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Darlegungs- und Beweislast für Überstundenvergütung – Anspruch auf Urlaubsabgeltung

ArbG Hamburg – Az.: 16 Ca 59/11 – Urteil vom 22.06.2011

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 2.030,77 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. November 2010 zu zahlen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Der Streitwert beträgt € 14.885,74.

4. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin zu 13/17, die Beklagte zu 4/17.

5. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten – zuletzt nur noch – um die Bezahlung von Überstunden und Urlaubsabgeltung.

Die Beklagte betreibt in Hamburg eine Kochschule, in der Firmen, Gruppen und Kochinteressierte unter Anleitung kochen und essen. Auf der Grundlage des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 5. Dezember 2008 (Anlage B 1, Bl. 49 ff. d. A.) ist die Klägerin ab dem 15. Januar 2009 als Counter-Managerin bei der Beklagten angestellt gewesen. Der Arbeitsvertrag lautet auszugsweise:

㤠2 Arbeitsverpflichtung

I. Die Arbeitnehmerin übt schwerpunktmäßig die folgenden Tätigkeiten aus:

– Allgemeine Bürotätigkeiten

– Planung und Vorbereitung von Veranstaltungen und Events

– Kundenberatung und –betreuung

– Verkauf von Veranstaltungen

– Kundenakquise

– Verwaltung des Veranstaltungskalenders

– Inhaltliche Pflege der Homepage

– Erstellung von Rechnungen und Angeboten

– Vorbereitung von Buchhaltungsdaten

– Gästebetreuung während der Veranstaltungen in der Kochschule

– Unterstützung, Beaufsichtigung und Anleitung des Servicepersonals während der Veranstaltungen in der Kochschule

– Unterstützung des Kochs/der Köche bei ihren Tätigkeiten (ausdrücklich abgesehen von der Kochtätigkeit selbst)

II.

Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt 40 Stunden wöchentlich ohne Pausen. Die Verteilung der Arbeitszeit richtet sich nach den betrieblichen Regelungen unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Betriebes.

III.

Die Arbeitnehmerin ist verpflichtet, im Rahmen der betrieblichen Erfordernisse Überstunden, sowie Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit zu leisten. Durch die in § 3 geregelten Arbeitsvergütung sind evtl. Überstunden mit abgegolten. …

§ 3 Arbeitsvergütung

I.

Die Arbeitnehmerin erhält im ersten Jahr ihrer Tätigkeit ein monatliches Bruttoentgelt in Höhe von € 2.200,-. Am Ende des ersten Jahres wird das Bruttoentgelt erfolgsabhängig neu verhandelt.

§ 13 Ausschlussklausel

Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit diesem in Verbindung stehen, sind innerhalb von 3 Monaten nach Fälligkeit, spätestens jedoch innerhalb von 3 Monaten nach Beendigung des Vertragsverhältnisses schriftlich gegenüber der anderen Vertragspartei geltend zu machen. Ansprüche, die nicht innerhalb dieser Frist geltend gemacht werden, sind verfallen. …“

Wegen des vollständigen Textes des Arbeitsvertrages wird auf die Anlage B 3, Bl. 49 ff. d. A. verwiesen.

Die Kochschule wurde am 28. Februar 2009 eröffnet. Das Arbeitsverhältnis endete mit Ablauf des 15. Oktober 2010. Zwischen den Parteien ist streitig, ob während des bestehenden Arbeitsverhältnisses Überstunden der Klägerin Gegenstand von Besprechungen zwischen den Parteien gewesen sind.

Mit ihrer am 2. Februar 2011 bei Gericht eingegangenen Klage begehrt die Klägerin die Bezahlung von 1013 Überstunden sowie die Abgeltung des Jahresurlaubs 2010.

Die Klägerin trägt vor: Die Kochschule sei an den Werktagen von 10:00 Uhr bis 19:00 Uhr geöffnet gewesen. In dieser Zeit habe sie 9 der arbeitsvertraglich ihr zugewiesenen Tätigkeiten erledigt wie allgemeine Bürotätigkeiten sowie Vor- und Nachbereitung von Veranstaltungen und Events. Wegen der Einzelheiten der tagsüber von der Klägerin erledigten Aufgaben wird auf ihre Darstellung im Schriftsatz vom 21. April 2011 verwiesen.

