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Deliktischer Haftung des Arbeitnehmers wegen einer Untreue

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz – Az.: 5 Sa 261/18 – Urteil vom 07.02.2019

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 4. Juli 2018, Az. 12 Ca 382/18, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche des Arbeitgebers.

Die Klägerin, eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts, betreibt einen Campingplatz an der Mosel. Gesellschafter sind der geschiedene Ehemann der Beklagten und dessen Mutter, die Steuerberaterin ist. Die Beklagte war auf dem Campingplatz der Klägerin mehrere Jahre zu einem Bruttomonatsentgelt von zuletzt € 1.200,00 angestellt. Sie war letztmals in der Campingsaison 2016 tätig. Im Zuge der Ehescheidung kam es zum Streit. Das Arbeitsverhältnis endete durch eine ordentliche Kündigung der Klägerin. Zu den Arbeitsaufgaben der Beklagten gehörte ua., die Einnahmen und Ausgaben der Klägerin entsprechend der Belege für einen Laden und ein Lokal auf dem Campingplatz sowie für die Übernachtungen handschriftlich in das Kassenbuch einzutragen.

Mit Schreiben vom 23.11.2017 erhob die Klägerin den Vorwurf, die Beklagte habe zur Täuschung über die jeweiligen Kassenbestände der Barkasse in den Veranlagungszeiträumen 2010 bis November 2016 bewusst Additionsfehler vorgenommen, um die so entstandenen Differenzbeträge zu veruntreuen/unterschlagen. Die Beklagte wies diese Vorwürfe zurück. Mit Klageschrift vom 05.02.2018 macht die Klägerin wegen Kassenfehlbeträgen Schadensersatz geltend, und zwar

für das Kalenderjahr 2015 (ab 20.05.2015) iHv. € 10.132,03,

für das Kalenderjahr 2016 (bis 30.11.2016) iHv. € 14.762,15.

Die Klägerin hat erstinstanzlich vorgetragen, die Beklagte habe die Kasse von 2010 bis 2016 geführt und selbständig verwaltet. Sie sei für die Kasse allein verantwortlich gewesen; sie habe bspw. Löhne ausgezahlt und Einzahlungen auf die Bankkonten eigenständig vorgenommen. Zwar habe sie die Einnahmen und Ausgaben für die Jahre 2015 und 2016 (zum größten Teil) korrekt in das Kassenbuch eingetragen, was auch mit den Belegen und Bon-Abrechnungen übereinstimme; allerdings habe sie durch vorsätzlich falsche Addition der Geschäftsvorfälle jeweils einen zu niedrigen Kassenbestand errechnet und die so entstandene Differenz der Kasse entnommen. Die Kassenfehlbeträge seien bei einer Nachberechnung durch ihre Gesellschafterin aufgefallen. Durch Vorlage der von der Beklagten handschriftlich geführten Kassenbuchaufzeichnungen (Anlage K 1 und K 2 zur Klageschrift) habe sie urkundlich nachgewiesen, dass die Beklagte die Eintragungen und auch die Additionen selbst vorgenommen habe. Damit sei das System der von der Beklagten begangenen Veruntreuungen nach § 266 StGB bei der Kassenverwaltung urkundlich bewiesen.

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie € 24.894,18 nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 30.11.2017 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Vorwürfe bestritten. Sie habe in ihrer Arbeitszeit die Umsätze im Kassenbuch entsprechend der ihr vorgelegten Belege notiert. Sie sei nicht die einzige Person gewesen, die im Kassenbuch Einnahmen und Ausgaben eingetragen habe, sondern auch die beiden Gesellschafter der Klägerin, wie sich aus zahlreichen handschriftlichen Eintragungen auf den Blättern der Kassenabrechnung ergebe. Die Endsummen habe sie nie berechnet oder ausgewiesen. Jeweils zum Monatsende habe die Gesellschafterin der Klägerin die Kassenbücher vor Ort abgeholt und den jeweiligen Monat in Eigenregie abgerechnet. Die Addition und die eigentliche Monatsabrechnung seien erst durch die Gesellschafterin der Klägerin erfolgt. Die vermeintlichen Fehlbeträge seien insbesondere auf Abweichungen der jeweiligen Anfangsbestände im Kassenbuch zurückzuführen, mit denen im Folgemonat weitergerechnet worden sei. Die Anfangsbestände seien ihr von der Gesellschafterin der Klägerin mitgeteilt und weisungskonform im Kassenbuch übernommen worden.

