Kündigungsschutz außerhalb des KSchG: Arbeitgeber muss soziale Rücksichtnahme walten lassen
Das Thüringer Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers gegen eine ordentliche Kündigung in einem Betrieb, der nicht vom Kündigungsschutzgesetz erfasst ist, abgewiesen. Die Kündigung wurde als wirksam erachtet, da sie weder willkürlich noch gegen das Maßregelungsverbot verstößt. Die Argumente des Klägers bezüglich Sozialwidrigkeit und fehlender betrieblicher Gründe für die Kündigung wurden als nicht ausreichend belegt angesehen.
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✔ Das Wichtigste in Kürze
Die zentralen Punkte aus dem Urteil:
- Wirksamkeit der Kündigung: Das Gericht hat die Kündigung als rechtsgültig bestätigt.
- Nichtanwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes: Der Betrieb fiel nicht unter das Kündigungsschutzgesetz, da weniger als zehn Arbeitnehmer beschäftigt wurden.
- Kein Verstoß gegen das Maßregelungsverbot: Der Kläger konnte keinen Beweis für einen Verstoß gegen das Maßregelungsverbot liefern.
- Fehlende soziale Rücksichtnahme: Es wurde kein Mangel an sozialer Rücksichtnahme durch den Arbeitgeber festgestellt.
- Begründung der Kündigung: Betriebliche Gründe wie Umsatzrückgang und Materialknappheit wurden als Kündigungsgrund angeführt.
- Ablehnung der Revision: Eine Revision des Falls wurde nicht zugelassen.
- Beweislast des Klägers: Der Kläger erfüllte seine Beweispflicht nicht, insbesondere in Bezug auf die behauptete Willkür und Sozialwidrigkeit der Kündigung.
- Berücksichtigung der sozialen Kriterien: Der Arbeitgeber hat soziale Kriterien, wie die Pflege eines Kindes und die Betriebszugehörigkeit, in seine Entscheidung einbezogen, wobei andere Faktoren stärker gewichtet wurden.
Übersicht:
- Kündigungsschutz außerhalb des KSchG: Arbeitgeber muss soziale Rücksichtnahme walten lassen
- Kündigungsschutz außerhalb des Kündigungsschutzgesetzes: Ein juristischer Überblick
- Streit um Kündigungsschutz außerhalb des gesetzlichen Rahmens
- Die Rolle der Darlegungslast im Kündigungsschutzverfahren
- Entscheidungsfindung des Landesarbeitsgerichts
- Sozialauswahl und wirtschaftliche Gründe als Entscheidungskriterien
- ✔ Wichtige Begriffe kurz erklärt
- Das vorliegende Urteil
Kündigungsschutz außerhalb des Kündigungsschutzgesetzes: Ein juristischer Überblick
In der Arbeitswelt stellen ordentliche Kündigungen und die damit verbundenen rechtlichen Auseinandersetzungen ein zentrales Thema dar. Besonders interessant wird es, wenn es um Kündigungen in Betrieben geht, die nicht unter das Kündigungsschutzgesetz fallen. Hierbei rücken Fragen der Darlegungslast und der Anwendbarkeit von Kündigungsschutzregelungen in den Fokus. Diese Konstellation wirft eine Vielzahl juristischer Fragen auf, darunter die Bewertung von Sozialauswahl und Kurzarbeit sowie die Grenzen des Maßregelungsverbots.
In einem solchen Kontext spielen die Entscheidungen von Arbeitsgerichten eine wesentliche Rolle, da sie präzedenzschaffend wirken können. Dabei muss das Gericht unter anderem bewerten, inwiefern betriebliche Gründe für eine Kündigung vorliegen und wie diese gegenüber sozialen Gesichtspunkten des gekündigten Arbeitnehmers zu gewichten sind. Die Berufung gegen ein erstinstanzliches Urteil und die damit verbundene Überprüfung der Entscheidungsgründe bietet eine tiefere Einsicht in die juristische Argumentation und Rechtsprechung zu diesem komplexen Thema.
