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Darlehensvertrag – Unwirksamkeit einer Rückzahlungsvereinbarung

ArbG Siegburg – Az.: 1 Ca 1987/17 – Urteil vom 02.08.2018

1.) Klage und Widerklage werden abgewiesen.

2.) Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger zu 65 %, der Beklagten zu 35 % auferlegt.

3.) Der Streitwert wird auf 15.473,07 EUR festgesetzt.

4.) Die Berufung wird, soweit sie nicht von Gesetzes wegen zulässig ist, nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten, nachdem der Rechtsstreit im Übrigen durch teilweise Klagerücknahme erledigt ist, über Entgeltansprüche aus einem beendeten Arbeitsverhältnis und einen Anspruch auf Rückzahlung aus einer als Darlehensvertrag überschriebenen Vereinbarung.

Der Kläger ist philippinischer Staatsangehöriger. Die Beklagte betreibt eine Pflegeeinrichtung in C-Stadt. In 2012/2013 warb der Geschäftsführer der Beklagten auf den Philippinen mehrere ausgebildete Pflegekräfte für eine künftige berufliche Tätigkeit bei der Beklagten in Deutschland an, darunter den Kläger. Über Facebook kam es zwischen den angeworbenen Personen und dem Geschäftsführer der Beklagten zu einer umfangreichen Korrespondenz darüber, dass zuerst auf den Philippinen Deutschkurse zu absolvieren seien, die Beschäftigung bei der Beklagten in Deutschland sodann zunächst als Assistenz einer Pflegekraft („nurse assistent“) erfolgen werde, um eine Anerkennung der Formalqualifikation in Deutschland zu erreichen, und dass im Hinblick auf von der Beklagten zu verauslagende Kosten ein Darlehensvertrag („loan contract“) zwischen den Parteien geschlossen werden solle. Die angeworbenen Personen nahmen ab Oktober 2013 auf den Philippinen an Deutschkursen teil. Zur Bestreitung des Lebensunterhaltes während der Dauer der Kurse erhielten der Kläger und die anderen angeworbenen Pflegekräfte von Oktober 2013 bis August 2016 eine Taschengeldzahlung („pocket money“). Außerdem bestritt die Beklagte die Kosten für die Deutschkurse. Im Sommer 2016 übersiedelte der Kläger nach Deutschland. Am 06.09.2016 schlossen die Parteien einen auf den 15.09.2017 befristeten Arbeitsvertrag über eine Beschäftigung als Pflegehelfer bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von mindestens 10,85 Stunden und einer Vergütung von mindestens 449,79 EUR brutto. Am 13.12.2016 schlossen die Parteien sodann einen Arbeitsvertrag, der einen Arbeitsbeginn am 01.11.2016 vorsah, zum 30.10.2017 befristet war und eine Beschäftigung als Pflegekraft zu einem Bruttomonatsverdienst von 530,00 EUR bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 10 Stunden vorsah. Ebenfalls am 13.12.2016 schlossen die Parteien einen Vertrag, der als „Darlehensvertrag“ überschrieben ist und in dem es u.a. heißt:

„§ 1 Darlehenshöhe/Zinsen

Der Darlehensnehmer hat vom Darlehensgeber, nach mündlicher Absprache, ein Darlehen in Höhe von EUR 12.591,68 erhalten, das mit 2,5 % zu verzinsen ist.

§ 2 Rückzahlung

Das Darlehen wird in monatlichen Raten in Höhe von EUR 400,00, beginnend mit dem 01.06.2017 (Anerkennung zur Pflegefachkraft) zurückgezahlt. Der Darlehensgeber dar die Rückzahlungsraten mit den jeweiligen Vergütungsansprüchen des Darlehensnehmer verrechnen. Hierzu wird der Darlehensgeber den monatlichen Auszahlungsanspruch des Darlehensnehmer entsprechend kürzen.

§ 3 Abtretung und Verpfändung

Die Abtretung und Verpfändung der Vergütung des Darlehensnehmer ist ausgeschlossen.

§ 4 Beendigung des Arbeitsverhältnisses

Endet das Arbeitsverhältnis, wird der noch ausstehende Restbetrag sofort fällig. Dies gilt nicht in Fällen betriebsbedingter Kündigung durch den Darlehensgeber oder fristloser Eigenkündigung des Darlehensnehmers aus wichtigem Grund.