Das Arbeitsgericht Koblenz hat die Klage mit Urteil vom 04.07.2018 abgewiesen und zur Begründung – zusammengefasst – ausgeführt, aus dem Sachvortrag der darlegungs- und beweispflichtigen Klägerin folge nicht, dass die Beklagte Bargeld veruntreut habe. Auf welche Weise und wann die Beklagte aus der Kasse Bargeld entnommen haben soll, habe die Klägerin nicht substantiiert vorgetragen. Es bleibe allein bei ihrer Behauptung, das Geld fehle. Dies reiche nicht aus, weil auch andere Personen Zugriffsmöglichkeiten auf den Barbestand in der Kasse gehabt hätten. Darüber hinaus sei die Klägerin für ihre Tatsachenbehauptung auch beweisfällig geblieben. Die als Beweismittel vorgelegten Kassenabrechnungen böten keinen Beweis für die tatsächliche Entnahme der eingeklagten Differenzbeträge. Die Kassenabrechnungen stellten weder eine öffentliche Urkunde nach § 415 ZPO noch eine Privaturkunde iSv. § 416 ZPO dar. Die Vordrucke seien nicht unterschrieben worden, auch nicht im dafür vorgesehenen Feld „Erstellt … Geprüft … Gebucht“. Insoweit könnten bloße Additionen von Zahlenwerten nicht den Beweis für Geldentnahmen erbringen, zumal die Beklagte im Einzelnen ausgeführt habe, dass die Gesellschafterin der Klägerin ihr teilweise neue Anfangsbestände für den neuen Abrechnungsmonat mitgeteilt habe, die sie übernommen habe. Aus den handschriftlichen Aufzeichnungen der Beklagten in den Kassenabrechnungen folge nicht zwingend, dass sie die durch Nachberechnung der Klägerin ermittelten Fehlbeträge veruntreut habe. Zwar habe die Beklagte für einige Zeiträume augenscheinlich auch sog. Endabrechnungen bei den Einnahmen und Ausgaben durchgeführt. Dies zeige sich bspw. auf Seite 2 der Kassenabrechnung bis 28.05.2015. Dort sei von der Beklagten bei den Einnahmen unter einem Additionsstrich die Zahl 2.613,33 und bei den Ausgaben 719,47 notiert worden. Die Differenz hiervon ergebe den ebenfalls von der Beklagten unten rechts notierten Differenzbetrag von 1.893,86. Dies zeige nur, dass die Beklagte den zuletzt genannten Betrag als Guthabenbetrag ermittelt habe. Ob sich dieser Betrag tatsächlich in der Kasse befunden habe, sei damit nicht bewiesen. Nach alledem ließen die von der Klägerin genannten Umstände höchstens Raum für Vermutungen, jedoch nicht für zwingende Rückschlüsse, dass die Beklagte Gelder veruntreut habe. Wegen weiterer Einzelheiten der erstinstanzlichen Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils vom 04.07.2018 Bezug genommen.

Das genannte Urteil ist der Klägerin am 16.07.2018 zugestellt worden. Sie hat hiergegen mit einem am 25.07.2018 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit am 05.09.2018 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.