Lesen Sie weiter, um einen detaillierten Einblick in einen solchen Fall zu erhalten, in dem das Thüringer Landesarbeitsgericht wichtige rechtliche Aspekte beleuchtet, die für Arbeitgeber und Arbeitnehmer von entscheidender Bedeutung sein können.
Streit um Kündigungsschutz außerhalb des gesetzlichen Rahmens
In einem bemerkenswerten Fall vor dem Thüringer Landesarbeitsgericht ging es um die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung in einem Betrieb, der nicht unter das Kündigungsschutzgesetz fällt. Der Kläger, ein seit 2007 beschäftigter Baufacharbeiter, wurde mit einer Kündigung konfrontiert, die er als unrechtmäßig ansah. Er machte geltend, dass die Kündigung in direktem Zusammenhang mit seinem Einspruch gegen die Einführung von Kurzarbeit und seinen daraus resultierenden Zahlungsansprüchen stehe. Diese Behauptung, sollte sie zutreffen, würde auf einen Verstoß gegen das Maßregelungsverbot hindeuten.
Die Rolle der Darlegungslast im Kündigungsschutzverfahren
Der Kern des Disputs lag in der Darlegungslast bei Kündigungsschutz. Der Kläger argumentierte, dass keine legitimen betrieblichen Gründe für seine Entlassung vorlagen und dass der Arbeitgeber bei der Kündigungsauswahl das Mindestmaß an sozialer Rücksichtnahme nicht gewahrt habe. Er verwies auf seine lange Betriebszugehörigkeit und die Tatsache, dass er ein Pflegekind versorge. Der Beklagte hingegen behauptete, die Kündigung sei aufgrund eines erheblichen Umsatzrückgangs und der daraus resultierenden wirtschaftlichen Notwendigkeit erfolgt.
Entscheidungsfindung des Landesarbeitsgerichts
Das Gericht wies die Berufung des Klägers zurück und erklärte die Kündigung für wirksam. In seiner Entscheidung stellte das Gericht fest, dass die Anforderungen des Kündigungsschutzgesetzes nicht anwendbar waren, da der Betrieb weniger als zehn Arbeitnehmer beschäftigte. Weiterhin wurde festgehalten, dass der Kläger in seiner Argumentation und Beweisführung zu kurz griff. Er konnte weder einen Verstoß gegen das Maßregelungsverbot noch die Willkür oder Sozialwidrigkeit der Kündigung ausreichend belegen.
Sozialauswahl und wirtschaftliche Gründe als Entscheidungskriterien
Die Richter betonten, dass eine Kündigung auch außerhalb des Kündigungsschutzgesetzes nicht willkürlich oder treuwidrig sein dürfe und stützten sich auf die Darlegungen des Beklagten bezüglich des Umsatzrückgangs und des Wegfalls von Auftraggebern. Zudem wurde die soziale Schutzbedürftigkeit des Klägers in Betracht gezogen, wobei der Beklagte nach Ansicht des Gerichts das Mindestmaß an sozialer Rücksichtnahme gewahrt hatte. Dies wurde unter anderem durch die Berücksichtigung anderer sozialer Kriterien, wie das Lebensalter und die Unterhaltsverpflichtungen anderer Mitarbeiter, begründet.
Das Urteil des Thüringer Landesarbeitsgerichts zeigt die Komplexität von Kündigungsschutzfällen auf, insbesondere in kleineren Betrieben, die nicht unter das Kündigungsschutzgesetz fallen. Es verdeutlicht die Bedeutung einer fundierten Argumentation und Beweisführung für Arbeitnehmer, die gegen ihre Kündigung vorgehen möchten.
✔ Wichtige Begriffe kurz erklärt
Was bedeutet die Darlegungslast beim Kündigungsschutz außerhalb des Kündigungsschutzgesetzes?
Die Darlegungslast beim Kündigungsschutz außerhalb des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) bezieht sich auf die Verantwortung, die ein Arbeitnehmer trägt, um das Vorliegen eines Kündigungsgrundes zu beweisen. Im Gegensatz zum KSchG, wo der Arbeitgeber die Tatsachen beweisen muss, die die Kündigung bedingen, gilt diese Regel außerhalb des KSchG nicht.
