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Die außerordentliche Kündigung eines Arbeitsverhältnisses aus personenbedingten Gründen

LAG Baden-Württemberg, Az.: 12 Sa 20/15, Urteil vom 10.07.2015

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Karlsruhe vom 18.12.2014 (8 Ca 328/14) teilweise abgeändert. Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob das gemeinsame Arbeitsverhältnis am 31.05.2012 endete, weil die Klägerin nur bis zu diesem Tag als Beamtin beurlaubt war, bzw. ob die Beklagte das eventuell noch bestehende Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 02.10.2014 wirksam außerordentlich zum 30.06.2015 auflösen konnte.

Die Klägerin wurde am 0.0.1959 geboren. Sie ist geschieden und als schwerbehinderter Mensch mit einem Grad der Behinderung von 60 anerkannt. Sie ist Bundesbeamtin des mittleren Dienstes. Als solche war sie bis 2002 für die Xxx AG tätig. Die Klägerin ist in der Besoldungsgruppe A 7 eingruppiert.

Die außerordentliche Kündigung eines Arbeitsverhältnisses aus personenbedingten Gründen
Symbolfoto: Von fizkes /Shutterstock.com

In Folge der Privatisierung der Postbank gründete die Xxx AG 1997 die Beklagte, damals eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der Xxx AG, heute eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der Yyy AG. Die Xxx AG definierte den Zweck der Beklagten wie folgt:

„Zielsetzung ist über Dienstleistungsangebote für Dritte alternative Beschäftigungsfelder für den ausgewiesenen und tatsächlich verfügbaren Personalüberhang in den Betrieben der Postbank anzubieten und bereitzustellen. Sofern kein dauerhafter bzw. kein künftig absehbarer Personal Überhang in der Postbank mehr besteht, wird die Auflösung der GmbH vorgesehen.“

(§ 1 Abs. 1 der Gesamtbetriebsvereinbarung zum Einsatz von Personal der Xxx AG zur Abwicklung von Aufträgen der Beklagten vom 04.05.1998, Anlage B 11 zum Schriftsatz der Beklagten vom 13.04.2015, Anlagenband, Bl. 1 ff.)

„Die …(Beklagte) … hat als Beschäftigungsgesellschaft im Konzern der Postbank in erster Linie die Aufgabe, Mitarbeiter der Postbank die infolge betrieblicher Umstrukturierungsmaßnahmen ihren Arbeitsplatz bei der Postbank verloren haben, bis zur Vermittlung eines dauerhaften Arbeitsplatzes im Rahmen des Kaskaden-Modells des TV Ratio Postbank übergangsweise zu beschäftigen.“

(Präambel der Konzernbetriebsvereinbarung über die Rahmenbedingungen des Wechsels von Beschäftigten zur Beklagten vom 20.02.2002, Anlage B 12, Anlagenband, Bl. 4 ff.)

Die Beklagte hat die Genehmigung zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung. Zum Zeitpunkt der Berufungsverhandlung beschäftigte sie bundesweit 528 Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, darunter 273 Beamte und Beamtinnen.

2002 konnte die Xxx AG die Klägerin in Karlsruhe nicht mehr als Beamtin ein- setzen. Die Parteien schlossen aus diesem Grund mit Wirkung ab dem 01.06.2002 einen Arbeitsvertrag ab (Anlage K 1 zur Klagschrift, Prozessakte des Arbeitsgerichts (im Folgenden: Arb), Bl. 4 ff.). Die Klägerin wurde dem Status als Beamtin des mittleren Dienstes entsprechend dem Funktionsbereich 2 zugeordnet. Zuletzt verdiente sie monatlich 2.513,96 Euro brutto. Ihr Gehalt war nicht beitragspflichtig. § 1 Nr. 2 des Arbeitsvertrags vom 06.05.2002 lautete:

„Neben den Bestimmungen dieses Arbeitsvertrages finden die Tarifverträge der …(Beklagten)… sowie die Konzernbetriebsvereinbarung über die Rahmenbedingungen des Wechsels von Beschäftigten in die …(Beklagte)…in ihrer jeweils geltenden Fassung Anwendung.“

Gem. § 9 Nr. 6 des Manteltarifvertrags für die Beklagte vom 20.02.2002 (Anlage B 14 zum Schriftsatz der Beklagten vom 13.04.2015, Anlagenband, Bl. 24 ff. – MTV) kann Arbeitnehmern, die das 50. Lebensjahr und eine Zeit der Beschäftigung bei der Beklagten von mindestens zehn Jahren vollendet haben, nur nach Maßgabe des § 626 BGB gekündigt werden.

Für die Tätigkeit bei der Beklagten wurde die Klägerin von der Xxx AG ab dem 01.06.2002 jeweils für zwei Jahre beurlaubt. Die letzte Beurlaubung erfolgte mit Schreiben der Xxx AG vom 04.03.2010 für den Zeitraum 01.06.2010 bis 31.05.2012. Die Zeiten der Beurlaubung schränken die Beamtenversorgung der Klägerin nicht ein.