Ausgenommen hiervon ist eine Kündigung seitens des Darlehensgebers innerhalb der Probezeit oder der Auslauf des geschlossenen Jahresvertrages, in diesem Fall ist der ausstehende Restbetrag ebenfalls sofort fällig. … “ (Bl. 11 d.A.)

Zur Erlangung der Anerkennung der Formalqualifikation als Pflegekraft und Vorbereitung auf die hierfür erforderliche Kenntnisprüfung nahm der Kläger vom 16.09.2016 bis April 2017 an Kursen der Fortbildungsakademie der Wirtschaft teil. Für die entsprechenden Kosten kam die Beklagte auf, außerdem trug die Beklagte die Kosten für die Lehrmittel, Unterkunft und Verpflegung des Klägers und der übrigen philippinischen Pflegekräfte.

In der Folgezeit führte die Beklagte sogenannte Schattendienste ein, die jedenfalls zunächst freiwillig waren, ca. einmal wöchentlich stattfanden, höchstens 10 Stunden in der Woche dauerten und für die philippinischen Mitarbeiter, also auch den Kläger, darin bestanden, Pflegefachkräfte bei ihrer Tätigkeit begleiten. Dadurch sollten die Kenntnisse der deutschen Sprache dadurch gefördert werden, dass die philippinischen Mitarbeiter einer Pflegefachkraft als „Schatten“ folgten und sich nur in deutscher Sprache mit ihr unterhalten sollten.

Nachdem der Kläger seine Arbeit eingestellt hatte, verlangte die Beklagte die Zahlung des in dem Vertrag vom 16.12.2016 als Darlehenssumme vereinbarten Betrages.

Der Kläger begehrt die Zahlung von Vergütung für Schattendienste in den Monaten Juni bis August 2017. Er behauptet, seine wöchentliche Arbeitszeit habe nicht mehr nur 10,85 Stunden, sondern mindestens 40 Stunden in der Woche betragen. Der Schattendienst sei im Januar 2017 gestartet worden. Am Anfang sei der Schattendienst für die Beteiligten angenehm gewesen. Ab Ende Januar 2017 seien die Beteiligten bereits im Schattendienstplan fest geplant worden, somit sei der Schattendienst nicht mehr freiwillig gewesen und habe angetreten werden müssen. Schnell habe der Dienst seine Ausgangsbedingungen verändert. Es hätten kaum Begleitungen durch das Fachpersonal stattgefunden, sodass das Erlernen der deutschen Sprache kaum habe vertieft werden können. Konversation mit den Bewohnern sei nur sehr bedingt möglich gewesen, da diese oft nicht mehr reden könnten oder auch nur in Mundart sprächen. Die Gruppe um den Kläger habe feste Arbeiten ohne Anleitung eigenständig ausführen und zu den Dienstplanungen erscheinen müssen. Der Kläger vertritt die Auffassung, der Darlehensvertrag vom 16.12.2016 sei nichtig. Er behauptet, er habe die Folgen nicht richtig einschätzen können und sei im Vorfeld nicht hinreichend aufgeklärt worden. Die ausgewiesene Darlehenssumme sei nicht erläutert worden. Die Darlehenssumme entspreche der Höhe nach nicht den Aufwendungen der Beklagten und sei nicht ausgekehrt worden.

Unter Klagerücknahme im Übrigen beantragt der Kläger, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger zu zahlen:

a. Lohnforderung Juni 2017: 1.081,13 EUR brutto, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.07.2017,

b. Lohnforderung Juli 2017: 1.027,32 EUR brutto, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.08.2017,

c. Lohnforderung August 2017: 772,94 EUR brutto, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2017.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Im Wege der Widerklage beantragt die Beklagte, den Kläger zu verurteilen, an sie 12.591,68 EUR, zuzüglich Zinsen in Höhe 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der europäischen Zentralbank seit dem 03.10.2017 zu zahlen.