Arbeitnehmer sind auch außerhalb des KSchG nicht schutzlos. Sie sind durch die zivilrechtlichen Generalklauseln vor einer sittenwidrigen oder treuwidrigen Kündigung (§§ 138, 242 BGB) durch den Arbeitgeber geschützt. Allerdings ist die Darlegungs- und Beweislast für den Kündigungsgrund aus Sicht des Arbeitnehmers ungünstiger, da er die Beweislast für das Vorliegen eines Kündigungsgrundes trägt.
Die Rechtsprechung versucht, den Schutz des Arbeitnehmers durch eine Abstufung der Darlegungs- und Beweislast zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern sicherzustellen. Dies bedeutet, dass der Arbeitgeber ein eigenes Interesse daran darlegen muss, gerade diesem Arbeitnehmer zu kündigen.
Es ist auch zu erwähnen, dass der Arbeitgeber, da er keinen Sachgrund zum Ausspruch der Kündigung benötigt, nicht verpflichtet ist, einen Kündigungsgrund anzugeben.
Trotzdem ist es wichtig, dass der Arbeitgeber im Fall einer Kündigung ein durch Art. 12 GG gebotenes Mindestmaß an sozialer Rücksichtnahme wahren muss. Eine Kündigung, die dieser Anforderung nicht entspricht, verstößt gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) und ist deshalb unwirksam.
Die Klage gegen eine Kündigung außerhalb des Anwendungsbereichs des KSchG unterliegt allerdings gleichwohl der dreiwöchigen Klagefrist, §§ 13, 4 KSchG.
Das vorliegende Urteil
Thüringer Landesarbeitsgericht – Az.: 4 Sa 184/21 – Urteil vom 21.06.2023
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Nordhausen vom 21.7.2021 – 2 Ca 168/21 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung in einem nicht vom Kündigungsschutzgesetz erfassten Betrieb.
Der verheiratete Kläger, gelernter Baufacharbeiter, war seit dem 16.03.2007 beim Beklagten als Palettenbauer mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden und einem Stundenlohn von zuletzt 10,20 € brutto beschäftigt.
Der Beklagte erteilte dem Kläger unter dem 08.09.2020 eine Abmahnung, in welcher er dem Kläger vorwarf, geäußert zu haben, die Mitarbeiterin C……… M………, die Ehefrau des Beklagten, drehe „linke Dinger“.
Insgesamt vom 01.04.2020 bis zum 29.02.2021 führte der Beklagte in seinem Betrieb Kurzarbeit ein. Der Kläger stimmte dem jeweils zu (Bl. 125 – 127 der Akte).
Im Jahre 2021 führte der Kläger beim Arbeitsgericht Nordhausen zum Az. 2 Ca 28/21 ein Verfahren gegen den Beklagten vor dem Hintergrund, dass er die Einführung der Kurzarbeit für unrechtmäßig hielte und machte entsprechende Zahlungsansprüche geltend.
Mit Schreiben vom 25.02.2021 kündigte der Beklagte dem Kläger zum 31.10.2021. Zu diesem Zeitpunkt beschäftigte er insgesamt einschließlich des Klägers 7 Arbeitnehmer*innen.
Mit der dem Beklagten am 06.03.2021 zugestellten Klage hat der Kläger die Unwirksamkeit der Kündigung geltend gemacht.
Die Kündigung sei lediglich erfolgt, weil er Zahlungsansprüche wegen der seiner Meinung nach unwirksamen Einführung von Kurzarbeit erhoben habe. Das sei ein Verstoß gegen das Maßregelungsverbot. Das ergäbe sich auch daraus, dass am 25.02.2021 ein Gespräch stattgefunden habe, bei dem es um die Verlängerung der bestehenden Kurzarbeit gegangen sei. In diesem Gespräch und später auch gegenüber dem als Zeugen benannten Mitarbeiter P……. habe der Beklagte erklärt, dass gekündigt werde, wenn sie der Kurzarbeiter-Regelung nicht wieder zustimmten.