Die Kochkurse und Events selber hätten immer erst um 19:00 Uhr begonnen. Im Anschluss an die von ihr tagsüber geleisteten Arbeiten habe sie dann während der Kochkurse die ihr außerdem vertraglich zugewiesenen Aufgaben wie Gästebetreuung, Unterstützung und Anleitung des Servicepersonals sowie Unterstützung des Kochs erledigt. Nur ihre Tätigkeiten von 1 – 9 seien während der regelmäßigen Arbeitszeit ab 10:00 Uhr morgens zu erledigen gewesen. Die anderen Aufgaben hätten außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit ausgeführt werden müssen, wie sich aus der Natur der Tätigkeit selbst ergebe. Immer dann, wenn also ein Kochkurs durchgeführt werden sollte, habe sich für sie an die regelmäßige Arbeitszeit die nächste Schicht angeschlossen.

Überstunden seien auch thematisiert worden. So habe es Meetings gegeben, bei denen darüber gesprochen worden sei, dass Überstunden anfielen. Dies sei etwa dem Meeting-Protokoll vom 8. März 2010 (Anlage K 4, Bl. 130 d. A.) zu entnehmen. Außerdem hätten im Februar 2010 auch Verhandlungen mit der Beklagten über eine Provision stattgefunden, die als „Dankeschön“ für zusätzlich geleistete und noch zu leistende Tätigkeiten hätte gezahlt werden sollen. Den Entwurf eines Zusatzvertrages betreffend die Zahlung einer Umsatzprovision (Anlage K 5, Bl. 131 d. A.) habe sie allerdings nicht unterzeichnet.

Insgesamt habe sie 1013 Überstunden geleistet. Aus der von ihr beigefügten Anlage K 3 (Bl. 74 – 179 d. A.) ergebe sich, für welchen Kalendertag sie welche Zeiten als regelmäßige Arbeitszeiten bzw. als Überstunden berücksichtigt habe. Aus ihrem Bruttomonatsentgelt von € 2.200,00 errechne sich ein Stundenlohn von € 12,69 €. Für 1013 Überstunden ergebe sich der mit der Klage zu 1 geltend gemachte Zahlungsbetrag.

Außerdem stehe ihr Urlaubsabgeltung zu. Arbeitsvertraglich sei ein Jahresurlaub von 24 Werktagen festgelegt gewesen. Im Jahr 2010 habe sie keinen Tag Urlaub genommen. Es errechne sich als Urlaubsabgeltung der mit der Klage zu 2 eingeklagte Betrag. Diesen habe sie außergerichtlich mit gewerkschaftlichem Schreiben vom 20. Oktober 2010 (Anlage K 2, Bl. 161 d. A.) geltend gemacht.

Die Klägerin beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin € 12.854,97 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin € 2.030,77 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. November 2010 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor: Es sei unrichtig, dass die Klägerin die behaupteten Überstunden geleistet hätte. Die Kochkurse seien außerordentlich schleppend angelaufen. Im Jahr 2009 habe die Auslastung höchstens 35 Prozent betragen. Deswegen sei es schwierig gewesen, die eingestellten Vollzeitkräfte tatsächlich vollschichtig zu beschäftigen. Vor diesem Hintergrund hätten die Parteien die Verteilung der Arbeitszeit flexibel gestaltet. Der Arbeitsvertrag sehe ausdrücklich keine Kernarbeitszeit vor. Wegen der fehlenden Auslastung seien Überstunden weder erforderlich gewesen, noch angeordnet oder geduldet worden. Es werde mit Nichtwissen bestritten, dass bei dem Meeting vom 8. März 2010 (Anlage K 4) über Überstunden gesprochen worden sei. Unbestritten sei der Geschäftsführer der Beklagten bei dem Meeting nicht anwesend gewesen. Hinsichtlich der Umsatzbeteiligung sei es zwar richtig, dass man darüber nachgedacht habe, jedoch ausschließlich zum Ansporn und zur Motivation für die Mitarbeiter.

Im Übrigen wäre ein wesentlicher Teil der geltend gemachten Überstundenvergütung aufgrund der arbeitsvertraglichen Ausschlussfrist verfallen.

Auch die geltend gemachte Urlaubsabgeltung sei wegen der Ausschlussfrist nicht begründet. Das gewerkschaftliche Schreiben der Klägerin vom 20. März 2010 beziehe sich ausdrücklich nicht auf Urlaubsabgeltung, sondern auf ausstehenden Urlaub aus 2010 von 24 Arbeitstagen. Nach der Rechtsauffassung der Beklagten stelle der Urlaubsanspruch jedoch ein aliud zum Urlaubsabgeltungsanspruch dar.