Ende 2010 erwarb die Zzz AG von der Yyy AG die Mehrheit der Gesellschaftsanteile an der Xxx AG. Die Gesellschaftsanteile der Beklagten übernahm die Yyy AG. Mit Bescheid der Xxx AG vom 27.06.2011 (Anlage B 2 zum Schriftsatz der Beklagten vom 14.08.2014, Arb Bl. 34) wurde die Klägerin als Beamtin zur Yyy AG, Niederlassung Brief Karlsruhe versetzt. Hiergegen erhob die Klägerin am 30.04.2013 Nichtigkeitsklage vor dem Verwaltungsgericht. Die Beklagte wurde zu diesem Verfahren beigeladen.

Im Mai 2012 wurde die Konzernbetriebsvereinbarung über den Interessenausgleich/Sozialplan anlässlich der Wechsel von Beschäftigten der Beklagten zur Yyy AG, Niederlassung Brief zwischen dem Konzern Yyy AG und dem Konzernbetriebsrat wirksam (Anlage B 3 zum Schriftsatz der Beklagten vom 14.08.2014, Arb Bl. 35 ff.). In § 1 der Konzernbetriebsvereinbarung hieß es:

„Zur Konsolidierung des Geschäftes wird die …(Beklagte)… zum 01.06.2012 die Beschäftigtenzahlen reduzieren. Die Realisierung soll durch Wechsel von Beschäftigten der …(Beklagten)… zur Yyy AG (DP AG) erfolgen. Die Maßnahme beinhaltet:

4. In den Betrieben der …(Beklagten)… in Berlin, Hamburg, Hannover, Essen, Ludwigshafen, Frankfurt, Saarbrücken, Karlsruhe und Nürnberg wird der Personalbestand reduziert.“

Gem. §. Für Beamte und Beamtinnen, die von der Maßnahme erfasst würden, sollte die wegen der Tätigkeit bei der Beklagten erfolgte Beurlaubung am 31.05.2012 enden (§ 3 Nr. 3 Abs. 2 der Konzernbetriebsvereinbarung).

Nach dem 31.05.2012 wurde die Klägerin von der Yyy AG als Beamtin nicht mehr beurlaubt. Die Beklagte schrieb der Klägerin am 29.05.2012:

„auf Grund der Mitteilung der Yyy AG wird ihre Beurlaubung gem. § 13 Sonderurlaubsverordnung für eine Tätigkeit bei der …(Beklagten)… zum 01.06.2012 beendet. Somit endet ihr Beschäftigungsverhältnis bei der …(Beklagten).. mit Ablauf des 31.05.2012.“

Nach dem 31.05.2012 arbeitete die Klägerin nicht mehr für die Beklagte. Vom 01.08.2012 bis zum 31.03.2014 wurde sie von der Yyy AG an die Krankenkasse der Bahnbeamten abgeordnet. Danach bot ihr die Yyy AG an, sie zur Beklagten abzuordnen. Die Klägerin lehnte dies ab, weil sie zu schlechteren Bedingungen als in ihrem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten dort die Arbeit wieder aufnehmen sollte. Nach dem 31.03.2014 wies die Yyy AG der Klägerin keine dauerhafte amtsangemessene Tätigkeit mehr zu.

Weil sie von der Beklagten nicht mehr weiterbeschäftigt wurde, wandte sich die Klägerin an Bundestagsabgeordnete, das Bundesfinanzministerium und den Petitionsausschuss. Zu den Eingaben der Klägerin musste die Beklagte mehrere Stellungnahmen abgeben. Die Klagschrift, mit der die Klägerin zunächst von der Beklagten forderte, als Mitarbeiterin in der Auftragsabwicklung beschäftigt zu werden, ging am 22.07.2014 beim Arbeitsgericht ein und wurde der Beklagten am 28.07.2014 zugestellt.

Mit Schreiben vom 12.09.2014 unterrichtete die Beklagte den Betriebsrat darüber, dass sie beabsichtige, das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin personenbedingt außerordentlich mit sozialer Auslauffrist zum 30.06.2015 zu kündigen. Sie bat den Betriebsrat, dem Kündigungsvorhaben im Rahmen des Verfahrens nach § 102 BetrVG zuzustimmen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Anlage B 8 zum Schriftsatz der Beklagten vom 17.10.2014, Arb Bl. 85 ff. verwiesen. Das Schreiben ging dem Betriebsrat am 16.09. zu. Er gab keine Stellungnahme ab. Zeitgleich wurde die Schwerbehindertenvertretung angehört.

Das Integrationsamt stimmte der beabsichtigten außerordentlichen Kündigung am 01.10.2014 zu. Die Klägerin legte gegen die Zustimmung erfolglos Widerspruch ein. Sie erhob am 18.06.2015 vor dem Verwaltungsgericht Klage (8 K 3122/15).

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Schreiben vom 02.10.2014 vorsorglich außerordentlich zum 30.06.2015. Mit der Klagerweiterung vom 09.10. erhob die Klägerin hiergegen Kündigungsschutzklage. Die Klagerweiterung ging am 10.10. beim Arbeitsgericht ein und wurde der damaligen Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 13.10.2014 zugestellt.

Die Klägerin hat vorgetragen, die ausgesprochene Kündigung sei aus mehreren Gründen unwirksam:

– Tarifwidrig enthalte das Kündigungsschreiben keine Kündigungsbegründung.

– Sie sei gem. § 1 KSchG sozial ungerechtfertigt. Es bestehe keine Pflichtenkollision zwischen ihrem Beamtenstatus und ihren Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis. Sie möchte arbeiten, die Beklagte nehme jedoch ihre Arbeit nicht an. Sie könne das Beamtenverhältnis auch beenden.