Außerdem sei die Kündigung willkürlich, denn es seien keine betrieblichen Gründe dafür erkennbar und bei der Auswahl seiner, des Klägers, Person zur Kündigung habe der Beklagte nicht einmal ein Mindestmaß an sozialer Rücksichtnahme walten lassen.
Der Beklagte hat behauptet, die Kündigung beruhe auf einem Auftragsrückgang. Der Umsatz sei von April 2020 bis April 2021 von 77.119,50 € auf 24.755,16 € zurückgegangen. Mehrere Auftraggeber, z. B. die J…………………… GmbH, seien vollständig weggebrochen. Hierauf habe er zunächst mit der Einführung von Kurzarbeit reagiert. Aufgrund der Holzkrise und Materialknappheit habe sich die wirtschaftliche Lage weiter verschlechtert, sodass trotz der Kurzarbeit die Kündigung eines Mitarbeiters notwendig gewesen sei.
Er habe den Kläger zur Kündigung ausgewählt, weil andere Mitarbeiter höhere Unterhaltspflichten hätten und über eine bessere Ausbildung verfügten. Die Mitarbeiter P…….., M……… und K……… seien zudem wesentlich älter und hätten unmittelbar vor dem Renteneintritt gestanden. Diese seien aus seiner, des Beklagten, Sicht wesentlich schutzwürdiger. Ferner gäbe es auch Mitarbeiter, die Kindern oder behinderten Kindern unterhaltsverpflichtet seien. Die Tatsache, dass der Kläger ein Pflegekind zu versorgen habe, habe er nicht berücksichtigt, weil der Kläger für dieses Kind Pflegegeld beziehe. Die finanzielle Versorgung sei somit ohnehin sichergestellt. Eine Rolle habe auch gespielt, dass der Kläger seiner Ehefrau gegenüber beleidigend und unsachlich geworden sei.
Wegen des weiteren unstreitigen und streitigen Vortrags im ersten Rechtszug sowie der dort gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (S. 2 und 3 des Urteilsabdrucks – Bl. 55 und 56 der Akte) Bezug genommen.
Mit Urteil vom 21.07.2021 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen.
Die strengen Kriterien der Sozialauswahl seien nicht anzuwenden. Der erste Abschnitt des Kündigungsschutzgesetzes sei nicht anwendbar, weil der Beklagte nicht mehr als zehn Arbeitnehmer*innen im Sinn des § 23 Abs. 1 KSchG beschäftige. Der Beklagte habe das Mindestmaß sozialer Rücksichtnahme nicht unterlassen. Abgesehen davon, dass der Kläger für seine Behauptungen nicht ordnungsgemäß Beweis angeboten habe, habe er auch weder zu seinem noch zum Lebensalter der anderen Mitarbeiter vorgetragen. Dieses sei aber in eine Gesamtabwägung mit einzustellen. Im Übrigen sei es nicht zu beanstanden, dass der Beklagte die aus dessen Sicht vorliegende, durch den Kläger verursachte Verschlechterung des Betriebsklimas berücksichtigt habe.
Ein Verstoß gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB liege nicht vor. Der Kläger habe nicht substantiiert dargelegt und auch nicht unter Beweis gestellt, dass der Beklagte die Kündigung gerade wegen des vorangegangenen Verfahrens 2 Ca 48/21 ausgesprochen habe. Die vom Kläger angeführte Drohung gegenüber dem Mitarbeiter P……… sei nicht erheblich, weil diese Drohung nicht dem Kläger gegenüber erfolgte. Der Kläger habe offengelassen, ob auch ihm gegenüber geäußert worden sei, wenn er der Kurzarbeit nicht zustimme, werde er gekündigt. Im Übrigen sei anerkannt, dass die Ablehnung eines Änderungsangebotes zu den Arbeitsbedingungen nur unter besonderen Voraussetzungen als Grundlage für einen Verstoß gegen das Maßregelungsverbot in Betracht komme. Das setze allerdings voraus, dass das Motiv für die Änderung selbst eine unzulässige Rechtsausübung im Sinne einer Maßregelung sei. Das sei hier nicht der Fall.
