 01.09.2020 bis 31.10.2020 mindestens 90 Tage in der Pflegeeinrichtung tätig gewesen seien. Die Klägerin habe der Beklagten nicht mitgeteilt, dass sie bereits zuvor einer anderen Pflegeeinrichtung tätig gewesen sei. Das Arbeitszeugnis der Klägerin sei der Beklagten unbekannt. Die Klägerin habe lediglich, als sie sich während der Inanspruchnahme ihrer Elternzeit bei der Beklagten beworben habe, ein Zwischenzeugnis vom 28.02.2020 des I… vorgelegt. Dem Lebenslauf der Klägerin vom 28.01.2020 zufolge, sei der Beklagten lediglich bekannt gewesen, dass sich die Klägerin beginnend ab August 2018 im Beschäftigungsverbot befand mit anschließender Elternzeit bis 13.04.2020. Die Beklagte habe damit nicht wissen können, dass anrechenbare Zeiten gem. § 150a SGB XI bestehen. Es stelle sich die Frage, woher die Beklagte die Kenntnis von anrechenbaren Zeiten hätte haben sollen. Auch der Gesetzgeber habe im Zusammenhang mit § 150a SGB XI den Beschäftigten zugestanden, dass im Falle eines Arbeitgeberwechsels die bisherige Tätigkeit bei der Bemessung des Anspruches zu berücksichtigen sei. Das erfolge jedoch nur auf Grundlage einer schriftlichen Erklärung der Beschäftigten zu ihren Vorbeschäftigungen, wie aus der Anlage 2 zu den Prämienfestlegungen Teil 1 des GKV- Spitzenverbandes nach § 150a Abs. 7 SGB XI folge (Bl. 73 d.A.). Eine solche Mitteilung seitens der Klägerin sei nicht erfolgt. Die Beklagte habe demgemäß für die Klägerin keinen Antrag bei den Pflegekassen stellen können. Etwaige Antragsfristen seien abgelaufen, sodass auch aus diesem Grund die Zahlung der Coronaprämie nach § 150a SGB XI nicht mehr möglich sei. Vorsorglich wendet die Beklagte ein: Die Klägerin erfülle den dreimonatigen Zeitraum des § 150a SGB XI auch unter Berücksichtigung ihrer Vorbeschäftigung nicht. Der von der Klägerin in Anspruch genommene Urlaub aus Vorbeschäftigungszeiten könne nicht bei der Bemessung des Tätigkeitszeitraumes für die Gewährung der Prämienzahlung berücksichtigt werden. Zwar sei Erholungsurlaub grundsätzlich keine relevante Unterbrechung, jedoch Zeiten der Elternzeit. Damit reiche es nicht aus, nur im Betrieb beschäftigt zu werden, vielmehr müsse der Arbeitnehmer reale Arbeitsleistungen erbracht haben. Das sei bei der Klägerin bei ihrem Vorarbeitgeber nicht der Fall. Durch den Urlaub, den sie im Anschluss an ihre Elternzeit genommen habe, habe sie letztlich nur die Elternzeit verlängert. Es widerspräche der gesetzgeberischen Intention, wenn die Klägerin in diesem Fall die Prämie beanspruchen könne. Jedenfalls sei der Urlaubsanteil vom 14.04.2020 bis 19.05.2020 nicht einzubeziehen, da dieser Urlaub unmittelbar als Resturlaub aus der Elternzeit folge.

Da die Beklagte bei der Verrechnung der 400,00 EUR Pfändungsfreigrenzen nicht beachtet habe, hat sie Widerklage erhoben.

Wegen des übrigen Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze samt Anlagen sowie auf die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist teilweise zulässig. Sowie sie zulässig ist, ist sie begründet. Die zulässige Widerklage ist unbegründet.

I.