Wegen der weiteren Einzelheiten des gegenseitigen Vorbringens wird auf die vorbereitend gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

1. Die zulässige Klage ist hinsichtlich der Überstunden unbegründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Vergütung von Überstunden nicht schlüssig vorgetragen (1). Dem gegenüber ist ihre Klage auf Urlaubsabgeltung erfolgreich. Ihr Anspruch auf Urlaubsabgeltung ist nicht verfallen (2). Im Einzelnen beruht die Entscheidung auf den nachfolgend kurz zusammengefassten Erwägungen (§ 46 Abs. 2 i. V. m. § 313 Abs. 3 ZPO).

a) Wie das Arbeitsgericht Hamburg im Fall des Kollegen der Klägerin (Sch. ./. Firma L. C. H. GmbH, Az.: 1 Ca 216/10) zutreffend ausgeführt hat, gelten hinsichtlich der Darlegungsgrundsätze für die Bezahlung von Überstunden folgende Erwägungen:

„Ist zwischen Arbeitsvertragsparteien die Bezahlung von Überstunden/Mehrarbeit streitig, hat der Arbeitnehmer die Ableistung der Überstunden, wie auch deren Anordnung oder Duldung in Kenntnis der Ableistung darzulegen und zu beweisen (BAG vom 4. Mai 1994, EzA, § 611 BGB Mehrarbeit Nr. 5). Er muss die Ableistung im Einzelnen darlegen, um den Arbeitgeber eine Überprüfung und Stellungnahme zu ermöglichen (BAG vom 15. Juni 1961, AP Nr. 7 zu § 253 ZPO; BAG vom 25. November 1993, EzA § 14 KSchG Nr. 3; BAG vom 4. Mai 1994, EzA § 611 BGB Mehrarbeit Nr. 5; BAG vom 5. September 1995, EzA § 253 ZPO Nr. 18). Im Einzelnen hat er die regelmäßige tägliche Arbeitszeit einschließlich Pausen anzugeben, die tatsächlich eingehaltene Arbeitszeit nach Tag und Uhrzeit aufzuschlüsseln und die tatsächlich eingehaltenen Pausen mitzuteilen (vgl. KassArbR/Künzl, 2.1 Rn. 401 f.). Daneben muss der Arbeitnehmer darlegen und ggf. beweisen, dass die Überstunden angeordnet wurden oder zur Erledigung der vom Arbeitgeber übertragenen Arbeiten notwendig waren und vom Arbeitgeber in Kenntnis der Ableistung (BAG vom 20. Juli 1989, ZTR 1990, 155) gebilligt oder geduldet wurden (BAG vom 29. Januar 1992, EzA § 4 TVG Geltungsbereich Nr. 2; BAG vom 4. Mai 1994 EzA § 611 BGB Mehrarbeit Nr. 5). Dies ist insbesondere der Fall, wenn der Arbeitgeber bestimmte Arbeiten überträgt, die der Arbeitnehmer innerhalb einer bestimmten Zeit, ohne Rücksicht auf die regelmäßige Arbeitszeit, durchführen soll (ebenso LAG Köln vom 22. August 1997, ZTR 1998, 189). Je nach der Einlassung des Arbeitgebers besteht eine abgestufte Darlegungs- und Beweislast (vgl. auch BAG vom 24. Oktober 2001, 5 AZR 245/00).“

Diese Grundsätze liegen im Übrigen auch der ständigen Rechtsprechung des LAG Hamburg zugrunde (vgl. Urteil vom 8. Januar 2008 – 2 Sa 70/07).

b) Nach diesen Maßstäben ist die Klage auf Überstundenvergütung unbegründet:

und insoweit entsprechend den vorerwähnten Grundsätzen – dargestellt, wie sich pro Arbeitstag die von ihr geleistete Arbeit aufteilt. Aus der eingereichten Anlage K 1 ist ersichtlich, für welchen Arbeitstag in welchem Zeitraum die Klägerin ihre regelmäßige Arbeitszeit gearbeitet haben will und zu welchen Tageszeiten sie über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus Mehrarbeit geleistet haben will. Sie unterscheidet insoweit zwischen Beginn und Ende der „üblichen“ Arbeitszeit und „Beginn und Ende der Überstunden“.

