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Corona-Sonderzahlung – Rückforderung durch Arbeitgeber bei Kündigung

ArbG Oldenburg (Oldenburg) – Az.: 6 Ca 141/21 – Urteil vom 25.05.2021

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 550,00 € netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozent über dem Basiszinssatz seit dem 07.05.2021 zu zahlen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

3. Der Wert des Streitgegenstands wird auf 550,00 € festgesetzt.

4. Die Berufung wird nicht zugelassen.

Gründe

Die zulässige Klage hat auch in der Sache Erfolg. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von Vergütung in Höhe von 550,00 € für die Monate März und April 2021 aus § 611a Abs. 2 BGB i.V.m. dem Arbeitsvertrag der Parteien vom 15.06.2020.

Das zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis bestand und der Kläger einen Vergütungsanspruch aus dem Arbeitsvertrag i.V.m. § 611a Abs. 2 BGB für die Monate März und April 2021 hat, steht zwischen den Parteien nicht in Streit.

Der Anspruch des Klägers ist auch nicht nach § 389 BGB durch Aufrechnung der Beklagten mit einem Gegenanspruch in Höhe von 550,00 € netto erloschen.

Schulden zwei Personen einander Leistungen, die ihrem Gegenstand nach gleichartig sind, so kann jeder Teil nach § 387 BGB seine Forderung gegen die Forderung des anderen Teils aufrechnen, sobald er die ihm gebührende Leistung fordern und die ihm obliegende Leistung bewirken kann. Die Aufrechnung erfolgt nach § 388 Satz 1 BGB durch Erklärung gegenüber dem anderen Teil. Sie bewirkt, dass die Forderungen, soweit sie sich decken, als in dem Zeitpunkt erloschen gelten, in welchem sie zur Aufrechnung geeignet einander gegenübergetreten sind (§ 389 BGB). Für eine wirksame Aufrechnung bedarf es daher einer Aufrechnungserklärung nach § 388 Satz 1 BGB, einer Aufrechnungslage nach § 387 BGB und die Aufrechnung darf nicht nach den §§ 390 ff. BGB ausgeschlossen sein.

Abgesehen von der Frage, ob in der Verrechnung der Beklagten mit dem Vergütungsanspruch des Klägers für März und April 2021 überhaupt eine stillschweigende Aufrechnungserklärung nach § 388 Satz 1 BGB gesehen werden kann, und der Frage, ob die Aufrechnung nach § 394 Satz 1 BGB i.V.m. den §§ 850 Abs. 1, Abs. 2, 850c, 850e ZPO (Pfändungsfreigrenzen) ausgeschlossen ist, fehlt es jedenfalls an einem aufrechenbaren Gegenanspruch der Beklagten und damit einer Aufrechnungslage (s. § 387 BGB). Die Beklagte hat nämlich keinen Anspruch auf Rückzahlung der von ihr mit der Vergütung für November 2020 an den Kläger ausgezahlten Sonderzahlung in Höhe von 550,00 € netto.

Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht aus § 5 Ziffer 7 des Arbeitsvertrags der Parteien vom 15.06.2020. Scheidet ein Mitarbeiter binnen zwölf Monate, gerechnet nach Ausstellungsdatum der Kündigung, nach Gewährung von freiwilligen Zuwendungen auf eigenes Verlangen ohne schuldhaftes Verhalten der Einrichtung oder wegen eines Grundes aus, der zur fristlosen Entlassung geführt hat oder berechtigt hätte, so kann nach § 5 Ziffer 7 des Arbeitsvertrags die Einrichtung die freiwilligen Zuwendungen zurückverlangen, es sei denn, die gesamten Zuwendungen übersteigen nicht den Betrag in Höhe von 50,00 €.

Diese Regelung ist nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.