1. Der Rechtsweg hinsichtlich der von der Klägerin gem. § 150a SGB XI begehrten Corona-Prämie ist eröffnet. Die Bestimmungen zur Corona-Prämie knüpfen an das Vorliegen eines Dienst-, Arbeits- oder Werkvertrags, mithin an ein privatrechtliches Rechtsverhältnis an. Die Zahlungspflicht ist in diesen Verträgen die Gegenleistungspflicht und daher untrennbar mit diesem Rechtsverhältnis verbunden. Andernfalls würde sich der Anspruch auch nicht gegen den Arbeitgeber richten (§ 150a Abs. 1 S. 1 SGB XI: „Pflegeeinrichtungen werden verpflichtet“; § 150a Abs. 1 S. 2 SGB XI: „Gleiches gilt für Arbeitgeber“), sondern direkt gegen die Pflegekasse. Damit ist für diesen Anspruch – da zwischen der Klägerin und der Beklagten unstreitig ein Arbeitsverhältnis bestand – der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten eröffnet (vgl. Bruns/Weber: Rechtsweg und Corona-Prämie, NZA 2021,107; a.A. Schlegel: Die Corona-Prämie – Sonderleistung für das Personal in Pflegeeinrichtungen, NJW 2020, 1911).

2. Der Feststellungsantrag aus der Klageerweiterung vom 23.08.2021 ist unzulässig. Eine Feststellungsklage ist nur zulässig, wenn ein besonderes rechtliches Interesse an der gerichtlichen Entscheidung besteht (§ 256 Abs. 1 ZPO). Dies ist der Fall, wenn der Streit durch die Entscheidung über den Antrag beseitigt wird und das Rechtsverhältnis der Parteien abschließend geklärt werden kann. Es fehlt, wenn sich die begehrte Feststellung auf eine bloße Vorfrage eines aktuell möglich bestehenden Anspruchs bezieht oder bei einer nur auf die Feststellung eines beendeten Rechtsverhältnisses gerichteten Klage (vgl. BAG, Urt.v. 21.07.2009 – 9 AZR 279/08). Die Klägerin kann ihr Begehren, die Zahlung rückständiger Vergütung, auch ohne den Feststellungsantrag konkret beziffern, was sie auch durch den gesonderten Leistungsantrag getan hat. Letztlich handelt es sich bei dem Beendigungsdatum nur um eine Vorfrage des Bestehens des Vergütungsanspruches. Schon aus diesem Grund greift der Vorrang der Leistungsklage. Im Übrigen ist nicht ersichtlich, dass allein der Feststellungsantrag den Streit der Parteien über die Zahlung des rückständigen Entgelts beseitigt hätte, insbesondere da die Beklagte neben dem Beendigungsdatum auch andere Einwände erhebt, wie die Nichteinhaltung der arbeitsvertraglichen Verfallklausel. Übrigen bestehen keine Bedenken gegen die Zulässigkeit der Klage.

II.

1. Die Klägerin hat einen Anspruch auf rückständige Vergütung für den 18. /19.12.2020 in Höhe von 83,34 EUR brutto nebst Zinsen gem. §§ 611a Abs. 2 BGB i.V.m. dem Arbeitsvertrag.

a) Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat nicht auf Grund der Fiktionswirkung des § 7 KSchG am 17.12.2020 sein Ende gefunden. Die Klägerin ist nicht gehindert, die Nichteinhaltung der Kündigungsfrist außerhalb der fristgebundenen Klage nach § 4 S. 1 KSchG geltend zu machen (vgl. BAG, Urteil v. 15.12.2005 – 2 AZR 148/05). Da die Kündigung der Klägerin am 05.12.2020 zugegangen ist, berechnet sich die Kündigungsfrist ab diesem Zeitpunkt. Zwar hat die Beklagte die Kündigung zum 17.12.2020 ausgesprochen, jedoch hilfsweise zum nächstmöglichen Termin. Die Kündigung kann damit ohne weiteres in eine Kündigung zum rechtlich zulässigen Zeitpunkt, hier der 19.12.2020, ausgelegt werden. Damit sind der 18. / 19.12.2020 von der Beklagten zu vergüten. Gegen die Höhe der Vergütung hat die Beklagte keine Einwände erhoben.