Soweit der Kläger die betrieblichen Gründe und die Situation des Beklagten aufgrund der Corona-Pandemie generell bestreite, habe er das weder näher dargelegt noch unter Beweis gestellt.
Gegen das am 09.08.2021 zugestellte Urteil hat der Kläger mit am 17.08.2021 eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese gleichzeitig begründet.
Das Arbeitsgericht habe hinsichtlich der sozialen Schutzbedürftigkeit den Sachvortrag nicht hinreichend berücksichtigt, habe Beweisangebote übergangen und fehlerhafte Wertungen vorgenommen. Auch bei einer Kündigung außerhalb des Kündigungsschutzgesetzes müsse bei der Auswahl des zu Kündigenden die soziale Schutzbedürftigkeit berücksichtigt werden. Er, der Kläger, weise die längste Betriebszugehörigkeit auf. Der Mitarbeiter P…….. sei erst seit 2015, der Mitarbeiter S……. seit 2018, der Mitarbeiter M……. seit 2010, der Mitarbeiter W……. seit 2020 und der Mitarbeiter P…………….. auch seit 2020 beschäftigt. Demgegenüber sei er, der Kläger, seit 01.03.2007 beschäftigt. Das Arbeitsgericht habe nicht übergehen dürfen, dass er, der Kläger, für die Sorge eines Pflegekindes aufzukommen habe. Er, der Kläger, sei ganz offensichtlich klar schutzbedürftiger als alle anderen Mitarbeiter. Er sei mit allen vergleichbar. Andere Mitarbeiter wiesen keine bessere berufliche Qualifikation als er auf. Es habe nicht berücksichtigt werden dürfen, dass sich der Beklagte auf die mit einer Abmahnung geahndeten Vorwürfe des fehlerhaften Verhaltens gegenüber der Ehefrau des Beklagten berufe. Die entsprechenden Behauptungen habe er, der Kläger, hinreichend bestritten. Diesbezüglich sei zu berücksichtigen, dass kleinere Fehler oder auch sonstige Leistungsmängel insoweit nur Berücksichtigung finden dürften, wenn diese vom Arbeitgeber im Rahmen einer sekundären Darlegungslast hinreichend konkret vorgetragen seien.
Soweit das Gericht die erstinstanzlich unterbreiteten Beweisangebote für nicht ausreichend gehalten habe, hätte es zunächst darauf hinweisen müssen. Im Übrigen wird Bezug genommen auf den Sachvortrag zur Berücksichtigung der sozialen Schutzbedürftigkeit auf Seiten 4 bis 9 (Bl. 93 – 98 der Akte) sowie 11 ab Gliederungspunkt 2.1 bis 15 (Bl. 100 – 104 der Akte) der Berufungsbegründung.
Das Arbeitsgericht habe nicht berücksichtigt, dass es tatsächlich nicht aufgrund der Covid-19- Pandemie zu einem Auftragsrückgang beim Berufungsbeklagten gekommen sei, sondern dass es Ausweitungen an Aufträgen gegeben habe. Es habe keine Holzkrise gegeben. Er, der Kläger, habe ausdrücklich bestritten, dass der Umsatz in angegebener Höhe zurückgegangen sei und dass Auftraggeber weggebrochen seien. Er, der Kläger, habe noch für die angeblich weggebrochenen Auftraggeber Paletten gebaut.