Die Klägerin hat beantragt,

1. es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 02.10.2014, zum 30.06.2015 beendet wird.

2. es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungsgründe endet, sondern zu unveränderten Bedingungen über den 30.06.2015 hinaus fortbesteht.

3. die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin bis zur rechtskräftigen Beendigung des vorliegenden Rechtsstreits zu den bisherigen Arbeitsbedingungen als Mitarbeiterin zur Auftragsabwicklung im Funktionsbereich 2, zu beschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, das Arbeitsverhältnis der Parteien sei bereits mit der Beendigung der Beurlaubung erloschen. Mit dem Ende der Beurlaubung der Klägerin als Beamtin sei die Geschäftsgrundlage des Arbeitsverhältnisses entfallen, denn die Beurlaubung sei Voraussetzung dafür, dass das Arbeitsverhältnis realisiert werden könne. Die Klägerin könne nicht gleichzeitig als Beamtin und Arbeitnehmerin arbeiten. Zudem habe die Klägerin ihre Rechte aus dem Arbeitsverhältnis verwirkt. Sie habe sich nicht gegen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gewehrt.

Zumindest werde die außerordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis der Parteien beenden. Der Weiterbeschäftigung der Klägerin stehe ein Grund in ihrer Person entgegen. Als nicht mehr beurlaubte Beamtin sei die Klägerin außer Stande, ihre arbeitsvertraglichen Pflichten zu erfüllen.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 18.12.2014 festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 02.10.2014 nicht am 30.06.2015 enden werde. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Das Arbeitsverhältnis der Parteien habe nicht am 31.05.2012 geendet. Die Parteien hätten im Arbeitsvertrag keine Vereinbarung getroffen, dass das Arbeitsverhältnis unter der auflösenden Bedingung der Verweigerung einer weiteren Beurlaubung der Klägerin als Beamtin stehe. Über die Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage könne das Schriftformerfordernis des § 21 TzBfG nicht umgangen werden. Die außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses sei unbegründet. Der personenbedingte Kündigungsgrund sei nur vorgeschoben. Tatsächlich sei der Klägerin wegen des Personalabbaus gekündigt worden. Die Beklagte hätte alle zumutbaren Maßnahmen ergreifen müssen, um die Kündigung der ordentlich unkündbaren Mitarbeiterin zu vermeiden. Hinzu komme, dass die Klägerin die Option habe, aus dem Beamtenverhältnis auszuscheiden, um die von der Beklagten befürchtete Kollisionslage zu vermeiden. Schließlich sei die Anhörung des Betriebsrats fehlerhaft, denn ihm sei der angekündigte Kündigungsgrund verschwiegen worden.

Das Urteil des Arbeitsgerichts wurde der damaligen Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 13.02.2015 zugestellt. Die Berufung der Beklagten ging am 20.02. die Berufungsbegründung am 13.04. beim Landesarbeitsgericht ein. Die Berufungsbegründung wurde dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 20.04. zugestellt. Die Berufungserwiderung erreichte das Landesarbeitsgericht innerhalb der verlängerten Berufungserwiderungsfrist am 19.06.2015. Die Klägerin nahm ihre ursprünglich eingelegte Berufung wieder zurück.

Die Beklagte trägt vor, das Arbeitsverhältnis der Parteien habe bereits am 31.05.2012 geendet. Es habe unter der auflösenden Bedingung gestanden, dass die Beurlaubung der Klägerin als Beamtin nicht mehr verlängert werde. Das Schriftformerfordernis des § 21 TzBfG sei gewahrt. § 1 des Arbeitsvertrags verweise auf die Konzernbetriebsvereinbarung und den Tarifvertrag. Die Auslegung der kollektivrechtlichen Bestimmungen und des Arbeitsvertrags im Zusammenhang ergebe zwingend die Konnexität zwischen dem Arbeitsverhältnis einerseits und der beamtenrechtlichen Beurlaubung andererseits. Zumindest sei die Geschäftsgrundlage des Arbeitsverhältnisses, die Beurlaubung der Klägerin entfallen, weshalb es keiner Kündigung des Arbeitsverhältnisses mehr bedurft habe.

Spätestens werde das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche Kündigung vom 02.10.2014 mit Ablauf des 30.06.2015 aufgelöst. Die Voraussetzungen einer personenbedingten Kündigung lägen vor. Die Klägerin könne bei ihr (der Beklagten) keine Tätigkeit aufnehmen, ohne dass sie als Beamtin beurlaubt sei. Eine Weiterarbeit der Klägerin ohne Beurlaubung ließe sich nicht mit ihren gesetzlichen Pflichten als Beamtin in Einklang bringen. Dieser Kündigungsgrund sei nicht vorgeschoben. Sie habe nach der allgemeinen Lebenserfahrung auch nicht davon ausgehen müssen, dass die Klägerin ohne Weiteres aus dem Beamtenverhältnis ausscheiden werde, um in einer Beschäftigungsgesellschaft weiterzuarbeiten. Gegen eine solche Annahme habe bereits der Status der Klägerin als schwerbehinderter Mensch gesprochen.