Der Kläger beantragt, die Widerklage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, der Kläger habe im Juni, Juli und August 2017 einschließlich der Schattendienste jeweils nicht einmal 40 Stunden Dienst gehabt. Die Schattendienste seien aufgrund einer entsprechenden Empfehlung der Fortbildungsakademie eingeführt worden, seien durchgängig freiwillig gewesen und hätten darin bestanden, eine Pflegefachkraft zu begleiten. Weder der Kläger noch die anderen philippinischen Mitarbeiter hätten während der Schattendienste Arbeiten ohne Anleitung selbständig ausgeführt. Soweit der Kläger und die übrigen philippinischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an Dienstplanungen teilgenommen hätten, sei es ausschließlich darum gegangen, diese den Pflegefachkräften zuzuordnen. Im Hinblick auf die Widerklage vertritt die Beklagte die Auffassung, die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Rückzahlungsvereinbarung von Aus- und Fortbildungskosten finde keine Anwendung, da sie sich auf Aus- und Fortbildungskosten beziehe, die während des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses anfielen und vom Arbeitgeber getragen würden. Die Kosten, auf die sich der zwischen den Parteien geschlossene Darlehensvertrag beziehe und die die Beklagte darlehensweise gewährt habe, seien jedoch alle vor dem Zeitpunkt entstanden, zu dem die Parteien eine arbeitsvertragliche Bindung eingegangen seien. Kosten, die vor der Einreise des Klägers in die Bundesrepublik Deutschland entstanden seien und durch die es ihm ermöglicht worden sei, überhaupt im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland tätig zu werden. Die Erwägung, die der Rechtsprechung für die Frage der Geltung von Rückzahlungsvereinbarung für Aus- und Fortbildungskosten, die während des Arbeitsverhältnisses erbracht würden, zugrunde lägen, träfen auf Ausbildungskosten, die entstanden seien bzw. entstünden, ehe überhaupt feststehe, ob ein Arbeitsverhältnis begründet werde bzw. ehe überhaupt ein Arbeitsverhältnis begründet worden sei, nicht zu. Unter Bezugnahme auf eine tabellarische Aufstellung von Kosten und Auslagen (Anlage B 6 zur Klageerwiderung vom 19.12.2017, Blatt 90 ff. der Akte) behauptet die Beklagte, sie habe für den Kläger Kosten in Höhe der vereinbarten Darlehenssumme verauslagt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Akte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Klage und Widerklage sind zulässig, aber unbegründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf restliche Vergütung für die Monate Juni bis August 2017. Seine Klage ist unschlüssig, denn es fehlt schon an der konkreten Darlegung, von wann bis wann er überhaupt gearbeitet haben will. Den Kläger trifft insoweit die Darlegungs- und Beweislast: Klagt ein Arbeitnehmer Arbeitsvergütung ein, hat er darzulegen und im Bestreitensfall zu beweisen, dass er Arbeit verrichtet oder einer der Tatbestände vorgelegen hat, die eine Vergütungspflicht ohne Arbeit regelt (BAG NZA 2012, 998). Das gilt auch, wenn der Arbeitnehmer Vergütung für Arbeit begehrt, die er über die vereinbarte regelmäßige Arbeitszeit hinaus erbracht haben will. Auch in diesem Fall genügt er der ihm obliegenden Darlegungslast nur, wenn er schriftsätzlich vorträgt, an welchen Tagen er von wann bis wann Arbeit geleistet hat oder sich auf Weisung des Arbeitgebers zur Arbeit bereit gehalten hat. Diesen Anforderungen genügt der Vortrag des Klägers vorliegend nicht.

Der Beklagten steht gegen den Kläger kein Anspruch auf Zahlung des als Darlehenssumme vereinbarten Betrages zu.

Der Vertrag vom 16.12.2016 ist an den Maßstäben zu messen, die das Bundesarbeitsgericht an Rückzahungsvereinbarungen über Aus- und Fortbildungskosten stellt (BAG NZA 2009, 435). Danach ist der Vertrag nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB wegen unangemessener Benachteiligung unwirksam.

Dass der Vertrag vom 16.12.2016 vorformuliert war und dem Kläger und den anderen philippinischen Arbeiterinnen und Mitarbeitern von der Beklagten gestellt worden ist, ist unstreitig. Damit stellen die Bestimmungen des Vertrages allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne des § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB dar.