Die Kündigung sei ausgesprochen worden, weil er, der Kläger, in einem anderen Verfahren Zahlungsansprüche vor dem Hintergrund der unwirksamen Anordnung von Kurzarbeit geltend gemacht habe. Das ergäbe sich auch daraus, dass in einem Gespräch vom 15.02.2021 der Beklagte mitgeteilt habe, wenn der Kurzarbeit nicht zugestimmt werde, müsse gekündigt werden. Der Beklagte habe in einem Gespräch am 15.02.2021 dies auch dem Zeugen P…….. gegenüber geäußert. Damit sei klar, dass, wer sich gegen die Kurzarbeit wehre, gekündigte würde. Hinsichtlich des weiteren Vorbringens im Berufungsrechtszug zum Verstoß gegen das Maßregelungsverbot wird Bezug genommen auf den letzten Druckabschnitt auf S. 3 der Berufungsbegründung (Bl. 92 der Akte), S. 7 unter Gliederungspunkt 1.2 bis S. 8 oben (Bl. 96 und 97 der Akte), S. 10 ab Gliederungspunkt 1.4 bis S. 11 Mitte (Bl. 99 und 100 der Akte) und S. 15 und 16 ab Gliederungspunkt 2.2 (Bl. 104 – 105 der Akte) der Berufungsbegründung.
Der Kläger beantragt, in Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Nordhausen vom 21.07.2021, 2 Ca 168/21, wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die auf den 25.02.2021 datierte Kündigung nicht beendet worden ist, und in Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Nordhausen vom 21.07.2021, 2 Ca 168/21, wird der Berufungsbeklagte verpflichtet, den Berufungsführer vollschichtig als Palettenbauer über den 31.07.2021 hinaus bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreits weiterzubeschäftigen.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens. Zum Kündigungszeitpunkt hatte der Berufungskläger die Vereinbarungen über die Einführung der Kurzarbeit bereits unterzeichnet. Im Februar 2021 sei keine weitere Kurzarbeit geplant gewesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist unbegründet.
Die Kündigung vom 25.02.2021 ist wirksam und hat das Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der Kündigungsfrist mit Ablauf des 31.07.2021 beendet.
Die Kündigung ist nicht wegen Sozialwidrigkeit unwirksam, weil der erste Abschnitt des Kündigungsschutzgesetzes unstreitig keine Anwendung findet.
Die Kündigung ist weder treuwidrig, noch sittenwidrig, noch willkürlich; sie verstößt nicht gegen das Maßregelungsverbot.
Die Kündigung ist nicht willkürlich und nicht treuwidrig. Der Kläger ist diesbezüglich seiner Darlegungs- und Beweislast nicht nachgekommen.
Eine Kündigung ist willkürlich und kann gegen den Grundsatz von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB verstoßen, wenn sie ohne jeglichen sachlichen Grund ausgesprochen wird. Auch außerhalb des Kündigungsschutzgesetzes bedarf sie einer rechtlich zulässigen Motivation und eines plausiblen sachlichen Grundes.
Außerhalb des ersten Abschnitts des KSchG ist der*die klagende Arbeitnehmer*in darlegungs- und beweispflichtig für Tatsachen, welche die Treuwidrigkeit, die Willkür oder Sittenwidrigkeit ergeben. Es kann zu Gunsten des Klägers davon ausgegangen werden, dass es zunächst ausreicht, eine entsprechende Behauptung aufzustellen. Sodann wäre der*die beklagte Arbeitgeber*in gehalten, seine*ihre Motive offenzulegen und zwar so substantiiert, dass der*die klagende Arbeitnehmer*in erkennen kann, auf welche Art und Weise und mit welchen Mitteln er*sie diesen Sachvortrag widerlegen kann.
Hier hat der Beklagte dargelegt, dass der Umsatz von April 2020 bis April 2021 auf 1/3 zurückgegangen sei. Er hat dargelegt, dass ein namentlich benannter Auftraggeber weggebrochen sei. Er hat ferner dargelegt, dass Materialknappheit geherrscht habe.
Er hat ferner dargelegt, dass er zunächst mit Einführung von Kurzarbeit versucht hat, die Kündigungen zu vermeiden und das sich für ihn aufgrund der dargestellten wirtschaftlichen Zahlen im Februar 2021 die Situation ergeben habe, trotz dieser Kurzarbeit eine Kündigung aussprechen zu müssen.