Sie sei nicht verpflichtet gewesen, auf eine erneute Sonderbeurlaubung der Klägerin durch ihren Dienstherrn hinzuwirken. Die Beurlaubung der Klägerin bis zum 31.05.2012 habe regulär geendet. Das habe die Yyy AG schon im Bescheid vom 04.03.2010 gegenüber der Klägerin so vorgesehen. Die Beendigung der Sonderbeurlaubung hänge zwar damit zusammen, dass sie (die Beklagte) auf Grund schlechter Geschäftszahlen eine unternehmerische Umstrukturierung habe vornehmen müssen, die mit einer Reduktion des Personalbestandes verbunden gewesen sei. Das ändere aber nichts daran, dass die betroffenen Beamten und Beamtinnen keinen Anspruch auf Gewährung der Sonderbeurlaubung gehabt hätten. Klagen mit dem Ziel einer weiteren Beurlaubung seien von den Verwaltungsgerichten abgewiesen worden.

Was die Anhörung des Betriebsrats betreffe, habe das Arbeitsgericht den Grundsatz der subjektiven Determination nicht beachtet. Sie habe ihre Kündigung allein auf die personenbedingten Gründe und nicht auf betriebsbedingte Gründe gestützt. Dementsprechend habe sie den Betriebsrat über die aus ihrer Sicht maßgeblichen Umstände informiert.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Karlsruhe vom 18. Dezember 2014, Az.: 8 Ca 328/14, teilweise abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Zurückweisung der Berufung.

Sie trägt vor, die Berufung der Beklagten sei unzulässig. Sie setze sich nicht mit dem angegriffenen Urteil auseinander. Im Übrigen verweist die Klägerin im Wesentlichen auf die Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag (im Einzelnen s. Schriftsatz vom 19.06.2015, Bl. 139 ff. der Akte).

Entscheidungsgründe

I.

Das Verfahren war nach der Berufungsverhandlung entscheidungsreif, obwohl zu diesem Zeitpunkt noch keine rechtskräftige verwaltungsgerichtliche Entscheidung über die Zustimmung des Integrationsamts zur außerordentlichen Kündigung der Beklagten vom 02.10.2014 vorlag. Eine Aussetzung des Verfahrens nach § 148 ZPO war nicht angezeigt, weil eine rechtskräftige Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht absehbar war. Darüber hinaus ist nicht ersichtlich, mit welchen Argumenten die Klägerin die Zustimmung des Integrationsamts erfolgreich anfechten will (vgl. zur Aussetzungsproblematik: BAG, Urteil vom 26.09.1991, 2 AZR 132/91, NZA 1992, 1073 (1076 ff unter B der Entscheidungsgründe)).

II.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Karlsruhe vom 18.12.2014 (8 Ca 328/14) ist zulässig. Sie ist gem. § 64 Abs. 1, Abs. 2 c ArbGG statthaft und wurde gem. § 519 ZPO i.V. mit § 64 Abs. 6 ArbGG bzw. gem. § 66 Abs. 1 ArbGG form- und fristgerecht eingelegt und begründet. Die Berufung setzt sich mit dem Urteil des Arbeitsgerichts auseinander (§ 520 Abs. 3 Nrn. 2 und 3 ZPO i.V. mit § 64 Abs. 6 ArbGG).

Zur geltend gemachten Vertragsbeendigung am 31.05.2012 hält die Berufung dem Arbeitsgericht vor, die Vereinbarung einer auflösenden Bedingung sei aus § 1 Nr. 2 des Arbeitsvertrags abzuleiten. Dieser verweise auf die tariflichen und betrieblichen Regelungen. Das Zusammenspiel dieser Regelungen mit dem Arbeitsvertrag mache deutlich, dass die Beschäftigung der Klägerin bei ihr nur vorübergehender Natur und von ihrem jeweiligen Beamtenstatus abhängig sei. Daraus leite sich die geltend gemachte auflösende Vertragsbedingung ab.

Zur außerordentlichen Kündigung vom 02.10.2014 legt die Beklagte in ihrer Berufungsbegründung dar, weshalb sie entgegen dem Arbeitsgericht der Meinung ist, dass die Klägerin ohne Beurlaubung als Beamtin nicht mehr für sie arbeiten könne und dass deshalb dieser Kündigungsgrund nicht vorgeschoben sei. Die Beklagte geht zudem auf den Zusammenhang mit ihren Konsolidierungsmaßnahmen ein und erläutert, weshalb sie entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts nicht damit hätte rechnen können, dass die Klägerin zum Erhalt des Arbeitsverhältnisses aus dem Beamtenverhältnis ausscheiden würde. Schließlich befasst sich die Berufungsbegründung mit der Anhörung des Betriebsrats. Die Beklagte hat sich mit allen entscheidungserheblichen Argumenten des Arbeitsgerichts auseinandergesetzt.

Die Berufung ist zulässig.

III.

Die Berufung ist auch begründet. Das Arbeitsgericht hat dem Klagantrag Ziff. 1 zu Unrecht stattgegeben. Der zulässige Klagantrag ist unbegründet. Zwar wurde das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht vor dem 30.06.2015 beendet (1). Die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 02.10.2014 hat das Arbeitsverhältnis aber mit Ablauf des 30.06.2015 aufgelöst (2).

1. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete nicht vor dem 30.06.2015, weil die Beurlaubung der Klägerin bereits am 31.05.2012 auslief (a) bzw. die Klägerin ihre Rechte aus dem Arbeitsvertrag verwirkte (b).

a) aa) Das Arbeitsgericht hat zutreffend festgestellt, dass die Parteien keine auflösende Bedingung mit dem Inhalt vereinbart haben, dass das Arbeitsverhältnis ende, wenn die Beurlaubung der Klägerin als Beamtin nicht mehr verlängert werde. Eine solche Vereinbarung findet sich im Arbeitsvertrag vom 06.05.2002 nicht, insbesondere nicht in § 4 Nr. 4. In dieser Vertragsbestimmung sind die Fälle aufgelistet, in denen das Arbeitsverhältnis der Parteien endet, ohne dass es einer Kündigung bedarf. Aus den tariflichen und betrieblichen Regelungen ergibt sich nichts Anderes. Im Gegenteil, sowohl § 8 der Konzernbetriebsvereinbarung über die Rahmenbedingungen des Wechsels von Beschäftigten zur Beklagten (Anlage B 12, Anlagenband, Bl. 4 (9)) als auch § 8 des Tarifvertrags über die Rahmenbedingungen des Wechsels von Arbeitnehmern der Xxx AG zur Beklagten (Anlage B 13, Anlagenband, Bl. 13 (19)) verweisen für Fälle der Rückkehr zur Xxx AG auf den Abschluss eines Auflösungsvertrags mit der Beklagten.

Dass Beurlaubung und Arbeitsvertrag Zusammenhängen und dass das Arbeitsverhältnis der Parteien in Abhängigkeit vom Beamtenstatus der Klägerin und ihren Einsatzmöglichkeiten als Beamtin nicht auf Dauer angelegt war, besagt nichts darüber, wie dieser Zusammenhang zwischen Beamten- und Arbeitsverhältnis rechtstechnisch umgesetzt wird. Eine konkrete Vereinbarung der Parteien über eine auflösende Bedingung lässt sich aus allgemeinen Regelungszusammenhängen nicht ableiten.

bb) Der Wegfall der Geschäftsgrundlage hat nicht die automatische Auflösung des betreffenden Vertragsverhältnisses zur Folge. Gem. § 313 Abs. 1 BGB kann zunächst die Anpassung des Vertrags an die veränderte Geschäftsgrundlage verlangt werden. Ist eine Anpassung nicht möglich oder einem Vertragspartner unzumutbar, besteht ein Rücktrittsrecht (§ 313 Abs. 3 BGB). D.h. der Wegfall der Beurlaubung der Klägerin löste das Arbeitsverhältnis der Parteien auch unter diesem Gesichtspunkt nicht auf. Die Beklagte hatte die Möglichkeit der veränderten Geschäftsgrundlage dadurch Rechnung zu tragen, dass sie das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin kündigte.

Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete somit nicht am 31.05.2012.

b) Die Klägerin hat ihre Rechte aus dem Arbeitsvertrag vor dem 30.06.2015 nicht gem. § 242 BGB verwirkt. Ein Rechtsanspruch ist dann verwirkt, wenn er über längere Zeit nicht geltend gemacht wird (Zeitmoment) und der Schuldner (hier die Beklagte) auf Grund des Verhaltens des Gläubigers (hier der Klägerin) darauf vertraut, dass er mit dem Rechtsanspruch nicht mehr konfrontiert wird. Weshalb er entsprechende Dispositionen trifft, die er ohne das eingetretene Vertrauen nicht getroffen hätte (Umstandsmoment – vgl. Palandt/Grüneberg, Bürgerliches Gesetzbuch, 74. Aufl. 2015, § 242 Rn. 93 ff.).

Zwar liegen zwischen dem 01.06.2012, dem ersten Arbeitstag, an dem die Klägerin nicht mehr von der Beklagten beschäftigt wurde, und dem 28.07.2014, an dem der Beklagten die Klagschrift zugestellt wurde, mehr als zwei Jahre, sodass das Zeitmoment erfüllt ist. Die Beklagte konnte hieraus aber nicht ableiten, die Klägerin werde ihr gegenüber keine Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis mehr geltend machen, weil die Klägerin ihr Ziel, das Arbeitsverhältnis zu erhalten, außergerichtlich über andere Gremien weiterverfolgte und die Beklagte hiervon Kenntnis hatte.

Eine Verwirkung der Rechte aus dem Arbeitsverhältnis vor Klagerhebung kommt daher nicht in Betracht. Das Arbeitsverhältnis der Parteien bestand am 30.06.2015.