Dem Vertrag vom 16.12.2016 liegt kein Darlehen im Rechtssinn zugrunde. Ein Darlehensvertrag setzt voraus, dass der Darlehensgeber dem Darlehensnehmer tatsächlich einen Geldbetrag zur Verfügung stellt und dieser sich zur Rückzahlung verpflichtet (§ 488 Abs. 1 BGB). Hier hat die Beklagte an den Kläger mit Ausnahme des Taschengeldes, das über den Veranstalter der Deutschkurse auf den Philippinen ausgezahlt wurde, keine Geldzahlung geleistet, sondern unmittelbar an den Veranstalter der Deutschkurse, des Vorbereitungskurses FAW, die Fluggesellschaft etc. Zahlungen für Leistungen erbracht, die im Zusammenhang mit der Anerkennung der Formalqualifikation des Klägers als Pflegefachkraft in Deutschland und der Aufnahme seiner Tätigkeit bei der Beklagten standen. Außerdem will die Beklagte Naturalleistungen wie Lebensmittel und Miete als Teil des Darlehens verstanden wissen. All diese Auslagen und Leistungen sind jedoch keine an den Kläger gezahlten Geldbeträge, die als Darlehen im Sinne des § 488 Abs. 1 BGB zu qualifizieren wären. Vielmehr regelt der Vertrag vom 16.12.2016, unter welchen Voraussetzungen die von der Beklagten im Zusammenhang mit der Erzielung der Formalqualifikation als Pflegefachkraft verauslagten Beträge von dem Kläger zurückgezahlt werden sollen. Das entspricht einer Rückzahlungsvereinbarung über Aus- bzw. Fortbildungskosten, nicht aber einem Darlehen.

Der Vertrag vom 16.12.2016 benachteiligt den Kläger in mehrfacher Hinsicht unangemessen im Sinne des § 307 Abs. 1 BGB und ist damit unwirksam.

Soweit die Beklagte die Auffassung vertritt, dass die vom Bundesarbeitsgericht zur Wirksamkeit von Rückzahlungsvereinbarungen über Aus- und Fortbildungskosten entwickelten Grundsätze unanwendbar seien, weil die Kosten, auf die sich der Vertrag beziehe, vor dem Zeitpunkt entstanden seien, zu dem die Parteien eine arbeitsvertragliche Bindung eingegangen seien, ist dem nicht zu folgen. Zum einen trifft es nicht zu, dass alle Kosten, die nach der Darstellung der Beklagten in dem Widerklagebetrag enthalten sein sollen, entstanden sind, bevor die Parteien eine arbeitsvertragliche Bindung eingegangen sein. Die Kosten für den Vorbereitungskurs, die Kosten für Lebensmittel und Miete sind offensichtlich jedenfalls ganz überwiegend nach der Begründung des Arbeitsverhältnisses im September 2016 entstanden. Zum anderen ist die Vereinbarung der Parteien vor dem Hintergrund eines zu begründenden Arbeitsverhältnisses geschlossen worden. Das ergibt sich schon aus der Facebook-Korrespondenz, in der der Geschäftsführer der Beklagten von den künftigen Arbeitnehmern („future employees“) spricht und bereits Arbeitsvertragstexte übermittelt. Die Interessenlage ist damit nicht anderes als in einem bereits bestehenden Arbeitsverhältnis. Allenfalls soweit ein Taschengeld gewährt wurde, käme ein Darlehensvertrag in Betracht. Allerdings beschränkt sich der Vertrag vom 16.12.2016 nicht auf das gezahlte Taschengeld. In keiner Bestimmung des Vertrages ist der Betrag von 12.591,68 EUR überhaupt aufgeschlüsselt. Der „loan contract“ vom 25.07.2013, auf den sich die Beklagte beruft, nennt lediglich einen „Kredit“ von 3.000,00 EUR, ohne mitzuteilen, wie sich dieser Betrag zusammensetzt. Im Übrigen wurde das Taschengeld nach der insoweit nicht bestrittenen Darstellung der Beklagten gezahlt, weil die Deutschkurse die Teilnehmer zeitlich in einem Maße in Anspruch nahmen, dass eine Berufstätigkeit daneben nicht in Betracht kam. Auch insoweit geht es also um Aufwendungen, die die Beklagte auch in eigenem Interesse getätigt hat, nämlich um geeignete Pflegekräfte für ihren Betrieb zu gewinnen.

Soweit die Beklagte die Rückzahlung von Kosten für Lebensmittel und Miete verlangt, kann dahinstehen, ob ein Verstoß gegen § 107 Abs. 1 GewO vorliegt. Denn die gesamte Vereinbarung ist nach § 307 BGB unwirksam.

§ 4 Satz 3 des Vertrages vom 1612.2016 verpflichtet den Kläger auch dann zur Rückzahlung des Betrages, von über 12.000,00 EUR, wenn das Arbeitsverhältnis durch Kündigung des Arbeitgebers innerhalb der Probezeit oder nach Ablauf des Befristungszeitraumes endet. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der die Kammer folgt, ist eine Rückzahlungsvereinbarung, die auch für den Fall vereinbart ist, dass der potentielle Arbeitgeber dem potentiellen Arbeitnehmer keinen ausbildungsadäquaten Arbeitsplatz anbieten kann oder will, in aller Regel nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksam.