Der Kläger hat diesen Sachvortrag nur einfach bestritten. Das reicht nicht aus. Zum Vollbeweis gehört es, diesen Sachvortrag zu widerlegen. Das hätte ihm auch gelingen können, denn der Sachvortrag des Beklagten lässt die Beweismittel erkennen. Soweit der Kläger nur pauschal und ohne ins Einzelne zu gehen und konkret zu werden vorträgt, er habe für den weggebrochenen Kunden kurz zuvor noch Paletten gebaut, ist dies nicht hinreichend konkret genug. Er benennt auch nicht etwa den namentlich benannten Kunden bzw. dessen Mitarbeiter als Beweismittel. Er benennt überhaupt keine Beweise, sondern begnügt sich mit einfachem Bestreiten.
Hierauf war nicht nochmals hinzuweisen und dem Kläger Gelegenheit zu geben, gegebenenfalls seinen Sachvortrag zu ergänzen oder Beweisangebote zu machen. Denn erstens hat schon das Arbeitsgericht auf S. 6 in den Zeilen 28 – 30 der angefochtenen Entscheidung (Bl. 59 der Akte) den Aspekt angesprochen, dass der Kläger seiner Beweislast nicht nachgekommen sei. Die Kammer hat in der mündlichen Verhandlung vom 21.06.2023 hierauf hingewiesen und das Thema erörtert.
Der Beklagte hat bei der Auswahl des Klägers zur Kündigung auch nicht das Mindestmaß an sozialer Rücksichtnahme unterschritten. Auch dafür, dass das Mindestmaß an sozialen Gesichtspunkten und sozialer Schutzbedürftigkeit nicht gewahrt worden sei, ist der Kläger darlegungs- und beweispflichtig.
Um in einer solchen Gemengelage diesen Gesichtspunkt beurteilen zu können, ist es auch notwendig, das Kriterium des Lebensalters einzubeziehen. Weder in erster Instanz noch im zweiten Rechtszug hat der Kläger zum Lebensalter der Mitarbeiter*innen vorgetragen. Diesen Gesichtspunkt hat das Arbeitsgericht in der angefochtenen Entscheidung ausführlich erörtert. Im Übrigen hat der Beklagte im ersten Rechtszug auf S. 2 seines Schriftsatzes vom 25.05.2021 (Bl. 37 der Akte) die Kriterien seiner Auswahl offengelegt.
Danach sei ein Mitarbeiter schon länger als der Kläger, nämlich seit dem Jahr 2006 bei ihm beschäftigt gewesen. Die Mitarbeiter S……. und M…… P………….. seien Kindern oder behinderten Kindern unterhaltsverpflichtet. Andere Mitarbeiter verfügten über eine bessere Ausbildung und seien ihren Ehefrauen zum Unterhalt verpflichtet. Der Kollege P…….., der Kollege M……. und der Kollege K…….. seien wesentlich älter als der Kläger und stünden unmittelbar vor dem Renteneintritt, was der Beklagte als sozial wesentlich schutzbedürftiger eingeordnet habe. Auch den Umstand, dass der Kläger ein Pflegekind zu versorgen hat, hat der Beklagte berücksichtigt, aber auch, dass die finanzielle Versorgung des Kindes über das Pflegegeld abgesichert sei.
Auch diesen Sachvortrag hat der Kläger nicht widerlegt und nicht hinreichend anderen Sachvortrag gehalten. Mit den vom Beklagten offengelegten Auswahlkriterien beachtet er gerade das Mindestmaß an sozialer Rücksichtnahme. Es sind nicht die strengen Kriterien von § 1 Abs. 3 KSchG anzusetzen. Im Hinblick darauf ist die vom Beklagten dargelegte Auswahl nicht zu beanstanden. Der Kläger geht nur von einer offensichtlichen größten Schutzbedürftigkeit seiner Person aus, ohne dieses irgendwie weiter zu belegen. Zwar verweist er auf seine lange Betriebszugehörigkeit und die Sorge für ein Pflegekind. Das ist in der Tat in die Überlegungen einzustellen. Allerdings ist nicht zu beanstanden, dass der Beklagte dem Lebensalter Bedeutung eingeräumt hat. Hierzu trägt der Kläger nicht vor. Es ist auch nicht zu beanstanden, dass der Beklagte die finanzielle Absicherung über die Zahlung eines Pflegegeldes berücksichtigt hat, sodass die Sorge für das Pflegekind gegenüber den anderen vom Beklagten berücksichtigten sozialen Kriterien in den Hintergrund geriet.