Sie macht geltend, das Arbeitsgericht habe die Grundsätze der Beweiswürdigung, der Beweislast und Erklärungspflicht verkannt. Die Beklagte habe zunächst wahrheitswidrig bestritten, die Kassenaufzeichnungen vom 20.05.2015 bis 2016 persönlich geführt zu haben, um dann im Schriftsatz vom 25.06.2018 zugestehen zu müssen, dass es sich doch um ihrer Handschrift handele. Diesen Verstoß gegen § 138 Abs. 1 BGB habe das Arbeitsgericht übergangen und entgegen § 286 Abs. 1 ZPO nicht gewürdigt. Das Arbeitsgericht habe den Sinn, Zweck und damit die Beweiskraft von Kassenbuchaufzeichnungen verkannt. Wer ein Kassenbuch führe, habe die erforderlichen Aufzeichnungen, nämlich Kassenbestand, Einnahmen, Ausgaben, Einlagen, Entnahmen und Endbestand vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet vorzunehmen (§§ 239 Abs. 2 HGB, 146 Abs. 1 AO). Zur richtigen Kassenführung gehöre insbesondere die Feststellung des jeweiligen Bestandes als Differenz zwischen Einnahmen und Ausgaben unter Berücksichtigung des Anfangsbestandes. Wie das Arbeitsgericht selbst am Beispiel der Abrechnungen der Beklagten bis zum 28.05.2015 erkannt habe, stimme die Kasse nicht, da – erwiesen durch die eigenen Aufzeichnungen – der Endbestand zu gering sei. Die Beklagte habe keine Erklärung für die einzelnen nachgewiesenen „Rechenfehler“, die regelmäßig zu Kassendifferenzen zu ihren Gunsten geführt hätten, vorgebracht. Der Ansicht, sie habe sich nicht durch substantiiertes Bestreiten zum Vortrag der Beklagten erklärt, sei nicht zu folgen. Der Umfang der erforderlichen Substantiierung richtet sich nach dem Detailreichtum des Vortrags der darlegungspflichtigen Partei. Sie habe dargelegt, dass der Vortrag der Beklagten hinsichtlich der Kassenabrechnung und -buchführung sowie die Behauptung, ihre Gesellschafter hätten die Kasse „völlig nach Belieben“ geführt, unzutreffend seien. Dies habe sie vor allem dadurch beweisen können, dass es sich bei den Eintragungen um die Handschrift der Beklagten handele. Sie habe den Vortrag der Beklagten zum Verantwortungsbereich für die Kassenführung sowie zur Mitteilung neuer Anfangsbestände und zur Kassenführung durch die beiden Gesellschafter „nach privatem Belieben“ in Abrede gestellt bzw. substantiiert bestritten. Anzumerken sei, dass dieser, von der Beklagten in betrügerischer Art und Weise eingangs in Abrede gestellte Nachweis, im Nachfolgenden nicht mehr von ihr bestritten worden sei. Das Arbeitsgericht habe des Weiteren den Beweiswert verkannt, den die handschriftlichen Kassenabrechnungen im Original entfalteten. Richtig sei, dass es sich um keine Urkunden im zivilprozessualen Sinne (§§ 415, 416 ZPO) handele. Es handele sich jedoch um Dokumente, die nach den Grundzügen des Beweises durch Augenschein gem. § 371 ZPO vom Gericht zu bewerten seien. Dies habe das Arbeitsgericht versäumt. Es hätte sich dem Arbeitsgericht aufdrängen müssen, dass die vorgelegten Dokumente lediglich den Rückschluss zuließen, dass die festgestellten Fehlbeträge gerade eine getätigte Entnahme bewiesen. Dies klarerweise deshalb, weil die Endbeträge der Kassenbuchführung jeweils mit dem festgestellten Betrag der Realkasse konvergierten. Dies lasse unter der Feststellung, dass die Behauptung der Beklagten, die Kasse sei neben ihr noch von den beiden Gesellschaftern nach privatem Belieben gebraucht worden, als falsch bestritten worden sei, nur den logischen Rückschluss zu, dass die Differenzen nur durch eine unrechtmäßige Entnahme der Beklagten entstanden sein können. Der Rückschluss sei zudem zwingend, da die Endbeträge ausweislich der Aufzeichnungen der Beklagten stets dem Inhalt der Kasse entsprochen hätten. Dies daher, da die monatliche Kassenprüfung durch die Klägerin, die die gebuchten Endbeträge mit der Realkasse verglichen habe, unstreitig stets beanstandungslos verlaufen sei. Erst durch die Überprüfung der einzelnen Buchungsbeträge hätten die streitgegenständlichen Differenzen auffallen können. Anlass zu tiefgreifender Prüfung habe die Beklagte nicht gegeben. Eine fehlerhafte Buchung und Deckung dieser in der Realkasse lasse somit nur die Feststellung einer deckungsgleichen Entnahme zu, damit die Endbeträge korrespondieren. In diesem Zusammenhang habe das Arbeitsgericht unzutreffend angenommen, dass ein Fehlbetrag auch durch die Entnahme einer weiteren Person hätte entstehen können. Dies treffe nicht zu. Das Arbeitsgericht hätte anhand der holografischen Aufzeichnungen der Beklagten feststellen müssen, dass deren Behauptung, sie sei nicht allein für die Kassenführung verantwortlich gewesen, falsch sei. Auch in diesem Zusammenhang habe das Arbeitsgericht verkannt, dass es sich bei der Beklagten unstreitig um die einzige Arbeitnehmerin zur Kassenführung gehandelt habe, so dass die Grundsätze der Beweislast von Kassenfehlbeträgen generell keinen Eingang fänden. Aus diesen Gründen sei den Dokumenten ein Beweiswert dahingehend zuzusprechen, dass diese den einzig logischen Schluss zuließen, dass eine Entnahme durch die Beklagte stattgefunden haben müsse, damit sich die Fehlbeträge durch falsche Berechnungen mit dem Anfangs- und Endbestand der Kasse deckten. Dieser Griff in die Kasse sei eindeutig durch die Beklagte selbst dokumentiert, selbstverständlich auch im Beispielsfall des Arbeitsgerichts vom 28.05.2015. Nur hilfsweise sei darauf hingewiesen, dass das Arbeitsgericht weiter verkannt habe, dass hinsichtlich des geltend gemachten Anspruchs auf Schadensersatz wegen einer Pflichtverletzung aus dem Arbeitsvertrag, eine solche nicht alleine in der Entnahme von Geldbeträgen zu sehen sei, sondern darüber hinaus auch in der nicht sachgemäßen Verbuchung (buchungsmäßiger Fehlbestand). Auch dieses Fehlverhalten, da vermehrt aufgetreten, berechtige zum Schadensersatz.