Zwar bestehen keine grundsätzlichen Bedenken, wenn ein Arbeitgeber die Kosten einer beruflichen Aus- oder Fortbildung, die die Arbeitsmarktchancen deutlich erhöhen, in wirtschaftlich angemessener Weise auf den Arbeitnehmer ohne weitere Bedingungen abwälzt. Etwas anderes gilt aber dann, wenn es sich bei den vom Arbeitgeber vorgeschossenen Aus- oder Fortbildungskosten der Sache nach um eine Investition im Interesse des arbeitgeberischen Unternehmens handelt, es also letztlich um einen Teil der Personalpolitik des Unternehmens geht. In diesem Fall bringt der Arbeitgeber die Kosten auf, um die später vom Arbeitnehmer erworbenen Kenntnisse für seinen Geschäftsbetrieb nutzbar zu machen (BAG NZA 2009, 435 m.w.N.).

In einem solchen Fall ist die Rückzahlungsklausel nur dann interessengerecht, wenn dem Arbeitnehmer die Möglichkeit eingeräumt wird, der Rückzahlungspflicht durch Betriebstreue zu entgehen. Anderenfalls würden auf den Arbeitnehmer in unzulässiger Weise Investitionsrisiken abgewälzt, die der Arbeitgeber im eigenen Interesse eingegangen ist. Das verbietet es, in derartigen Fällen die Übernahme der Kosten durch den Arbeitnehmer davon abhängig zu machen, dass das Arbeitsverhältnis aus Gründen endet, die ausschließlich dem Verantwortungs- und Risikobereichs des Arbeitgebers zuzurechnen sind.

Diese Grundsätze gelten unabhängig davon, ob die Vertragspartner mit Abschluss des Rückzahlungsvertrages schon in einem Arbeitsverhältnis standen. Für die Interessenlage ist das unerheblich. Auch bei erstmaliger Ausbildung zum Zwecke der Heranziehung von Nachwuchs investiert der potentielle Arbeitgeber in eigenem Interesse in das berufliche Wissen des potentiellen Arbeitnehmers. Er erhofft sich von seiner Investition die Möglichkeit, einen Arbeitnehmer einzustellen, der seinen Bedürfnissen optimal entspricht. Scheitert dies und war die Investition deshalb vergeblich, ist es nicht interessengerecht, dieses Risiko auf die ausgebildete Person abzuwälzen. Eine Verpflichtung zur Rückzahlung kommt auch dann nicht in Betracht, wenn das in den Raum gestellte Arbeitsverhältnis daran scheitert, dass der Arbeitgeber keinen Arbeitsvertrag schließen will.

Im vorliegenden Fall diente die gesamte Ausbildung des Klägers auch dem Interesse der Beklagten daran, geeignetes Pflegepersonal zu gewinnen. Insbesondere die auf den Philippinen besuchten Deutschkurse waren nur sinnvoll vor dem Hintergrund einer in Deutschland beabsichtigten Tätigkeit. Die Vereinbarung vom 16.12.2016 sieht nicht nur eine Rückzahlungsverpflichtung des Klägers auch für den Fall vor, dass das Arbeitsverhältnis aus Gründen endet, die nicht in seiner Sphäre liegen, sondern sie bietet ihm entgegen den dargestellten Grundsätzen nicht die Möglichkeit, der Rückzahlungspflicht durch Betriebstreue zu entgehen. Denn die Vereinbarung sieht eine Reduzierung des Rückzahlungsbetrages für den Fall, dass der Kläger über einen längeren Zeitraum für die Beklagte arbeitet, nicht vor.

Weiter benachteiligt die Vereinbarung den Kläger dadurch unangemessen, dass sie der Beklagten das Recht einräumt, monatlich 400,00 EUR mit den jeweiligen Vergütungsansprüchen des Klägers zu verrechnen, ohne vorzusehen, dass dem Kläger jedenfalls der unpfändbare Betrag verbleiben muss.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 92 ZPO.

Der gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG im Urteil auszuweisende Streitwert war nach §§ 3, 5 ZPO mit den addierten Werten der mit Klage und Widerklage geltend gemachten Zahlungsansprüche zu bewerten.

Der Gebührenstreitwert hatte den zurückgenommenen Teil der Klage zu berücksichtigen und beträgt 35.705,53 EUR.

Die Berufung war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 64 Abs.3 ArbGG nicht vorliegen.

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