b) Auf die arbeitsvertragliche Verfallklausel kann sich die Beklagte nicht mit Erfolg berufen, da diese unwirksam ist. Eine arbeitsvertragliche Ausschlussfrist, die auch den Anspruch auf das Mindestentgelt nach § 2 PflegeArbbV erfasst, verstößt im Anwendungsbereich dieser Verordnung gegen § 9 S. 3 AEntG i.V.m. § 13 AEntG. Der Anspruch auf das Mindestentgelt nach § 2 PflegeArbbV erlischt daher nicht wegen Versäumung der vertraglichen Ausschlussfrist (vgl. BAG, Urteil v. 24.08.2016- 5 AZR 703/15). Zwischen den Parteien ist nicht im Streit, dass der Geltungsbereich der PflegeArbbV eröffnet ist. Darüber hinaus gehen beide Parteien übereinstimmend davon aus, dass es sich bei den Bestimmungen des Arbeitsvertrages um Allgemeine Geschäftsbedingungen gem. §§ 305 ff. BGB handelt, wofür auch das äußere Erscheinungsbild spricht. Nach dem Wortlaut der Verfallsklausel sollen Ansprüche auf das Mindestentgelt nach der 2. PflegeArbbV nur verfallen, wenn sie nicht innerhalb von 12 Monaten nach ihrer Fälligkeit in Textform geltend gemacht werden. Diese Ausschlussfrist sieht die PflegeArbbV in § 4 ebenfalls vor. Jedoch galt bei Abschluss des Arbeitsvertrages bereits die 4. PflegeArbbV (ab 01.05.2020), die ein höheres Mindestentgelt (ab Mai 2020 11,35 EUR/Stunde, sodann bis 2022 auf 12,55 EUR/Stunde) als die 2. PflegeArbbV vorsieht. Da kein dynamischer Verweis auf spätere Verordnungen erfolgt, nimmt die Bestimmung das höhere Mindestentgelt nach der 4. PflegeArbbV aus. Die Klausel stellt die Rechtslage damit irreführend dar und suggeriert dem durchschnittlichen Arbeitnehmer er müsse den Anspruch auf das Mindestentgelt der § 2 der 2. PflegeArbbV innerhalb von 12 Monaten in Textform geltend machen. Was mit der Differenz zum höheren Mindestentgelt nach der 4. ist nicht geregelt und wäre entsprechend den im Übrigen vorgesehenen drei Monaten in Textform geltend zu machen. Auch der Umstand, dass die Verfallklausel den gesetzlichen Mindestlohn gänzlich von ihrem Anwendungsbereich ausnimmt, kann der Bestimmung nicht zur Wirksamkeit verhelfen. Denn der gesetzliche Mindestlohn lag bei Abschluss des Arbeitsvertrages im Jahr 2020 bei 9,35 EUR/ Stunde brutto, d.h. noch unter dem Mindestentgelt, das die 2. PflegeArbbV zu irgendeinem Zeitpunkt vorsah (ab 2015: 9,40 EUR brutto /Stunde ab 2017 bereits 10,20 EUR brutto/Stunde).

c) Der Zinsanspruch beruht auf §§ 288 Abs. 1, 286 BGB.

2. Die Beklagte ist ferner verpflichtet an die Klägerin 1.195,24 EUR netto gem. §§ 280 Abs. 1 BGB i.V.m. Arbeitsvertrag zu zahlen.

Die Beklagte hat es schuldhaft unterlassen, die der Klägerin gem. § 150a Abs. 1 SGB XI zustehende steuerfreie Corona-Prämie auszuzahlen. Die jeweilige Pflegeeinrichtung als Arbeitgeber zahlt die Prämie an ihre Beschäftigten (Pflegekräfte) aus, wobei die Einrichtung insoweit nur als Zahlstelle der Pflegekassen tätig, gegen die sich der öffentlich-rechtliche Anspruch materiell-rechtlich richtet (vgl. § 150a Abs. 8 S. 1 SGB XI).