Im Schriftsatz vom 21.01.2019 führt die Klägerin ergänzend aus, ihre Gesellschafterin H. C. habe „soeben erfahren“, dass die Zeuginnen A. B. und W. in den Jahren 2015 und 2016 bei der Klägerin auf dem Campingplatz beschäftigt gewesen seien. Die Zeugin A. sei im Lokal des Campingplatzes als Bedienung tätig gewesen. Sie habe die Beklagte deshalb im Blick gehabt. Die Zeuginnen B. und W. seien in der Küche tätig gewesen und hätten gelegentlich einen Blick auf die Beklagte und die Kasse gehabt. Die drei Zeuginnen berichteten nunmehr, es sei ihnen in den Streitjahren aufgefallen sei, dass die Beklagte „gelegentlich“, wenn sie das Lokal verlassen habe, in die Kasse gegriffen und Geldscheine herausgenommen habe, ungeordnet und ungezählt, in die Tasche gesteckt und keinerlei Aufzeichnungen und/oder Beleg über die „Privatentnahme“ getätigt habe. Für die (durchaus unbedarften) Zeuginnen hätten sich diese Vorgänge von ihrem äußeren Anschein her zumindest als „Selbstbedienung“ der Beklagten dargestellt, die offensichtlich dem Geschäftsherrn/Inhaber verborgen bleiben sollten. Natürlich könnten die Zeuginnen nur diese immerhin auffälligen Bargeldentnahmen an sich bekunden, nicht ob diese Entnahmen abgesprochen, erlaubt oder unerlaubt oder etwas später verbucht worden seien. Auch die Häufigkeit dieser merkwürdigen „Privatentnahmen“, die urkundlich beweisbar nie in den Tagesberichten verbucht worden seien, könne von den Zeuginnen naturgemäß mangels eigener Aufzeichnungen nicht mehr detailliert bekundet werden. Indes seien diese Kasseneingriffe übereinstimmend von den drei Zeuginnen „des Öfteren“ beobachtet worden.

Die Klägerin beantragt zweitinstanzlich, das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 04.07.2018, Az. 12 Ca 382/18, abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin € 24.894,18 nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 30.11.2017 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Außerdem rügt sie das zweitinstanzliche Vorbringen der Klägerin als verspätet. Der Vortrag sei nach § 67 Abs. 1, 2 ArbGG zurückzuweisen. Sie bestreitet, Geld aus der Kasse des Campingplatzes veruntreut zu habe. Sie habe keine Privatentnahmen getätigt. Gelegentlich habe sie Bargeld aus der Kasse genommen, um es auf das Geschäftskonto der Klägerin einzuzahlen. Diesen Vorgang habe sie jeweils im Kassenbuch eingetragen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die nach § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung der Klägerin ist gem. §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG iVm. §§ 519, 520 ZPO zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und ordnungsgemäß begründet worden.