2. Die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 02.10.2014 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Ablauf des 30.06.2015 aufgelöst. Die Kündigung ist wirksam. Sie erfüllt die Voraussetzungen des § 626 BGB. Der Beklagten war es bei Berücksichtigung aller Umstände und der beiderseitigen Interessen nicht zumutbar, das Arbeitsverhältnis der Parteien über eine soziale Auslauffrist hinaus aufrechtzuerhalten, bis die Klägerin die gesetzliche Altersgrenze für Beamte erreichen würde (§ 4 Nr. 4 a des Arbeitsvertrags). Der Betriebsrat wurde im Vorfeld der Kündigung ordnungsgemäß gem. § 102 Abs. 1 BetrVG angehört.

a) Die Kündigung der Beklagten ist nicht wegen Verstoßes gegen § 9 Nr. 3 Satz 2 MTV i.V. mit § 1 Abs. 2 des Arbeitsvertrags unwirksam. Nach § 9 Nr. 3 Satz 2 MTV sind die Kündigungsgründe auf Verlangen schriftlich anzugeben. Es gibt keine derartige Aufforderung der Klägerin. Der Satz „Die Beklagte möge vortragen, was sie unter „personenbedingten Gründen“ versteht“ (Schriftsatz vom 09.10.2014, S. 4, Arb Bl. 65) war lediglich die Aufforderung zur prozessualen Darlegung, die von der Beklagten geleistet wurde. Zudem ist die Einhaltung der Informationspflicht gem. § 9 Nr. 3 Satz 2 MTV nicht Wirksamkeitsvoraussetzung der bereits ausgesprochenen Kündigung. Die Tarifbestimmung ist dem § 626 Abs. 2 Satz 3 BGB nachgebildet, aus dem nicht abgeleitet wird, dass die Einhaltung der erst nach Zugang der Kündigung entstehenden Informationspflicht Wirksamkeitsvoraussetzung der Kündigung ist (vgl. Müller-Glöge, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 15. Aufl. 2015, 230 – § 626 Rn. 246).

Die außerordentliche Kündigung der Beklagten leidet entgegen der erstinstanzlich geäußerten Ansicht der Klägerin nicht an einem Formmangel.

b) Die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 02.10.2014 erfüllt die Voraussetzungen des § 626 Abs. 1 BGB. Der Umstand, dass die Klägerin von ihrem Dienstherrn nicht mehr als Beamtin beurlaubt wird, um ihre Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten erfüllen zu können, stellt einen wichtigen Grund dar, das Arbeitsverhältnis der Parteien außerordentlich zu kündigen.

aa) Gem. § 626 Abs. 1 BGB kann ein Arbeitsvertrag aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, derentwegen es dem Kündigenden unter Beachtung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragspartner nicht zugemutet werden kann, das Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der Kündigungsfrist fortzuführen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind die Voraussetzungen des § 626 Abs. 1 BGB in zwei Schritten zu prüfen. Zunächst ist festzustellen, ob der Kündigungssachverhalt ohne seine Besonderheiten „an sich“, d. h. typischer Weise geeignet ist, als wichtiger Grund die fristlose Kündigung eines Arbeitsverhältnisses zu begründen. Kann dies bejaht werden, ist in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob dem Kündigenden bei Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls und der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zugemutet werden kann (vgl. BAG, Urteil vom 10.06.2010, 2 AZR 541/09, NZA 2010, 1227, Rn. 16; Urteil vom 25.10.2012, 2 AZR 495/11, NZA 2013, 319, Rn. 14).

bb) Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts beschränkt sich der Kündigungssachverhalt, wie von der Beklagten vorgetragen, darauf, dass die Klägerin von der Yyy AG nicht mehr beurlaubt wird. Es handelt sich um einen personenbedingten Kündigungsgrund, weil die Störung des Arbeitsverhältnisses von den persönlichen Verhältnissen der Klägerin, ihrem Beamtenverhältnis, ausgeht (vgl. BAG, Urteil vom 24.03.2011, 2 AZR 790/09, NZA 2011, 1084, Rn. 13).

Die Kündigung der Beklagten wird nicht deshalb zu einer betrieblich veranlassten Kündigung, weil die Nichtverlängerung der Beurlaubung darauf beruht, dass die Beklagte Personal abbaute. Für die Zukunft des Arbeitsverhältnisses kommt es nicht auf den Anlass an, der dazu geführt hat, dass die Beurlaubung nicht verlängert wird. Angesichts zweier Berufsverhältnisse der Klägerin stellt sich in jedem Fall – also auch wenn die Beurlaubung aus anderen Gründen als einem Personalabbau bei der Beklagten nicht verlängert wird – die Frage, ob das Arbeitsverhältnis der Parteien auch bei einem aktiven Beamtenverhältnis aufrechterhalten werden kann. Die Klägerin kann nicht gleichzeitig für die Yyy AG als Beamtin und für die Beklagte als Arbeitnehmerin in Vollzeit arbeiten (vgl. auch LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 30.08.2007, 21 Sa 25/07, Rn. 25).

Die Landesarbeitsgerichte Hamburg (Urteil vom 24.04.2014, 1 Sa 46/13, Rn. 38 ff.) und Hamm (Urteil vom 13.11.2014, 15 Sa 1531/13, Rn. 61) sehen in der fehlenden Beurlaubung der Klägerin keinen personenbedingten Kündigungsgrund, weil die Beamtin in einer solchen Situation weder rechtlich noch tatsächlich daran gehindert sei, ihren Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis nachzukommen. Das LAG Hamburg verweist darauf, dass die dortige Klägerin ihre Beurlaubung beantragen und damit Erfolg haben könnte, dass sie die Möglichkeit habe, aus dem Beamtenverhältnis auszuscheiden, und dass sie unter Verletzung ihrer dienstlichen Pflichten aus dem Beamtenverhältnis ihre Tätigkeit bei der Beklagten fortsetzen könne.