Der Primäranspruch aus § 150a Abs. 1 SGB XI besteht nicht mehr. § 150a SGB XI sieht zwar eine zwingende Corona-Prämie für alle Beschäftigten zugelassener Pflegeeinrichtungen iSd §§ § 71, 72 SGB XI vor (obligatorische Corona-Prämie). Allerdings ist die Frist, innerhalb derer die Pflegeinrichtungen nach einer entsprechenden Meldung an die Pflegekasse eine Vorauszahlung erlangen könnte, verstrichen. Zur Geltendmachung des Anspruchs auf Vorauszahlung melden die Pflegeeinrichtungen / Arbeitgeber den Betrag, den sie für die Auszahlung der Corona-Prämie benötigen, wobei für Beschäftigte, die die dreimonatige Beschäftigungszeit erst zum 31.10.2020 erfüllt haben, die Pflegekassen das Geld bis spätestens 15.12.2020 auszuzahlen haben (§ 150a Abs. 7 S. 7 Nr. 2 SGB XI). Wiederum haben die Pflegeeinrichtungen / Arbeitgeber den Pflegekassen bis spätestens 15.02.2021 die tatsächliche Auszahlung der Corona-Prämien anzuzeigen(§ 150a Abs. 7 S. 8 SGB XI). Die genannten Fristen sind verstrichen. Durch den Fristablauf ist der Anspruch aus § 150a Abs. 1 SGB XI, der sich materiell- rechtlichen gegen die Pflegeeinrichtung bzw. den Arbeitgeber richtet, erloschen.

Als Anspruchsgrundlage kommt daher nur ein Schadenersatzanspruch in Betracht, dessen Voraussetzungen im konkreten Fall vorliegen:

a) Die Beklagte war als Arbeitgeberin gehalten, zu berechnen, welche Beträge sie für die Auszahlung der Corona-Prämie von den Pflegekassen benötigt (vgl. § 150 a Abs. 7 SGB XI). Dazu war sie verpflichtet, ihre Beschäftigten den „Prämiengruppen“ zuordnen und für jeden Beschäftigten entsprechend seiner Arbeitszeiten die konkrete Höhe der Prämie ermitteln und anschließend, die erforderlichen Beträge bei den Pflegekassen, für die sie tätig werden, zu melden. Das hat sie für die Klägerin nicht getan, obwohl diese einen Anspruch auf die Corona-Prämie hatte. Die Klägerin war im Zeitraum 01.03.2020 bis 31.10.2020 über drei Monate in einer zugelassenen Pflegeinrichtung tätig. Zutreffen ist zwar, dass die Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum bis 31.10.2020 bei der Beklagten noch keine drei Monate tätig war. Jedoch genügt auch die dreimonatige Tätigkeit bei verschiedenen zugelassenen Pflegeeinrichtungen. Die Beschäftigungszeiten sind dann zusammenzurechnen. Die Klägerin war bis 23.06.2020 in einer anderen Pflegeinrichtung tätig. Zu berücksichtigen ist dabei, die Beschäftigungszeit beim Vorarbeitgeber der Klägerin ab dem 14.04.2020 bis 23.06.2020 bei sowie ab dem 01.09.2020 bei der Beklagten. § 105a Abs. 5 SGB XII benennt ausdrücklich, welche Unterbrechungen bei der Berechnung des Beschäftigungszeitraums unbeachtlich sind. Im Umkehrschluss sind alle dort nicht genannten Unterbrechungen beachtlich. Da Elternzeit in Absatz 5 nicht genannt wird, war der Zeitraum bis 14.04.2020, in dem die Klägerin Elternzeit hatte, nicht zu berücksichtigen. Demgegenüber war der Zeitraum ab dem 15.04.2020 bis 23.06.2020, in dem die Klägerin Urlaub in Anspruch nahm, zu berücksichtigen, wie aus § 105a Abs. 5 Nr. 5 SGB XI folgt. Aufgrund es eindeutigen Wortlautes kommt eine Auslegung, wie sie die Beklagte vornehmen möchte, nicht in Betracht. Es würde auch zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit führen, würde man trotz des eindeutigen Wortlautes bei bestimmten Arten / Dauer von Erholungsurlaub eine Ausnahme machen wollen. Demgemäß besteht eine zu berücksichtigende Beschäftigungszeit vom 15.04.2020 bis 23.06.2020 sowie vom 01.09.2020 bis 31.10.2020, sodass sich insgesamt eine Beschäftigungszeit im Zeitraum 01.03.2020 bis 31.10.2020 von über drei Monaten ergibt.