II.

In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass die Klägerin keinen Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von € 24.894,18 nebst Zinsen hat, weil sie bei einer Nachprüfung der Kassenabrechnungen für die Zeit vom 20.05.2015 bis 30.11.2016 in der Bargeldkasse des Campingplatzes Fehlbeträge in dieser Höhe ermittelt haben will.

1. Die Klägerin hat ihre Zahlungsklage erstinstanzlich auf deliktische Ansprüche (§ 823 Abs. 2 iVm. § 266 StGB oder § 246 StGB) gestützt, wobei sie die Beklagte wahlweise der Untreue oder Unterschlagung bezichtigte. Die Klägerin hat die Voraussetzungen eines deliktischen Schadensersatzanspruchs nicht dargelegt. Dies hat das Arbeitsgericht im Ergebnis und der Begründung seiner Entscheidung zutreffend erkannt. Auf die ausführlichen und sorgfältig dargestellten Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts nimmt die Berufungskammer vollumfänglich Bezug und stellt dies ausdrücklich fest (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Das Berufungsvorbringen veranlasst lediglich die folgenden Ausführungen:

Auch aus dem zweitinstanzlichen Vortrag der Klägerin folgt nicht, dass die Beklagte in der Zeit vom 20.05.2015 bis 30.11.2016 Bargeld aus der Kasse des Campingplatzes in eingeklagter Höhe veruntreut oder unterschlagen hat.

a) Soweit die Klägerin den Vorwurf der Untreue erhebt, hat sie bereits eine qualifizierte Vermögensbetreuungspflicht der Beklagten nicht dargelegt. Untreue setzt sowohl in der Variante des Missbrauchs- (§ 266 Abs. 1 Alt. 1 StGB) als auch in derjenigen des Treubruchtatbestands (§ 266 Abs. 1 Alt. 2 StGB) voraus, dass dem Täter eine Vermögensbetreuungspflicht obliegt und er diese verletzt. Allgemeine schuldrechtliche Verpflichtungen, insbesondere aus Austauschverhältnissen, reichen nicht aus, und zwar auch dann nicht, wenn sich hieraus Rücksichtnahme- oder Sorgfaltspflichten ergeben (vgl. BGH 24.04.2018 – VI ZR 250/17 – Rn. 14, 15 mwN). Der Verstoß gegen die Pflicht, sich vertragsgemäß zu verhalten, ist als solcher noch keine Untreue. Jeder Arbeitnehmer ist im Rahmen seiner Tätigkeit zur Wahrung der Interessen seines Arbeitgebers verpflichtet und hat alles zu unterlassen, was diesen schädigen kann. Dieses Gebot, das sich aus dem alle Arbeitsverhältnisse beherrschenden Grundsatz der gegenseitigen Treuepflicht ergibt, ist für alle Arbeitsverhältnisse eine Nebenpflicht, füllt aber nicht den wesentlichen Inhalt eines Treueverhältnisses aus (vgl. Müller-Gugenberger/Hadamitzky 6. Aufl. § 32 Rn. 115). Im Hinblick auf diese Maßstäbe genügt der knappe Vortrag der Klägerin nicht, um eine Vermögensbetreuungspflicht der Beklagten darzulegen. Die ziemlich allgemein gehaltene und pauschale Behauptung, die Beklagte habe die Kasse allein „verwaltet“, genügt nicht, zumal die Gesellschafterin der Klägerin, eine Steuerberaterin, nach ihrem eigenen Vortrag eine monatliche Kassenprüfung – wenn auch nicht „tiefgreifend“ – durchgeführt hat.