Corona-Sonderzahlung – Rückforderung durch Arbeitgeber bei Kündigung
(Symbolfoto: Pla2na/Shutterstock.com)

Danach sind Bestimmungen in allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Bei den arbeitsverträglichen Regelungen handelt es sich um Vertragsbedingungen, die für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert sind und die eine Vertragspartei (hier die Beklagte) der anderen (dem Kläger) bei Abschluss des Vertrages stellt und damit nach den §§ 305 Abs. 1 Satz 1, 310 Abs. 3 BGB um allgemeine Geschäftsbedingungen. Die von der Beklagten gewährte Sonderzahlung übersteigt einen Betrag in Höhe von 100,00 €, liegt aber unterhalb einer Monatsvergütung. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der sich die erkennende Kammer anschließt, benachteiligt eine Rückzahlungsverpflichtung den Vertragspartner im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unangemessen, wenn sie in einem solchen Fall eine Bindung über das nachfolgende Quartal hinaus vorsieht (BAG, Urteil vom 21.05.2003, 10 AZR 390/02, NZA 2003, 1032, 1033; im Ergebnis so bereits BAG, Urteil vom 10.05.1962, 5 AZR 452/61, NJW 1962, 1537, 1538 f.). Im vorliegenden Fall übersteigt die Bindungsdauer mit zwölf Monaten die zulässige Bindungsdauer zum Ende des nachfolgenden Quartals nach Zahlung der Sondervergütung erheblich.

Darüber hinaus ist die zwölfmonatige Bindung des Klägers im vorliegenden Fall auch deshalb unzulässig, weil die Beklagte mit der im November 2020 ausgezahlten Sonderzahlung offenbar auch erbrachte Arbeitsleistung honoriert hat. Eine Sonderzahlung, die jedenfalls auch Vergütung für bereits erbrachte Arbeitsleistung darstellt, kann nicht vom ungekündigten Bestand des Arbeitsverhältnisses zu einem Zeitpunkt außerhalb des Bezugszeitraums abhängig gemacht werden. Es ist unangemessen gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB und widerspricht der gesetzlichen Wertung des § 611a BGB, vereinbartes Arbeitsentgelt dem Arbeitnehmer über eine Stichtagsklausel oder eine sonstige Zahlungsbedingung wieder zu entziehen, wenn der vorleistungsverpflichtete Arbeitnehmer die geschuldete Arbeitsleistung erbracht hat (BAG, Urteil vom 18.01.2012, 10 AZR 667/10, NZA 2012, 620, Rn. 11 mit weiteren Nachweisen).

Dass die Beklagte zumindest auch erbrachte Arbeitsleitung honorieren wollte, wird deutlich an dem Schreiben der Beklagten vom 24.11.2020. In diesem weist sie darauf hin, dass die Sonderzahlung „einmalig steuerfrei in Bezug auf die Corona-Pandemie“ erfolge. Aus Sicht eines objektiven Dritten in der Rolle des Klägers als Erklärungsempfängers (s. §. Dass mit der Zahlung dieser Prämie überhaupt eine Betriebstreue honoriert werden soll, wird allenfalls durch den Verweis auf § 5 Abs. 4 bis 7 des Arbeitsvertrages deutlich. Sofern dies überhaupt ausreichend sein sollte, stellt sich die Erklärung aus Sicht eines objektiven Dritten in der Rolle des Klägers jedenfalls so dar, dass zumindest auch erbrachte Arbeitsleistung honoriert werden soll. Daher ist eine Rückzahlungsklausel für diesen Fall insgesamt unzulässig.

Der Zinsanspruch folgt aus dem §§ 291 Satz 1, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO i.V.m. § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG. Als unterliegende Partei trägt die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits.

Der Streitwert war nach § 61 Abs. 1 ArbGG i.V.m. § 3 ZPO im Urteil auf 550,00 € festzusetzen.

Die Berufung war in Ermangelung der Voraussetzung des § 64 Abs. 3 Ziffern 1 bis 3 ArbGG nach § 64 Abs. 3a Satz 1 ArbGG nicht gesondert zuzulassen.

Gegen dieses Urteil ist kein Rechtsmittel gegeben.

 

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