b) Die Pflichtverletzung hat die Beklagte zu vertreten. Gem. § 280 Abs. 1 S. 2 wird das Vertretenmüssen vermutet; die Beklagte muss sich also entlasten. Den Maßstab für das Vertretenmüssen legt primär § 276 Abs. 1 S. 1 BGB fest: Der Schuldner hat regelmäßig Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten. Die Beklagte hat fahrlässig gehandelt. Sie hat die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen, indem sie sich bei der Klägerin nicht nach Vorbeschäftigungszeiten erkundigt hat. Ein gewissenhafter Arbeitgeber hätte dies getan. Ihr als Auszahlungsstelle oblag die Prüfung, welche Arbeitnehmer anspruchsberechtigt sind, da sie die entsprechenden Angaben weiterzuleiten hatte. Soweit die Beklagte sich auf eine Mitwirkungspflicht des Arbeitnehmers beruft, besteht eine solche nur, wenn die Beklagte die Klägerin aufgefordert hätte mitzuwirken. Diese rechtliche Schlussfolgerung steht im Einklang mit der von der Beklagten vorgelegten Anlage 2 zu den Prämienfestlegungen Teil 1 des GKV – Spitzenverbandes nach § 150a Abs. 7 SGB XI. Dabei handelt es sich um ein Muster- Informationsschreiben, das Arbeitgeber den Mitarbeitern zukommen lassen sollen, um die erforderlichen Erkenntnis u.a. über Vorbeschäftigungszeiten zu erhalten. Dies folgt aus Nr. 7 der „Festlegungen des GKG- Spitzenverbandes nach § 150a Abs. 7 SGB XI über die Finanzierung von Sonderleistungen während der Coronavirus SARS- CoV-2- Pandemie für Beschäftigte in Pflegeeinrichtungen (Prämien – Festlegungen Teil 1)“ vom 29.05.2020, die Verfahrensregelungen festlegt und dem das Bundesministerium für Gesundheit am 09.06.2020 zugestimmt hat. In Nr. 7 heißt es auszugweise „Die Pflegeeinrichtung hat ihre Beschäftigten über deren Anspruch auf Zahlung der Corona- Prämie entsprechend dem als Anlage 2 beigefügtem Informationsschreiben unverzüglich nach Inkrafttreten dieser Festlegung zu informieren. Bei neuen Beschäftigungsverhältnisses erfolgt die Information mit Tätigkeitsbeginn.“

Daraus folgt entgegen der Beklagten gerade keine unmittelbare Mitwirkungspflicht des Arbeitnehmers. Vielmehr ist sogar ausdrücklich festgelegt, dass der Arbeitgeber seine Beschäftigten über die Corona-Prämie zu informieren und sich die erforderlichen Informationen zur Berechnung der Corona-Prämie einzuholen hat. Dies hat die Beklagte unterlassen.

c) Der Schaden gem. § 249 Abs. 1 BGB entspricht der Höhe der steuerfreien Corona -Prämie, die die Klägerin erhalten hätte, wenn die Beklagte ihrer Pflicht zur Meldung und anschließenden Auszahlung des von der Pflegekassen erhaltenen Betrages, nachgekommen wäre. Gegen die Höhe der Corona-Prämie hat die Beklagte keine Einwände erhoben. Ein Mitverschulden der Klägerin (§ 254 Abs. 1 BGB) besteht nicht. Die Klägerin war nicht verpflichtet von sich aus an die Beklagte heranzutreten und ihre Vorbeschäftigungszeiten anzuzeigen (s. Ausführungen unter c)).

III.

Die zulässige Widerklage ist unbegründet, da der Klägerin die steuerfreie Coronaprämie gem. § 150a SGB XI zusteht.

IV.

Als unterlegene Partei hat die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 61 Abs. 1, 46 Abs. 2 ArbGG, § 3 ff ZPO. Dabei hat das Gericht für den Feststellungsantrag 20% des Leistungsantrages, d.h. auf 16,76 EUR, und die Leistungsanträge entsprechend der eingeklagten Beträge auf 83,84 EUR und 1.195,24 EUR. Für die Widerklage ist der geltend gemachte Betrag von 400,00 EUR in Ansatz gebracht worden.

Gründe gem. § 64 Abs. 3 ArbGG, die Berufung gesondert des § 64 Abs. 1 Nr. 2 b) ArbGG zuzulassen, liegen nicht vor.

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