b) Ein deliktischer Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 2 BGB folgt nicht aus dem Vorwurf der veruntreuenden Unterschlagung iSv. § 246 Abs. 2 StGB. Die Berufung führt hierzu zwei unterschiedliche Begründungsstränge an. In der Berufungsbegründungsschrift vom 04.09.2018 behauptet die Klägerin, wie in erster Instanz, die Beklagte habe bei der Führung des Kassenbuchs durch vorsätzlich falsche Addition der Geschäftsvorfälle einen zu niedrigen Kassenbestand errechnet und die Differenz zum angeblichen Endbestand aus der Realkasse unterschlagen. In ihrem Schriftsatz vom 29.01.2019 erhebt sie den neuen Vorwurf, die Beklagten habe „ungeordnet und ungezählt“ Geldscheine aus der Barkasse genommen und in ihre Tasche gesteckt. Diese „merkwürdigen Privatentnahmen“ habe die Beklagte urkundlich beweisbar nie „in den Tagesberichten“ verbucht. Dieses neue Vorbringen ist zwar nicht rechtzeitig iSd. § 67 Abs. 3 ArbGG vorgebracht worden, es führt jedoch zu keiner Verzögerung im Berufungsverfahren, so dass es nach § 67 Abs. 4 ArbGG – entgegen der Ansicht der Beklagten – nicht als verspätet zurückzuweisen ist.

Der Tatsachenvortrag der Klägerin im Berufungsverfahren ist unschlüssig. Ihr neuer Vortrag steht in einem unauflösbaren Widerspruch zum (ersten) Vorwurf der absichtlichen Additionsfehler im Kassenbuch. Wenn die Tathandlung darin bestanden haben soll, dass die Beklagte durch absichtliche Additionsfehler einen zu niedrigen Kassenbestand vorgetäuscht haben soll, um sich die Differenzbeträge aus der Barkasse zuzueignen, steht der (zweite) Vorwurf, die Beklagte habe – von den drei benannten Zeuginnen beobachtete – „merkwürdige Privatentnahmen“ getätigt, ohne sie in den Tagesberichten zu verbuchen, dazu im Widerspruch, denn dann hätte der aufgezeichnete Kassenbestand nicht gestimmt. Privatentnahmen über die es keinerlei Aufzeichnungen und/oder Belege gibt, wie die Klägerin behauptet, führen dazu, dass der tatsächliche Kassenbestand nicht mit den Kassenaufzeichnungen übereinstimmt. Das ist ein anderer Vorwurf.

Stellt eine Partei mehrere einander widersprechende Behauptungen auf, ohne den Widerspruch zu erläutern, so kann von keiner dieser Behauptungen angenommen werden, sie sei richtig. Ein solcher Vortrag ist einer Beweisaufnahme schlechthin unzugänglich. Eine andere Beurteilung ist im Ergebnis auch dann nicht möglich, wenn man zu Gunsten der Klägerin unterstellen wollte, sie habe ihren wechselhaften Vortrag nicht im Sinne einander ausschließender Einzelbehauptungen, sondern im Sinne der Behauptung einer Bandbreite von Möglichkeiten gemeint (vgl. BAG 13.06.2002 – 2 AZR 589/01 – Rn. 27).

2. Soweit die Klägerin zweitinstanzlich ihre Schadensersatzansprüche auch auf vertragliche Anspruchsgrundlagen stützen will, handelt es sich um einen dritten Begründungsstrang. Die Beklagte soll ihre arbeitsvertraglichen Pflichten durch nicht ordnungsgemäße Kassenbuchungen (Stichwort: „buchungsmäßiger Fehlbestand“) verletzt haben. Im Verhältnis zu den deliktischen Ansprüchen handelte es sich um unterschiedliche Klagegründe und damit um verschiedene Streitgegenstände (vgl. BGH 22.03.2018 – I ZR 118/16 – Rn. 23 mwN). Die alternative Klagehäufung, bei der ein einheitliches Rechtsschutzbegehren auf verschiedene Klagegründe gestützt wird, ist unzulässig, wenn der Kläger nicht die Reihenfolge bezeichnet, in der er die Streitgegenstände geltend machen will (vgl. BGH 24.03.2011 – I ZR 108/09 – Rn. 10, 11 mwN). Vorliegend ist davon auszugehen, dass die Klägerin ihr Klagebegehren in erster Linie auf deliktische und in zweiter Linie auf vertragliche Ansprüche stützen will.