aa) Bei der Darstellung geht sie von der Prämisse aus, dass die von ihr sogenannte übliche Arbeitszeit zugleich die vom Arbeitgeber angeordnete bzw. von ihm geduldete Arbeitszeit gewesen ist. Konkrete Anhaltspunkte für die Richtigkeit dieser Prämisse sind von ihr jedoch nicht vorgetragen. Weder ist im Arbeitsvertrag eine „übliche“ oder eine „Kernarbeitszeit“ vereinbart, noch trägt sie vor, dass und insbesondere wann und wie eine solche Vereinbarung bzw. arbeitgeberseitige Anweisung erfolgt ist. Sie behauptet zwar, arbeitstäglich um 10:00 Uhr mit ihrer Arbeit begonnen zu haben. Dass sie dazu verpflichtet war oder eine entsprechende Verpflichtung annehmen durfte, wird von ihr substantiiert jedoch nicht vorgetragen.

bb) Sie trägt vor, „der Arbeitstag (begann) um 10:00 Uhr … mit der von der Beklagten gewünschten Herrichtung der Räumlichkeiten …“. Selbst wenn man diesen Vortrag dahingehend versteht, dass nicht nur der Inhalt der von der Beklagten gewünschten Tätigkeiten, sondern auch der Zeitpunkt, 10:00 Uhr morgens, von der Beklagten gewünscht war, so ist die Klägerin für eine derartige Arbeitsanweisung, wie von der Beklagten bestritten ist, beweisfällig geblieben. Die Klägerin trägt weiter vor, die Öffnungszeit der Kochschule bzw. des Büros der Kochschule sei „von 10:00 Uhr bis 19:00 Uhr“ gewesen. Sie hat jedoch weder dargelegt, dass und durch wen diese Öffnungszeiten überhaupt angewiesen wurden, noch, dass und durch wen gerade sie, die Klägerin, angewiesen war, während der vollständigen Öffnungszeiten anwesend zu sein. Nach alledem kann nicht angenommen werden, dass die von der Klägerin in der Anlage K 3 angenommene „übliche“ Arbeitszeit die von ihr vertraglich geschuldete Arbeitszeit war. Dies hat denknotwendigerweise zur Folge, dass die von der Klägerin angenommene Konsequenz, Arbeitszeit nach 19:00 Uhr sei als Überstunde zu berücksichtigen, rechtlich nicht haltbar ist.

cc) Außerdem hat die Klägerin auch nicht substantiiert vorgetragen, dass die von ihr behaupteten Arbeitsstunden erforderlich waren. Sie schildert zwar die Aufgaben und Tätigkeiten, die sie in der „üblichen“ Arbeitszeit ab 10:00 Uhr morgens erledigt haben will, wie Herrichtung der Räumlichkeiten (Licht anmachen, Kerzen anzünden, Fernsehen mit Dia-Show von aktuellen Veranstaltungen und Kursen anschalten, Anrufbeantworter abhören, Post kontrollieren, Rückfragen zu Kursen und Events beantworten, Angebote erstellen bzw. bei externen Dienstleistern wie Weinfachgeschäften, Zigarrenherstellern, Dekorationsfirmen etc. einholen, Menu-Besprechungen mit dem Kunden abhalten etc.). Es ist jedoch nicht erkennbar, welche Zeitanteile die einzelnen Aufgabenbereiche jeweils umfassten. Das Gericht kann daher nicht beurteilen, ob die dafür verbrauchten Zeiten, soweit sie sich nicht auf Kundenbetreuung während der Kochkurse und Events beziehen, erforderlich waren.

dd) Im Übrigen hat sie auch nicht im Einzelnen vorgetragen, aufgrund welcher Umstände der Beklagten bekannt sein musste, in welchem Umfang  sie, die Klägerin, im Kochstudio werktäglich arbeitet. Sie trägt zwar vor, sie habe jeden Tag einen Statusbericht an die Beklagte per Handy bzw. per E-Mail erstatten müssen. Dass dieser Statusbericht auch die Anzahl der von ihr an den jeweiligen Tag geleisteten Arbeitsstunden umfasste, ist nicht erkennbar. Auch aus Arbeitsplänen musste die Beklagte nicht wissen, dass und in welchem Umfang die Klägerin Mehrarbeit leistet. Tatsächlich sind solche Wochenpläne für die Arbeitszeit des Personals nämlich nur in einem Fall an die Beklagte gelangt.

Schließlich trägt die Klägerin auch nicht konkret vor, in den behaupteten Teambesprechungen zur Lage und Umfang der von ihr geleisteten Überstunden gegenüber der Beklagten Ausführungen gemacht zu haben. Weil die Beklagte bereits den konkreten Umfang der Überstunden der Klägerin nicht kannte, durfte umgekehrt die Klägerin nicht davon ausgehen, ihr Verhalten werde von der Beklagten toleriert, die Überstunden würden geduldet und sie, die Klägerin, dürfe wie bisher ihre Arbeitsleistung in der von ihr gehandhabten Zeiteinteilung fortführen.