Die zuletzt genannte Möglichkeit macht deutlich, dass die Klägerin (dienst)rechtlich daran gehindert ist, ihre arbeitsvertraglichen Pflichten zu erfüllen, solange sie an ihrem Beamtenverhältnis festhält und nicht beurlaubt ist. Nach den Gegebenheiten zum Zeitpunkt der Kündigung im Oktober 2014 war sie auch tatsächlich daran gehindert, nach dem 30.06.2015 ihre Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten zu erfüllen. Es gab keine Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin zur Erhaltung des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten aus dem Beamtenverhältnis ausscheiden oder unter Verletzung ihrer Dienstpflichten als Beamtin bei der Beklagten Weiterarbeiten würde.

Die Klägerin hatte seit dem Wechsel zur Beklagten mehr als zwölf Jahre an ihrem Beamtenverhältnis festgehalten. Es gab zum Kündigungszeitpunkt keinen Anlass zu der Annahme, sie werde jetzt, zu einem Zeitpunkt, in dem die Beklagte Arbeitsplätze abgebaut hatte, die wirtschaftliche Sicherheit des Beamtenverhältnisses zu Gunsten des (dann beitragspflichtigen und nicht mehr ruhegehaltsfähigen) Arbeitsverhältnisses aufgeben. Die Klägerin selbst hat nichts Derartiges vorgetragen. Sie verwies erstinstanzlich lediglich abstrakt auf die Möglichkeit, aus dem Beamtenverhältnis auszuscheiden. Ebenso wenig hatte die Beklagte zum Kündigungszeitpunkt Anlass, die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, die Klägerin werde zum Erhalt des Arbeitsverhältnisses ihre Dienstpflichten als Beamtin verletzen. Schon mit Rücksicht auf die Person der Klägerin konnte ihr eine derartige Verhaltensweise nicht unterstellt werden, ganz abgesehen von den Folgen, die ein dauerhaft dienstrechtswidriges Verhalten der Klägerin für ihr Beamtenverhältnis hätte.

Für die Beklagte gab es zum Kündigungszeitpunkt schließlich keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Yyy AG die Klägerin erneut beurlauben würde. Die Klägerin hatte mehr als zwei Jahre, nachdem ihre Beurlaubung abgelaufen war, keinen Antrag auf Beurlaubung gestellt. Es war auch absehbar, dass die Yyy AG einem solchen Antrag nicht stattgegeben hätte. Die Yyy AG selbst hatte die Konzernbetriebsvereinbarung über den Interessenausgleich/Sozialplan anlässlich der Wechsel von Beschäftigten der Beklagten zur Yyy AG, Niederlassung Brief abgeschlossen, war also an den Konsolidierungsmaßnahmen der Beklagten unmittelbar beteiligt. Sie hatte Neuanträge anderer Beamtinnen, die bei der Beklagten ursprünglich beschäftigt waren, abgelehnt. Ein Rechtsanspruch der Klägerin auf eine Beurlaubung zur Beschäftigung bei der Beklagten bestand weder nach § 4 Abs. 3 Postpersonalrechtsgesetz („Die Beurlaubung dient dienstlichen Interessen.“) noch nach § 13 Sonderurlaubsverordnung („Urlaub … kann gewährt werden, …“).

Aus diesem Grund kann die Beklagte entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts auch nicht darauf verwiesen werden, sie hätte sich vor Ausspruch der Kündigung um eine Neubeurlaubung der Klägerin zum Erhalt des ordentlich nicht kündbaren Arbeitsverhältnisses bemühen müssen. Die Entscheidungssituation der Yyy AG war eindeutig. Sie hatte selbst an den Konsolidierungsmaßnahmen der Beklagten mitgewirkt. Entsprechende Bemühungen der Beklagten hätten von vornherein keine Aussicht auf Erfolg gehabt. Daran ändert auch die der Klägerin zwischenzeitlich angebotene Abordnung zur Beklagten nichts. Die Klägerin hat hierzu festgestellt, dass diese gerade nicht zu den Bedingungen einer Beurlaubung erfolgen sollte.

Bei der außerordentlichen Kündigung der Beklagten vom 02.10.2014 handelte es sich um eine personenbedingte Kündigung, die darauf beruht, dass die Klägerin nicht mehr im Hinblick auf ihr Arbeitsverhältnis bei der Beklagten als Beamtin beurlaubt ist und deshalb ihre arbeitsvertraglichen Pflichten nicht mehr erfüllen kann.

cc) Die fehlende Beurlaubung der Klägerin von ihrem Beamtenverhältnis ist an sich geeignet, die außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu begründen. Zwar ist die außerordentliche Kündigung eines Arbeitsverhältnisses aus personenbedingten Gründen im Normalfall ausgeschlossen. Liegen personenbedingte Kündigungsgründe vor, muss der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis ordentlich kündigen, weil ihm die Einhaltung der Kündigungsfrist bei Kündigungsgründen, die nicht auf das Verhalten des Arbeitnehmers zurückzuführen sind, regelmäßig zumutbar ist. Die außerordentliche Kündigung eines Arbeitsverhältnisses aus personenbedingten Gründen ist jedoch ausnahmsweise mit Auslauffrist möglich, wenn das Arbeitsverhältnis nicht ordentlich kündbar ist und es bei Fortbestehen sinnentleert wäre (vgl. BAG, Urteil vom 18.10.2000, 2 AZR 627/99, NZA 2001, 219 (220); Urteile vom 23.01.2014, 2 AZR 372/13, NZA 2014, 895, Rn. 17 und 2 AZR 582/13, NZA 2014, 962, Rn. 26).