Die Kündigung verstößt schließlich nicht gegen das Maßregelungsverbot. Insoweit nimmt die Kammer zunächst Bezug auf die ausführlichen und überzeugenden Gründe in der angefochtenen Entscheidung, folgt diesen und macht sich diese zu Eigen (§ 69 Abs. 2 ArbGG).
Die Ausführungen in der Berufung veranlassen folgende ergänzende Bemerkungen:
Der Kläger ist voll beweispflichtig für die Kausalität zwischen der von ihm behaupteten zulässigen Rechtsausübung seinerseits und dem Ausspruch der Kündigung. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil 25.11.1993 – 2 AZR 517/93, NZA 1994, 837) besteht diesbezüglich keine Beweiserleichterung.
Selbst aber, wenn zugunsten des Klägers von der Rechtsprechung des BAG abgewichen würde und man ausreichen ließe, dass der Kläger ein Indiz vorträgt, welches den Schluss darauf zuließe, die Kündigung sei als Maßregelung wegen einer zulässigen Rechtsausübung ausgesprochen worden und diesbezüglich dann den Arbeitgeber dafür darlegungspflichtig hielte, dieses Indiz zu widerlegen, verhülfe dies der Klage hier nicht zum Erfolg.
Der Kläger hat lediglich plausibel einen zeitlichen Zusammenhang zwischen seiner Zahlungsklage gegen den Beklagten und dem Ausspruch der Kündigung dargelegt. Dies ist auch unstreitig. Das kann darauf hindeuten, dass die Kündigung wegen der Zahlungsklage ausgesprochen wurde, was eine Maßregelung darstellen könnte. Das weiter vom Kläger vorgetragene Indiz ist völlig unverständlich. Nach nicht bestrittenen Sachvortrag des Beklagten, der in zweiter Instanz und auch noch in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer klargestellt worden ist, war im Februar 2021 keine weitere Kurzarbeit mehr geplant. Inwiefern in der Situation die Äußerung gegenüber einem Kollegen des Klägers über die Folgen der Zustimmungsverweigerung zur Kurzarbeit einen Zusammenhang zwischen Klage des Klägers und der Kündigung belegen soll, ist der Kammer nicht verständlich.
Nach unbestrittenem Vortrag des Beklagten hatte der Kläger jeder Kurzarbeits-Vereinbarung zugestimmt.
Allenfalls denkbar wäre, und dies mag für den Fortlauf der Prüfung zugunsten des Klägers unterstellt werden, dass damit gesagt sein soll, dass der Beklagte auch Mitarbeiter*innen, die sich nachträglich gegen die Einführung der Kurzarbeit wehren, obschon sie zunächst zugestimmt haben, eine Kündigung erhalten würden, könnte auf eine Maßregelung hindeuten. Damit wäre dann das Verhalten des Klägers gemeint, dass er erst der Kurzarbeit zustimmt und sodann Zahlungsklage erhebt. Allerdings sind dieser Zusammenhang und diese Interpretation der Äußerungen eher fernliegend und nicht besonders plausibel.
Aber auch das zugunsten des Klägers angenommen, hat der Beklagte hinreichend widerlegt, dass die Kündigung im Zusammenhang mit der vorherigen Erhebung der Zahlungsklage steht.
Er hat die Gründe für die Kündigung, die rein betrieblicher Natur sind, dargelegt und der hierfür widerlegungspflichtige Kläger hat dies nicht widerlegt (s. o.).
Damit ist es dem Kläger insgesamt nicht gelungen den erforderlichen kausalen Zusammenhang zwischen der von ihm erhobenen Zahlungsklage und der ihm gegenüber ausgesprochenen Kündigung darzulegen geschweige denn zu beweisen.
Der Kläger trägt die Kosten seiner erfolglosen Berufung.
Gründe für die Zulassung der Revision bestanden nicht.