Da nach alledem die Klägerin darlegungsfällig geblieben ist für die Ableistung der behaupteten Überstunden, steht ihr auch das dafür eingeklagte Arbeitsentgelt nicht zu. Bei dieser Sachlage ist es entscheidungsunerheblich, ob ein Vergütungsanspruch für Überstunden, wenn er bestünde, später wegen Nichteinhaltung der arbeitsvertraglichen Ausschlussfrist entfallen wäre.

2. Erfolgreich ist die Klägerin allerdings mit der Klage auf Abgeltung des Jahresurlaubs 2010.

a) Sie hat einen arbeitsvertraglichen Anspruch auf Jahresurlaub von 24 Arbeitstagen. Da sie, wie unbestritten, im Jahr 2010 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 15. Oktober 2010 keinen Urlaub benommen hatte, ist dieser von der Beklagten abzugelten (§ 7 Abs. 4 BUrlG). Zutreffend geht die Klägerin davon aus, dass der Abgeltungsanspruch sich hinsichtlich der Höhe auf den gesamten Jahresurlaub, d. h. auf Abgeltung von 24 Urlaubstagen, bezieht.

b) Entgegen der Rechtsmeinung der Beklagten ist dieser Urlaubsabgeltungsanspruch nicht nach den Regelungen von § 13 des Arbeitsvertrages verfallen. Die dort vereinbarte Ausschlussklausel ist unwirksam:

aa) Der vorliegende Arbeitsvertrag stellt einen Formulararbeitsvertrag dar, seine Regelungen sind zwischen den Parteien nicht im Einzelnen ausgearbeitet, sondern von der Beklagten formularmäßig vorformuliert worden. Der Arbeitsvertrag unterliegt daher der Inhaltskontrolle nach §§ 305 ff. BGB.

bb) Die in § 13 enthaltene Ausschlussklausel regelt, dass Ansprüche „innerhalb von 3 Monaten nach Fälligkeit, spätestens jedoch innerhalb von 3 Monaten nach Beendigung des Vertragsverhältnisses … geltend zu machen“ sind. Diese Regelung enthält eine unangemessene Benachteiligung der Klägerin, da sie nicht klar und verständlich ist (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB). Sie kann nach dem Wortlaut sowohl in dem Sinne ausgelegt werden, wie dies die Klägerin tut, dass die Ansprüche entweder 3 Monate nach Fälligkeit oder spätestens innerhalb von 3 Monate nach Beendigung geltend zu machen sind. Die Beklagte meint, dass die Alternativregelung in der Ausschlussklausel, wonach die Ansprüche spätestens 3 Monate nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses geltend zu machen sind, sich nur auf solche Ansprüche bezieht, die bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch nicht fällig waren. Dass die Alternativregelung „spätestens innerhalb von 3 Monaten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses“ sich ausschließlich auf noch nicht fällige Ansprüche bezieht, ist jedoch dem Text der Ausschlussklausel ausdrücklich nicht zu entnehmen und, nach Meinung des Gerichts, juristisch nicht vorgebildeten Vertragspartnern nicht deutlich. Bei arbeitsvertraglichen Ausschlussfristen ist im Übrigen die Unklarheitsregel des § 305c Abs. 2 BGB zu beachten. Danach gehen Zweifel bei der Auslegung allgemeiner Geschäftsbedingungen zu Lasten des Verwenders. Insgesamt erweist sich daher die Ausschlussklausel als unwirksam (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB).

Sonstige Bedenken gegen die dem Grunde und der Höhe nach zutreffende Forderung nach Urlaubsabgeltung sind weder geltend gemacht noch erkennbar.

Nach alledem ist wie erkannt zu entscheiden.

3. Der nach § 61 Abs. 1 ArbGG festzusetzende Streitwert entspricht der Summe der geltend gemachten Klagforderungen.

Die Parteien tragen die Verfahrenskosten im Verhältnis ihres beiderseitigen Obsiegens bzw. Unterliegens (§ 46 Abs. 2 ArbGG i. V. m. § 92 Satz 1 ZPO).

Die gesonderte Zulassung der Berufung ist nicht veranlasst. Diese Entscheidung ist in den Tenor mit aufzunehmen (§ 64 Abs. 3, 3a Satz 1 ArbGG).

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