Das Arbeitsverhältnis der Klägerin war zum Kündigungszeitpunkt gem. § 9 Nr. 6 MTV i.V. mit § 1 Abs. 2 des Arbeitsvertrags nicht ordentlich kündbar. Die Klägerin war älter als 50 Jahre und länger als 10 Jahre bei der Beklagten beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis der Parteien wäre auch nach Ablauf der fiktiven tariflichen Kündigungsfrist von 6 Monaten zum Quartalsende (§ 9 Nr. 4 MTV) am 30.06.2015 sinnentleert gewesen. Die Klägerin hätte der Beklagten mangels Beurlaubung von ihrem Beamtenverhältnis als Arbeitnehmerin dauerhaft nicht zur Verfügung gestanden. Sie hätte ihre Arbeitspflichten nicht erfüllen können. Die Beklagte wäre gem. § 326 Abs. 1 BGB von ihrer Vergütungspflicht befreit gewesen. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hätte nach dem 30.06.2015 nur auf dem Papier bestanden (vgl. auch BAG, Urteil vom 24.03.2011, 2 AZR 790/09, NZA 2011, 1084, Rn. 15, 19 f. zur Haft als personenbedingtem Kündigungsgrund). Die fehlende Beurlaubung der Klägerin war grundsätzlich ein wichtiger Grund, das Arbeitsverhältnis der Parteien gem. § 626 Abs. 1 BGB außerordentlich mit Auslauffrist zu kündigen.

dd) Die Abwägung der beiderseitigen Interessen führt zu keinem anderen Ergebnis. Das Interesse der Beklagten an einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses überwog das Interesse der Klägerin an dessen Fortführung nach dem 30.06.2015. Zwar ist im Rahmen der Interessenabwägung zu Lasten der Beklagten zu berücksichtigen, dass sie durch Erstellen der maßgeblichen Personallisten daran mitwirkte, dass die Beurlaubung der Klägerin nicht verlängert wurde. Das ändert aber nichts daran, dass die Aktivierung des Beamtenverhältnisses der Klägerin eine dauerhafte Entscheidung der Yyy AG war, auf die die Beklagte zum Kündigungszeitpunkt keinen Einfluss nehmen konnte. Maßgeblich bleibt, dass die Entscheidung der Yyy AG es ausschließt, dass die Beklagte nach dem 30.06.2015 noch einmal über die Arbeitskraft der Klägerin verfügen könnte. Aus diesem Grund hatte sie trotz ihrer Mitwirkung an der Nichtverlängerung der Beurlaubung ein berechtigtes Interesse daran, das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit Auslauffrist zu beenden.

Auf der anderen Seite ist das Interesse der Klägerin am Erhalt des Arbeitsverhältnisses aus zwei Gründen als gering zu bewerten. Ihr nützt ein Arbeitsverhältnis nichts, aus dem ihr keine Rechte mehr erwachsen, weil sie die vertragliche Hauptpflicht nicht mehr erfüllen kann. Hinzu kommt, dass die Kündigung der Beklagten für sie nicht mit dem Risiko der Arbeitslosigkeit verbunden ist. Mit der Beendigung der Beurlaubung wird ihr letztlich ihre eigentliche Rechtsposition als Bundesbeamtin wiedereröffnet, an der sie auch festhalten will. Die Probleme, mit denen die Klägerin – wie sie in der Berufungsverhandlung berichtete – aktuell im Beamtenverhältnis konfrontiert ist, sind im Rahmen des Beamtenverhältnisses und nicht – überspitzt formuliert – durch Flucht in das Arbeitsverhältnis zu lösen. Sie sind jedenfalls nicht geeignet, dem Interesse der Klägerin am Erhalt des Arbeitsverhältnisses gegenüber der Beklagten, die nicht Dienstherrin des Beamtenverhältnisses ist, zusätzlich Gewicht zu verleihen.

Der Beklagten war es somit bei Berücksichtigung aller Umstände und der beiderseitigen Interessen nicht zumutbar, das Arbeitsverhältnis der Parteien über den 30.06.2015 hinaus fortzusetzen, bis die Klägerin die gesetzliche Altersgrenze für Beamte erreicht hätte. Die Voraussetzungen des § 626 Abs. 1 BGB sind erfüllt.

c) Die 2-Wochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB ist eingehalten. Das Fehlen einer Beurlaubung stellt einen Dauertatbestand dar, an dem die Frist jederzeit anknüpfen kann.

d) Schließlich ist die außerordentliche Kündigung der Beklagten auch nicht entsprechend § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam. Aus dem Abschnitt b) bb) ergibt sich, dass die Beklagte den Betriebsrat ordnungsgemäß über den maßgeblichen Kündigungssachverhalt unterrichtet hat.

Die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 02.10.2014 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Ablauf des 30.06.2015 aufgelöst. Der Klagantrag Ziff. 1 ist unbegründet. Auf die Berufung der Beklagten war das Urteil des Arbeitsgerichts teilweise abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

IV.

1. Ais unterlegene Partei hat die Klägerin gem. § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten des gesamten Rechtsstreits zu tragen.

2. Die Revision wurde gem. § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG zugelassen.

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