Ein Schadensersatzanspruch nach §§ 280 Abs. 1 iVm. 241 Abs. 2 BGB setzt voraus, dass die Beklagte arbeitsvertragliche Pflichten verletzt hat, der Klägerin hierdurch ein Schaden entstanden ist, ein Kausalzusammenhang zwischen Vertragsverletzung und Schaden vorliegt und die Beklagte die Vertragsverletzung zu vertreten hat. Nach § 619a BGB liegt die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Beklagte vorwerfbar ihre Pflichten aus dem Arbeitsvertrag verletzt hat und nach § 280 Abs. 1 BGB der Klägerin zum Schadensersatz verpflichtet ist, bei der Klägerin. Dies gilt sowohl für die Pflichtverletzung als auch für das Vertretenmüssen der Beklagten. Die Verpflichtung zum Schadensersatz sowie der Umfang des Ersatzes nach § 254 Abs. 1 BGB sind weiter davon abhängig, inwieweit der Schaden vorwiegend vom Schädiger oder vom Geschädigten verursacht worden ist. Dabei ist die Frage des mitwirkenden Verschuldens nicht mit den gleichfalls zu berücksichtigenden Grundsätzen über die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung bzw. privilegierten Arbeitnehmerhaftung „durch entsprechende Anwendung“ des § 254 BGB zu vermengen. Die Frage des mitwirkenden Verschuldens gemäß § 254 Abs. 1 BGB muss von Amts wegen geprüft werden (vgl. BAG 21.05.2015 – 8 AZR 116/14 – Rn. 25 mwN).

Nach diesen Grundsätzen ist die Klägerin der ihr obliegenden Darlegungslast hinsichtlich einer schuldhaften (nicht deliktischen) Pflichtverletzung der Beklagten und eines hierdurch kausal verursachten Schadens im Zusammenhang mit der Führung des Kassenbuchs nicht ausreichend nachgekommen. Dass die behaupteten Kassenfehlbeträge auf unbefugten Bargeldentnahmen der Beklagten beruhen, hat die Klägerin nach den obigen Ausführungen (unter Ziff. 1 zu deliktischen Ansprüchen) nicht schlüssig dargelegt. Es ist der Klägerin auch nicht gelungen, eine ganz andersartige Pflichtverletzung der Beklagten im Zusammenhang mit der Kassenbuchführung substantiiert vorzutragen, die zu dem eingeklagten Kassenfehlbetrag geführt haben könnte. Wenn die Schädigung nicht auf einer unbefugten Geldentnahme aus der Bargeldkasse, sondern auf einer (bloßen) Verletzung von Ordnungsvorschriften für die Kassenbuchführung nach § 146 AO beruhen sollte, könnte die Beklagte allenfalls einen Steuerschaden verursacht haben. Einen derartigen Schaden macht die Klägerin indes nicht geltend.

Im Übrigen wäre der Klägerin ein erhebliches Mitverschulden am Schadenseintritt in Form eines Organisationsverschuldens anzulasten, weil ihre Gesellschafterin, eine Steuerberaterin, die Kassenaufzeichnungen der Beklagten, die sie seit 2010 fehlerhaft geführt haben soll, nach ihrem eigenen Vorbringen erst im November 2017 gründlich geprüft hat. Gegebenfalls stünden der Beklagten auch die von der Rechtsprechung entwickelten Haftungserleichterungen nach den Grundsätzen über die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung zur Seite (vgl. BAG Großer Senat 27.09.1994 – GS 1/89 (A)).

3. Soweit die Berufung eine fehlerhafte Beweiswürdigung durch das Arbeitsgericht rügt, übersieht sie, dass das Arbeitsgericht keine Beweisaufnahme durchgeführt hat. Entgegen der Ansicht der Berufung war das Arbeitsgericht auch nicht verpflichtet, Beweis durch richterlichen Augenschein iSv. § 371 ZPO zu erheben. Die von der Klägerin vorgelegten Kassenabrechnungen vom 20.05.2015 bis 30.11.2016 lassen – wie bereits das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat – nicht den zwingenden Rückschluss darauf zu, dass die Beklagte unbefugt Geld aus der Barkasse genommen hat. Einer Beweisaufnahme bedurfte es deshalb nicht. Auch die Rüge der Berufung, das Arbeitsgericht habe übersehen, dass die Klägerin die Behauptungen der Beklagten substantiiert bestritten habe, greift nicht durch. Nicht die Beklagte, sondern die Klägerin trägt nach den allgemeinen Regeln die Darlegungslast für die den Schadensersatzanspruch begründenden Tatsachen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst, weil hierfür die gesetzlichen Voraussetzungen (§ 72 Abs. 2 ArbGG) nicht vorliegen.

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